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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 2 M 368/06
Rechtsgebiete: AufenthG, VwGO


Vorschriften:

AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4
Zu den Anforderungen für einen Sofortvollzug einer Ausweisungsverfügung.
Gründe:

Die Beschwerde hat Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 08.08.2006 zu Unrecht abgelehnt.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Ausweisungsgrund des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt ist. Danach kann ein Ausländer insbesondere ausgewiesen werden, wenn er einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Ein Rechtsverstoß ist demnach nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, er ist hingegen immer beachtlich, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.01.2004 - 1 C 23.03 -, BVerwGE 122, 193). Nach dem Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 12.10.2006 hat sich die Antragstellerin in vier Fällen (am 06.03.2004, 31.08.2004, 12.02.2005 und 02.06.2005) des Diebstahls bzw. gemeinschaftlichen Diebstahls schuldig gemacht. Von einem nur vereinzelten Verstoß gegen Rechtsvorschriften kann mithin entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine Rede sein. Im Übrigen sind die Verstöße auch nicht geringfügig, auch wenn die entwendeten Artikel - wie die Antragstellerin weiter einwendet - jeweils von geringem Wert gewesen sein sollten. Eine vorsätzlich begangene Straftat ist grundsätzlich nicht geringfügig im Sinne von § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (BVerwG, Urt. v. 24.09.1996 - 1 C 9.94 -, BVerwGE 102, 63 [66]). Zwar kann es bei vorsätzlich begangenen Straftaten unter engen Voraussetzungen auch Ausnahmefälle geben, in denen ein vorsätzlich begangener Rechtsverstoß als geringfügig zu bewerten ist. Das kann trotz der gebotenen ordnungsrechtlichen Beurteilung etwa dann in Betracht kommen, wenn ein strafrechtliches Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden ist (BVerwG vom 24.09.1996, a. a. O.; Nr. 55.2.2.3.2 der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz vom 22.12.2004) oder wenn die Straftat lediglich zu einer Verurteilung bis zu 30 Tagessätzen geführt hat (vgl. Nr. 55.2.2.3.1 der vorläufigen Anwendungshinweise). So liegt es hier aber nicht. Die Antragstellerin wurde vom Amtsgericht Magdeburg wegen der Delikte jeweils rechtskräftig zu Geldstrafen verurteilt. Mit Beschluss vom 15.06.2006, der seit dem 01.07.2006 rechtskräftig ist, wurde nachträglich eine Gesamtstrafe von 95 Tagessätzen gebildet.

Ob die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin insbesondere im Hinblick auf Art und Höhe der Strafe, die in die Abwägung einzubeziehen sind (vgl. hierzu Hailbronner, Ausländerrecht, A 1 § 55 AufenthG RdNr. 95), den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hinreichend beachtet, bedarf hier keiner Vertiefung.

Zu Recht wendet die Antragstellerin jedenfalls ein, dass ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug der Ausweisungsverfügung (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) nicht erkennbar ist. Allgemein ist für die Vollziehungsanordnung ein über das allgemeine Interesse am Verwaltungsakt hinaus gehendes besonderes öffentliches Interesse für den Sofortvollzug erforderlich, das "schlüssig" gerechtfertigt werden muss (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 80 RdNr. 92, m. w. Nachw.; vgl. Beschl. d. Senats v. 16.11.1999 - B 2 S 420/99 -, m. w. Nachw.). Auch für die Verbindung der Ausweisung mit der Anordnung des Sofortvollzugs muss gerade auch mit Rücksicht auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stets ein besonderes, über die Voraussetzungen für die Ausweisung selbst hinausgehendes Erfordernis vorliegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.09.1995 - 2 BvR 1179/95 -, InfAuslR 1995, 397; Beschl. d. Senats v. 18.10.2006 - 2 M 234/06 -, Juris).

Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung damit begründet, dass diese Entscheidung "letztlich erforderlich sei, da die angedrohte und eventuell durchzuführende Abschiebung kraft Gesetzes sofort vollziehbar sei". Würde die Wirkung der Ausweisung nicht für sofort vollziehbar erklärt werden, könne eine Abschiebung weder angedroht noch durchgeführt werden. Diese Gründe vermögen ein besonderes öffentliches Interesse für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht zu rechtfertigen. Das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug eines Verwaltungsakts kann nicht allein damit begründet werden, dass der Verwaltungsakt ohne den Sofortvollzug nicht vollziehbar wäre. Im Übrigen ist die Antragstellerin auch ohne den Sofortvollzug der Ausweisungsverfügung vollziehbar ausreisepflichtig ist, nachdem das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ihren Asylantrag durch Bescheid vom 22.03.2004 abgelehnt hat und eine dagegen gerichtete Klage erfolglos geblieben ist. Ihre Abschiebung hat die Antragsgegnerin lediglich wegen Passlosigkeit ausgesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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