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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 03.08.2004
Aktenzeichen: 2 M 84/04
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BauNVO, BlmSchG, 27. BlmSchV, LSA-BestattG, LSA-BauO, VwVfG


Vorschriften:

VwGO § 80 V
VwGO § 80a
BauGB § 35 III 1 3
BauNVO § 15 I 2
BlmSchG § 3 I
BlmSchG § 22 I
27. BlmSchV
LSA-BestattG § 13
LSA-BauO § 77 III
VwVfG § 36 I
1. Eine Baugenehmigung, die bei problematischen Immissionsverhältnissen nur schematisch die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte aufgibt, stellt nicht wirklich sicher, dass die Zuläs-sigkeitsvoraussetzungen für das Bauvorhaben erfüllt werden.

2. Mängel der Bauvorlagen sind kein selbständiger Grund für eine Anfechtung der Genehmigung.

3. § 22 BImSchG schreibt kein gesondertes drittschützendes Prüfungsverfahren vor.

4. § 13 BestattungsG LSA hat keinen drittschützenden Charakter.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 84/04

Datum: 03.08.2004

Gründe:

Der Antragsteller ist Eigentümer von auf dem Grundstück der Gemarkung ... errichteten Gebäude. Ob und in welchem Umfang das dort vorhandene Wohnhaus noch zu Wohnzwecken genutzt wird, ist zwischen den Beteiligten streitig. Der Antragsteller wendet sich gegen eine den Beigeladenen vom Antragsgegner erteilte Baugenehmigung ... zur Errichtung und zum Betrieb einer Feuerbestattungsanlage auf dem südlich angrenzenden Grundstück .... Beide Grundstücke liegen im räumlichen Geltungsbereich des ... Bebauungsplans II, der für den gesamten Geltungsbereich ein Industriegebiet ausweist. Gegen die Baugenehmigung erhob der Antragsteller 26.11.2003 Widerspruch, über den - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden ist.

Am 05.12.2003 hat er beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und zur Begründung u. a. ausgeführt: Die Baugenehmigung verletze ihn in seinen Nachbarrechten. Sein Wohnhaus liege nur in etwa 40 m Entfernung vom geplanten Bauvorhaben. Ein Wirtschaftsgebäude sei nur 70 m und ein Brunnen etwa 30 m entfernt. Der Bebauungsplan II sei wegen eines Bekanntmachungsfehlers sowie wegen Verletzung des Abwägungs- und des Rücksichtnahmegebots unwirksam. Durch die bei der Leichenverbrennung entstehenden Emissionen werde er bei der Wohnnutzung unzumutbar gestört. Die ihn schützenden immissionsrechtlichen Vorschriften könnten nicht eingehalten sein. In den von den Beigeladenen beim Antragsgegner eingereichten Bauunterlagen fehlten sämtliche zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung erforderlichen Unterlagen, insbesondere der rechnerische Nachweis der Abstandflächen, Angaben über Emissionen und Immissionen sowie Nachweise über die Einhaltung der Vorschriften der 27. BImSchV und der Emissionsgrenzwerte bei Störfällen nach der 12. BImSchV. Zudem sehe er sich durch die industriemäßige Verbrennung von Leichen in seinem Lebensgefühl beeinträchtigt. Sein Gebäude-Eigentum werde aufgrund der Nähe zu der Anlage faktisch wertlos. Außerdem sei es pietätlos, eine Feuerbestattungsanlage in der Nachbarschaft von Industrie- oder Gewerbebetrieben zu errichten.

Mit dem angegriffenen Beschluss vom 12.02.2004 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Zwar sei der Antragsteller als Gebäude-Eigentümer antragsbefugt. Das Vorhaben der Beigeladenen verletze aber nach summarischer Prüfung aller Voraussicht nach keine nachbarschützenden Vorschriften. Es halte die erforderlichen Abstandflächen ein und lasse auch die gebotene Rücksichtnahme nicht vermissen. Dabei könne dahinstehen, ob der Bebauungsplan II der Stadt Osterfeld unwirksam sei. Von der Feuerbestattungsanlage gingen keine unzumutbaren Störungen oder Belästigungen aus. Maßstab seien die Vorschriften der 27. BImSchV, deren Einhaltung einzelne in der Baugenehmigung enthaltene Auflagen gewährleisteten. Es lägen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die von der streitigen Anlage ausgehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze überschritten. Aus den Bauvorlagen ergebe sich, dass der Betrieb keine Geruchsbelästigungen hervorrufe, was sich auch aufgrund des Betriebs baugleicher Öfen an anderen Standorten belegen lasse. Die vorgeschriebene Mindesthöhe des Schornsteins sei in den genehmigten Planunterlagen vorgesehen, wenn auch nur aufgrund eines mit Bleistift aufgenommenen Zusatzes. Unzumutbare Lärmbelästigungen seien ebenfalls nicht zu erwarten, zumal die Gebäude des Antragstellers aufgrund des angrenzenden Gewerbegebiets und der nahe gelegenen Bundesautobahn ... bereits erheblichen Vorbelastungen ausgesetzt sei. Der Antragsteller könne sich schließlich nicht darauf berufen, die Errichtung des Krematoriums an dem vorgesehenen Standort verstoße gegen die Menschenwürde; denn die insoweit maßgebliche Vorschrift des § 13 BestattG LSA diene nicht auch dem Schutz des Antragstellers. Ein solcher Verstoß betreffe allenfalls die Eigentümer der Gewerbegrundstücke sowie die Stadt ... als Trägerin der Planungshoheit.

Mit seiner Beschwerde rügt der Antragsteller: Zwar könne er derzeit kein Gutachten beibringen, das die für ihn unzumutbaren Emissionen der streitigen Anlage belege. Indes seien die Bauunterlagen so unzureichend, dass nicht einmal ein Gutachter in der Lage wäre, die Frage der Zumutbarkeit der Emissionen anhand dieser Unterlagen zu ermitteln. Dies gelte unter anderem für die Mindesthöhe des Schornsteins, bei der zu berücksichtigen sei, dass der Standort der Verbrennungsanlage etwa 5 m unter Flur liege. Er könne sich nicht nur auf die Einhaltung der drittschützenden Bestimmungen, wie insbesondere denen der 27. BImSchV berufen; er könne vielmehr auch geltend machen, dass der Antragsgegner als Baugenehmigungsbehörde diese Vorschriften gar nicht geprüft habe. Die Prüfung, ob diese Vorschriften eingehalten seien, könne nicht durch die Beifügung von Auflagen ersetzt werden. Er müsse nicht dulden, dass einerseits eine Anlage ohne behördliche Prüfung errichtet werde und ihm andererseits aufgrund nicht vorhandener Unterlagen der Nachweis unmöglich sei, dass von der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen ausgingen. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, weshalb zwar ein Gewerbetreibender, nicht aber der Eigentümer eines Wohngebäudes sich auf das in § 13 BestattG LSA verankerte Recht der Menschenwürde solle berufen können.

II.

A. Die beantragte Prozesskostenhilfe ist zu versagen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den unter B. dargelegten Gründen, auf die der Senat insoweit Bezug nimmt, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO). Damit erledigt sich die Beiordnung des vom Antragsteller gewählten Rechtsanwalts (§ 166 VwGO i. V. m. § 121 Abs. 1, 2 ZPO). Für dieses Verfahren werden Gerichtsgebühren nicht erhoben (§ 1 GKG) und außergerichtliche Kosten nicht erstattet (§ 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

B. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den vorläufigen Rechtsschutzantrag des Antragstellers nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i. V. m . § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgelehnt. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung wird der Widerspruch des Antragstellers gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 27.10.2003 keinen Erfolg haben.

Der Widerspruch und eine gegebenenfalls nachfolgende Anfechtungsklage des Antragstellers hat nur Erfolg, wenn die Baugenehmigung ihn in Nachbarrechten verletzt. Als subjektives Recht des Antragstellers kommt - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - entweder § 15 Abs. 1 Satz 2 der Baunutzungsverordnung i. d. F. d. Bek. v. 23.01.1990 (BGBl I 132) - BauNVO -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.04.1993 (BGBl I 466), in Betracht, falls der Bebauungsplan II der Stadt Osterfeld gültig sein sollte, oder § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 des Baugesetzbuchs - BauGB - i. d. F. d. Bek. v. 27.08.1997 (BGBl I 2141, ber.: BGBl. 1998 I 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.06.2004 (BGBl I 1359), falls der Bebauungsplan - wie der Antragsteller geltend macht - unwirksam sein sollte. Das geplante Vorhaben der Beigeladenen würde das in diesen Vorschriften verankerte Rücksichtnahmegebot nur verletzen, wenn von der Anlage für den Antragsteller Belastungen oder Störungen ausgingen, die nach der Eigenart des Industriegebiets unzumutbar sind, bzw. wenn von ihr schädliche Umwelteinwirkungen ausgingen. Dies dürfte indes nach summarischer Prüfung nicht der Fall sein.

In Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass bei der Frage, welche Immissionen für den Antragsteller zumutbar sind, die Regelungen der 27. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 19.03. 1997 (BGBl I 545), geändert am 03.05.2000, (Verordnung über Anlagen zur Feuerbestattung) - 27. BImSchV - herangezogen werden können. Das Maß dessen, was an Umwelteinwirkungen zumutbar ist, wird für nach Baurecht, nicht jedoch für nach Immissionsschutzrecht genehmigungspflichtige Anlagen - wie bei der hier streitigen Feuerbestattungsanlage - grundsätzlich durch §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - BImSchG - i. d. F. d. Bek. v. 26.09.2002 (BGBl I 3830), zuletzt geändert durch Gesetz vom 08.07.2004 (BGBl I 1578 [1590]) sowie durch aufgrund § 23 BImSchG erlassene Rechtsverordnungen maßgeblich bestimmt (vgl. BayVGH, Beschl. v. 08.07.1997 - 14 B 93.3102 -, NVwZ 1998, 419). Die nach § 23 BImSchG erlassenen Rechtsverordnungen dienen der Konkretisierung der immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten gemäß § 22 BImSchG (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.07.1999 - BVerwG 4 B 38.99 -, UPR 2000, 37). Entspricht eine Anlage den Anforderungen einer solchen Verordnung, ist im Regelfall davon auszugehen, dass ihr Betrieb nicht mit schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen verbunden und mit dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot vereinbar ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.07.1999, a. a. O.; VGH BW, Urt. v. 05.09.1989 - 10 S 1712/88 -, NJW 1990, 1930 [1931]).

Nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass die streitige Feuerbestattungsanlage, so wie sie der Antragsgegner genehmigt hat, den Vorschriften der 27. BImSchV entspricht. Mit Recht verweist das Verwaltungsgericht auf die der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen, die auf die Einhaltung dieser Regelungen gerichtet sind. Neben dem (allgemeinen) Hinweis, dass die 27. BImSchV in ihrer Gesamtheit einzuhalten sei, enthält die Baugenehmigung weitere, in der 27. BImSchV genannte Vorgaben, die beim Betrieb der Anlage einzuhalten sind. Ohne Erfolg wendet der Antragsteller ein, diese Auflagen genügten nicht, um die Zulässigkeit des streitigen Vorhabens herzustellen. Nach § 77 Abs. 3 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt - BauO LSA - (= Art. 1 des Gesetzes über die Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt und zur Änderung des Ingenieurgesetzes und des Vermessungs- und Katastergesetzes vom 23.06.1994 [LSA-GVBl., S. 723], geändert durch Gesetz vom 24.11.1995 [LSA-GVBl., S. 339], i. d. F. des Gesetzes zur Vereinfachung des Baurechts in Sachsen-Anhalt vom 09.02.2001 [LSA-GVBl., S. 50], zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 [LSA-GVBl., S. 158, 161 <Art. 5>]), kann eine Baugenehmigung unter Nebenbestimmungen erteilt werden. Eine solche Nebenbestimmung ist insbesondere zulässig, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsakts erfüllt werden (§ 36 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes i. d. F. d. Bek. v. 23.01.2003 (BGBl I 102) - VwVfG -). Zwar darf die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens nicht unbegrenzt der Erfüllung von Nebenbestimmungen vorbehalten bleiben. Eine Baugenehmigung, die bei problematischen Immissionsverhältnissen nur schematisch die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte aufgibt, stellt nicht wirklich sicher, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Bauvorhaben erfüllt werden; solche Auflagen dürfen den Nachbarn nicht in unzumutbarer Weise mit dem gesamten Risiko belasten, dass der Bauherr die Auflage auch einhält, ohne dass es zu einer echten nachbarlichen Konfliktschlichtung kommt (NdsOVG; Urt. v. 29.08.1995 - 1 L 3462/94 -, BauR 1996, 79). Überschreiten die bei der Nutzung einer Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, dann genügt es nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen; vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden (BayVGH, Urt. v. 18.07.2002 - 1 B 98.2945 -, BRS 65 Nr. 190). Das bedeutet andererseits aber nicht, dass jede Baugenehmigung für gewerbliche Vorhaben auch dann detaillierte Inhalts- und Nebenbestimmungen zur Betriebsweise und zur Emissionsbegrenzung enthalten muss, wenn sich nachhaltige Interessenskonflikte nicht abzeichnen; Voraussetzung ist vielmehr, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit spürbare Immissionen auftreten werden, die zumindest in die Nähe der maßgeblichen Grenz- oder Richtwerte reichen (NdsOVG, Beschl. v. 10.07.1997 - 1 L 2812/97).

Eine solche problematische Immissionssituation ist im konkreten Fall aber nicht erkennbar. Es sind insbesondere keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die maßgeblichen Emissionsrichtwerte nach § 4 der 27. BImSchV bei regelmäßigem Betrieb der Anlage nicht eingehalten werden können. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die streitige Einäscherungsanlage einem bestimmten Anlagentyp des Herstellers (...) angehört, der nach den Angaben des Herstellers dem derzeitigen Stand der Technik solcher Anlagen entsprechen soll. Die Anlagen- und Betriebsbeschreibung des Herstellers enthält zudem konkrete Angaben darüber, dass und in welcher Form eine Minimierung der Emissionen erfolgen soll. Die Funktionsweise der Abgasreinigungsanlage ist im Einzelnen beschrieben. Daraus ergibt sich unter anderem, dass diese Anlage die Einhaltung der Emissionswerte des § 4 Abs. Nrn. 2 a) und 3 der 27. BImSchV für Gesamtstaub von 10 mg/m³ und für Dioxine/Furane von 0,1 ng/m³ erreichen kann.

Zu Unrecht wendet der Antragsteller ein, der die Abgase der Anlage ableitende Schornstein weise nicht die nach § 5 Satz 1 Nr. 2 der 27. BImSchV erforderliche Mindesthöhe von 10 Meter über Flur auf. Zwar dürfte diese Regelung nachbarschützenden Charakter haben, da sie insbesondere dazu dienen soll, die von der betreffenden Anlage ausgehenden Emissionen weiträumiger zu verteilen und damit die Gefahr schädlicher Umwelteinwirkungen im Nahbereich um eine Rauchgas emittierende Anlage zu verringern. Auch ergibt sich aus einer Eintragung in einem Luftbild, dass sich der Standort der streitigen Anlage in einer "tiefer gelegenen" ehemaligen Lehmgrube befindet, so dass der Schornstein - gemessen vom Grund der Lehmgrube - eine Höhe von über 10 m wird aufweisen müssen. Wie hoch dieser Niveauunterschied ist, lässt sich im Rahmen der summarischen Prüfung indes nicht feststellen. Soweit der Antragsteller vorträgt, er betrage etwa 5 m, ist dies nicht glaubhaft gemacht. Hinzu kommt, dass nach einer in den Bauvorlagen enthaltenen Kopie der topografischen Karte das Gelände in Richtung Norden, mithin in Richtung des Gebäudes des Antragstellers (wieder) abfällt. Insoweit lässt sich derzeit schon nicht feststellen, dass die in der Anlage 1 zum Bauantrag angegebene Schornsteinhöhe von 12 m nicht ausreichen könnte, um schädliche Umwelteinwirkungen auf das Grundstück des Klägers in dem erforderlichen Maß zu vermeiden. Unabhängig davon dürfte in der angegriffenen Baugenehmigung hinreichend sichergestellt sein, dass der Schornstein nur in der nach § 5 Satz 1 Nr. 2 der 27. BImSchV erforderlichen Mindesthöhe errichtet werden darf. Nach dem vom Verwaltungsgericht genannten, in einer Ansichtszeichnung mit Bleistift aufgenommenen Zusatz muss der Schornstein eine Höhe von "mindestens 10 m über Flur" aufweisen. Eine entsprechende Formulierung befindet sich in den der Baugenehmigung beigefügten allgemeinen Hinweisen. Zwar soll nach einer Grün-Eintragung des Antragsgegners auf einer weiteren Ansichtszeichnung der Schornstein eine Höhe von 10 m "über Grund" aufweisen, was - isoliert betrachtet - dahin gehend zu verstehen sein könnte, dass die Höhe des Schornsteins vom Baugrund aus und nicht von dem Flurniveau zu messen ist. Bei einer Gesamtbetrachtung der vom Antragsgegner gemachten Zusätze kann indes der Baugenehmigung noch mit hinreichender Klarheit entnommen werden, dass der Schornstein mit einer Höhe von 10 m über Flur zu errichten ist.

Der Antragsteller kann sich indes nicht darauf berufen, die von den Beigeladenen eingereichten Bauvorlagen seien unvollständig, insbesondere fehlten darin eine Reihe von Angaben, die für die Beurteilung der Genehmigungsvoraussetzungen nach der 27. BImSchV erforderlich seien. Wie der Senat bereits im Zwischenbeschluss vom 01.04. 2004 ausgeführt hat, geben Mängel der Bauvorlagen keinen Anlass, einen selbständigen Anfechtungsgrund gegen die erteilte Baugenehmigung zu schaffen. Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des öffentlichen Baurechts besitzen keinen nachbarschützenden Charakter in der Weise, dass ein Nachbar allein wegen der Verletzung einer Verfahrensvorschrift die Aufhebung einer Baugenehmigung verlangen kann (vgl. HessVGH, Beschl. v. 30.12.1994 - 3 TH 525/94 -, BImSchG-Rspr § 22 Nr. 91, m. w. N.). Eine verwaltungsverfahrensrechtliche Vorschrift begründet ein subjektives Recht nur dann, wenn sie nicht allein der im allgemeinen Interesse liegenden Ordnung des Verfahrensablaufs, insbesondere der umfassenden Information der Genehmigungsbehörde dienen soll, sondern dem betroffenen Dritten in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen Recht eine eigene selbständig durchsetzbare Rechtsposition gewähren will, sei es im Sinne eines Anspruchs auf die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens überhaupt, sei es im Sinne eines Anspruchs auf Beteiligung an einem eingeleiteten Verwaltungsverfahren (BVerwG, Urt. v. 14.12.1973 - BVerwG IV C 50.71 -, BVerwGE 44, 235 [239]). Die Vorschriften über die Vorlage richtiger und vollständiger Bauvorlagen dienen indes allein dem öffentlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens (vgl. HessVGH, Beschl. v. 30.12.1994, a. a. O.).

Auch ein Unterlassen der erforderlichen Prüfung der immissionsschutzrechtlichen Voraussetzungen durch den Antragsgegner würde nicht zu einer Verletzung der subjektiven Rechte des Antragstellers führen. Die im Baugenehmigungsverfahren vorzunehmende Überprüfung der Voraussetzungen des § 22 BImSchG schreibt kein gesondertes drittschützendes Prüfungsverfahren vor (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 02.12.1992 - 1 M 3997/92 -, NVwZ 1993, 1117 [1118]). Die im Baugenehmigungsverfahren vorzunehmenden Überprüfungen der die Belange Dritter betreffenden Vorschriften sind bei diesem Verfahren nicht so ausgestaltet, dass den Dritten bereits verfahrensrechtlich eine Rechtsposition mit eigenem Gewicht zugestanden würde; ihre Belange sind insoweit nur im Bereich der materiellen Betroffenheit geschützt (OVG NW, Beschl. v. 02.12.1992 - 7 B 2917/92 -, NVwZ 1993, 1116).

Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht darauf berufen, die Baugenehmigung verstoße gegen § 13 des Bestattungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 05.02.2002 (LSA-GVBl, S. 46) - BestattG LSA -, wonach die Bestattungseinrichtungen - dazu zählen gemäß § 2 Nr. 8 BestattG LSA auch Gebäude, die der Feuerbestattung dienen - so zu gestalten und zu betreiben sind, dass sie der Menschenwürde entsprechen; denn diese Vorschrift ist nicht dem Schutz der Nachbarn einer solchen Einrichtung zu dienen bestimmt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschl. v. 27.12.1996 - B 2 S 503/96 - ) sind im Nachbarstreit die Kosten eines notwendig beigeladenen Privaten stets erstattungsfähig, weil er ohne sein Zutun mit einem solchen Verfahren überzogen wird.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]). Der Senat orientiert sich insoweit an dem im Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Januar 1996 unter Abschnitt II Nr. 7.6.1 angegeben Betrag, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich zu halbieren ist.

Ende der Entscheidung

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