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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 25.09.2008
Aktenzeichen: 2 M 184/08
Rechtsgebiete: AufenthG, GG


Vorschriften:

AufenthG § 5 Abs. 2 S. 2
GG Art. 6
1. Einem Ausländer, der ohne das erforderliche Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und keinen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat, kann es auch dann grundsätzlich zugemutet werden, das Visumverfahren nachzuholen, wenn er mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist. Eine auch nur vorübergehende Trennung von der Ehefrau ist nur dann unzumutbar, wenn weitere besonderer Umstände im Einzelfall vorliegen, etwa wenn einer der Ehegatten auf Grund individueller Besonderheiten, etwa infolge einer Krankheit, mehr als im Regelfall auf persönlichen Beistand angewiesen ist (vgl. Beschl. v. 22.06.2007 - 2 M 170/07 - Juris).

2. Die Kosten der Reise für die Nachholung des Visumverfahrens im Herkunftsland begründen für sich allein regelmäßig keine solchen besonderen Umstände. Sie gehören zu dem normalen Risiko der nicht ordnungsgemäßen Einreise; als unzumutbar können sie nur dann angesehen werden, wenn sie eine außergewöhnliche Höhe erreichen.


Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dem geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stehe gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen, dass der Antragsteller den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfülle, weil er in den Jahren 2006 bis 2008 insgesamt viermal rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt worden sei. Zwar enthalte § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG für den Rechtsanspruch nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG gegenüber dem Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG eine Spezialvorschrift; während beim Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG die Aufenthaltserlaubnis in der Regel nicht erteilt werde, sei nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG in diesem Fall über die Erteilung oder Verlängerung auch bei Vorliegen eines Ausweisungsgrundes stets nach behördlichem Ermessen zu entscheiden. Stehe dem Antragsteller folglich kein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu, sondern nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, könne von dem Erfordernis der Einreise mit dem erforderlichen Visum nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. abgesehen werden. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG könne der Antrag zwar nach der Einreise gestellt werden, wenn es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar sei, das Visumverfahren nachzuholen. Dies sei hier aber nicht der Fall, insbesondere sei eine zeitweilige Trennung des Antragstellers von seiner Ehefrau auch vor dem Hintergrund des Art. 6 GG grundsätzlich hinnehmbar. Besondere Umstände, die die ununterbrochene Anwesenheit des Antragstellers bei seiner Ehefrau als unabweisbar erscheinen ließen, seien weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

Es entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 22.06.2007 - 2 M 170/07 - Juris) sowie anderer Obergerichte (vgl. BayVGH, Beschl. v. 22.08.2008 - 10 CE 08.1830 -, Juris; NdsOVG, Beschl. v. 18.06.2007 - 10 PA 65/07 -, Juris; OVG NW, Beschl. v. 10.04.2007 - 18 B 303/07 -, AuAS 2007, 195; weitere Nachweise bei Funke-Kaiser in: GK-AufenthG, II - § 5 RdNr. 173), dass es einem Ausländer, der ohne das erforderliche Visum in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist und keinen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat, auch dann grundsätzlich zugemutet werden kann, das Visumverfahren nachzuholen, wenn er mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, und dass auch eine nur vorübergehende Trennung von der Ehefrau nur dann unzumutbar ist, wenn weitere besonderer Umstände im Einzelfall vorliegen, etwa wenn einer der Ehegatten auf Grund individueller Besonderheiten, etwa infolge einer Krankheit, mehr als im Regelfall auf persönlichen Beistand angewiesen ist (vgl. Beschl. d. Senats v. 22.06.2007, a. a. O.).

An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch in Ansehung der vom Antragsteller zitierten Auszüge aus verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen fest.

Bei der Anwendung des § 5 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Regelung als Ausnahmebestimmung prinzipiell eng auszulegen ist. Die Durchführung des Visumverfahrens soll nach der amtlichen Begründung der Vorschrift (vgl. BT-Drucks. 15/420, S. 70) sowohl bei Vorliegen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als auch in allen anderen Fällen die Regel bleiben. Auf diese Weise wird einerseits sichergestellt, dass die Steuerungsmechanismen des Aufenthaltsgesetzes nicht lahm gelegt und die dort vorgesehenen Zugangskontrollen hinsichtlich eines Aufenthalts in der Bundesrepublik nicht unterlaufen werden; andererseits wird durch die Regelung deutlich, dass die Einhaltung der Visumsregeln kein Selbstzweck sein soll (vgl. OVG NW, Beschl. v. 10.04.2007, a. a. O., m. w. Nachw.). Grundsätzlich ist es auch mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG vereinbar, den Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.12.2007 - 2 BvR 2341/06 -, InfAuslR 2008, 239). Zu beachten ist ferner, dass die Nachholung des Visumverfahrens stets mit allgemein bekannten und deshalb auch vom Gesetzgeber in den Regelungen des AufenthG berücksichtigten Unannehmlichkeiten verbunden ist. Vor allem aber gilt es, dem Eindruck bei anderen Ausländern entgegenzuwirken, man könne durch eine Einreise stets vollendete Tatsachen schaffen. Die Grenze liegt dort, wo das Beharren auf die Einhaltung des Visumverfahrens objektiv als unangemessen empfunden werden müsste (OVG NW, Beschl. v. 10.04.2007, a. a. O.).

Der Antragsteller hat auch in der Beschwerdebegründung keine besonderen Umstände dargelegt, die eine Nachholung des Visumverfahrens als unzumutbar erscheinen lassen, insbesondere zu einer mit Art. 6 GG nicht hinnehmbaren Trennung von seiner Ehefrau führen. Insoweit kann er sich nicht darauf berufen, dass eine Reise nach Indien und zurück nach Deutschland sowie eine doppelte Haushaltsführung für ihn nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht finanzierbar sei mit der Folge, dass eine Trennung von seiner Ehefrau auf unabsehbare Zeit zu erwarten sei.

Ein besonderer Umstand in einem Einzelfall im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. AufenthG liegt dann vor, wenn sich der Ausländer in einer Sondersituation befindet, die sich deutlich von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet (Bäuerle in: GK-AufenthG, Stand Juni 2007, § 5 RdNr. 170). Die Kosten der Reise für die Nachholung des Visumverfahrens im Herkunftsland begründen für sich allein regelmäßig keine solchen besonderen Umstände (vgl. Nr. 5.2.3 der vorläufigen Anwendungshinweise zum AufenthG). Sie gehören zu dem normalen Risiko der nicht ordnungsgemäßen Einreise; als unzumutbar können sie nur dann angesehen werden, wenn sie eine außergewöhnliche Höhe erreichen (vgl. Renner, Ausländerrecht, 8. Aufl., § 5 AufenthG, RdNr. 61; Bäuerle, a. a. O., RdNr. 170, 175; Maor in: Kluth/Hund/Maaßen [Hrsg.], Zuwanderungsrecht, § 4 RdNr. 120).

Die Situation des Antragstellers hebt sich, was die mit der Nachholung des Visumverfahrens verbundenen Kosten anbetrifft, nicht von den vom Gesetzgeber als zumutbar vorausgesetzten Unannehmlichkeiten ab. Die Kosten für eine Reise nach Indien und zurück nach Deutschland erreichen keine ungewöhnliche Höhe. Nach den Angaben auf der aktuellen Internetseite von Flug.de beträgt beispielsweise der günstigste Gesamtpreis für einen Hin- und Rückflug von Frankfurt/Main nach Delhi und zurück etwa 683,00 €; andere dort angegebene Gesamtpreise liegen nur wenig über 700,00 €. Die günstigsten Preise für - auf Grund der unbestimmten Dauer des Visumverfahrens möglicherweise erforderliche - Einfachflüge liegen bei etwa 470,00 € für den Hinflug und zwischen 300,00 € und 400,00 € für den Rückflug. Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, dass er und seine Ehefrau nur über Einkünfte nach dem AsylbLG und dem SGB II in Höhe von zusammen monatlich etwa 800,00 € (einschließlich der Kosten für die Unterkunft) verfügen. Eine solche wirtschaftlich schwierige Lage ist bei einer Vielzahl anderer mit einer deutschen Staatsangehörigen verheirateter Ausländer anzutreffen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 GKG.

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