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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 29.12.2004
Aktenzeichen: 2 R 684/04
Rechtsgebiete: GG, LSA-Verf, LSA-2.VwGemVO, VwGO, LSA-GO


Vorschriften:

GG Art. 28 II
LSA-Verf Art. 2 III
LSA-Verf Art. 75 Nr. 7
LSA-Verf Art. 87
LSA-2.VwGemVO Art. 1 Nr. 6
VwGO § 47 I Nr. 2
VwGO § 47 II 1
VwGO § 47 IV
VwGO § 91 I
LSA-GO § 17 I
LSA-GO § 76 I 2
LSA-GO § 76 I 3
LSA-GO § 76 Ia 1
LSA-GO § 76 Ib
LSA-GO § 76 II
LSA-GO § 84 V
1. Die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO besteht seit der Neufassung dieser Vorschrift nur so weit, wie eine Verletzung von Rechten durch die angegriffene Verordnung möglich erscheint. Ist die Verordnung offensichtlich teilbar, so kann sie nicht angegriffen werden, soweit der Antragsteller von den Regelungen nicht betroffen sein kann.

2. Das Rechtsschutzinteresse fehlt einer Gemeinde, die einer Verwaltungsgemeinschaft zugeordnet worden ist, aus Gründen des Rechtsscheins nicht, wenn sie zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Zuordnungs-Verordnung wieder aus der Verwaltungsgemeinschaft ausscheidet, weil sie sich einer anderen Gemeinde angeschlossen hat(, die nicht dieser Verwaltungsgemeinschaft angehört).

3. Tritt zum selben Termin sowohl ein freiwilliger Zusammenschluss als auch die Zuordnung kraft Verordnungsrechts und die Eingemeindung in Kraft, so ist für die Mindestzahl von 10.000 Einwohnern pro Verwaltungsgemeinschaft maßgeblich, ob die Zielzahl auch ohne die ausscheidende Gemeinde erreicht wird.

Eine Ausnahme ist mit Rücksicht auf die Bevölkerungsdichte im Landkreis Merseburg-Querfurt nicht zuzulassen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 2 R 684/04

Datum: 29.12.2004

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen ihre Zuordnung zur Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt beschloss am 13. November 2003 das Gesetz zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit (LSA-GVBl., S. 318 ff.), um die von ihm für notwendig gehaltene kommunale Gebietsreform durch die Förderung freiwilliger Zusammenschlüsse voran zu treiben. In der Begründung zum Gesetzentwurf (LdTgDrs 4/858 B.) werden folgende Leitlinien aufgestellt:

"Grundmodelle für die hauptamtliche Verwaltung auf gemeindlicher Ebene sind die Verwaltungsgemeinschaft, deren Mitgliedsgemeinden in der Summe mindestens 10.000 Einwohner zählen sollen, und verwaltungsgemeinschaftsfreie Gemeinden mit mindestens 8.000 Einwohnern. Soweit besondere Umstände, insbesondere eine im Landesvergleich weit unterdurchschnittliche Bevölkerungsdichte eine Abweichung von der Mindestgröße nahe legen oder eine sinnvolle Zuordnung nicht möglich ist, kann die Festlegung der Leistungsfähigkeit auch aufgrund anderer Kriterien erfolgen; auch hierbei darf die Einwohnerzahl 5.000 nicht unterschritten werden.

Die Gemeinden sind aufgefordert, freiwillig Strukturen zu bilden, die diesen Vorgaben entsprechen. Die Gemeinschaftsvereinbarung von verwaltungsgemeinschaftsangehörigen Gemeinden sind bis zum 31. Dezember 2004 der geänderten Rechtslage anzupassen. Anträge zur Genehmigung kreisübergreifender, verwaltungsgemeinschaftsfreier Gemeinden sind bereits bis zum 31. März 2004 zu stellen. Soweit die Strukturänderungen freiwillig nicht zustande kommen, wird das Ministerium des Innern ermächtigt, im Wege der Verordnung diese herbeizuführen. Das gleichzeitige Inkrafttreten von Aufgabenübergang und Strukturveränderung soll zum 1. Januar 2005 sichergestellt werden.

Freiwilligen Zusammenschlüssen zu verwaltungsgemeinschaftsfreien Gemeinden mit mindestens 8.000 Einwohnern wird Vorrang eingeräumt. Kommunale Gebietsstrukturen werden durch gesetzlichen Zwang derzeit aber nicht verändert. Dem Vorrang dieses Modells wird in der Weise Rechnung getragen, dass bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals "öffentliches Wohl" regelmäßig das Interesse an der Bildung oder Vergrößerung der verwaltungsgemeinschaftsfreien Gemeinde als sehr hoch eingestuft wird (Grundsatz des "Prä" der verwaltungsgemeinschaftsfreien Gemeinde). Liegt ein Antrag auf Genehmigung zur Bildung einer landkreisübergreifenden, verwaltungsgemeinschaftsfreien Gemeinde bis zum 31. März 2004 vor, gilt dies auch, wenn einer der beteiligten Landkreise nicht zustimmt und eine landkreisinterne Lösung nicht möglich ist.

Zur Erreichung der Größenvorgaben bei Verwaltungsgemeinschaften wird die Vollfusion von bereits bestehenden Verwaltungsgemeinschaften als besonders effektiv angesehen."

Die Antragstellerinnen sind gemeinsam mit den Gemeinden ... sowie der Stadt ... Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Laucha-Schwarzeiche, die zu dem in § 149 GO LSA bestimmten Stichtag (31.12.2002) eine Einwohnerzahl von 5.426 aufwies. Am 20.07.2004 schlossen die Gemeinden ... sowie die Stadt Bad ..., die bislang keiner Verwaltungsgemeinschaft angehörte, auf der Grundlage der §§ 75 bis 85 GO LSA eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung zur Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft (Gemeinschaftsvereinbarung), die am 10.09.2004 aufsichtsbehördlich mit Änderungen genehmigt wurde. Zu den Änderungen fassten die Gemeinde ... am 30.09.2004 und die Gemeinde ... sowie die Stadt Bad ... am 07.10.2004 entsprechende Beitrittsbeschlüsse. Die Gemeinschaftsvereinbarung, die aufsichtsbehördliche Genehmigung sowie die Beitrittsbeschlüsse wurden sodann im Amtsblatt für den Landkreis Merseburg-Querfurt vom 12.11.2004 veröffentlicht; die Gemeinschaftsvereinbarung, tritt nach ihrem § 11 am 01.01.2005 in Kraft. Nach § 1 Abs. 2 dieser Vereinbarung führt die Verwaltungsgemeinschaft den Namen Bad ...; die Aufgaben des gemeinsamen Verwaltungsamts werden von der Stadt Bad ... (Trägergemeinde) erfüllt (§ 1 Abs. 3).

Auf der Grundlage des § 1 Nr. 6 der Zweiten Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften - 2. VwGemVO - vom 10.12.2004 (LSA-GVBl., S. 822) werden die Antragstellerinnen sowie die Stadt ... der Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt zugeordnet. Diese Verordnung hat die zunächst geltende Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 01.11.2004 (LSA-GVBl., S. 763) mit Wirkung zum 16.12.2004 außer Kraft gesetzt und soll nach ihrem § 3 am 01.01.2005 in Kraft treten.

Mit Bescheid vom 22.12.2004 genehmigte der Landkreis Merseburg-Querfurt eine Gebietsänderungsvereinbarung zwischen der Gemeinde S. und der Antragstellerin zu 2., die gemäß ihrem § 16 am 01.01.2005 in Kraft tritt und die Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die Gemeinde S. vorsieht.

Bereits am 26.11.2004 haben die Antragstellerinnen gegen die Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 10.12.2004, hilfsweise gegen § 1 Nr. 6 dieser Verordnung, einen Antrag auf Normenkontrolle gestellt (2 K 683/04) sowie um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung ihres Antrags führen sie im Wesentlichen aus, die Antragstellerin zu 2. strebe im Wege der Eingemeindung die Bildung einer Einheitsgemeinde mit der Gemeinde S. an. Seitens der Antragstellerin zu 1. bestünden Bedenken im Hinblick auf das Trägermodell; denn es bestehe kein sachlicher oder sonst einsehbarer Grund, das funktionierende gemeinsame Verwaltungsamt der bisherigen Verwaltungsgemeinschaft Laucha-Schwarzeiche zu zerschlagen. Im Übrigen sei eine "Zuordnung" schon rein begrifflich nicht möglich, weil diese voraussetze, dass die Verwaltungsgemeinschaft Bad ... bereits bestehe bzw. vor Zuordnung zur Entstehung gelange. Dies sei nicht der Fall; denn die Verwaltungsgemeinschaft entstehe vorliegend zeitgleich am 01.01.2005 mit der durch Verordnung bestimmten Zuordnung. Dieser Umstand zeige deutlich, dass in Wirklichkeit eine Neugründung einer Verwaltungsgemeinschaft Bad ... gewollt sei, für die jedoch § 76 Abs. 1a Satz 1 GO LSA nicht zur Verfügung stehe, weil Bad ... bislang verwaltungsgemeinschaftsfrei gewesen sei. Einschlägig wäre insoweit vielmehr § 76 Abs. 1b GO LSA. Eine verdeckte Verwaltungsgemeinschaftsneugründung bei gleichzeitiger Vorgabe des Organisationsmodells gestatte der Wortlaut von § 76 Abs. 1a GO LSA nicht. Schließlich scheitere eine Zuordnung auch daran, dass die Verwaltungsgemeinschaft Bad ... aufgrund ihrer geringen Einwohnerzahl von 6.618 nicht rechtswirksam gegründet worden sei; denn gemäß § 76 Abs. 1 GO LSA sei der Neuzusammenschluss von Gemeinden zu einer Verwaltungsgemeinschaft mit weniger als 10.000 Einwohnern nur noch in Ausnahmefällen zulässig, die hier - ausgehend von der maßgeblichen Bevölkerungsdichte - nicht ersichtlich seien.

Im Falle der Antragstellerin zu 2. bestünden zusätzlich auch inhaltliche Einwendungen gegen die vorgenommene Zuordnung. Gemäß § 76 Abs. 1a GO LSA stehe die Zuordnung einer Gemeinde zu einer Verwaltungsgemeinschaft unter der Voraussetzung, dass örtliche Zusammenhänge nicht entgegen stünden. Dies sei im Fall der Antragstellerin zu 2. problematisch, weil sie lediglich den östlichen Zipfel des geplanten Verwaltungsgemeinschaftsgebietes Bad Lauchstädt bilde und sich in westlicher Richtung in der ca. 4 km entfernten Gemeinde ... der einzige Berührungspunkt zur angedachten künftigen Verwaltungsgemeinschaft befinde, der noch durch die im Jahre 2003/2004 errichtete BAB 38 unterbrochen werde. Hingegen grenze ihr Gemeindegebiet im Norden an die Gemeinde S. an, mit der die Bildung einer Einheitsgemeinde geplant sei. Schließlich sei der Erlass einer einstweiligen Anordnung dringend geboten, um schwere Nachteile abzuwenden, die ihnen durch den Vollzug der Verordnung entstehen würden und die bei einem Erfolg im Normenkontrollverfahren nicht rückgängig gemacht werden könnten.

Die Antragstellerinnen beantragen,

die Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 10.12.2004 (LSA-GVBl., S. 822),

hilfsweise,

nur soweit sie in § 1 Nr. 6 dieser Verordnung genannt sind, einstweilen bis zur Entscheidung über ihren Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er erwidert, der Antragstellerin zu 2. fehle das nötige Rechtsschutzbedürfnis, da sie die Bildung einer Einheitsgemeinde mit der Gemeinde S. anstrebe; denn im Fall der Eingemeindung scheide sie gemäß § 84 Abs. 5 GO LSA aus der alten oder neuen Verwaltungsgemeinschaft aus. Im Übrigen sei im konkreten Fall eine landkreisinterne Bildung leistungsfähiger Verwaltungsgemeinschaften nur mit einem Zusammenschluss (Zuordnung oder Neubildung) der Verwaltungsgemeinschaft Laucha-Schwarzeiche und der Stadt Bad ... möglich. Mit der gewählten Zuordnung der Antragstellerin zu 1. zum 01.01.2005 solle sichergestellt werden, dass nicht durch eine Gemeinde die Bemühungen der anderen Beteiligten, eine leistungsfähige Verwaltungsgemeinschaft zu bilden, unterlaufen werde. Dies entspreche dem Wortlaut des § 76 Abs. 1a Satz 3 GO LSA. Vorliegend gebe es eine genehmigte und bestandskräftige Gemeinschaftsvereinbarung mit Wirkung zum 01.01.2005. Mit der Zuordnung zum gleichen Zeitpunkt sei sichergestellt, dass eine leistungsfähige Verwaltungsgemeinschaft entstehe, wobei auch das Zusammenfallen von Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft und Zuordnung in einer juristischen Sekunde nach dem Wortlaut des § 76 Abs. 1a GO LSA möglich sei. Schließlich sei auch kein Grund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ersichtlich, weil sich mit der Zuordnung für die Antragstellerinnen grundsätzlich nichts ändere; insbesondere würden sie weder in ihrer Entwicklung dauerhaft beeinträchtigt noch stünden sie ohne funktionsfähigen Verwaltungsapparat da.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

A. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in dem hier anhängigen Normenkontrollverfahren (§ 47 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 [BGBl I 686] - VwGO -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.08.2004 [BGBl I 2198 <2204>]), ist hinsichtlich des Hauptantrags zulässig und begründet, soweit sich die Antragstellerinnen gegen § 1 Nr. 6 der Zweiten Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften - 2. VwGemVO - vom 10.12.2004 (LSA-GVBl., S. 822) wenden; im Übrigen ist der Antrag zu verwerfen.

Zunächst steht der Zulässigkeit des einstweiligen Rechtsschutzantrags insgesamt nicht entgegen, dass die Antragstellerinnen ihren Antrag, der sich ursprünglich gegen die Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 01.11.2004 (LSA-GVBl., S. 763) gerichtet hat, geändert haben; denn die Antragsänderung ist im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich, weil auch für den geänderten Antrag der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt, da sich die maßgeblichen Vorschriften (vormals § 1 Nr. 3, nun § 1 Nr. 6 der Verordnung) nicht geändert haben, und die Antragsänderung die endgültige Beilegung des Streites fördert (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 91 RdNr. 19 m. w. N.).

Die von dem Antragsgegner - Ministerium des Innern - erlassene Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 10.12.2004 ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, die zum Gegenstand einer Normenkontrolle vor dem Oberverwaltungsgericht gemacht werden kann (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 10 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 28.01.1992 [LSA-GVBl., S. 36], zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 [LSA-GVBl., S. 158]). Auch Art. 75 Nr. 7 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LVerf-LSA - vom 16.07.1992 (LSA-GVBl., S. 600) steht dem nicht entgegen, das Gegenstand einer kommunalen Verfassungsbeschwerde nur förmliche Gesetze sein können (LVfG LSA, Urt. v. 22.02.1996 - LVG 2/95 -, LVerfGE 4, 401 [406 f]).

Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, soweit sie die vorläufige Außer-Vollzug-Setzung von § 1 Nr. 6 der 2. VwGemVO begehren; hingegen ist die Antragsbefugnis zu verneinen, soweit sich der Antrag gegen die 2. VwGemVO im Ganzen richtet.

Einen Normenkontrollantrag kann nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die auch für die Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO erforderlich ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 47 RdNr. 156 i. V. m. § 123 RdNr. 18), ist ausreichend, dass die Antragstellerin hinreichend substanziiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt wird (BVerwG, Urt. v. 10.03.1998 - BVerwG 4 CN 6.97 -, NVwZ 1998, 732). Dabei ist eine Rechtsverletzung nicht nur dann möglich, wenn die Norm oder ihre Anwendung unmittelbar in eine Rechtsstellung eingreift. Maßgeblich ist, ob sich die mögliche Verletzung subjektiver Rechte der angegriffenen Norm tatsächlich und rechtlich zuordnen lässt (OVG LSA, Urt. v. 17.04.2003 - 2 K 258/01 -). Dies ist vorliegend der Fall, soweit die Antragstellerinnen durch § 1 Nr. 6 der 2. VwGemVO der Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt zugeordnet worden sind; denn sie werden durch diese Zuordnungsentscheidung des Antragsgegners unmittelbar in ihren durch Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LVerf-LSA rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt.

Hingegen gehen von den übrigen in der Zweiten Verordnung enthaltenen Regelungen über die Zuordnung oder den Zusammenschluss von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften keine verordnungsbedingten nachteiligen Auswirkungen im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die Antragstellerinnen aus, weil diese Regelungen nur für die jeweils zugeordneten (§ 1) oder zusammen geschlossenen (§ 2) Gemeinden eine rechtlich selbständige Bedeutung haben.

Zwar ging die Rechtsprechung unter der Geltung des § 47 Abs. 2 Satz 1 in der Fassung des 6. Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 01.11.1996 (BGBl I 1626) bei Rechtsvorschriften, die mehrere Regelungen enthielten, von denen nur einzelne für den Antragsteller einen Nachteil im Sinne von § 47 Abs. 2 VwGO a. F. darstellten, grundsätzlich davon aus, dass es für die Zulässigkeit des gegen eine Rechtsvorschrift gerichteten Normenkontrollantrags ausreiche, wenn nur bezüglich einer in der Rechtsvorschrift enthaltenen Regelung eine Antragsbefugnis bestehe (BVerwG, Beschl. v. 04.06.1991 - BVerwG 4 NB 35.89 -, BVerwGE 88, 268 [271]). Auf der Grundlage des neuen Rechts, das die Antragsbefugnis an die Voraussetzung knüpft, dass eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, ist es allerdings geboten, die Antragsbefugnis nur insoweit anzunehmen, als der Antragsteller durch die Norm oder deren Anwendung möglicherweise in seinen Rechten verletzt wird oder verletzt werden kann (so auch Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. § 47 RdNrn. 51, 121). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn eine Rechtsvorschrift offensichtlich teilbar ist und der Normenkontrollantrag auch solche Teile erfasst, von denen der Antragsteller nicht betroffen sein kann, so dass deren Aufhebung ihm nichts nützen würde (vgl. insoweit auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtsschutzinteresse: BVerwGE 88, 268 [273]).

Eine Teilbarkeit der Regelungen der Verordnung in diesem Sinne ist hier gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 27.01. 1978 - BVerwG 7 C 44.76 -, DVBl. 1978, 536 [537]) führt die Ungültigkeit eines Teils einer Verordnung dann nicht zu ihrer Gesamtnichtigkeit, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) u n d mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Die zweite Frage nach dem hypothetischen Willen des Normgebers ist zwar wichtig; sie setzt jedoch voraus, dass die Verordnung überhaupt teilbar ist, ohne ihren Sinn zu verlieren. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Gedanken im Hinblick auf einen Bebauungsplan dahingehend zusammengefasst, dass eine teilweise Nichtigkeit zur umfassenden Nichtigkeit führe, wenn die Regelung ohne den nichtigen Teil nicht sinnvoll bestehen könne (BVerwG, Urt. v. 14.07.1972 - BVerwG IV C 69.70 -, BVerwGE 40, 268 [274]). Dies ist hier indes nicht der Fall; denn die Unwirksamkeit des § 1 Nr. 6 der 2. VwGemVO führt nicht dazu, dass die gesamte Zweite Verordnung Sinn und Rechtfertigung verliert, weil die Regelungen ihrem Regelungsgehalt nach eine untrennbare Einheit bildete; denn jede Zuordnungs- oder Zusammenschlussregelung der 2. VwGemVO betrifft einen Einzelfall, der die besonderen Verhältnisse der zugeordneten oder zusammen geschlossenen Gemeinden in den jeweiligen Landkreisen berücksichtigt, so dass eine - möglicherweise festzustellende - (Teil-)Unwirksamkeit einer einzelnen Regelung auf die übrigen Regelungen der Verordnung keinen Einfluss hat.

Die Antragstellerin zu 2. hat auch nicht dadurch das Rechtsschutzbedürfnis an der von ihr begehrten Entscheidung des Gerichts verloren, weil die Bildung einer Einheitsgemeinde mit der Gemeinde S. inzwischen mit Bescheid vom 22.12.2004 durch die Kommunalaufsichtsbehörde gemäß § 17 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt - GO LSA - vom 05.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.04.2004 (LSA-GVBl., S. 246), genehmigt worden ist; denn sie hat aufgrund des durch § 1 Nr. 6 der 2. VwGemVO erzeugten Rechtsscheins, die Zuordnung zur Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt sei zum 01.01.2005 rechtsgültig, auch weiterhin ein Interesse daran, die Wirksamkeit dieser Regelung überprüfen zulassen.

Schließlich ist der Antrag auch innerhalb der Zwei-Jahres-Frist nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden.

B. Soweit der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zulässig ist, ist er auch begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist. Im Rahmen der Prüfung dieser Gründe haben in den Fällen, in denen der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist, die für die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der angegriffenen Rechtsnorm angeführten Gesichtspunkte grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (BVerfG, Beschl. v. 24.07.1957 - 1 BvL 23/52 - BVerfGE 7, 89, [104], zu einer vergleichbaren Rechtslage). Stattdessen ist lediglich eine Interessenabwägung vorzunehmen, d. h. es sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Normenkontrolle aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrolle aber der Erfolg zu versagen wäre (LVfG LSA, Beschl. v. 24.07.2001 - LVG 10/01 -, zu einer vergleichbaren Rechtslage). Ist hingegen offensichtlich, dass die angegriffene Norm rechtswidrig ist und daher der Normenkontrollantrag in der Hauptsache Erfolg haben wird, ist die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Norm bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO zu berücksichtigen. Gegebenenfalls ist davon auszugehen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung aus wichtigen Gründen geboten ist. Ein derartiger Fall ist hier gegeben.

§ 1 Nr. 6 der 2. VwGemVO ist bereits deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil die Verordnung insoweit nicht den Vorgaben des § 76 Abs. 1a Satz 1 GO LSA gerecht wird. Nach dieser Vorschrift wird das Ministerium des Innern ermächtigt, ab dem 1. April 2004 zur Herstellung der dauerhaften Leistungsfähigkeit der Verwaltungsgemeinschaften durch Verordnung alle oder auch einzelne Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften u. a. einer bestehenden Verwaltungsgemeinschaft zuzuordnen. Die Frage, wann von der nach § 76 Abs. 1 Satz 1 GO LSA erforderlichen Leistungsfähigkeit zur Durchführung der Aufgaben nach § 77 GO LSA dauerhaft auszugehen ist, beantwortet § 76 Abs. 1 Satz 2 GO LSA dahingehend, dass von einer dauerhaften Leistungsfähigkeit regelmäßig auszugehen ist, wenn die Einwohnerzahl der Mitgliedsgemeinden 10.000 aufweist.

Dies ist nach dem vorgelegten Zahlenmaterial für die zum 01.01.2005 gebildete Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt nicht der Fall; denn dieser Verwaltungsgemeinschaft gehören zum Stichtag 01.01.2005, ausgehend von der gemäß § 149 GO LSA am 31.12.2002 maßgebenden Einwohnerzahl, die das Landesamt für Statistik ermittelt hat, lediglich 9.918 Einwohner an. Diese Einwohnerzahl errechnet sich wie folgt: Am 20.07.2004 haben die Gemeinden ... (609 Einwohner) und ... (1.023 Einwohner) sowie die Stadt Bad ... (5.048 Einwohner) - freiwillig - die Verwaltungsgemeinschaft Bad ... gebildet, deren Gemeinschaftsvereinbarung am 01.01.2005 (vgl. § 11) in Kraft tritt. Mit § 1 Nr. 6 der hier streitgegenständlichen 2. VwGemVO wurden die Antragstellerin zu 1. (982 Einwohner) und die Antragstellerin zu 2. (556 Einwohner) sowie die Stadt ... (2.256 Einwohner), die bereits am 23.11.2004 - freiwillig - die o. g. Gemeinschaftsvereinbarung beschlossen hatte, mit In-Kraft-Treten der Verordnung am 01.01.2005 der Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt zugeordnet. Zeitgleich tritt die Gebietsänderungsvereinbarung der Gemeinde S. mit der Antragstellerin zu 2. in Kraft, die die Eingliederung der Antragstellerin zu 2. in die Gemeinde S. regelt, mit der Folge, dass die Antragstellerin zu 2. gemäß § 84 Abs. 5 Satz 1 GO LSA i. V. m. Nr. 2 e) der Hinweise zur aufsichtsbehördlichen Genehmigung des Landkreises Merseburg-Querfurt vom 22.12.2004 am 01.01.2005 aus der Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt ausscheidet.

Folglich besteht am 01.01.2005 die Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt mit einer Einwohnerzahl von 9.918 Einwohnern, die den Anforderungen des § 76 Abs. 1 Satz 2 GO LSA nicht genügt; insbesondere wird durch die Zuordnung der Antragstellerinnen gemäß § 1 Nr. 6 der 2. VwGemVO mit dem zeitgleichen Ausscheiden der Antragstellerin zu 2. nicht das Ziel erreicht, am 01.01.2005 die erforderliche Leistungsfähigkeit der Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt dauerhaft herzustellen. Anhaltspunke dafür, dass hier die Voraussetzungen für eine Ausnahmeregelung gemäß § 76 Abs. 1 Satz 3 GO LSA vorliegen, bestehen nicht, zumal der Landkreis Merseburg-Querfurt im Landesvergleich eine über dem Durchschnitt liegende Bevölkerungsdichte aufweist.

Soweit der Antragsgegner einwendet, es komme bei der Beurteilung der Einwohnerzahl allein auf die erfolgte Zuordnung der Antragstellerinnen durch die 2. VwGemVO an, so dass am 01.01.2005 tatsächlich zunächst 10.474 Einwohner der Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt angehören, so ist dem entgegen zu halten, dass eine zeitliche Staffelung von freiwilligem Zusammenschluss, Zuordnung und Ausscheiden bei Festsetzung eines Stichtags in dem Sinne, dass zur Verwirklichung der gesetzgeberischen Zielsetzung in § 76 Abs. 1a GO LSA Zusammenschluss und Zuordnung zwar in einer "juristischen Sekunde" zusammen fallen, andererseits das Ausscheiden aber zeitlich nachfolgt, durch sachliche Gründe nicht gerechtfertigt ist. Vielmehr ist bei einer Stichtagsregelung, an die - wie hier - erhebliche rechtliche Folgen geknüpft sind, immer auf denselben Zeitpunkt abzustellen, um eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Gesetzes zu gewährleisten. Wäre ein zeitlich späteres Ausscheiden der Antragstellerin zu 2. aus der Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt gewollt gewesen, so hätte § 84 Abs. 5 Satz 2 GO LSA auch hierzu Gelegenheit gegeben; denn nach dieser Vorschrift kann die obere Kommunalaufsichtsbehörde bestimmen, dass das Ausscheiden erst nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes erfolgt, wenn dies zur Anpassung der Verwaltungsgemeinschaft an die geänderte Situation aus Gründen des öffentlichen Wohls erforderlich ist. Der Antragsgegner wollte aber gerade zum 01.01.2005 die Kommunalreform im Wesentlichen zum Abschluss bringen, so dass bei der rechtlichen Beurteilung der entsprechenden Maßnahmen zur Umsetzung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit vom 13.11.2003 (LSA-GVBl., S. 318 ff.) und der dazu ergangenen streitgegenständlichen Verordnung auch allein auf diesen Stichtag abzustellen ist.

Für die begehrte einstweilige Anordnung auf der Grundlage des § 47 Abs. 6 VwGO besteht auch ein - in entsprechender Anwendung der Grundsätze des § 123 Abs. 1 VwGO voraus zu setzender - Anordnungsgrund; denn an die Zuordnung der Antragstellerinnen sind gemäß §§ 76 GO LSA erhebliche rechtliche Folgen geknüpft (z. B. Abschluss einer Gemeinschaftsvereinbarung), die nur schwer rückgängig gemacht werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift können einem Beteiligten die Kosten des Verfahrens ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Ein derartiges geringfügiges Unterliegen ist bei den Antragstellerinnen anzunehmen; denn durch die vorliegende Entscheidung haben sie ihr Rechtsschutzziel im Wesentlichen erreicht. Dieses war nämlich in erster Linie darauf gerichtet, die sie selbst unmittelbar betreffende Vorschrift des § 1 Nr. 6 der 2. VwGemVO außer Vollzug zu setzen und damit vorläufig zu verhindern, dass sie der Verwaltungsgemeinschaft Bad Lauchstädt zugeordnet werden.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 52 Abs. 1; 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - i. V. m. § 5 ZPO sowie in Anlehnung an II. Nr. 1.5 Satz 1, 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.).

Ende der Entscheidung

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