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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 05.07.2004
Aktenzeichen: 2 M 867/03
Rechtsgebiete: BlmSchG, BauGB, VwGO


Vorschriften:

BlmSchG § 10
BlmSchG § 13
BlmSchG § 4
BauGB § 2 II
BauGB § 33 I 2
BauGB § 35 III
VwGO § 42 II
1. Die Nachbargemeinde kann die erteilte Genehmigung für Windenergie-Anlagen nur anfechten, soweit sie selbst in eigenen Rechten betroffen wird.

2. Das In-Kraft-Treten des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans steht nicht zur Disposition der Gemeinde. Verzögert sie die Bekanntmachung, so entfällt mit zunehmendem zeitlichen Abstand die Möglichkeit, "Planreife" nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 BauGB anzunehmen.

3. Das Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB verleiht der Nachbargemeinde kein subjektives Recht bei Entscheidungen auf der Grundlage des § 35 BauGB, es sei denn, die Verletzung führe zu unzumutbaren Ergebnissen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 867/03

Datum: 05.07.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf die §§ 154 Abs. 2; 162 Abs. 3 VwGO <Kosten> und auf §§ 13 Abs. 1 S.1; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) <Streitwert>.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt keinen Anlass, die Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen, die davon ausgeht, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 03.09.2003 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 22.07.2003 keine Nachbarrechte der Antragstellerin verletzt und deshalb ihr Interesse hinter dem der Beigeladenen, die ihr erteilte Genehmigung ohne Verzögerung auszunutzen, zurücktreten muss.

Die von der Antragstellerin in den Vordergrund gerückten Bedenken werden voraussichtlich nicht zum Erfolg einer Anfechtungsklage gegen die erteilte Genehmigung führen.

Seit dem 03.08.2001 bedürfen gemäß Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz - UVPuaEGLUmsG - vom 27.07.2001 (BGBl. I 1950) Windfarmen mit mehr als drei Windenergieanlagen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 BImSchG. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit des Vorhabens der Beigeladenen folgt aus § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 3; § 2 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. der Anlage Nr. 1.6, Spalte 2 der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4.BImSchV - vom 14.03.1997 (BGBl I 504) in der Fassung des Art. 4 des vorgenannten Gesetzes vom 27.07.2001. Nach § 13 BImSchG schließt die Genehmigung die bauordnungsrechtliche Genehmigung und die Prüfung bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit des Vorhabens ein.

Selbst wenn die für das Vorhaben erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach §§ 4, 10 BImSchG rechtswidrig sein sollte, würde dies nicht besagen, dass diese Genehmigung auf die Klage der Antragstellerin hin aufzuheben wäre. Der Erfolg einer Anfechtungsklage hängt nicht allein davon ab, dass der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig ist. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangt außerdem, dass der jeweilige Kläger durch den rechtswidrigen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt ist.

Ob eine öffentlich-rechtliche Vorschrift die Antragstellerin als Dritte durch Verleihung eines subjektiven Rechts schützt, beurteilt sich nach der sogenannten Schutznormtheorie. Danach vermitteln Drittschutz nur solche Vorschriften, die nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm auch der Rücksichtnahme auf die Interessen des betreffenden Dritten dienen (vgl. von Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2.Aufl., § 42 RdNr. 74). Dabei kann sich die Antragstellerin aus dem Kreis der drittschützenden Vorschriften nur auf diejenigen berufen, die die Antragsgegnerin bei der Genehmigungserteilung auch beachten musste. Am Fehlen einer verletzten individuellen Rechtsposition wird die Anfechtungsklage hier aller Voraussicht nach scheitern.

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen richtet sich nicht nach § 33 BauGB.

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ist in Gebieten, in denen ein Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst ist, ein Vorhaben zulässig, wenn u. a. anzunehmen ist, dass das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht entgegensteht. Diese vielfach als materielle Planreife bezeichnete Planungssituation ist gegeben, wenn hinreichend voraussehbar und mit gebotener Sicherheit beurteilbar ist, dass der Inhalt des Entwurfs mit der Qualität des § 10 BauGB festgesetzt werden wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.03.1978 - BVerwG 4 B 26.78 -, Buchholz 406.11 [BBauG] § 33 Nr. 5). Wann diese sichere Erwartung gegeben ist, lässt sich allerdings nicht allgemeingültig festlegen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens eines Bebauungsplans grundsätzlich nicht zur Disposition der Gemeinde steht. Die gesetzliche Regelung, nach der der Bebauungsplan mit seiner Bekanntmachung in Kraft tritt, geht davon aus, dass mit dem Satzungsbeschluss der Gemeinde regelmäßig die Erwartung verbunden ist, der Bebauungsplan werde nun alsbald in Kraft gesetzt werden. Sieht eine Gemeinde davon ab, den Bebauungsplan in Kraft zu setzen, obwohl die Planung sachlich abgeschlossen ist, so läuft sie Gefahr, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand die materielle Planreife im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 2 BauGB fraglich wird und damit die Möglichkeit entfällt, Vorhaben auf der Grundlage dieser Vorschrift zuzulassen. Will eine Gemeinde gar einen Bebauungsplan nicht bekannt machen, sondern beabsichtigt, Baugesuche unter Zugrundelegung des Bebauungsplans über § 33 BauGB zuzulassen, so ist eine derartige Praxis - möglicherweise sogar mit dem Ziel, den Betroffenen den Rechtschutz durch ein Normenkontrollverfahren abzuschneiden - rechtswidrig (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.10.2001 - BVerwG 4 BN 48.01 -, NVwZ-RR 2002, 256, m. w. N.). Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls spricht hier Überwiegendes dafür, dass dem Bebauungsplan "..." die materielle Planreife fehlt. Der Plan hätte bereits im Juni 2002 bekannt gegeben werden können. Eine Verzögerung von mehr als zwei Jahren kann schwerlich mit einer durchgeführten Eingemeindung berechtigt erklärt werden. Auch der Antragsgegner geht in seinem Widerspruchsbescheid vom 26.09.2003 davon aus, dass der "Bebauungsplan zurückgezogen ist".

Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Beigeladenen richtet sich daher nach § 35 des Baugesetzbuches - BauGB - i. d. F. d. Bek. v. 27.08.1997 (BGBl I 2141), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23.07.2002 (BGBl I 2850).

Bei Erteilung der strittigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung hat der Antragsgegner nicht gegen materiell-rechtliche Vorschriften verstoßen, die dem Schutz der Antragstellerin als Nachbargemeinde zu dienen bestimmt sind.

Die Beschwerde ist zwar der Auffassung, dass die 16 Windenergieanlagen auf dem Gemeindegebiet der früheren Gemeinde G. (...) zur Genehmigung einer förmlichen Bauleitplanung bedurft hätten. Die Genehmigungsfähigkeit der Anlagen scheitere insoweit am Belang des Planungserfordernisses. Ein solches Erfordernis liege, gemessen an der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.08.2002 (- BVerwG 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25) vor, da das Vorhaben einen Koordinierungsbedarf auslöse, dem nicht das Konditionalprogramm des § 35 BauGB, sondern nur eine Abwägung im Rahmen einer förmlichen Bauleitplanung angemessen Rechnung tragen könne. Diese Ableitung teilt der Senat nicht.

Als eine die Antragstellerin schützende Norm käme hier allenfalls § 2 Abs. 2 BauGB in Betracht. Das interkommunale Abstimmungsgebot in § 2 Abs. 2 BauGB verbietet über den Rahmen der Bauleitplanung hinaus der Gemeinde, durch andere Maßnahmen die Weichen für die Zulassung eines Vorhabens zu stellen, das unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Nachbargemeinde nach sich zieht, etwa durch die Erteilung des Einvernehmens nach § 36 BauGB (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 - BVerwG 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedarf es einer (materiellen) Abstimmung nach § 2 Abs. 2 BauGB immer dann, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art in Betracht kommen, und zwar gerade unabhängig davon, ob in der Nachbargemeinde bereits Bauleitpläne oder bestimmte planerische Vorstellungen bestehen (BVerwG, Beschl. v. 09.01.1995 - BVerwG 4 NB 42.94 -, BRS 57 Nr. 5).

§ 35 Abs. 3 BauGB enthält keine Zulassungsschranke in Gestalt "öffentlicher Belange", die durch einen qualifizierten interkommunalen Abstimmungsbedarf (subjektiv-rechtlich) angereichert werden und der betroffenen Nachbargemeinde im Einzelfall ein vorhabenbezogenes Abwehrrecht verleihen können.

In dem von der Beschwerdeschrift zitierten Urteil vom 01.08.2002 - BVerwG 4 C 5.01 - a. a. O.) greift das Bundesverwaltungsgericht zwar auf den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 2 BauGB zurück, um den öffentlichen Belang des Planungserfordernisses zu definieren und einzugrenzen, wenn ein Vorhaben (im dort entschiedenen Fall, ein Einkaufszentrum) infolge einer fehlgeschlagenen (rechtswidrigen) Planung nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen sei. Das Erfordernis einer förmlichen Bebauungsplanung werde durch einen qualifizierten Abstimmungsbedarf im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB indiziert. Es bilde ein verfahrensrechtliches Zulassungshindernis für das zur Genehmigung gestellte Außenbereichsvorhaben. Zur Begründung verweist das Bundesverwaltungsgericht darauf, dass das planungsrechtliche Gebot der interkommunalen Abstimmung auch eine gesetzliche Ausformung des in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltungsrechts bilde. Danach stehe die grundgesetzlich verbürgte Planungshoheit unter dem "nachbarrechtlichen Vorbehalt" des Gebots wechselseitiger kommunaler Rücksichtnahme. Befänden sich zwei benachbarte Gemeinden objektiv in einer Konkurrenzlage, dürfe keine ihre jeweilige örtliche Planungshoheit gleichsam "rücksichtslos" zum Nachteil der anderen ausüben. Dieses Rücksichtnahmegebot bedürfe der gesetzgeberischen Umsetzung und Ausformung. Das sei in § 2 Abs. 2 BauGB und in § 35 Abs. 3 BauGB in der Gestalt eines öffentlichen Belangs des Planungserfordernisses geschehen. Der Rechtsgedanke der wechselseitigen kommunalen Rücksichtnahme, der in § 2 Abs. 2 BauGB gesetzlichen Niederschlag gefunden habe, könne darüber hinaus auch zur normativen Ableitung einer (objektiv-rechtlichen) Planungspflicht der Gemeinde aus § 1 Abs. 3 BauGB herangezogen werden.

Danach kann auch im Rahmen von § 35 Abs. 3 BauGB ein Planungserfordernis aus einem interkommunalen Abstimmungsbedarf entstehen. Aus § 1 Abs. 3 BauGB kann aber nur für Extremfälle eine Obliegenheit zur Bauleitplanung abgeleitet werden (BVerwG, Urt. v. 22.11.1968 - BVerwG IV C 98.65 - Buchholz 406.11 [BBauG] § 19 Nr. 22). Der öffentliche Belang des Gebots der interkommunalen Rücksichtnahme ist dann beeinträchtigt, wenn ein Vorhaben zu unzumutbaren Auswirkungen auf die Bauleitplanung benachbarter Gemeinden führt. Während eine Bauleitplanung schon dann abwägungsfehlerhaft sein kann, wenn der Plangeber gegen das in § 2 Abs. 2 BauGB enthaltene Abwägungsgebot verstößt, was beispielsweise auch durch einen Fehler im Abwägungsvorgang begründet sein kann, kann ein Dritter eine Baugenehmigung nicht deshalb anfechten, weil ihr keine korrekte Abwägungsentscheidung zugrunde liegt, vielmehr erst dann, wenn die getroffene Entscheidung im Ergebnis die Grenzen des nachbargemeindlichen Abstimmungsgebots verletzt (BVerwG, Beschl. v. 28.07.1994 - BVerwG 4 B 94.94 -, NVwZ 95, 598). Dies ist dann der Fall, wenn das Vorhaben zu Auswirkungen führt, die unzumutbar sind (vgl. Wagner, ZfBR 2000, 21 [22]; Uechtritz, BauR 99, 572 [575]). Insofern ergeben sich keine Abweichungen zum Umfang des allgemeinen Rücksichtnahmegebots im Rahmen der §§ 30, 34 und 35 BauGB.

Die Meinung der Antragstellerin, auch eine Genehmigung nach § 35 BauGB sei in einem Fall wie dem vorliegenden nur rechtmäßig gegenüber der Nachbargemeinde, wenn ihr eine Abwägung zugrunde liege, die sowohl hinsichtlich ihres Verfahrens wie des Ergebnisses dem Abwägungsgebot nach § 2 Abs. 2 BauGB entspreche, liefe im Ergebnis darauf hinaus, für Vorhaben, die Auswirkungen auf die Nachbargemeinde im Sinne von § 2 Abs. 2 BauGB haben können, eine Planungspflicht zu begründen. Durch die Anerkennung eines auf die Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung der Nachbargemeinde gerichteten Gebots der Rücksichtnahme als öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB wird jedoch sichergestellt, dass das Recht der Nachbargemeinde auf Beachtung ihrer Planungshoheit nicht verletzt wird (vgl. zum Planungserfordernis als öffentlicher Belang, BVerwG, Urt. v. 22. 06.1990 - BVerwG 4 C 6.87 -, NVwZ 1991, 64).

Die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung verletzt nicht den aus § 2 Abs. 2 BauGB fließenden Anspruch der Antragstellerin auf Rücksichtnahme und Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen (BVerwG, Urt. v. 15.12.1989 - BVerwG 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209). Die Grenze der Zumutbarkeit bestimmt sich im Einzelfall aufgrund einer Abwägung der mit der Planung verfolgten Ziele der planenden Gemeinde gegenüber den Belangen der betroffenen Nachbargemeinde, wobei sich beide Gemeinden letztlich auf ihr Recht zur eigenverantwortlichen Gestaltung ihrer städtebaulichen Ordnung, das in Art. 28 Abs. 2 GG wurzelt, berufen können.

Derartige unzumutbare Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung der Antragstellerin sind hier nicht ersichtlich.

Die Antragstellerin wurde entsprechend den gesetzgeberischen Vorgaben an dem Genehmigungsverfahren beteiligt. Ausweislich der Verwaltungsvorgänge hat die Antragstellerin im Genehmigungsverfahren zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht, durch den beantragten Windpark in ihren gegenwärtig zu realisierenden oder künftig beabsichtigten Planungen beeinträchtigt zu sein. Ihren Vortrag, ihr Flächennutzungsplan "..." weise das Gemeindegebiet im fraglichen Bereich derzeit als Wohnbaufläche oder als allgemeines Wohngebiet aus, mit der Verwirklichung des Vorhabens der Beigeladenen sei es ihr in einer Restfläche des Flächennutzungsplangebiets wegen der mit dem Windpark verbundenen Schallimmissionen nicht möglich, diesen Bereich als reines Wohngebiet festzusetzen, hat sie erst im Widerspruchs- und verwaltungsgerichtlichen Verfahren entwickelt. Schon dieser zeitliche Zusammenhang spricht gegen die Annahme von unzumutbaren Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung der Antragstellerin.

Darüber hinaus vermag der Senat auch keine tatsächlichen unzumutbaren Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung der Antragstellerin festzustellen.

Der Antragstellerin kann zwar nicht schon entgegengehalten werden, dass für ihre nunmehr erklärte Absicht zur Ausweisung eines reinen Wohngebiets im fraglichen Grenzbereich weder Bauleitpläne noch bestimmte planerische Vorstellung bestehen (vgl. BVerwG, Urt. v.15.12.1989, a. a. O.); der allgemeine Hinweis auf die Wahrnehmung des öffentlichen Wohls oder die abstrakte Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Planungshoheit genügen andererseits nicht, unzumutbare Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung einer Nachbargemeinde anzunehmen. Unzumutbare Auswirkungen sind beispielsweise zu bejahen, wenn eine bereits in Bauleitplänen zum Ausdruck kommende gemeindliche Planung nicht mehr verwirklicht werden könnte oder infolge des genehmigten Vorhabens bei der Nachbargemeinde Folgelasten bei der Infrastruktur entstehen würden. Beachtlich wäre auch die Tatsache, dass es sich um den letzten Bereich handelt, in dem die Nachbargemeinde ein reines Wohngebiet verwirklichen könnte oder dass die Ausweisung eines reinen Wohngebiets an dieser Stelle, die zwingende Konsequenz der städtebaulichen Entwicklung der Nachbargemeinde wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.12.1989, a. a. O.). Derartige gewichtige Auswirkungen trägt die Beschwerde indes weder vor, noch sind sie für den Senat ersichtlich.

Soweit die Antragstellerin meint, die Zielfestlegung 2.5.2. des Regionalen Entwicklungsplans für den ehemaligen Regierungsbezirk Magdeburg, "die Anlagen sollen sich gut in das Landschaftsbild einfügen", begründe eine besondere auch sie als Nachbargemeinde schützende Pflicht, auf der Ebene der Bauleitplanung und des Genehmigungsverfahrens Belange des Landschaftsschutzes in einem über die Anforderungen des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB hinausgehenden Maße zu berücksichtigen, vermag sie eine subjektive Rechtsbeeinträchtigung ebenfalls nicht für sich in Anspruch zu nehmen.

Die geplanten Windkraftanlagen sind nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB planungsrechtlich im Außenbereich privilegiert.

Sie wären gleichwohl unzulässig, wenn ihnen öffentliche Belange entgegenständen. Die Privilegierung wirkt sich zwar in einem stärkeren Durchsetzungsvermögen gegenüber den berührten öffentlichen Belangen aus (NdsOVG, Beschl. v. 20.12.2001 - 1 MB 4211/01 -, unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 14.03.1975 - BVerwG 4 C 41.74 -, BVerwGE 48, 109). Keinesfalls ist jedoch durch § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB bestimmt, dass sich die Privilegierung gegenüber sämtlichen Belangen mit der Folge durchsetzen kann, dass Windenergieanlagen an jeder beliebigen Stelle der Landschaft im Außenbereich zulässig sind (OVG LSA, Urt. v. 19.09.1999 - A 2 S 88/98 -); vielmehr gilt auch für sie der Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs (VGH BW, Urt. v. 19.04.2000 - 8 S 318/99 -, NuR 2000, 514).

§ 35 BauGB kommt nicht die Funktion einer allgemein nachbarschützenden Norm zu. Der Nachbarschutz, der sich aus dem in § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB verankerten Rücksichtnahmegebot ergibt, setzt eine schutzwürdige Position des Nachbarn gegenüber dem Vorhaben voraus; denn Rücksicht zu nehmen ist nur auf solche Interessen des Nachbarn, die wehrfähig sind, weil sie nach der gesetzgeberischen Wertung, die im materiellen Recht ihren Niederschlag gefunden hat, schützenswert sind. Werden in diesem Sinn schutzwürdige Interessen des Nachbarn nicht beeinträchtigt, greift das Rücksichtnahmegebot nicht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die vom Nachbarn angefochtene Baugenehmigung - objektivrechtlich - rechtswidrig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.04.1995 - BVerwG 4 B 47.95 -, BRS 57 Nr. 227). Subjektive Rechte in diesem Sinne vermögen allein Grundstückeigentümer geltend zu machen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 01.02.2000 - 10 B 1831/99 -, BRS 63 Nr. 150). Die Antragstellerin kann Eigentümerrechte nicht geltend machen.

Ob der von Antragstellerin beanspruchte Landschaftsschutz nicht allein Gemeinwohlinteressen dient (so Lühle, Nachbarschutz gegen Windenergieanlagen, NVwZ 1998, 897), bedarf hier ebenfalls keiner Entscheidung, da die Antragstellerin auch insoweit keine persönlich Berechtigte ist und sich in rechtlich beachtlicher Weise nicht zur Sachwalterin der Rechte ihrer Einwohner machen kann.

Soweit sie subjektive Rechte aus den Festsetzungen des Eignungsgebiets für sich reklamiert, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Festlegungen eines Eignungsgebiets in der überregionalen Planung und die Darstellung einer Konzentrationsfläche in einem Plan vermitteln noch nicht einmal einem dinglich berechtigten Nachbarn subjektive Rechtspositionen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.07.1990 - BVerwG 4 N 3.88 -, NVwZ 1991, 262).

Soweit sich die Antragstellerin auf Immissionen im Sinne von § 3 BImSchG i. V. m. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB beruft, sind diese Rechte zwar nachbarschützend, persönlich Berechtigte sind aber insoweit nur dinglich berechtigte Nachbarn.

Ende der Entscheidung

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