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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 15.08.2006
Aktenzeichen: 2 M 260/06
Rechtsgebiete: AufenthG, ARB 1/80
Vorschriften:
AufenthG § 31 | |
ARB 1/80 Art. 6 |
2. Eine Beschäftigung als Selbständiger fällt nicht unter den Ausnahmekatalog des Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80. Die Aufzählung von anspruchsunschädlichen Beschäftigungsunterbrechungen in Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 hat für den Fall des Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich auch nach dem Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.03.2003 (1 C 2/02) abschließenden Charakter.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 2 M 260/06
Datum: 15.08.2006
Gründe:
Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 1; 53 Abs. 3 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert>.
Der Antragsteller, der am 01.01.2002 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist, schloss am 27.11.2002 die Ehe mit der deutschen Staatsangehörigen Frau A. D.. Daraufhin erteilte ihm der Landkreis Barmin eine Aufenthaltserlaubnis, die zuletzt bis zum 14.04.2004 verlängert wurde. Am 25.05.2006 beantragte er beim Antragsgegner die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Im Rahmen der Antragstellung gab er an, seit August 2004 von seiner deutschen Ehefrau getrennt zu leben. Am 22.06.2006 wurde die Ehe des Antragstellers durch Urteil des Amtsgerichts Bernburg - 3 F 256/05 S - geschieden. In der Zeit vom 01.11.2003 bis zum 15.11.2004 war er beim Bistro "Antalya" in B. abhängig beschäftigt. In der Zeit von November 2004 bis Ende Mai 2006 arbeitete er in seinem eigenen "Döner-Imbiss" selbständig beschäftigt. Am 01.06.2006 verpachtete er seinen "Döner-Imbiss und arbeitet seitdem wieder bei seinem alten Arbeitgeber im Bistro " Antalya" als abhängig Beschäftigter.
Mit Bescheid vom 24.05.2005 lehnte der Antragsgegner die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab, weil die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers im Bundesgebiet keine 2 Jahre angedauert habe. Als Selbständiger habe er keinen Anspruch gemäß § 21 Abs. 1 AufenthG, da er mit seinem "Döner-Imbiss" weder 1 Million € in der Bundesrepublik Deutschland investiert noch 10 Arbeitsplätze geschaffen habe. Auf Art. 6 des Assoziationsabkommens EWG/Türkei könne er sich nicht berufen, da dieses für selbständige Gewerbetreibende nicht gelte. Am 08.06.2006 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Dessau die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners beantragt. Mit Beschluss vom 17.07.2006 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Dagegen hat der Antragsteller rechtzeitig Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass ein Anspruch des Antragstellers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs.1 AufenthG nicht besteht. Danach muss die eheliche Lebensgemeinschaft rechtmäßig seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet bestanden haben.
Mit Recht hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die am 27.11.2002 begonnene eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen keine 2 Jahre angedauert hat.
Die Tatsache des Verheiratetseins im Bundesgebiet reicht für die Annahme einer unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG stehenden ehelichen Lebensgemeinschaft nicht aus, maßgeblich ist vielmehr eine tatsächliche Verbundenheit der Ehegatten im Sinne einer Beistandsgemeinschaft, die regelmäßig - aber nicht zwingend - in der Pflege einer häuslichen Gemeinschaft zum Ausdruck kommt und von ihrer Intensität her über die einer Beziehung zwischen Freunden oder getrennt voneinander lebenden Familienangehörigen in einer "Begegnungsgemeinschaft" hinausgeht (BVerfG, Beschl. v. 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83 u. a. -, BVerfGE 76, 41, 42.f). Mit der Forderung einer bestimmten Dauer der Ehebestandszeit soll einer sich daraus ergebenden Verfestigung der Lebensverhältnisse des Ausländers Rechnung getragen werden. Eine solche Verfestigung kann unter dem Gesichtspunkt der familiären Verbundenheit nicht erreicht werden, wenn die Eheleute tatsächlich auf Dauer getrennt leben (BVerwG, Beschl. v. 30.09.1998 - 1 B 92.98 - InfAuslR 1999, 72). Die für die Frage der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft maßgebliche Trennung der Ehegatten liegt vor, wenn nach dem Willen beider Ehepartner oder auch nur eines Ehegatten die eheliche Gemeinschaft endgültig nicht fortgesetzt werden soll (GK AuslR § 19 Rd. 28 f; § 18 Rd. 55 m. w. N.); eine nur vorübergehende Trennung schadet nicht, solange sichergestellt ist, dass die Ehe in einem überschaubaren Zeitraum wiederhergestellt werden soll (BVerfG, a. a. O.). Von einer dauerhaften Trennung ist regelmäßig auszugehen, wenn ein Ehegatte zuvor die gemeinsame Ehewohnung verlassen hat, das Scheidungsverfahren eingeleitet wurde (GK AuslR § 18 Rdnr. 55 m.w.N.) oder auch dann, wenn eine Trennung i. S. d § 1566 Abs. 1 BGB vorliegt. In diesen Fällen besteht die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr (BVerwG, Beschl. v. 30.09.1998, a. a. O.), ohne dass es aber umgekehrt auf das bürgerlich-rechtliche Vorliegen der Voraussetzungen für eine Ehescheidung, insbesondere auf den Ablauf des Trennungsjahres, stets ankommt (BVerwG, Beschl. v. 12.06.1992 - 1 B 48/92 - InfAuslR 1992, 305).
Ob die eheliche Lebensgemeinschaft von der Aufnahme der ehelichen Lebensbeziehung bis zur Trennung über einen Zeitraum von zwei Jahren hindurch bestanden hat, ist in erster Linie anhand objektiver Kriterien zu entscheiden, wie z. B. des melderechtlich bestätigten Einzugs in bzw. Auszugs aus der gemeinsamen Wohnung. Fehlt es an solchen verlässlichen Kriterien, kann auf die Aussagen von Zeugen oder auch die Angaben der Eheleute im Scheidungsverfahren zurückgegriffen werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Aussagen der Eheleute hier differieren können und dass die Bekundungen im ausländerrechtlichen Verfahren von anderen Interessen geleitet sein können. Macht der betroffene Ausländer insoweit unterschiedliche Aussagen, gehen etwaige Unklarheiten aufgrund der ihm obliegenden Darlegungslast hinsichtlich der ehelichen Bestandszeit zu seinen Lasten (GK AuslR, § 19 Rd. 37 m.w.N.)
Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit der deutschen Staatsangehörigen A. D. spätestens im August 2004 beendet war; zu diesem Zeitpunkt ist der Antragsteller aus der ehelichen Wohnung ausgezogen. Dementsprechend hat der Antragsteller sowohl in seinem beim Landkreis Schönebeck gestellten Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom 09.03.2006 als auch in dem beim Antragsgegner gestellten, streitgegenständlichen Antrag vom 14.03.2006 angegeben, dass er seit dem 11.08.2004 von seiner Ehefrau getrennt lebe. Mit Recht hat das Verwaltungsgericht sein späteres Vorbringen, er lebe erst seit Dezember 2004 von seiner Ehefrau getrennt als unglaubhaft angesehen. Die Beschwerdeschrift vermag diese Annahme des Verwaltungsgerichts nicht mit dem Hinweis auf das Scheidungsverfahren des Antragstellers beim Familiengericht Bernburg zu entkräften. Weder das Anhörungsprotokoll noch die Gründe des Scheidungsurteils vom 22.06.2006 (3 F 256/05 S) enthalten Hinweise dafür, dass der Antragsteller im August 2004 in die gemeinsame eheliche Wohnung zurückgekehrt ist.
Aus dem Tatbestand des Urteils des Familiengerichts Bernburg ergibt sich unter I. Ehescheidung, Dritter Satz, dass die Eheleute "seit Juli 2004 getrennt leben. An anderer Stelle heißt es dann, "Die Ehe ist gescheitert, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und nicht zu erwarten ist, dass die Ehegatten sie wiederherstellen werden. Diese Voraussetzungen liegen vor. Beide Parteien haben in der Anhörung glaubhaft bekundet, dass Sie seit Dezember 2004 dauernd getrennt leben und nicht mehr bereit sind, die eheliche Lebensgemeinschaft miteinander fortzusetzen."
Den familiengerichtlichen Unterlagen lässt sich zwar entnehmen, dass es in der Zeit zwischen Juli und Dezember 2004 einen Versöhnungsversuch zwischen den Eheleuten gegeben hat. Dies folgt aus dem Protokoll der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Bernburg vom 22.06.2006. Dort heißt es: "Sie haben zunächst Anfang Juli 2004 getrennt gelebt, hatten sich dann ausgesöhnt. Endgültig getrennt leben sie seit Dezember 2004". Dieser Versöhnungsversuch hat nach den glaubhaften Angaben der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers nur von Ende September 2004 bis zum 20. Dezember 2004 angedauert. Ein solcher Versöhnungsversuch hat nicht die Qualität der Fortsetzung einer ehelichen Lebensgemeinschaft. Ein derartig kurzzeitiger, gescheiterter Versöhnungsversuch führt jedenfalls nicht dazu, dass dem Antragsteller der Zeitraum vom Anfang Juli bis Ende Dezember 2004 bei der Berechnung der Frist des § 31 Abs. 1 AufenthG als Bestandszeit einer Lebensgemeinschaft zugerechnet werden kann. Aus dem Scheidungsurteil des Familiengerichts Bernburg ergibt sich nichts Gegenteiliges: Auf den Zeitraum vom Juli bis Dezember 2004 kam es für das familienrechtliche Scheidungsurteil nicht an; dementsprechend enthält die Entscheidung des Amtsgerichts Bernburg auch keine rechtliche Bewertung für diese Zeit, die im aufenthaltsrechtlichen Verfahren Bedeutung haben könnte.
2. Es ist auch nicht gemäß § 31 Abs. 2 S. 2 AufenthG zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich, dem Antragsteller den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Eine besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift liegt insbesondere vor, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht. Diese Voraussetzungen vermag die Beschwerdeschrift nicht glaubhaft zu machen.
Nach der Gesetzesbegründung zum AuslG 1990 (BT-Drs. 14/2368 S. 4) - insoweit enthält das seit dem 01.01.2005 geltende Aufenthaltsgesetz keine anderweitige Regelung ("§ 31 AufenthG orientiert sich an der bereits bisher geltenden Regelung des § 19 AuslG[BT-Drs.15/480 S. 82]) - liegt eine besondere Härte insbesondere vor, wenn dem Ehegatten im Herkunftsland etwa aufgrund gesellschaftlicher Diskriminierungen die Führung eines eigenständigen Lebens nicht möglich wäre, dem Ehegatten dort eine Zwangsabtreibung droht, das Wohl eines in der Ehe lebenden Kindes, etwa wegen einer Behinderung oder der Umstände im Herkunftsland einen weiteren Aufenthalt in Deutschland erfordert oder die Gefahr besteht, dass dem Ehegatten im Ausland der Kontakt zu dem Kind oder den Kindern willkürlich untersagt wird. Diese Aufzählung ist zwar nicht abschließend, sämtliche Beispiele stehen jedoch in einem Zusammenhang mit der aufgelösten ehelichen bzw. familiären Lebensgemeinschaft. Die Gründe für das Vorliegen einer besonderen Härte gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 AuslG müssen daher einen Bezug zur aufgelösten ehelichen Lebensgemeinschaft aufweisen (vgl. BayVGH vom 24.11.2004 Az. 24 CS 04.2739, nach juris). Einen derartigen Zusammenhang weisen die vom Antragsteller vorgetragenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und Probleme im Falle seiner Rückkehr in die Türkei nicht auf.
Eine besondere Härte ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil der Antragsteller durch die Ausreisepflicht nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft ungleich härter getroffen würde als andere Ausländer in vergleichbarer Situation. Abzustellen ist auf die besonderen Schwierigkeiten und Nachteile, denen ein zurückkehrender Ausländer im Vergleich zur "Normalsituation" eines geschieden oder getrennt lebenden Ausländers ausgesetzt ist, so z.B., wenn die Führung eines eigenständigen Lebens unmöglich gemacht wird oder wenn im Hinblick auf die Vorgänge, die zur Auflösung der Ehe geführt haben, fortwirkende Schikanen und Diskriminierungen durch die Familie zu befürchten sind (vgl. Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, RdNr. 15 zu § 19 AuslG). Der Antragsgegner hat zu Recht derartige Umstände nicht zu erkennen vermocht.
3. Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch nicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis auch nicht aus Art. 6 Abs.1, 1. Spiegelstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei - ARB 1/80 - herleiten könne. Bei der Überprüfung im vorliegenden Rechtsschutzverfahren nach Maßgabe des Beschwerdevorbringens ist davon auszugehen, dass die Ausländerbehörde und das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen haben, der Antragsteller habe die in der Zeit vom 01.11.2003 bis zum 15.11.2004 erreichte assoziationsrechtliche Verfestigungsposition nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 durch seine selbständige Tätigkeit als Betreiber eines Döner-Imbisses in A-Stadt in der Zeit von Mitte November 2004 bis zum 31.05.2006 wieder verloren und durch die anschließende erneute unselbständige Beschäftigung seit dem 01.06.2006 eine Verfestigungsposition nicht wieder erworben.
Artikel 6 Absätze 1 und 2 des Assoziationsbeschlusses Nr. 1/80 bestimmt:
"(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat
- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaats eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
- nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche."
Für türkische Arbeitnehmer in der Gemeinschaft bestimmt Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 somit, dass sie, wenn sie dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehören, zeitlich gestuft nach einjähriger ordnungsgemäßer Beschäftigung einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Arbeitserlaubnis haben. Nach dreijähriger Beschäftigung haben sie das Recht auf Wechsel des Arbeitgebers in denselben Beruf, wobei allerdings Gemeinschaftsangehörigen bei der Arbeitssuche Vorrang zukommt. Erst nach vierjähriger Beschäftigung haben die türkischen Arbeitnehmer Anspruch auf freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, also zum gesamten Arbeitsmarkt (vgl. Döring, in: DVBl. 2005, S. 1221 ff.).
In Anlehnung an eine Entscheidung des Hess. VGH (Beschl. v. 09.02.2004 - 12 TG 3548/03 - DÖV 2004, 539) hat das Verwaltungsgericht hier zutreffend entschieden, dass die Aufgabe einer Beschäftigung als Arbeitnehmer zu Gunsten einer Tätigkeit als selbstständiger zum Verlust der Rechtsstellung nach Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 führt; denn Art. 6 Abs. 1, 1.Spiegelstrich gewährt nur einen Anspruch auf Beschäftigung bei dem gleichen Arbeitgeber (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.03.2003 - 1 C 2/02 - nach juris).
Eine Beschäftigung als Selbständiger fällt nicht unter den Ausnahmekatalog des Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80. Das Bundesverwaltungsgericht ist in seinen Entscheidungen stets davon ausgegangen, dass die Aufzählung von anspruchsunschädlichen Beschäftigungsunterbrechungen in Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 abschließenden Charakter hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.06.1995 - 1 C 5.94 - BVerwGE 99, 28). Dies gilt nach Auffassung des Senats auch weiterhin für Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage, welchen Einfluss Unterbrechungen wegen unbezahlten Urlaubs auf das Entstehen eines Anspruchs nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 haben, im Hinblick auf einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Art. 6 Abs. 1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 in einem Vorabentscheidungsverfahren dem EUGH vorgelegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.03.2003, a. a. O.; eine Entscheidung des EuGH in diesem Verfahren steht noch aus).
Mit Urteil vom 07.07.2005 in der Sache Dogan hat der EuGH jedoch bereits eine wesentliche Klärung zu der Frage gebracht, welche Umstände zu einem Erlöschen eines beschäftigungs- und aufenthaltsrechtlichen Anspruches aus Art. 6 Abs.1, 3. Spiegelstrich ARB 1/80 führen. Der Gerichtshof hatte die Frage zu entscheiden, ob die Abwesenheit vom Arbeitsmarkt während der Verbüßung einer dreijährigen Freiheitsstrafe zum Erlöschen der erworbenen Rechtsstellung nach Abs. 1, 3. Spiegelstrich führt, weil keine der in Art. 6 Abs. 2 S. 2 ARB 1/80 normierten Gründe vorlag. Er hat die Frage verneint und den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 ARB 1/80 auf die Phase des Entstehens - und damit auf den Bereich des Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 - beschränkt.
Aus Art. 6 Abs. 1, 1. Spiegelstrich ARB 1/80 lässt sich demnach nach Aufgabe der unselbständigen Beschäftigung und Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit bereits nach einem Jahr kein Anspruch auf die vom Antragsteller begehrte Aufenthaltserlaubnis herleiten, auch wenn der Antragsteller nunmehr wieder bei dem früheren Arbeitgeber beschäftigt sein sollte. Nach dem Assoziationsabkommen ist es einem türkischen Arbeitnehmer erst nach vier Jahren unselbständiger Tätigkeit erlaubt, eine selbständige Tätigkeit aufnehmen, wenn er sich die mit dem Abkommen gewährten Rechtspositionen erhalten will.
Ende der Entscheidung
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