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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 17.09.2008
Aktenzeichen: 2 M 153/08
Rechtsgebiete: LSA-BauO


Vorschriften:

LSA-BauO § 71 Abs. 3 S. 2
Die einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage als Nebenbestimmung beigefügte Bedingung, dass zur Finanzierung der Rückbaukosten nach dauerhafter Nutzungsaufgabe vor Beginn der Bauarbeiten eine Sicherheitsleistung zu erbringen ist, ist mit der Anfechtungsklage isoliert und mit der Wirkung des § 80 Abs. 1 VwGO anfechtbar.
Gründe:

I.

Mit Bescheid vom 21.12.2007 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage in der Gemarkung L.. Die Genehmigung versah er mit einer Reihe von Nebenbestimmungen, darunter auch der Bedingung, dass die Antragstellerin zur Finanzierung der Rückbaukosten nach dauerhafter Nutzungsaufgabe vor Beginn der Bauarbeiten eine Sicherheitsleistung in Form einer Bankbürgschaft über 72.000,- € zu erbringen habe (Nr. III 2.1.2 bis 2.1.4 des Bescheides). Gegen diese Nebenbestimmung hat die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin am 04.01.2008 beim Verwaltungsgericht Halle Klage erhoben (2 A 3/08 HAL) und die Antragstellerin am 02.05.2008 beim selben Gericht um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht (2 B 81/08 HAL). In dem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat die Antragstellerin beantragt festzustellen, dass die von ihrer Rechtsvorgängerin erhobene Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung habe, hilfsweise, die aufschiebende Wirkung anzuordnen und höchst hilfsweise, den Antragsgegner zur Erteilung der Genehmigung ohne die genannte Nebenbestimmung zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht Halle hat die Anträge mit Beschluss vom 24.06.2008 abgelehnt.

II.

Die hiergegen gerichtete, gemäß § 146 Abs. 4 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet. Das einstweilige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin hat mit dem Hauptantrag Erfolg.

Die Antragstellerin macht zu Recht geltend, die von ihr erhobene Anfechtungsklage entfalte entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts aufschiebende Wirkung. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die in § 80 Abs. 2 VwGO geregelten Ausnahmen sind hier nicht einschlägig. Insbesondere hat nicht der Antragsgegner selbst nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der angefochtenen Nebenbestimmung angeordnet. Die aufschiebende Wirkung des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO entfällt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht deshalb, weil sich die Antragstellerin mit ihrer Klage ausschließlich gegen eine belastende Nebenbestimmung der sie begünstigenden Genehmigung wendet. Soweit sich Zweifel an der Zulässigkeit dieser isolierten Anfechtungsklage ergeben, stehen diese dem Eintritt der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Es ist bereits problematisch und im Einzelnen umstritten, inwiefern der Eintritt der aufschiebenden Wirkung überhaupt davon abhängt, ob die Anfechtungsklage zulässig ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 RdNr. 50). Während nach einer Ansicht die aufschiebende Wirkung unabhängig von der Zulässigkeit des Rechtsbehelfs ausgelöst werden kann, kommt nach der Gegenauffassung nur dem zulässigen Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zu (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 RdNr. 64). Nach vermittelnden Standpunkten entfällt der Suspensiveffekt nur bei offensichtlichen und/oder bestimmten schwerwiegenden Zulässigkeitsmängeln, zu denen u.a. die fehlende Statthaftigkeit der Anfechtungsklage gerechnet wird (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 25.08.1987 - Bs VI 31/87 - NVwZ 1987, 1002; OVGBBg, Beschl. v. 07.10.2003 - 2 B 332/02 - NVwZ-RR 2004, 315; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 RdNr. 65, Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 80 RdNr. 32; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 80 RdNr. 50). Der Senat kann den Streit offen lassen, weil die von der Antragstellerin erhobene Anfechtungsklage nach allen Auffassungen aufschiebende Wirkung entfaltet; denn sie ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts als isolierte Anfechtungsklage zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat insoweit anschließt, ist gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts die Anfechtungsklage gegeben (vgl. zuletzt: BVerwG, Urt. v. 22.11.2000 - 11 C 2/00 - BVerwGE 112, 221 mit weiteren Nachweisen). Ob diese Klage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, hängt davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller und rechtmäßiger Weise bestehen bleiben kann; dies ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens; etwas anderes gilt nur dann, wenn eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (BVerwG, Urt. v. 22.11.2000 - 11 C 2/00 - BVerwGE 112, 221 mit weiteren Nachweisen). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier aber nicht vor. Die isolierte Aufhebung der angefochtenen Nebenbestimmung führt insbesondere nicht zwingend, geschweige denn offenkundig dazu, dass die streitgegenständliche Genehmigung rechtswidrig wird und deshalb nicht als solche bestehen bleiben kann. Das gilt vor allem mit Blick auf die vom Verwaltungsgericht insoweit ausschließlich angeführte Vorschrift des § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA.

Nach dieser Bestimmung hat die Bauaufsichtsbehörde u.a. bei Windkraftanlagen die Erteilung der Baugenehmigung von der Leistung eines geeigneten Sicherungsmittels abhängig zu machen, durch das die Finanzierung der Kosten des Rückbaus der Anlagen bei dauerhafter Aufgabe der Nutzung gesichert wird. Die Vorschrift des § 71 Abs. 3 Satz 2 BauO LSA wirft erhebliche rechtliche und praktische Probleme auf (vgl. Jäde, in: Jäde/Dirnberger, BauO LSA, § 71 RdNr. 101 ff.). So erscheint es etwa durchaus zweifelhaft, ob die Verpflichtung zur Forderung einer Sicherheitsleistung auch dann besteht, wenn dies nicht erforderlich ist, weil der Rückbau bereits auf andere Weise gesichert ist (vgl. Jäde, in: Jäde/Dirnberger, BauO LSA, § 71 RdNr. 101). Die Antragstellerin beruft sich insoweit ausdrücklich auf eine Sicherung im Verhältnis zum Grundstückseigentümer. Ob dieser Einwand durchgreift, lässt sich nur nach eingehender sachlicher und rechtlicher Prüfung abschließend feststellen. Von einer offenkundigen Rechtswidrigkeit in dem genannten Sinne kann vor diesem Hintergrund aber keine Rede mehr sein.

Die Zulässigkeit einer isolierten Anfechtung der streitgegenständlichen Nebenbestimmung ist auch nicht unter Berücksichtigung ihres Regelungszwecks als aufschiebende Bedingung ausgeschlossen. Eine solche Auffassung hat zwar das OVG B-Stadt in einem Fall vertreten, in dem - wie hier - eine aufschiebende Bedingung in Streit stand und der insoweit mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist (Beschl. v. 07.05.2001 - 2 SN 6.01 - NVwZ 2001, 1059). Anders als in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall ist die hier angefochtene Nebenbestimmung aber nicht unzweifelhaft als integrierender Bestandteil der Genehmigung einzustufen, der von dieser offensichtlich nicht abtrennbar ist. Vielmehr ist hier die Abtrennbarkeit der Nebenbestimmung zu bejahen. Der Rückbau einer Windkraftanlage nach Beendigung ihrer Nutzung betrifft einen anderen Regelungsgegenstand als die Errichtung und der Betrieb der Anlage. Er ist davon zeitlich, begrifflich und inhaltlich klar unterscheidbar und betrifft auch einen anderen Regelungszweck. Zudem ist zweifelhaft, ob er überhaupt unter Außerachtlassung der verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Regelungen durchsetzbar ist (vgl. Jäde, in: Jäde/Dirnberger, BauO LSA, § 71 RdNr. 103).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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