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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 13.06.2006
Aktenzeichen: 2 M 211/06
Rechtsgebiete: BauO LSA


Vorschriften:

BauO LSA § 64
Bei dem Abriss von Gebäuden und insbesondere auch von Plattenbauten lässt sich ein gewisses Maß an Störungen und Belästigungen für die Nachbarn, insbesondere durch Lärm und Staubentwicklung, niemals vollständig vermeiden. Auch handelt es sich bei solchen Arbeiten regelmäßig um eine Ausnahmesituation, die für die Nachbarn auch dann zumutbar erscheint, wenn die Störungen das üblicherweise hinzunehmende Ausmaß kurzfristig überschreiten.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 211/06

Datum: 13.06.2006

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -sowie auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO <Kosten> und auf §§ 47, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG -, <Streitwert>.

Die Beschwerde der Antragsteller hat keinen Erfolg.

Der Senat hat bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags; denn der Beschwerdeschriftsatz vom 12.06.2006 enthält entgegen § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO keinen bestimmten Antrag. Zwar wird dem Erfordernis eines bestimmten Antrags nach einer Ansicht auch beim Fehlen einer ausdrücklichen Antragstellung genügt, wenn sich das Rechtsschutzziel mittels Auslegung aus den Gründen und der Bezugnahme auf Anträge in der ersten Instanz eindeutig ergibt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 146 RdNr. 41 unter Hinweis auf VGH BW, NVwZ 2002, 1388). Eine derartige eindeutige Bestimmung des Rechtsschutzziels bereitet hier aber schon deshalb Schwierigkeiten, weil der Beschwerdeschriftsatz nicht auf die erstinstanzlichen Anträge Bezug nimmt und das Interesse der Antragsteller im Beschwerdeverfahren in erster Linie auf die Verhängung eines vorläufigen Baustopps (Einstellung der Abrissarbeiten) gegenüber den Beigeladenen gerichtet zu sein scheint, während sie mit ihrem erstinstanzlichen Hauptantrag die Vollzugsaussetzung der angefochtenen Abrissgenehmigung sowie das "Einstellen des Abtransports des angefallenen Abbruchmaterials" begehrt haben. Ob sich hieraus bereits die Unzulässigkeit der Beschwerde ergibt, bedarf indes keiner abschließenden Klärung. Die Beschwerde ist nämlich auch dann unbegründet, wenn man zugunsten der Antragsteller davon ausgeht, dass sie ihr erstinstanzliches Rechtsschutzziel im Beschwerdeverfahren vollumfänglich weiterverfolgen; denn die vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.

Soweit die Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren beantragt haben, den Vollzug der angefochtenen Abrissverfügung auszusetzen, hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag zu Recht abgelehnt. Das Aussetzungsinteresse der Antragsteller ist insoweit nicht höher zu bewerten als das Interesse der Beigeladenen an der Ausnutzung ihrer Abrissgenehmigung (§§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO). Das Interesse, das ein Rechtsschutzsuchender an der Aussetzung einer dem Nachbarn erteilten Abrissgenehmigung hat, ist regelmäßig dann höher zu bewerten als dessen Interesse an der Ausnutzung der Genehmigung, wenn diese Genehmigung nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung gegen Rechte verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers als Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Für einen derartigen Rechtsverstoß lässt sich dem Beschwerdeschriftsatz aber nichts entnehmen. Die Antragsteller haben darin nicht dargelegt, dass und gegebenenfalls weshalb die streitgegenständliche Abrissgenehmigung rechtswidrig sein soll. Ihre Ausführungen zielen vielmehr darauf ab, dass die tatsächlichen Abrissarbeiten entgegen den der Abrissgenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen aufgrund des sachwidrigen Umgangs mit kamilithaltigen Platten eine unzumutbare Gesundheitsgefährdung hervorrufen. Ein solcher Vortrag rechtfertigt aber nicht die Vollzugsaussetzung der erteilten Abrissgenehmigung, sondern allenfalls eine Verpflichtung des Antragsgegners zum einstweiligen baubehördlichen Einschreiten.

Den Erlass einer derartigen einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO haben die Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren zwar ebenfalls beantragt. Auch insoweit hat ihnen aber das Verwaltungsgericht den begehrten vorläufigen Rechtsschutz zu Recht versagt.

Mit ihrem erstinstanzlichen Hauptantrag haben die Antragsteller sinngemäß beantragt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zum Erlass einer bauaufsichtlichen Verfügung zu verpflichten, mit der den Beigeladenen vorläufig untersagt wird, das angefallene Abbruchmaterial abzutransportieren. Für eine derartige einstweilige Anordnung fehlt es den Antragstellern indes an einem Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Werden auf einem Grundstück Abrissarbeiten durchgeführt, die den gesetzlichen Vorschriften und/oder den in der Abrissgenehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen widersprechen, ist die Bauaufsichtsbehörde zwar gemäß § 64 Abs. 2 BauO LSA ermächtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen; führt der Rechtsverstoß zu einer Verletzung nachbarschützender Vorschriften, können regelmäßig auch die Nachbarn verlangen, dass die Bauaufsichtsbehörde derartige Maßnahmen trifft. Ein solcher Anspruch auf baubehördliches Einschreiten ist aber grundsätzlich nur darauf gerichtet, dass die Bauaufsichtsbehörde das ihr gemäß § 64 Abs. 2 BauO LSA eingeräumte Entschließungs- und Auswahlermessen fehlerfrei ausübt. Eine Verdichtung des Anspruchs dahingehend, dass der Nachbar von der Bauaufsichtsbehörde den Erlass einer konkreten Maßnahme verlangen kann, ist hingegen nur dann zu bejahen, wenn jede andere Entscheidung als das Treffen gerade dieser Maßnahme ermessensfehlerhaft wäre. Für eine derartige "Ermessensreduzierung auf Null" ergeben sich aus dem vorliegenden Sachverhalt sowie aus dem Antrags- und Beschwerdevorbringen aber keine hinreichenden Anhaltspunkte. Es lässt sich daraus nicht entnehmen, weshalb sich das Ermessen der Antragsgegnerin - auch wenn die vorliegenden Abrissarbeiten nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden sollten - gerade auf den Erlass der begehrten Maßnahme, d.h. auf die Einstellung des Abtransports des Abbruchmaterials, reduziert haben sollte. Es erscheint demgegenüber sogar näher liegender und sachdienlicher, wenn die Antragsgegnerin in erster Linie ihre Überwachungsaufgaben nach § 64 Abs. 2 Satz 1 BauO LSA wahrnimmt und - wie sie es in der Vergangenheit bereits getan hat - die Beigeladenen zu einer Vornahme des Abrisses unter Einhaltung der einschlägigen Sicherheitsbestimmungen anhält.

Aus diesem Grund können die Antragsteller auch nicht mit ihrem erstinstanzlichen Hilfsantrag durchdringen, mit dem sie sinngemäß beantragt haben, die Antragsgegnerin im Wege eine einstweiligen Anordnung zu verpflichten, gegenüber den Beigeladenen vorläufig die Fortführung der begonnenen Abrissarbeiten zu untersagen. Auch insoweit fehlt es an einer entsprechenden Ermessensreduzierung.

Scheitern die geltend gemachten Ansprüche mithin jedenfalls an der erforderlichen Ermessensreduzierung, kann dahinstehen, ob es - wie das Verwaltungsgericht angenommen hat - darüber hinaus auch an den Eingriffsvoraussetzungen fehlt. Allerdings spricht auch nach der Auffassung des Senats Überwiegendes dafür, dass die Abrissarbeiten und der Abtransport des Abrissmaterials nunmehr zumindest im Wesentlichen den einschlägigen Sicherheitsbestimmungen entsprechen. Jedenfalls hat die Antragsgegnerin im erstinstanzlichen Verfahren glaubhaft gemacht, dass sie die Abrissarbeiten laufend überwacht und notfalls - wie bereits geschehen - die erforderlichen bauaufsichtlichen Maßnahmen trifft.

Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass bei der Abwägungsentscheidung auch die zeitliche Begrenztheit der Abriss- und Transportarbeiten zu berücksichtigen ist. Ergänzend ist anzumerken, dass sich bei dem Abriss von Gebäuden und insbesondere auch von Plattenbauten ein gewisses Maß an Störungen und Belästigungen für die Nachbarn, insbesondere durch Lärm und Staubentwicklung, niemals vollständig wird vermeiden lassen. Auch handelt es sich bei solchen Arbeiten regelmäßig um eine Ausnahmesituation, die für die Nachbarn auch dann zumutbar erscheint, wenn die Störungen das üblicherweise hinzunehmende Ausmaß kurzfristig überschreiten. Schließlich dürfte ein zeitnaher Abschluss der Abrissarbeiten und eine zügige Beseitigung des Abbruchmaterials auch im Interesse der Antragsteller liegen.

Ende der Entscheidung

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