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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 04.06.2009
Aktenzeichen: 2 M 55/09
Rechtsgebiete: AufenthG


Vorschriften:

AufenthG § 104a Abs. 1
Täuschungen über die Identität eines Ausländers wirken, auch wenn sie im Asylverfahren gegenüber dem Bundesamt getätigt worden sind, auch gegenüber der Ausländerbehörde.

Auch bei der Durchführung eines Asylverfahrens obliegt der Ausländerbehörde die Entscheidung über die Abschiebung eines Ausländers.


Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Mit Beschluss vom 20.03.2009 hat das Verwaltungsgericht Halle den Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 104a Abs. 1 AufenthG zu erteilen, abgelehnt.

Die Gründe, die die Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorbringt und auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§146 Abs. 4 S. 6 VwGO), rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO liegen nicht vor. Der Antragsteller hat den hierfür erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Geduldete, die am 01.07.2007 mindestens acht Jahre oder, falls in häuslicher Gemeinschaft mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern lebend, seit sechs Jahren sich in Deutschland aufhalten, ein Mindestmaß an Integrationswilligkeit zeigen, über ausreichend Wohnraum verfügen, hinreichende mündliche Deutschkenntnisse besitzen und die Ausländerbehörden nicht vorsätzlich getäuscht haben, erhalten zunächst ein bis zum 31.12.2009 befristetes Aufenthaltsrecht und einen gleichrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt, damit sie ohne Inanspruchnahme öffentlicher Sozialleistungen durch Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Die Altfallregelung des § 104a AufenthG ist darauf angelegt, langfristig geduldeten Ausländern unter bestimmten Voraussetzungen eine Chance für eine geordnete Eingliederung in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland zu geben, auch wenn der Lebensunterhalt zunächst nicht gesichert ist (Zielgruppe). Diese Altfallregelung steht vor dem Hintergrund, dass eine Zuwanderung in die Sozialsysteme nach einer Übergangszeit bis Ende 2009 verwehrt wird. Geduldete haben nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG einen gesetzlichen Regelanspruch auf ein zunächst bis zum 01.07.2008 (Fälle des § 104a Abs. 1 Satz 4 AufenthG; bei mangelnden Sprachkenntnissen) bzw. bis zum 31.12.2009 (Fälle des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG) befristetes Aufenthaltsrecht (vgl. § 104a Abs. 5 Satz 1 bzw. 3 AufenthG) und einen gleichrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt (vgl. § 104a Abs. 4 Satz 2 AufenthG), damit sie künftig ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bzw. Sozialleistungen, insbesondere durch Erwerbstätigkeit, ihren Lebensunterhalt bestreiten können, wenn sie sich am 01.07.2007 seit mindestens acht Jahren, oder, falls in häuslicher Gemeinschaft mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern lebend, seit mindestens sechs Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen in Deutschland aufgehalten haben und grundsätzlich die in Nr. 1 bis 6 genannten Voraussetzungen, von denen es Abweichungsmöglichkeiten gibt, erfüllen. Es muss sich um einen Aufenthalt im Bundesgebiet in dem erforderlichen Umfang, der in entsprechender Weise aufenthaltsrechtlich lückenlos abgedeckt ist, handeln (vgl. hierzu Welte, Aktuelles Ausländerrecht-Kom. 113. Erg.-Lfg. 10/2008, § 104a RdNrn. 6,11). Der Antragsteller erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Er hat sich am 01.07.2007 nicht seit mindestens acht Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen in Deutschland aufgehalten.

Der Antragsteller reiste nach eigenen Angaben als irakischer Staatsangehöriger mit angeblicher arabischer Volkszugehörigkeit am 03.04.1999 illegal und ohne Identitätsnachweise mit einem LKW auf dem Landweg in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 12.04.1999 unter dem Namen "..." beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 22.04.1999 wurde der Antrag abgelehnt und festgestellt, dass weder die Voraussetzungen des § 51 Abs.1 des AuslG noch Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AusIG vorliegen. Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Gleichzeitig wurde die Abschiebung in den Irak angedroht. Nach erfolglosem Gerichtsverfahren wurde der Ablehnungsbescheid am 28.07.2000 rechtskräftig. Am gleichen Tag stellte der Antragsteller beim Bundesamt, Außenstelle Halberstadt, einen Asylfolgeantrag, der mit Datum vom 04.08.2001 rechtskräftig abgelehnt wurde. Aufgrund des fehlenden Passes bzw. fehlender Passersatzpapiere wurde dem Antragsteller unter dem Namen "..." am 28.08.2001 erstmals vom Antragsgegner eine Duldung erteilt. Anlässlich einer beabsichtigten Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen Frau W. M. legte der Antragsteller am 18.08.2003 irakische Originalurkunden vor, welche auf den Namen A. ausgestellt waren. Mit Schreiben vom 09.10.2003 bescheinigte das Landeskriminalamt Sachsen - Anhalt die wahrscheinliche Echtheit der vorgelegten Urkunden (irakischer Personalausweis, Staatsangehörigkeitsausweis und Personenregisterauszug). Nach Vorlage des irakischen Reisepasses beantragte der vormalige Rechtsanwalt des Antragstellers nunmehr unter dem Namen A. am 27.05.2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels.

Bei der Berechnung des Zeitraums von 8 Jahren kann die Zeit vom 12.04.1999 bis zum 18.08.2003 nicht berücksichtigt werden, weil der Antragsteller den Antragsgegner insoweit vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht hat (§ 104a Abs.1 Nr. 4 1. Alt. AufenthG). Beim Ausschlussgrund der vorsätzlichen Täuschung der Ausländerbehörde, des Hinauszögerns oder Behinderns behördlicher Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung (§ 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG) ist zwar entsprechend dem Willen des Gesetzgebers an das großzügige Verständnis der IMK-Bleiberechtsregelung vom 17.11.2006 anzuknüpfen und, um das Problem der langjährig Geduldeten lösen zu wollen, großzügig auszulegen (BMI, Hinweise zum Richtlinienumsetzungsgesetz 2007 Nr. 331).

Eine die Rechtsfolgen des § 104a Abs. 1 AufenthG ausschließende Täuschung der Ausländerbehörde kommt aber insbesondere dann in Betracht, wenn der Ausländer - wie hier - vorsätzlich falsche Angaben über seine Identität - einschließlich Alter und Herkunftsstaat - über das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft oder über den mangelnden Besitz eines Passes macht (Hailbronner, in: derselbe, u.a., Ausländerrecht, Stand: 61. Aktualisierung, § 104a RdNr. 9).

Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er über seine Identität nicht gegenüber der Ausländerbehörde, sondern gegenüber dem Bundesamt getäuscht habe und eine solche Täuschung nicht unter § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG zu subsumieren sei. Nach der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des OVG Schleswig - Holstein vom 12.07.2007 (- 4 MB 57/07 - nach www.asyl.net.de) reicht es zwar für die Annahme der Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AufenthG nicht aus, wenn die Ausländerbehörde allein aus dem Vortrag und den Verhaltensweisen des Antragstellers im Asyl- bzw. Asylfolgeverfahren ableitet, dass der Antragsteller die Ausländerbehörde vorsätzlich über aufenthaltsrechtlich relevante Umstände getäuscht hat. Dies gilt aber allenfalls dann, wenn der Ausländer im Asylverfahren lediglich aus seiner Sicht für sein Asylbegehren rechtlich und tatsächlich relevante Umstände und Gegebenheiten vorgetragen hat, die vom Gericht nicht als glaubwürdig angesehen worden sind. Eine für § 104a Abs. 1 S.1 Nr. 4 AufenthG relevante Täuschung liegt indes stets dann vor, wenn der Ausländer nach Abschluss von Asylverfahren die Ausländerbehörden weiter aktiv getäuscht oder eine rechtlich gebotene Aufklärung pflichtwidrig unterlassen hat. Dies ist hier der Fall. Auch bei erstmaliger Erteilung einer Duldung nach Abschluss des Asylverfahrens hat der Antragsteller die Ausländerbehörde weiterhin über seine Identität getäuscht.

Darüber hinaus wirken Täuschungen über die Identität eines Ausländers, auch wenn sie im Asylverfahren gegenüber dem Bundesamt getätigt worden sind, grundsätzlich auch gegenüber der Ausländerbehörde. Auch bei Durchführung eines Asylverfahrens obliegt nämlich der Ausländerbehörde die Entscheidung über die Abschiebung eines Ausländers. Durch das AsylVfG 1992 wurde lediglich die Kompetenz für den Erlass von Abschiebungsandrohungen von den örtlichen Ausländerbehörden auf das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge übertragen (vgl. Hailbronner, a.a.O. § 40 AsylVfG Rdnr. 3).

Die übrigen Entscheidungen des Beschlusses beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 53 Abs. 3 GKG.

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