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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 13.01.2004
Aktenzeichen: 2 M 881/03
Rechtsgebiete: GG, LSA-HSG


Vorschriften:

GG Art. 2 II
GG Art. 12 I
GG Art. 20 III
LSA-HSG § 34 IV
1.Zulassungsbeschränkungen innerhalb von Studiengängen bedürfen einer Rechtfertigung durch die Grundordnung der Hochschule.

2.Der Student darf von einem Kurs nicht ausgeschlossen werden, weil die Befürchtung besteht, Patienten könnten Schaden erleiden.

3.Patientenschutz kann nur durch eine gesetzliche Grundlage der Hochschule, die Grundordnung, gewährt werden.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 M 881/03

Datum: 13.01.2004

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO 02 -, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 13 Abs. 1 S. 1 ; 20 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. d. Bek. v. 15.12.1975 (BGBl I 3047) - GKG -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14.03.2003 (BGBl I 345 [349]) <Streitwert>.

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Zulassung zum zahnmedizinischen Kurs "Prothetik".

Am 01.09.2001 erließ Prof. Dr. S., der Direktor der Abteilung für Zahnärztliche Prothetik, eine Kursordnung der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik; unter Nr. 11 ist in dieser Kursordnung folgendes geregelt:

"Während der Patientenbehandlung werden sich die Lehrassistenten über die vorhandenen theoretischen Kenntnisse der Kursteilnehmer informieren. Sollte sich zeigen, dass der zur aktuellen Therapie notwendige Wissensstand fehlt, wird die weitere Patientenbehandlung untersagt und ein Theorietestat mit der Note "5" erteilt. Es ist in einem solchen Fall in mündlicher Überprüfung beim Klinikdirektor, OA oder Kursleiter durch den Studenten nachzuweisen, dass die weitere klinische Tätigkeit erlaubt werden kann.

Zum Semesteranfang und zum Ende des Kurses erfolgt eine Leistungskontrolle in Klausur oder mündlicher Kontrolle, deren Termin rechtzeitig spätestens acht Tage zuvor, durch Aushang bekannt gegeben wird.

Diese Kursordnung hat jeder Teilnehmer der Lehrveranstaltung "Prothetik" durch Unterschrift zu bestätigen."

Der Prothetikkurs, den der Antragsteller belegte, begann am 13.10.2003. Die erste Eingangsklausur fand am 16.10.2003, eine Wiederholungsklausur am 23.10.2003 statt. Beide Klausuren des Antragstellers wurden als nicht beanstanden gewertet.

Mit Datum vom 13.01.2003 legte Prof. Dr. S. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine eidesstattliche Versicherung mit folgendem Inhalt vor:

"Belehrt über die Bedeutung einer Eidesstattlichen Versicherung und über die strafrechtlichen Folgen der Abgabe einer falschen Versicherung an Eides statt, erkläre ich zur Vorlage beim Verwaltungsgericht Halle an Eides statt, dass der Student der Zahnmedizin ... in den Klausuren vom 16.10.2003 und 23.10.2003 wie auch bei der Teilnahme an einem Kurs der Zahnersatzkunde im Wintersemester 2002/03 derart gravierende Mängel in seinem theoretischen Wissen offenbart hat, dass die Gefahr besteht, dass Patienten durch seine Behandlungsmaßnahmen schwere, irrevisible gesundheitliche Schäden erleiden. Dies wurde insbesondere dadurch erkennbar, dass er die Fragen nach praktischen Behandlungsmaßnahmen derart falsch in den Klausuren beantwortete, dass deren Umsetzung zur Körperverletzung geführt hätte."

Das Verwaltungsgericht Halle hat mit Beschluss vom 19.11.2003 den Antrag auf Zulassung zum zahnmedizinischen Prothetik-Kurs abgelehnt und dem Hilfsantrag auf Zulassung zu einer zweiten Wiederholungsprüfung zum Eingang in das Fach "Prothetik" stattgegeben.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller rechtzeitig Beschwerde eingelegt.

Der vom Antragsteller geltend gemachte Anspruch auf Zulassung zum zahnmedizinischen Kurs "Prothetik" besteht zu Recht.

Jede Zuteilung von Ausbildungsmöglichkeiten bedarf einer normativen Rechtsgrundlage, etwa der Regelung im Rahmen einer Studienordnung.

Die Auswahl einzelner Studenten stellt nämlich einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete studentische Lern- und Studierfreiheit dar, die Teil der akademischen Ausbildungsfreiheit ist, die sich allerdings auf das bestehende Studien- und Ausbildungsangebot beschränkt und damit nur ein Recht auf Teilhabe an dem bestehenden Lehrangebot darstellt. Dieses Recht kann nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden.

Als gesetzliche Grundlage kommt hier § 34 Abs. 4 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt - HSG-LSA - i. d. F. d. Bek. v. 01.07.1998 (LSA-GVBl., S. 300), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.03.2002 (LSA-GVBl., S. 130 [150] <Anlage Nr. 219>), in Betracht. Danach können für Studiengänge, die besonders praxisbezogene Fertigkeiten verlangen, über die Hochschulzugangsberechtigungen hinaus zusätzliche Qualifikationsvoraussetzungen, insbesondere ein Vorpraktikum oder studiengangsspezifische Fähigkeiten, gefordert werden. Nach Satz 2 sind diese sowie das Feststellungsverfahren gemäß Absatz 2 durch Hochschulordnung, die der Genehmigung durch das Ministerium bedarf, zu regeln.

Die Studienordnung für den Studiengang Zahnmedizin bei der Antragsgegnerin vom 09.02.2000 verlangt als Voraussetzung für die Zulassung zum Prothetikkurs nur den Besuch der Vorlesung Einführung in die Zahnheilkunde mit erfolgreichem Abschluss der Einweisung in die Lokalanästhesie und Venenpunktion, den erfolgreichen Abschluss des Phantomkursus' der Zahnerhaltungskunde sowie des Kursus' der Zahnerhaltungskunde I. Weitere Zugangsbeschränkungen enthält die Studienverordnung nicht.

Als normative Regelung der Zugangsbeschränkung kommt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht § 7 Abs. 3 der Studienordnung in Betracht. Dort wird lediglich geregelt, dass die erfolgreiche Teilnahme an den Lehrveranstaltungen in den einzelnen Fächern durch mündliche und/oder schriftliche und/oder praktische Erfolgskontrollen und Leistungsnachweise überprüft werden kann. Die Erfolgskontrollen können studienbegleitend und/oder am Ende der Lehrveranstaltung erfolgen. Die Einzelheiten der Erfolgskontrollen und Leistungsnachweise werden von dem verantwortlichen Leiter den Besonderheiten des Faches entsprechend festgelegt und vor Beginn der Veranstaltung in geeigneter Weise, insbesondere durch Aushang, bekannt gegeben.

Diese normative Grundlage sieht nur Erfolgskontrollen und Leistungsnachweise im Rahmen einer Lehrveranstaltung vor. Das von der Antragsgegnerin praktizierte Verfahren des Schreibens einer Eingangsklausur ist aber kein studienbegleitender Leistungsnachweis, sondern eine Eingangsvoraussetzung, deren erfolgreicher Abschluss die Teilnahme an der Lehrveranstaltung erst ermöglichen soll.

Auch die Kursordnung der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik ist keine normative Regelung, sondern eine reine Verwaltungsmaßnahme, ohne die erforderliche Ermächtigungsgrundlage.

Entgegen der Auffassung der hessischen Verwaltungsgerichte (vgl. VG Gießen, Beschl. v. 07.08.1995 - 6 G 1053/95 (3) -, KKM-HSchR/NF 03C Nr. 4; HessVGH Beschl. v. 09.11.1989 - 6 TG 3286/89 -, nach juris) kann die Zulassungsbeschränkung auch nicht auf die Gesichtspunkte des Patientenschutzes oder der Funktionsfähigkeit des Lehrbetriebes gestützt werden. Diese gewichtigen Belange können und müssen vielleicht sogar Anlass für eine normative Zugangsbeschränkung sein, ersetzen eine solche aber nicht.

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