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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 13.05.2003
Aktenzeichen: 2 M 319/01
Rechtsgebiete: LSA-KAG


Vorschriften:

LSA-KAG § 6 I
LSA-KAG § 6 VIII
LSA-KAG § 6b I S 1
LSA-KAG § 6c II
1. Aus dem Umkehrschluss für die Regelung bei noch nicht vermessenen Grundstücken (§ 6b Abs. 1 Satz 1 KAG LSA) folgt, dass im Übrigen - bei vermessenen Grundbuch-Grundstücken - das formelle Grundstück maßgeblich ist, welches den "Vorteil" von der Ausbaumaßnahme hat.

2. Bei Grundstücken, die teils dem Innen- und im Übrigen dem Außenbereich zuzuordnen sind, kann die Gemeinde eine vorteilsgerechte In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit der Straße durch Satzungsrecht differenziert regeln (z. B. durch eine Tiefenbegrenzung).

3. Die bevorteilte Fläche kann ohne eine solche Regelung weder auf der Grundlage eines "wirtschaftlichen Grundstücksbegriffs" noch eingrenzend als "übergroßes Wohngrundstück" abgerechnet werden.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 319/01

Datum: 13.05.2003

Gründe:

Der Beschluss beruht auf den §§ 146 Abs. 4 ,6 124 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. des Gesetzes vom 01.11.1996 (BGBl. I 1626) - VwGO a. F. -.

Gegen das Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Gemäß § 6 Abs. 8 des Kommunalabgabengesetzes - KAG-LSA - i. d. F. d. Bek. v. 13.12.1996 (LSA-GVBl., S. 405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 (LSA-GVBl., S. 130 [137 <Nr. 65>]), ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Beitragsbescheides Eigentümer eines Grundstücks ist. Ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht gilt im Landesstraßenausbaubeitragsrecht in Sachsen-Anhalt der formelle Grundstücksbegriff.

Dies ergibt sich für das hier maßgebliche Landesrecht aus einem Umkehrschluss aus § 6b Abs. 1 S. 1 KAG-LSA. Danach gilt die von dem beitragspflichtigen zusammenhängend genutzte Fläche als Grundstück, wenn ein vermessenes und im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer eigenen Nummer eingetragenes Grundstück nicht vorhanden ist. Daraus folgt, dass im Regelfall allein das Grundbuchgrundstück als Grundstück i. S. v. § 6 Abs. 8 KAG-LSA anzusehen ist.

Grundstück ist somit der Teil der Erdoberfläche, der auf einem besonderen Grundbuchblatt oder auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt gebucht ist, wobei das Grundstück aus mehreren Flurstücken bestehen kann.

Nur für den Ausnahmefall, dass ein Grundstück noch unvermessen ist, stellt § 6b KAG-LSA auf die wirtschaftliche Grundstückseinheit als Grundstücksfläche ab. (so auch Schmidt, in: Kirchmer/Schmidt/Haack Kommunalabgabengesetz für das Land Sachsen-Anhalt, 2. Aufl., § 6b S. 343).

Das Flurstück ... der Flur ... ist hier neben weiteren 27 anderen Flurstücken im Grundbuch von N., Blatt ... eingetragen. Das Bestandsverzeichnis besteht aus fünf Einlegebögen. Alle dort eingetragenen Flurstücke sind unter einer laufenden Nummer geführt. Das Grundstück unter der laufenden Nummer 1, bestehend aus allen Flurstücken, hat eine Gesamtgröße von 2.218.659 m². Nach dem maßgeblichen formellen Grundstücksbegriff ist die Fläche von 2.218.659 m² der Beitragserhebung zugrunde zu legen.

Dem Zulassungsantrag ist nicht darin zu folgen, dass in einem solchen Fall ausnahmsweise auf den sog. "wirtschaftlichen Grundstücksbegriff" abzustellen ist. Dem steht in Sachsen-Anhalt schon der unmissverständliche Gesetzeswortlaut entgegen, der ein Abstellen auf den wirtschaftlichen Grundstückbegriff nur vorsieht, wenn ein Grundstück unvermessen ist. Auch im Erschließungsbeitragsrecht kann auf den Begriff der "wirtschaftlichen Grundstückseinheit" nur zurückgegriffen werden, wenn mehrere schmale, wegen ihrer geringen Breite selbst nicht bebaubare Handtuchgrundstücke nebeneinander liegen oder sich ein derartiges Handtuchgrundstück an ein breiteres, selbständig bebaubares Grundstück des gleichen Eigentümers anschließt (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 6. Aufl. § 17 RdNr. 7).

Nach § 6 Abs. 1 KAG-LSA können Beitragspflichtige i. S. v. § 6 Abs. 8 KAG-LSA von einer Gemeinde zu Straßenausbaubeiträgen veranlagt werden, wenn ihnen durch die In-Anspruch-Nahme oder die Möglichkeit der In-Anspruch-Nahme einer Verkehrsanlage (§ 6 Abs.1 KAG-LSA) ein Vorteil entsteht.

Die Möglichkeit zur In-Anspruch-Nahme der Verkehrsanlage und die damit einhergehenden Vorteile müssen dauerhaft vom Grundstück her bestehen. Für die straßenausbaubeitragsrechtliche Bevorteilung reicht es aus, dass das Grundstück an irgendeiner Stelle an die ausgebaute Verkehrsanlage angrenzt, also die Verkehrsanlage von irgendeiner Stelle des Grundstücks aus betreten oder befahren werden kann.

Die Bemessung der Vorteile wiederum knüpft an den Wert an, den die In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit der ausgebauten Anlage für die einzelnen Grundstücke hat. Dieser Wert bestimmt sich nach dem Umfang der wahrscheinlichen In-Anspruch-Nahme (Nutzung) der ausgebauten Verkehrsanlage (vgl. Driehaus, zum Straßenausbaubeitragsrecht allgemein, ZMR 1995, 384 m. w. N.). Je mehr die Verkehrsanlage von einem bestimmten Grundstück aus erfahrungsgemäß in Anspruch genommen wird, desto wertvoller ist für dieses Grundstück die von der Gemeinde durch ihre Leistung gebotene In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit der ausgebauten Verkehrsanlage und desto größer ist deshalb der diesem Grundstück vermittelte Vorteil.

Bei Grundstücken, die (in Bezug auf ihre Tiefe) teils dem Innenbereich mit einer baulich/gewerblichen Nutzung und im Übrigen dem Außenbereich mit einer land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung zuzuordnen sind, kann eine Gemeinde die vorteilsrelevante In-Anspruch-Nahme-Möglichkeit daher rechtlich zulässig differenziert behandeln.

Diesem Umstand kann der Ortsgesetzgeber dadurch Rechnung tragen, dass er in seiner Satzung - wie hier - eine Tiefenbegrenzung anordnet (zur generellen Zulässigkeit, vgl. Urt. des Senats v.16.12.1999 - A 2 S 335/98 -).

Die maßgebliche Straßenausbaubeitragssatzung der Antragsgegnerin sieht in § 7 Abs. 2 c) für Grundstücke, für die kein Bebauungsplan besteht und die nicht unter Buchstabe e) fallen - das Grundstück des Antragstellers wird nicht nur landwirtschaftlich genutzt - vor, die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der Verkehrsanlage und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Wird das Grundstück über den 50 m Abstand baulich oder gewerblich genutzt, gilt gemäß § 7 Abs. 2 d) als Grundstücksfläche die Fläche, zwischen der Verkehrsanlage und einer Parallelen hierzu, die in einer Tiefe verläuft, die der übergreifenden Bebauung oder gewerblichen Nutzung entspricht.

Eine derartige Parallele ergibt hier in etwa ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge die Fläche, die die Antragsgegnerin mit 32.630 m² ermittelt hat.

Geht man bei der Veranlagung des Antragstellers weiter richtigerweise vom gesamten Buchgrundstück als Ausgangbasis aus, so bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob das Grundstück des Antragstellers ein Grundstück ist, das überwiegend zu Wohnzwecken im Sinne von § 6c Abs. 2 KAG-LSA genutzt wird.

Gemessen an diesen vorstehenden Grundsätzen ist die Veranlagung des Antragstellers fehlerhaft erfolgt:

Der Veranlagung hätte zumindest die Grundstücksfläche von 32.630 m² zugrunde gelegt werden müssen. Für die weitere Reduzierung der Grundstücksfläche um noch weitere 13.395 m² fehlt es an einer rechtlichen Grundlage.

Der Antragsteller ist hier, addiert man die vier Beitragsbescheide zusammen, lediglich zu einem Beitrag von 25.370,22 DM veranlagt worden.

Legt man richtigerweise die Grundstücksfläche von 32.630 m² der Veranlagung zugrunde und wählt man als Nutzungsfaktor lediglich 1,0 (richtiger wohl 2,0), so ergäbe dies bereits einen Beitrag in Höhe von 47.818,27 DM. Der Antragsteller ist somit durch die fehlerhafte Veranlagung in den angefochtenen Beitragsbescheiden nicht in seinen Rechten verletzt. Der Antrag die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Beitragsbescheide anzuordnen, hätte daher abgelehnt werden müssen.

Ende der Entscheidung

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