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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 11.10.2007
Aktenzeichen: 2 M 206/07
Rechtsgebiete: AufenthG, VwGO


Vorschriften:

AufenthG § 11 Abs. 1
AufenthG § 54 Nr. 1
AufenthG § 84 Abs. 2 S. 1
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr 4
VwGO § 80 Abs. 5
1. Unabhängig von der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs erlischt mit der Ausweisung ein bestehender Aufenthaltstitel; ferner treten - jedenfalls im Regelfall - die Sperrwirkungen des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG ein.

2. Die Sperrwirkungen der Ausweisung greifen allerdings aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) dann nicht, wenn die Ausweisung bereits bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ernstlichen Zweifeln begegnet.

3. Zum Vorliegen eines Regelfalls im Sinne von § 54 Nr. 1 AusfenthG bei einer seit ihrem 8. Lebensjahr in Deutschland lebenden, geduldeten 21-Jährigen, deren Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.

4. Das Rechtsschutzinteresse für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Ausweisungsverfügung entfällt grundsätzlich, wenn der Ausländer bereits aus einem anderen Grund vollziehbar ausreisepflichtig ist (Änderung der Senatsrechtsprechung [Beschl. v. 22.02.2000 - B 2 S 504/99 -, Juris]).

5. Zu den von diesem Grundsatz in der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen.


Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ausweisungsverfügung des Antragsgegners vom 19.04.2007 jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Der Antragstellerin fehlt bereits das für ein Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

Die Sachentscheidungsvoraussetzung des allgemeinen Rechtsschutzinteresses entfällt, wenn ein Rechtsbehelf von vorn herein nutzlos ist, weil er nicht geeignet ist, die subjektive Rechtsstellung des Rechtsschutz Begehrenden zu verbessern (BVerwG, Urt. v. 09. Februar 1995 - 4 C 23.94 -, NVwZ 1995, 894, m. w. Nachw.). So liegt es hier. Würde die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die angegriffene Ausweisungsverfügung angeordnet, würde sich die rechtliche Position der Antragstellerin nicht verbessern. Gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG lassen Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung unberührt. Die hier angesprochene innere Wirksamkeit eines Verwaltungsakts bedeutet, dass der Verwaltungsakt die in der konkreten Regelung enthaltenen materiellen Rechtswirkungen bzw. Rechtsfolgen, und zwar sowohl die allgemeine Bindungs- als auch Tatbestands- und ggfs. Feststellungswirkungen, tatsächlich auslöst (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 43 RdNr. 6, m. w. Nachw.). Für die Ausweisung bedeutet dies, dass mit ihr ein bestehender Aufenthaltstitel erlischt (§ 51 Abs. 1 Nr. 5 AufenthG) und - jedenfalls im Regelfall - die Sperrwirkungen des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AufenthG, nach denen ein Ausländer, der ausgewiesen worden ist, nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten darf und ihm auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt wird, unabhängig von der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs eintreten (so die h. M.: vgl. Discher in: GK AufenthG II - vor § 53 ff., RdNrn. 122 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, § 84 RdNrn. 32 f.; VGH BW, Beschl. v. 14.02.2007 - 13 S 2969/06 -, InfAuslR 2007, 193, m. w. Nachw.; NdsOVG, Beschlüsse v. 12.03.2007 - 13 LA 309/06 -, InfAuslR 2007, 281, und v. 20.02.2007 - 11 ME 386/06 -, InfAuslR 2007, 197 ; a. A.: OVG SH, Beschl. v. 09.02.1993 - 4 M 146/92 -, InfAuslR 1993, 128 [129]; SächsOVG, Beschl. v. 02.06.1995 - 3 S 390/94 -, InfAuslR 1997, 69). Sinn und Zweck des § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG wie auch früher schon des § 72 Abs. 2 Satz 1 AuslG ist es, eine bereichsspezifische Einschränkung des Grundsatzes des allgemeinen Verfahrensrechts zu schaffen, wonach für die Dauer des Anfechtungsverfahrens keine rechtlichen Folgerungen aus einem Verwaltungsakt gezogen werden dürfen (vgl. Hailbronner, a. a. O., m. w. Nachw.).

Die Sperrwirkungen der Ausweisung greifen allerdings aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) dann nicht, wenn die Ausweisung bereits bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung ernstlichen Zweifeln begegnet (vgl. VGH BW, Beschlüsse v. 14.02.2007, a. a. O., u. v. 12.05.2005 - 13 S 195/05 -, InfAuslR 2005, 313; OVG Bremen, Beschl. v. 20.06.2005 - 1 B 128/05, 1 B 119/05 -, NVwZ-RR 2006, 643; OVG NW, Beschl. v. 09.03.2007 - 18 B 2533/06 -, InfAuslR 2007, 233). Es entspricht auch sonst der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit der die Abschiebung gestattenden Verfügung dem Eintritt der Sperrwirkung entgegenstehen können (vgl. Urt. v. 16.07.2002 - 1 C 8.02 -, InfAuslR 2003, 50).

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht indes angenommen, dass die angefochtene Ausweisung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Die Antragstellerin erfüllt den Regelausweisungstatbestand des § 54 Nr. 1 AufenthG, da sie mit Urteil des Amtsgerichts Sangerhausen vom 19.04.2006 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht dargelegt, dass die Aussetzung des Rest der Jugendstrafe, wie sie hier durch Beschluss des Amtsgericht Sangerhausen vom 12.03.2007 erfolgte, keine "Bewährung" im Sinne von § 54 Nr. 1 AufenthG darstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.06.1997 - 1 C 23.96 -, InfAuslR 1997, 390). Das Verwaltungsgericht hat ferner zutreffend unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 47 Abs. 2 AuslG ausgeführt, dass Regelfälle im Sinne dieser Vorschrift solche sind, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleich liegender Fälle unterscheiden, während Ausnahmefälle durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet sind, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigt. Bei dieser Prüfung sind alle Umstände des strafbaren Verhaltens, aber auch die sonstigen Verhältnisse einschließlich der familiären Situation von Bedeutung. Es müssen besondere Umstände gegeben sein, die den Ausländer entlasten oder aufgrund derer seine Ausweisung als unangemessene Härte erscheint (vgl. Urt. d. Senats v. 11.09.2003 - 2 L 222/01 -, Juris, m. w. Nachw.). Diese Voraussetzungen dürften hier nicht vorliegen.

Die Antragstellerin wendet mit ihrer Beschwerde ein, sie habe ihre überwiegende Sozialisation in der Bundesrepublik Deutschland unter den hiesigen gesellschaftlichen Verhältnissen erhalten. In diesem Gesamtkontext müssten die von ihr begangenen Straftaten eingeordnet werden. Damit hat sie indes keinen atypischen Geschehensablauf im oben genannten Sinne dargetan. Die Antragstellerin ist - wie mittlerweile ihre gesamte Familie - auf Grund der bestandskräftigen Ablehnung ihres Asylantrags vollziehbar ausreisepflichtig. Ihr wurden lediglich Duldungen erteilt. Damit teilt sie das Schicksal einer Vielzahl in der Bundesrepublik Deutschland lebender geduldeter Ausländer. Eine Duldung gewährt im Übrigen keinen legalen, ordnungsgemäßen Aufenthalt, sondern schützt den Ausländer lediglich vorübergehend vor einer sonst rechtlich zwingend gebotenen Abschiebung und lässt seine Ausreisepflicht unberührt (vgl. § 60a Abs. 1 - 3 AufenthG). Sie führt nicht zur Erlangung eines aufenthaltsrechtlichen Status, der berechtigterweise die Erwartung hervorrufen kann, in Deutschland bleiben zu dürfen (vgl. Beschl. d. Senats v. 20.09.2007 - 2 M 295/07 -, m. w. Nachw.).

Ein atypischer Fall dürfte auch nicht darin zu sehen sein, dass der Rest der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall die Umstände, die eine Aussetzung des Strafrestes rechtfertigen, namentlich die "besonderen Umstände" im Sinne des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB, zugleich einen Ausnahmefall kennzeichnen und deswegen die Behörde im Ermessenswege von einer Ausweisung absehen darf (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.03.1994 - 1 B 30.94 -, InfAuslR 1994, 311). Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Aussetzung des Rests einer zeitigen Freiheitsstrafe, die in der Regel verfügt wird, stellt hingegen keinen besonderen Umstand dar, der sich von der Normallage unterscheidet und eine Entscheidung über die Ausweisung nach Ermessensgesichtspunkten gebietet (Beschl. d. Senats v. 04.06.2007 - 2 O 86/07; Hailbronner, a. a. O., § 54 AufenthG, RdNr. 51, m. w. Nachw.). Im konkreten Fall führten keine "besonderen Umstände" zu einer Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests. Nach § 88 Abs. 1 JGG kann die Vollstreckung des Rests einer Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn der Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt hat und dies im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit, verantwortet werden kann. Dies setzt also gerade keine "besonderen Umstände" voraus.

Eine atypische Situation liegt auch nicht deshalb vor, weil sich die Antragstellerin in der Fachklinik am K. einer stationären Drogenentwöhnungstherapie unterzogen und nach dem Zwischenbericht der Fachklinik vom 07.06.2007 im bisherigen Verlauf der Therapie bemüht und motiviert gezeigt hat, sich mit ihrem bisherigen Verhalten auseinanderzusetzen und "sich in Veränderung zu begeben". Ein Ausnahmefall käme allenfalls dann in Betracht, wenn anzunehmen wäre, dass es der Antragstellerin bereits jetzt gelungen ist, ihr Leben auch außerhalb der sie schützenden Therapie zu stabilisieren und sie (deshalb) keine weiteren Straftaten mehr begehen wird. Für eine solche Feststellung ist der Zeitraum seit der Haftentlassung aber noch zu kurz. Eine andere Beurteilung dürfte sich daher auch dann nicht ergeben, wenn der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (Urt. v. 21.02.2001 - 11 S 369/00 -, InfAuslR 2001, 121) zu folgen sein sollte, nach der eine positive Entwicklung des Straftäters anzeigende Erkenntnisse bei der Beurteilung der Frage, ob eine Ausnahme von der Regel des § 54 Nr. 1 AufenthG vorliege, ein besonderes Gewicht beizumessen sei, insbesondere wenn die den Anlass der Ausweisung darstellenden Straftaten im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung bereits mehrere Jahre zurückliegen. In dem vom VGH Baden-Württemberg entschiedenen Fall befand sich der Betroffene im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung nach der Haftentlassung bereits seit etwa 2 1/2 Jahren auf freiem Fuß; für diese Zeit wurde ihm von den Strafgerichten eine positive Entwicklung bescheinigt. Eine vergleichbare "Bewährungszeit" ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Es ist auch nicht erkennbar, inwieweit der von der Antragstellerin vorgetragene Umstand, dass die von ihr begangenen Straftaten "nur" Vergehen und keine Verbrechen darstellen, für die Frage, ob ein atypischer Geschehensablauf vorliegt, von rechtlicher Bedeutung sein könnte.

Eine für die Antragstellerin günstigere Beurteilung folgt auch nicht aus der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 10.08.2007 - 2 BvR 535/06 -, noch nicht veröffentlicht), die sich mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer Regelausweisung auseinandersetzt. Diese Entscheidung befasst sich hauptsächlich mit der Ausweisung aus generalpräventiven Motiven. Der Antragsgegner hat seine Verfügung indes im Wesentlichen auf spezialpräventive Erwägungen gestützt. Zwar sind nach der Entscheidung des BVerfG auch bei einem spezialpräventiven Ausweisungszweck die vom Ausländer in der Zukunft ausgehenden Gefahren zu ermitteln, nötigenfalls durch ein Sachverständigengutachten. Eine solche intensive Prüfung ist im Eilverfahren indes nicht möglich, sondern kann nur in einem Hauptsacheverfahren erfolgen. Infofern könnte der Ausgang des Hauptsacheverfahrens allenfalls als offen bezeichnet werden. Dies würde aber nicht genügen, um die nach § 11 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich gegebene Sperrwirkung zu beseitigen. Lässt sich im Eilverfahren nicht feststellen, ob die Ausweisung offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, könnte die Sperrwirkung allenfalls dann entfaIlen, wenn das Interesse des Ausländers, im Bundesgebiet einstweilen verbleiben zu dürfen, das öffentliche Interesse an der Rückführung bzw. Fernhaltung des Ausländers überwiegen würde (vgl. OVG NW, Beschl. v. 09.03.2007, a. a. O.). Da die Antragstellerin hier bereits auf Grund der ablehnenden, seit dem am 23.01.1996 ihr gegenüber bestandskräftigen Entscheidung des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22.12.1994 vollziehbar ausreisepflichtig ist, würde eine solche Interessenabwägung zu ihren Lasten ausfallen. Im Übrigen betraf der vom BVerfG entschiedene Fall einen Ausländer, der sich seit über 25 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hatte, so dass an die Verhältnismäßigkeitsprüfung besonders strenge Anforderungen zu stellen waren.

Der Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Ausweisung auf Grund der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bewirkt nach all dem nur eine (weitere) vollziehbare Ausreisepflicht (§§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausweisung würde sich jedoch nicht auf ihren aufenthaltsrechtlichen Status auswirken, weil sie bereits aus einem anderen Grund, nämlich auf Grund der genannten Entscheidung des Bundesamts vollziehbar ausreisepflichtig ist. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung geht in einem solchen Fall ins Leere, so dass grundsätzlich kein schutzwürdiges Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung besteht (so die h. M.: vgl. Discher, a. a. O., m. w. Nachw.; HessVGH, Beschlüsse v. 09.03.1999 - 12 TZ 74/99 -, AuAS 1999, 161, u. v. 17.03.1997 - 3 TG 3656/96 -, AuAS 1997, 207). Die gerade bei abgelehnten und in der Folgezeit geduldeten Asylbewerbern nur hypothetisch bestehende Möglichkeit, dass die auf Grund der Ablehnung des Asylantrags bestehende vollziehbare Ausreisepflicht künftig entfallen wird, genügt nicht, um ein Rechtsschutzinteresse zu begründen. Soweit der Senat hierzu bisher eine gegenteilige Auffassung vertreten hat (vgl. Beschl. v. 22.02.2000 - B 2 S 504/99 -, Juris), hält er daran nicht mehr fest.

Der Grundsatz, dass das Rechtsschutzinteresse für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen eine Ausweisungsverfügung entfällt, wenn der Ausländer bereits aus einem anderen Grund vollziehbar ausreisepflichtig ist, hat in der Rechtsprechung (weitere) Ausnahmen erfahren, die hier aber allesamt nicht vorliegen.

In Betracht zu ziehen ist eine Ausnahme unter anderem dann, wenn mit der Ausweisung - anders als hier - gleichzeitig ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt worden ist (vgl. VGH BW, Beschl. v. 14.11.1994 - 1 S 818/94 -, NVwZ-RR 1995, 295; HessVGH, Beschl. v. 20.22.1995 - 12 TH 2253/94 -, InfAuslR 1995, 200), oder wenn durch einen Genehmigungsantrag ein fiktives Aufenthaltsrecht ausgelöst wurde (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 24.03.1997 - 3 S 513/96 -, AuAS 1997, 196). Weder der beigezogenen Akte noch dem Vorbringen der Antragstellerin lässt sich entnehmen, dass die Antragstellerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt hat, der die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 AufenthG ausgelöst haben könnte.

Ebenso hat der HessVGH (Beschl. v. 20.01.2004 - 12 TG 3204/03 -, EzAR 622 Nr. 42) ein Rechtsschutzbedürfnis bejaht, wenn die Ausländerbehörde den Ausländer nicht auf Grund einer bereits (seit Längerem) bestehenden, sondern allein wegen der durch die sofort vollziehbare Ausweisung entstandenen vollziehbaren Ausreisepflicht abschieben will. So liegt es hier jedoch nicht. Der Antragsgegner hat in der angegriffenen Verfügung zur Begründung der von ihm angekündigten Abschiebung nur die auf Grund der Ablehnung des Asylantrags bestehende vollziehbare Ausreisepflicht erwähnt. Auch der Ausländerakte lässt sich nicht entnehmen, dass der Antragsgegner ohne die für sofort vollziehbar erklärte Ausweisung von einer Abschiebung der Antragstellerin Abstand nehmen würde.

Ein Rechtsschutzinteresse wird ferner dann angenommen, wenn mit der Ausweisung eine Abschiebungsandrohung verbunden ist (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 11.04.2002 - 3 BS 162/01 -, SächsVBl 2002. 249). Auch dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin in der angegriffenen Verfügung lediglich gemäß § 60a Abs. 5 Satz 4 AufenthG ihre Abschiebung nach Serbien angekündigt, weil ihre Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt war. Eine solche Ankündigung ist kein Verwaltungsakt; mit ihr wird nicht selbständig über die Art und Weise der Abschiebung oder über Einwendungen gegen dieselbe entschieden, sondern nur der Ausländer darauf aufmerksam gemacht, dass die ihm gegenüber bereits verfügte Abschiebung nach Fristablauf durchgeführt wird (vgl. Hailbronner, a. a. O., § 60a RNr. 80). Die - hier auf der Grundlage von § 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 50 Abs. 1 AuslG erfolgte - Abschiebungsandrohung wurde mit der Erteilung einer Duldung nicht gegenstandslos

Da nach all dem bereits ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin zu verneinen ist, bedarf es keiner Erörterung, ob ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Ausweisungsverfügung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) besteht. Dies erscheint allerdings schon deshalb zweifelhaft, weil die Antragstellerin auch ohne den angeordneten Sofortvollzug vollziehbar ausreisepflichtig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

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