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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 2 M 114/06
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 10 III 2
AufenthG § 25 IV 2
AufenthG § 58 II
AufenthG § 60a II
1. § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG entspricht inhaltlich weitgehend der Regelung des § 30 Abs. 2 AuslG mit der Folge, dass weiterhin eine besondere, für andere Ausländer in vergleichbarer Lage nicht gegebene Situation vorliegen muss, die eine Ausreise als nicht zumutbar erscheinen lässt.

2. Eine solche - besondere - Lage ergibt sich für einen abgelehnten Asylbewerber nicht allein daraus, dass er sich seit mehreren Jahren im Bundesgebiet aufhält.

3. Eine Aussetzung der Abschiebung kommt erst in Betracht, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist.

4. Die in § 58 Abs. 2 Satz 1 AufenthG für die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht normierte Voraussetzung, dass eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, gilt auch für die Fälle des § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 114/06

Datum: 23.02.2006

Gründe:

I.

Der am .....1979 geborene Antragsteller reiste Ende 1996 in das Bundesgebiet ein. Den von ihm gestellten Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter, in dem er angab, liberianischer Staatsangehöriger zu sein, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 18.12.1996 als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG offensichtlich nicht vorliegen und auch Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Sierra Leone oder in einen anderen aufnahmebereiten oder -verpflichteten Staat angedroht. In der Folgezeit erteilte der Landkreis Z. dem Antragsteller mehrfach Duldungen. Bei einer Vorführung des Antragstellers in der liberianischen Botschaft am 22.02.2000 konnte die (behauptete) liberianische Staatsangehörigkeit nicht festgestellt werden. Eine Vorführung bei der Botschaft von Gambia führte ebenfalls zu keinem Ergebnis. Mit Schreiben vom 25.05.2001 erklärte der Antragsteller, er stamme aus Sierra Leone; aus Angst vor einer Abschiebung in sein Heimatland habe er vorgegeben, liberianischer Staatsangehöriger zu sein. Mit Schreiben vom 07.12.2001 bestätigte die Botschaft Sierra Leones die Staatsangehörigkeit des Antragstellers, teilte aber zugleich mit, dass wegen der momentan herrschenden politischen Situation in Sierra Leone von der Botschaft in Deutschland kein Dokument, z. B. Pass, ausgestellt werden könne. Am 24.09.2002 erteilte der Landkreis A.-Z. dem Antragsteller daraufhin eine bis zum 23.09.2003 befristete Aufenthaltsbefugnis, die am 28.10.2003 bis zum 23.09.2004 verlängert wurde.

Den am 23.09.2004 gestellten Antrag auf (nochmalige) Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 08.11.2005 ab und gab zur Begründung an, nach einer Auskunft der Zentralen Abschiebestelle stelle die Botschaft von Sierra Leone für zur freiwilligen Ausreise bereite Staatsangehörige jederzeit wieder Passersatzpapiere aus, so dass der Antragsteller nicht mehr unverschuldet an seiner Ausreise gehindert sei, die auch keine außergewöhnliche Härte darstelle. Hiergegen hat der Antragsteller am 05.12.2005 Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist. Zugleich beantragte er die Erteilung einer Duldung.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem angefochtenen Beschluss vom 13.01.2006 abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Verlängerung bzw. Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG komme nicht in Betracht, da es dem Antragsteller nunmehr möglich sei, die zu seiner Ausreise erforderlichen Reisedokumente zu beschaffen. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, da sich der Antragsteller nicht in einer individuell-persönlichen Ausnahmesituation befinde. Zudem stehe nach § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG der begehrten Aufenthaltserlaubnis entgegen, dass der Asylantrag des Antragstellers als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sei. Auch die hilfsweise begehrte Erteilung einer Duldung komme nicht in Betracht. Da die von der Antragsgegnerin gesetzte dreimonatige Frist zur freiwilligen Ausreise noch nicht abgelaufen und die Ausreisepflicht daher noch nicht vollziehbar sei, sei eine Aussetzung der Abschiebung ausgeschlossen.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin vom 08.11.2005 und den hilfsweise gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Duldung weiter. Zur Begründung macht er geltend, das Verlassen des Bundesgebiets stelle für ihn auf Grund des langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet und seiner damit in Verbindung stehenden Integrationsleistungen eine besondere Härte dar. Die Neuregelung in § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG sei hier nicht anwendbar. Auch sei die Erteilung einer Duldung nicht ausgeschlossen, weil nach der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis die Ausreisepflicht unabhängig vom Ablauf der Ausreisefrist vollziehbar sei.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Die vom Antragsteller vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Dem Antragsteller steht der geltend gemachte Anspruch auf Verlängerung der am 23.09.2004 abgelaufenen Aufenthaltsbefugnis als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht zu. Nach dieser Vorschrift kann eine Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 AufenthG verlängert werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Diese Bestimmung entspricht inhaltlich weitgehend der Regelung des § 30 Abs. 2 AuslG (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/420, S. 79 f.; VGH BW, Beschl. v. 09.02.2005 - 11 S 1099/04 -, VBlBW 2006, 36) mit der Folge, dass weiterhin eine besondere, für andere Ausländer in vergleichbarer Lage nicht gegebene Situation vorliegen muss, die eine Ausreise als nicht zumutbar erscheinen lässt (vgl. Beschl. d. Senats v. 14.02.2006 - 2 M 106/06 -; vgl. zu § 30 Abs. 2 AuslG: BVerwG, Urt. v. 19.09.2000 - 1 C 14.00 -, InfAuslR 2001, 72). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass es an einer solchen Sondersituation des Antragstellers fehlt. Insbesondere lässt sich diese nicht allein daraus herleiten, dass sich der Antragsteller bereits seit mehr als neun Jahren im Bundesgebiet aufhält. Zwar hat der Gesetzgeber - wie der Antragsteller einwendet - in § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auf eine Regelung wie in § 30 Abs. 2 AuslG verzichtet, nach der die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Ausländers und seiner Familienangehörigen nicht als dringende humanitäre Gründe anzusehen sind, soweit der Ausländer nicht mit einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet rechnen durfte. Das Vorliegen einer Sondersituation des Ausländers ist aber - unabhängig davon, ob der Gesetzgeber mit diesem "Verzicht" den Anwendungsbereich des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG gegenüber der Vorgängerregelung hat erweitern wollen - nach wie vor erforderlich; dies gebieten die unverändert gebliebenen Merkmale "besondere Umstände des Einzelfalls" und "außergewöhnliche Härte" (vgl. VGH BW, Beschl. v. 09.02.2005, a. a. O.). Eine solche - besondere - Lage kann beispielsweise gegeben sein, wenn ein Ausländer in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland in besonderem Maß verwurzelt ist, weil er hier seine wesentliche Sozialisation erfahren hat (vgl. zu einem solchen Fall: OVG NW, Beschl. v. 20.05.2005 - 18 B 1207/04 - Juris: Einreise im Alter von sieben Jahren mit Eltern und Geschwistern, ununterbrochener Aufenthalt mit der gesamten Familie im Bundesgebiet über einen Zeitraum von mehr als 15 Jahren mit regelmäßiger Verlängerung von Aufenthaltsbefugnissen, Schulausbildung mit Hauptschulabschluss nach der 10. Klasse mit anschließender beruflicher Tätigkeit). Damit ist die Situation des Antragstellers nicht vergleichbar. Er teilt das Schicksal einer Vielzahl abgelehnter Asylbewerber, die auf Grund tatsächlicher Abschiebungshindernisse, seien sie selbst herbeigeführt oder auch unverschuldet, über einen längeren Zeitraum hinweg nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden können. Der Umstand, dass der Antragsteller - zwischenzeitlich - eine Beschäftigung gefunden hat, hebt ihn nicht in einer Weise aus diesem Personenkreis hervor, dass von einer atypischen Situation gesprochen werden könnte.

Da bereits die Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht vorliegen, musste die Antragsgegnerin auch keine Ermessenserwägungen anstellen.

Ferner kann offen bleiben, ob der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auch die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 AufenthG entgegenstehen würde, die bestimmt, dass vor der Ausreise kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf, wenn ein Asylantrag (unanfechtbar) nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt wurde. Insoweit sei allerdings darauf hingewiesen, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes die Anwendbarkeit dieser Vorschrift zweifelhaft ist, wenn die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 3 AsylVfG vor Inkrafttreten des AufenthG bestandskräftig geworden ist (vgl. Discher in: GK-AufenthG, § 10 RdNr. 194).

Auch der vom Antragsteller hilfsweise gestellte Antrag, mit der er im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Aussetzung seiner Abschiebung (Duldung) begehrt, hat keinen Erfolg. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine Aussetzung der Abschiebung erst in Betracht kommt, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar geworden ist (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, § 60a RdNr. 73, m. w. Nachw., sowie zu § 55 AuslG: VGH BW, Beschl. v. 03.11.1995 - 13 S 2185/95 -, DVBl 1996, 209). Beizupflichten ist dem Verwaltungsgericht auch darin, dass die Ausreisepflicht des Antragstellers erst mit Ablauf der ihm im Ablehnungsbescheid vom 08.11.2005 gesetzten Ausreisefrist von drei Monaten nach Zustellung des Bescheids vollziehbar (geworden) ist. Nach § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG ist die Ausreisepflicht unter anderem dann vollziehbar, wenn die Versagung des Aufenthaltstitels vollziehbar ist. Der Ablauf einer gesetzten Ausreisepflicht ist zwar in dieser Bestimmung nicht (ausdrücklich) als weiteres Tatbestandsmerkmal für die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht genannt; um einen Wertungswiderspruch zu den in § 58 Abs. 2 Satz 1 AufenthG geregelten Fällen des Eintritts der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht zu vermeiden, ist die in der zuletzt genannten Regelung normierte (weitere) Voraussetzung, dass eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, auch für die Fälle des § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu fordern (so auch Funke-Kaiser, a. a. O., § 58 RdNrn. 6 ff.; a. A.: VG Braunschweig, Beschl. v. 01.06.2005 - 6 B 60/05 - Juris). Eine gegen den Wortlaut vorzunehmende Auslegung einer Vorschrift kommt in Betracht, wenn die auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führen würde (vgl. BFH, Urt. v. 03.02.2000 - III R 30/98 - BFHE 190, 569). Wertungswidersprüche können dann nicht mehr hingenommen werden, wenn sie willkürliche, gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ergebnisse zur Folge haben (vgl. BayVGH, Urt. v. 29.06.1999 - 20 B 98.3241 -, NVwZ 2000, 215, m. w. Nachw.). So liegt es hier. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb beispielsweise derjenige, der unerlaubt eingereist ist (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) anders und besser behandelt werden soll als derjenige, der sich zunächst legal im Bundesgebiet aufgehalten hat und der überhaupt erst durch einen Verwaltungsakt ausreisepflichtig wird; außerdem wäre derjenige Ausländer, dessen Aufenthaltstitel schlicht abgelaufen ist (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG) gegenüber demjenigen, der unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Bestimmung einer Ausreisefrist ausgewiesen wird, ungerechtfertigt privilegiert (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O.).

Nachvollziehbare Gründe für eine unterschiedliche Behandlung der in § 58 Abs. 2 Satz 1 AufenthG einerseits und in § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG andererseits geregelten Fälle lassen sich auch der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 15/420, S. 91) nicht entnehmen. Nach den dortigen Ausführungen sollte der Hinweis auf die Ausreisefrist "aus Gründen der Klarstellung" in das Gesetz aufgenommen werden. Zutreffend weist allerdings Funke-Kaiser (a. a. O., § 58 RdNr. 7) darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung von dem bis zum Inkrafttreten des AufenthG geltenden (vgl. § 42 Abs. 3 Satz 1 AuslG) Grundsatz abgewichen ist, dass die Bestimmung einer Ausreisefrist regelmäßig die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht voraussetzt (vgl. VGH BW, Beschl. v. 16.03.1995 - 6 S 339/75 -, VBlBW 1995, 327). Es war (bislang) in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass mit der Bestimmung der Ausreisefrist die vollziehbare Ausreisepflicht dahin modifiziert wird, dass der Ausländer sich bis zum Ablauf der Frist noch im Bundesgebiet aufhalten darf (BVerwG, Urt. v. 22.12.1997 - 1 C 14.96 -, InfAuslR 1998, 217). Dass die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht für die Ausreisefrist Bedeutung hat und nicht umgekehrt, kommt nach wie vor in § 50 Abs. 3 AufenthG zum Ausdruck; danach wird die Ausreisefrist unterbrochen, wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt. Insofern stellt die Neuregelung in § 58 Abs. 2 Satz 1 AufenthG einen "Bruch im System" dar. Die Bezeichnung der Gesetzesänderung als bloße "Klarstellung" der bisherigen Rechtslage wäre zwar dann plausibel, wenn der Gesetzgeber bei der Fassung des § 58 Abs. 2 Satz 1 AufenthG irrtümlich davon ausgegangen sein sollte, mit dem Begriff "Vollziehbarkeit" sei die konkrete Anwendung des Zwangsmittels selbst (Abschiebung) gemeint und nicht etwa die "Vollstreckbarkeit mit den Mitteln des Verwaltungszwangs" (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., RdNr. 7). Träfe diese Vermutung zu, käme - wie der Antragsteller geltend macht - in der Tat eine Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 AufenthG in Betracht. Gegen eine Auslegung in diesem Sinne spricht aber, dass der Gesetzgeber damit eine völlig neue Bestimmung des Begriffs der "Vollziehbarkeit" vorgenommen und von dem allgemeinen verwaltungsverfahrens- und verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Begriffsverständnis abgewichen wäre (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O. RdNr. 7). Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine so weit gehende Änderung mit einer als "Klarstellung" bezeichneten Neufassung vornehmen wollte. Zudem würde bei einer solchen Auslegung des Begriffs "Vollziehbarkeit" ein Widerspruch zu § 58 Abs. 1 AufenthG entstehen, der bestimmt, dass eine Abschiebung, also die Anwendung des Zwangsmittels selbst, "die vollziehbare Ausreisepflicht" voraussetzt. Daher ist davon auszugehen, dass des Gesetzgeber in Wahrheit eine - wenn auch systematisch fragwürdige - materielle Änderung der Rechtslage vorgenommen hat (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., RdNr. 8, a. E.).

Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Antragstellers, die Möglichkeit, nach der Beschäftigungsverfahrensordnung (BeschVerfV) ohne Unterbrechung die Ausübung einer Beschäftigung zu gestatten, spreche dafür, dass bereits vor Ablauf der Ausreisefrist eine Duldung erteilt werden könne. Setzt die Ausländerbehörde eine konkrete Ausreisefrist, geht sie davon aus, dass nach Ablauf dieser Frist eine Ausreise möglich sein und daher auch tatsächlich erfolgen wird (vgl. Funke-Kaiser, a. a. O., § 60a RdNr. 73). Die Ausreisefrist soll dem Ausländer indes nur die Möglichkeit eröffnen, sich auf seine Ausreise vorzubereiten, nicht aber einer Beschäftigung nachzugehen. Stellt sich nach Ablauf der Ausreisefrist heraus, dass ein Abschiebungshindernis (weiter) besteht, ist die Abschiebung auszusetzen mit der Folge, dass die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 10 BeschVerfV (wieder) in Betracht kommt. Schließlich rechtfertigt auch der Umstand, dass die Ausreisefrist während des Beschwerdeverfahrens abgelaufen ist, nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 24.10.2005 - 2 M 184/05 -) sind neue Umstände beim vorläufigen Rechtsschutz grundsätzlich in Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO bzw. durch einen erneuten Antrag nach § 123 VwGO beim Gericht der Hauptsache einzubringen. Im Übrigen geht der Antragsteller in der Beschwerdebegründung davon aus, dass die Antragsgegnerin nach Ablauf der Ausreisfrist die Abschiebung wegen nach wie vor fehlender Reisedokumente wie beantragt aussetzen wird. Insoweit sei darauf hingewiesen, dass die Aussetzung der Abschiebung nach § 60a Abs. 2 AufenthG lediglich zur Voraussetzung hat, dass die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Bei tatsächlicher Unmöglichkeit dürfte es nicht darauf ankommen, ob der Ausländer freiwillig ausreisen könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.09.1997 - 1 C 3.97 -, BVerwGE 105, 232). Erst bei der Frage, ob dem Ausländer gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis wegen tatsächlicher Unmöglichkeit der Abschiebung erteilt werden kann oder soll, gewinnt die Weigerung des Ausländers, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfüllen, Bedeutung. Unabhängig davon hat der Gesetzgeber den Ausländerbehörden in § 61 AufenthG Möglichkeiten an die Hand gegeben, die Bereitschaft des Ausländers zur freiwilligen Ausreise zu fördern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG.

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