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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 19.02.2004
Aktenzeichen: 2 M 333/03
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 80 IV 3
VwGO § 80 V 1
1. Die Heranziehung zu einem Ausbaubeitrag ist nicht schon deshalb "unbillig" i. S. des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, weil der Herangezogene aufgrund von Vertragsbeziehungen mit der Gemeinde evtl. einen Anspruch auf Erstattung hat.

2. "Unbilligkeit" i. S. des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO setzt "persönliche" Nachteile voraus (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung; vgl. OVG LSA, Beschl. v. 10.09.2003 - 2 M 248/03 -).


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 333/03

Datum: 19.02.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987), sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und hinsichtlich des Streitwerts auf §§ 13 Abs. 2; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) i. V. m. I Nr. 7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 605 ff.).

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 4 Satz 3 VwGO abgelehnt, weil an der Rechtmäßigkeit des Straßenausbaubeitragsbescheides der Antragsgegnerin vom 25.11.2001 weder ernstliche Zweifel bestehen (1.) noch die Vollziehung des Abgabenbescheides für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hat (2.).

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen nämlich nur dann, wenn die geltend gemachten Bedenken an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes so gewichtig sind, dass ein Obsiegen des Betroffenen im Klageverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (OVG LSA, Beschl. v. 02.02.2001 - 2 M 451/00 -). Daran fehlt es; denn selbst wenn die Antragsgegnerin - wie die Antragstellerin meint - zu Unrecht die von ihr dargelegten sachlichen Billigkeitsgründe im Rahmen des Heranziehungsverfahrens nicht berücksichtigt hat, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides (so schon OVG LSA, Beschl. v. 29.06.2000 - 2 M 48/00 -, VwRR MO 2001, 90); denn die von der Antragstellerin begehrte Billigkeitsentscheidung ist gegenüber der Beitragsfestsetzung ein selbständiger Verwaltungsakt, der die Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids unberührt lässt (vgl. Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 RdNr. 48, m. w. N.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 12.09.1984 - BVerwG 8 C 124.82 -, BVerwGE 70, 96 [99], zum Erschließungsbeitragsrecht). Dies hat zur Folge, dass ein Beitragspflichtiger sein Interesse an einer Billigkeitsentscheidung nicht mit einer Anfechtungsklage gegen den Beitragsbescheid (und dementsprechend auch nicht mit einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO), sondern - nach erfolglos gebliebener Antragstellung bei der Gemeinde (Bescheid vom 18.11.2002) - nur mit einer auf die Zulassung der Billigkeitsmaßnahme gerichteten Verpflichtungsklage verfolgen kann (OVG LSA, Beschl. v. 29.06.2000, a. a. O.).

Schließlich beruft sich die Antragstellerin ohne Erfolg auf eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes; denn Art. 3 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet nur die willkürliche Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte, wovon hier aber schon deswegen nicht auszugehen ist, weil die Antragstellerin - anders als das ...-Gymnasium - nicht in der Schulträgerschaft der Antragsgegnerin steht, sondern eine Schule in freier Trägerschaft im Sinne des § 14 Abs. 1 des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt - SG LSA - i. d. F. d. Bek. v. 27.08.1996 (LSA-GVBl., S. 281), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.2003 (LSA-GVBl., S. 352 [355]), ist, die neben den öffentlichen Schulen bei der Erfüllung des Bildungsauftrags der Verfassung eigenverantwortlich mitwirken.

2. Die Vollziehung des Beitragsbescheides hat für die Antragstellerin auch keine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Die Tatsache, dass der Antragstellerin möglicherweise ein Anspruch auf Rückzahlung des Straßenausbaubeitrages aufgrund der Regelung in § 5 des mit der Antragsgegnerin geschlossenen Schenkungsvertrages oder aber ein Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht zustehen könnte, vermag eine Aussetzung der Vollziehung unter diesem Gesichtspunkt nicht zu rechtfertigen. Das Merkmal "unbillige Härte" i. S.v. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist nämlich nicht gleichbedeutend mit dem Begriff der Unbilligkeit in den §§ 227 Abs. 1, 234 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - i. d. F. d. Bek. v. 01.10.2002 (BGBl 2002 I 3386), berichtigt am 08.01.2003 (BGBl I 61); insbesondere werden sachliche Billigkeitsgründe - wie sie die Antragstellerin vorträgt - dadurch nicht erfasst. Vielmehr wollte der Gesetzgeber durch diesen Aussetzungsgrund, der selbständig neben das Merkmal "ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts" getreten ist, nur mit der Vollziehung ggf. verbundene persönliche Härten ausschließen. Eine unbillige Härte im Sinne von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO setzt danach voraus, dass dem Betroffenen gerade durch die sofortige Vollziehung wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht bzw. kaum wieder gutzumachen sind, etwa wenn die wirtschaftliche Existenz des Abgabenpflichtigen gefährdet wäre (sog. persönliche Billigkeitsgründe, vgl. OVG LSA, Beschl. v. 10.09.2003 - 2 M 248/03 -; OVG NW, Beschl. v. 17.03.1994 - 15 B 3022/93 -, NVwZ-RR 1994, 617 [618]; BayVGH, Beschl. v. 25.01.1988 - Nr. 6 CS 87.03857 -, BayVBl. 1988, 727; Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, a. a. O., § 80 RdNrn. 54, 55; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl., RdNr. 791 m. w. N.).

Derartige Gründe legt die Antragstellerin indes auch in ihrer Beschwerdeschrift nicht dar; insbesondere setzt sie sich nicht mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung auseinander, die das Vorliegen persönlicher Billigkeitsgründe mangels Substantiierung abgelehnt hat.

Ende der Entscheidung

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