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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 28.12.2004
Aktenzeichen: 2 R 730/04
Rechtsgebiete: GG, LSA-Verf, LSA-2.VwGemVO, VwGO, LSA-GO
Vorschriften:
GG Art. 28 II | |
GG Art. 80 I | |
LSA-Verf Art. 2 III | |
LSA-Verf Art. 75 Nr. 7 | |
LSA-Verf Art. 79 I | |
LSA-Verf Art. 87 | |
LSA-2.VwGemVO § 2 Nr. 10 | |
VwGO § 47 I Nr. 2 | |
VwGO § 47 II 1 | |
VwGO § 47 IV | |
VwGO § 91 I | |
LSA-GO § 76 Ia 1 | |
LSA-GO § 76 Ib | |
LSA-GO § 76 II |
2. Eine Verordnung, die auf mehreren gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen beruht, muss diese vollständig zitieren und diese bei inhaltlicher Überschneidung gemeinsam angeben (im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 80 Abs. 1 GG).
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 2 R 730/04
Datum: 28.12.2004
Gründe:
I.
Die Antragstellerinnen wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen ihren Zusammenschluss zu einer Verwaltungsgemeinschaft, zu deren Mitgliedern unter anderem die Stadt Leuna zählt.
Der Zusammenschluss soll auf der Grundlage der Zweiten Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 10.12.2004 (LSA-GVBl., S. 822) - 2. VwGemVO - erfolgen. Diese Verordnung hat die zunächst geltende Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 01.11.2004 (LSA-GVBl., S. 763) mit Wirkung zum 16.12.2004 außer Kraft gesetzt und soll nach ihrem § 3 am 01.01.2005 in Kraft treten. Sie enthält in ihrem § 2 Nr. 10 die Regelung, dass die Stadt Leuna und die Antragstellerinnen sowie acht weitere Gemeinden (...) zu einer Verwaltungsgemeinschaft zusammengeschlossen werden. Diese Gemeinden gehören zusammen mit den Antragstellerinnen derzeit noch der Verwaltungsgemeinschaft Kötzschau an. Die Stadt Leuna gehört derzeit noch keiner Verwaltungsgemeinschaft an. Im Vorspruch der 2. VwGemVO ist als Rechtsgrundlage ausschließlich § 76 Abs. 1a Satz 1 der Gemeindeordnung (GO LSA) vom 05.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 26.03.2004 (LSA-GVBl., S. 234), angegeben.
Mit Bescheid vom 01.12.2004 gab der Landkreis Merseburg-Querfurt der Antragstellerin zu 1. unter Anordnung des Sofortvollzugs auf, bis zum 14.12.2004 eine genehmigungsfähige Gemeinschaftsvereinbarung zur Bildung der kraft Verordnung zusammengeschlossenen Verwaltungsgemeinschaft zu beschließen, zu unterzeichnen und zur Genehmigung vorzulegen. Gegen diese Anordnung erhoben die Antragstellerinnen Widerspruch und suchten beim Verwaltungsgericht Halle um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach. Mit Beschluss vom 21.12.2004 (Az: 1 B 113/04 HAL) hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs mit der Begründung wiederhergestellt, es fehle derzeit (noch) an einer Rechtsgrundlage für die Auferlegung einer Pflicht zum Beschließen einer Gemeinschaftsvereinbarung für die erst mit Wirkung zum 01.01.2005 zusammengeschlossene Verwaltungsgemeinschaft.
Bereits am 15.12.2004 haben die Antragstellerinnen gegen die Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 10.12.2004, hilfsweise soweit sie in § 2 Nr. 10 dieser Verordnung genannt sind, einen Antrag auf Normenkontrolle gestellt (2 K 729/04) sowie um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Zur Begründung ihres Antrags führen sie aus: Der Zusammenschluss von verwaltungsgemeinschaftsangehörigen mit verwaltungsgemeinschaftsfreien Gemeinden sei mit einer auf § 76 Abs. 1a Satz 1 GO LSA gestützten Verordnung nicht möglich; einschlägig wäre vielmehr eine Verordnung nach § 76 Abs. 1b GO LSA, weil die Stadt Leuna bislang verwaltungsgemeinschaftsfrei sei. Die angefochtene Verordnung sei darüber hinaus auch materiell rechtswidrig, weil der Antragsgegner entgegen § 76 Abs. 2 GO LSA nicht berücksichtigt habe, dass zwischen den derzeitigen Mitgliedern der Verwaltungsgemeinschaft Kötzschau und der Stadt Leuna keinerlei örtlichen Zusammenhänge bestünden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
A. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in dem hier anhängigen Normenkontrollverfahren (§ 47 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 [BGBl I 686] - VwGO -, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.08.2004 [BGBl I 2198 <2204>]), ist zulässig, soweit sich die Antragstellerinnen gegen § 2 Nr. 10 der Zweiten Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften - 2. VwGemVO - vom 10.12.2004 (LSA-GVBl., S. 822) wenden; im Übrigen ist der Antrag zu verwerfen.
Zunächst steht der Zulässigkeit des einstweiligen Rechtsschutzantrags insgesamt nicht entgegen, dass die Antragstellerinnen ihren Antrag, der sich ursprünglich gegen die Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 01.11.2004 (LSA-GVBl., S. 763) gerichtet hat, geändert haben; denn die Antragsänderung ist im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich, weil auch für den geänderten Antrag der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt, da sich die maßgeblichen Vorschriften (vormals § 2 Nr. 11, nun § 2 Nr. 10 der Verordnung) nicht geändert haben, und die Antragsänderung die endgültige Beilegung des Streites fördert (Kopp/ Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 91 RdNr. 19 m. w. N.).
Die von dem Antragsgegner - Ministerium des Innern - erlassene Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 10.12.2004 ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, die zum Gegenstand einer Normenkontrolle vor dem Oberverwaltungsgericht gemacht werden kann (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 10 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 28.01.1992 [LSA-GVBl., S. 36], zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 [LSA-GVBl., S. 158]). Auch Art. 75 Nr. 7 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LVerf-LSA - vom 16.07.1992 (LSA-GVBl., S. 600) steht dem nicht entgegen, weil Gegenstand einer kommunalen Verfassungsbeschwerde nur förmliche Gesetze sein können (LVfG LSA, Urt. v. 22.02.1996 - LVG 2/95 -, LVerfGE 4, 401 [406 f]).
Die Antragstellerinnen sind antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, soweit sie die vorläufige Außer-Vollzug-Setzung von § 2 Nr. 10 der 2. VwGemVO begehren; hingegen ist die Antragsbefugnis zu verneinen, soweit sich der Antrag gegen die 2. VwGemVO im Ganzen richtet.
Einen Normenkontrollantrag kann nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, die auch für die Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO erforderlich ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 47 RdNr. 156 i. V. m. § 123 RdNr. 18), ist ausreichend, dass die Antragstellerinnen hinreichend substanziiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in einem subjektiven Recht verletzt werden (BVerwG, Urt. v. 10.03.1998 - BVerwG 4 CN 6.97 -, NVwZ 1998, 732). Dabei ist eine Rechtsverletzung nicht nur dann möglich, wenn die Norm oder ihre Anwendung unmittelbar in eine Rechtsstellung eingreift. Maßgeblich ist, ob sich die mögliche Verletzung subjektiver Rechte der angegriffenen Norm tatsächlich und rechtlich zuordnen lässt (OVG LSA, Urt. v. 17.04.2003 - 2 K 258/01 -). Dies ist vorliegend der Fall, soweit die Antragstellerinnen durch § 2 Nr. 10 der 2. VwGemVO zu der streitigen Verwaltungsgemeinschaft zugesammengeschlossen worden sind; denn sie werden durch diese Entscheidung des Antragsgegners unmittelbar in ihren durch Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 3 und Art. 87 LVerf-LSA rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt.
Hingegen gehen von den übrigen in der Zweiten Verordnung enthaltenen Regelungen über die Zuordnung oder den Zusammenschluss von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften keine verordnungsbedingten nachteiligen Auswirkungen im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die Antragstellerinnen aus, weil diese Regelungen nur für die jeweils zugeordneten (§ 1) oder zusammengeschlossenen (§ 2) Gemeinden eine rechtlich selbständige Bedeutung haben.
Zwar ging die Rechtsprechung unter der Geltung des § 47 Abs. 2 Satz 1 in der Fassung des 6. Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 01.11.1996 (BGBl I 1626) bei Rechtsvorschriften, die mehrere Regelungen enthielten, von denen nur einzelne für den Antragsteller einen Nachteil im Sinne von § 47 Abs. 2 VwGO a. F. darstellten, grundsätzlich davon aus, dass es für die Zulässigkeit des gegen eine Rechtsvorschrift gerichteten Normenkontrollantrags ausreiche, wenn nur bezüglich einer in der Rechtsvorschrift enthaltenen Regelung eine Antragsbefugnis bestehe (BVerwG, Beschl. v. 04.06.1991 - BVerwG 4 NB 35.89 -, BVerwGE 88, 268 [271]). Auf der Grundlage des neuen Rechts, das die Antragsbefugnis an die Voraussetzung knüpft, dass eine Rechtsverletzung geltend gemacht wird, ist es allerdings geboten, die Antragsbefugnis nur insoweit anzunehmen, als der Antragsteller durch die Norm oder deren Anwendung möglicherweise in seinen Rechten verletzt wird oder verletzt werden kann (so auch Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. § 47 RdNrn. 51, 121). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn eine Rechtsvorschrift offensichtlich teilbar ist und der Normenkontrollantrag auch solche Teile erfasst, von denen der Antragsteller nicht betroffen sein kann, so dass deren Aufhebung ihm nichts nützen würde (vgl. insoweit auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtsschutzinteresse: BVerwGE 88, 268 [273]).
Eine Teilbarkeit der Regelungen der Verordnung in diesem Sinne ist hier gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 27.01. 1978 - BVerwG 7 C 44.76 -, DVBl. 1978, 536 [537]) führt die Ungültigkeit eines Teils einer Verordnung dann nicht zu ihrer Gesamtnichtigkeit, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) u n d mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Die zweite Frage nach dem hypothetischen Willen des Normgebers ist zwar wichtig; sie setzt jedoch voraus, dass die Verordnung überhaupt teilbar ist, ohne ihren Sinn zu verlieren. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Gedanken im Hinblick auf einen Bebauungsplan dahingehend zusammengefasst, dass eine teilweise Nichtigkeit zur umfassenden Nichtigkeit führe, wenn die Regelung ohne den nichtigen Teil nicht sinnvoll bestehen könne (BVerwG, Urt. v. 14.07.1972 - BVerwG IV C 69.70 -, BVerwGE 40, 268 [274]). Dies ist hier indes nicht der Fall; denn die Unwirksamkeit des § 2 Nr. 10 der 2. VwGemVO führt nicht dazu, dass die gesamte Zweite Verordnung Sinn und Rechtfertigung verliert, weil die Regelungen ihrem Regelungsgehalt nach eine untrennbare Einheit bildete; denn jede Zuordnungs- oder Zusammenschlussregelung der 2. VwGemVO betrifft einen Einzelfall, der die besonderen Verhältnisse der zugeordneten oder zusammengeschlossenen Gemeinden in den jeweiligen Landkreisen berücksichtigt, so dass eine - möglicherweise festzustellende - (Teil-)Unwirksamkeit einer einzelnen Regelung auf die übrigen Regelungen der Verordnung keinen Einfluss hat.
Die Antragstellerinnen haben auch nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis an der von ihnen begehrten Entscheidung des Gerichts verloren, weil das Verwaltungsgericht Halle ihrem einstweiligen Rechtsschutzbegehren in dem Verfahren 1 B 113/04 HAL mit Beschluss vom 21.12.2004 stattgegeben hat. Dieses Verfahren bezog sich ausschließlich auf die ihnen von dem Landkreis Merseburg-Querfurt auferlegte Pflicht zum Beschließen einer Gemeinschaftsvereinbarung und damit nur auf einen Umsetzungsakt zur Herstellung der Handlungsfähigkeit der zusammengeschlossenen Verwaltungsgemeinschaft. Das vorliegende Verfahren hat hingegen die angefochtene Verordnung und damit den Zusammenschluss überhaupt zum Gegenstand.
Schließlich ist der Antrag auch innerhalb der Zwei-Jahres-Frist nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden.
B. Soweit der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zulässig ist, ist er auch begründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist. Im Rahmen der Prüfung dieser Gründe haben in den Fällen, in denen der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist, die für die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der angegriffenen Rechtsnorm angeführten Gesichtspunkte grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (BVerfG, Beschl. v. 24.07.1957 - 1 BvL 23/52 - BVerfGE 7, 89, [104], zu einer vergleichbaren Rechtslage). Stattdessen ist lediglich eine Interessenabwägung vorzunehmen, d. h. es sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Normenkontrolle aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrolle aber der Erfolg zu versagen wäre (LVfG LSA, Beschl. v. 24.07.2001 - LVG 10/01 -, zu einer vergleichbaren Rechtslage). Ist hingegen offensichtlich, dass die angegriffene Norm rechtswidrig ist und daher der Normenkontrollantrag in der Hauptsache Erfolg haben wird, ist die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Norm bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO zu berücksichtigen. Gegebenenfalls ist davon auszugehen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung aus wichtigen Gründen geboten ist. Ein derartiger Fall ist hier gegeben.
Die (zulässigerweise angefochtene) Vorschrift des § 2 Nr. 10 der 2. VwGemVO ist bereits deshalb offensichtlich rechtswidrig, weil die Verordnung insoweit gegen das in Art. 79 Abs. 1 Satz 3 LVerf-LSA geregelte Zitiergebot verstößt. Nach Art. 79 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LVerf-LSA kann die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nur durch ein Gesetz erteilt werden, das Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt. Nach Art. 79 Abs. 1 Satz 3 LVerf-LSA ist diese Rechtsgrundlage in der Rechtsverordnung anzugeben. Zu den an das Zitiergebot im Einzelnen zu stellenden Anforderungen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 06.07.1999 (- 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1) auf der Grundlage des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG, der der Regelung des Art. 79 Abs. 1 Satz 3 LVerf-LSA entspricht, folgende Grundsätze aufgestellt:
"1. ... Das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG soll nicht nur die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage kenntlich und damit auffindbar machen. Es soll auch die Feststellung ermöglichen, ob der Verordnunggeber beim Erlaß der Regelungen von einer gesetzlichen Ermächtigung überhaupt Gebrauch machen wollte (vgl. Nierhaus in: Bonner Kommentar <Lfg. Nov. 1998>, Art. 80 Rn. 322). Die Exekutive muß durch Angabe ihrer Ermächtigungsgrundlage sich selbst des ihr aufgegebenen Normsetzungsprogramms vergewissern und hat sich auf dieses zu beschränken. Es kommt daher nicht nur darauf an, ob sie sich überhaupt im Rahmen der delegierten Rechtssetzungsgewalt bewegt, vielmehr muß sich die in Anspruch genommene Rechtssetzungsbefugnis gerade aus den von ihr selbst angeführten Vorschriften ergeben (vgl. BVerwG, NJW 1983, S. 1922). Außerdem dient Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG der Offenlegung des Ermächtigungsrahmens gegenüber dem Adressaten der Verordnung. Das soll ihm die Kontrolle ermöglichen, ob die Verordnung mit dem ermächtigenden Gesetz übereinstimmt. Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG statuiert insoweit ein rechtsstaatliches Formerfordernis, das die Prüfung erleichtern soll, ob sich der Verordnunggeber beim Erlaß der Verordnung im Rahmen der ihm erteilten Ermächtigung gehalten hat (vgl. BVerfGE 24, 184 <196>).
2. Hiervon ausgehend muß eine Verordnung, die auf mehreren Ermächtigungsgrundlagen beruht, diese vollständig zitieren und bei inhaltlicher Überschneidung mehrerer Ermächtigungsgrundlagen diese gemeinsam angeben. Allerdings muß nicht zu jeder Bestimmung der Verordnung im einzelnen angegeben werden, auf welcher der Ermächtigungen sie beruht (vgl. BVerfGE 20, 283 <292>).
3. Das Zitiergebot erfordert vor allem, daß die einzelne Vorschrift des Gesetzes genannt wird, in welcher die Ermächtigung enthalten ist. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, daß die Adressaten einer Verordnung deren Rechtsgrundlagen erkennen und ihre Einhaltung durch den Verordnunggeber nachprüfen können (vgl. BVerfGE 24, 184 <196>).
4. Eine Mißachtung des Zitiergebots verletzt ein "unerläßliches Element des demokratischen Rechtsstaates" (vgl. Bartlsperger, Zur Konkretisierung verfassungsrechtlicher Strukturprinzipien, VerwArch 58 <1967>, S. 249 ff. <270>). Ein solcher Mangel führt deshalb zur Nichtigkeit der Verordnung (vgl. Wilke in: v. Mangoldt/Klein, Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1969, Art. 80 Anm. XI. 2 d; Nierhaus, a.a.O., Rn. 328 <"formelle Wirksamkeitsvoraussetzung">; Bauer in: Dreier <Hrsg.>, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 2 1998, Art. 80 Rn. 43; Ossenbühl in: HStR III, § 64 Rn. 65)."
Gemessen an diesen Anforderungen wird die angefochtene Rechtsverordnung dem Zitiergebot des Art. 79 Abs. 1 Satz 3 LVerf-LSA nicht gerecht, weil sie auf mehreren Vorschriften beruht, diese Vorschriften aber nicht vollständig angibt. Die Verordnung nennt in ihrem Vorspruch als Rechtsgrundlage ausschließlich § 76 Abs. 1a Satz 1 GO LSA. Nach dieser Vorschrift wird das Ministerium des Innern jedoch nur dazu ermächtigt, durch Verordnung alle oder auch einzelne Mitgliedsgemeinden von Verwaltungsgemeinschaften zu einer Verwaltungsgemeinschaft zusammenzuschließen oder einer bestehenden Verwaltungsgemeinschaft zuzuordnen. Zum Zusammenschluss oder zur Zuordnung solcher Gemeinden, die - wie etwa die Stadt Leuna - keiner Verwaltungsgemeinschaft angehören und damit keine Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft sind, ermächtigt § 76 Abs. 1a Satz 1 GO LSA indessen für sich genommen nicht. Vielmehr ergibt sich die Verordnungsermächtigung insoweit aus § 76 Abs. 1a i. V. m. Abs. 1b GO LSA; denn nur der zuletzt genannte Absatz des § 76 GO LSA enthält eine Regelung über verwaltungsgemeinschaftsfreie Gemeinden und erklärt für diese u. a. § 76 Abs. 1a GO LSA für entsprechend anwendbar. Die Norm des § 76 Abs. 1b GO LSA erschöpft sich auch nicht lediglich in einer solchen Verweisung auf § 76 Abs. 1a GO LSA, sondern knüpft diese an die besondere Voraussetzung des Vorliegens von verwaltungsgemeinschaftsfreien Gemeinden und enthält darüber hinaus eine besondere, von der Grundregel des § 76 Abs. 1 GO LSA abweichende Vorgabe für die dauernde Leistungsfähigkeit. Als derartige Verweisungsnorm mit eigenem materiellem Regelungsgehalt hat die Vorschrift des § 76 Abs. 1b GO LSA den Charakter einer eigenen Ermächtigungsgrundlage, die das Prüfungsprogramm des § 76 Abs. 1a GO LSA erweitert und somit in einer Rechtsverordnung, die sich u. a. hierauf stützt, gesondert als "Rechtsgrundlage" im Sinne des Art. 79 Abs. 1 Satz 3 LVerf-LSA anzugeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift können einem Beteiligten die Kosten des Verfahrens ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Ein derartiges geringfügiges Unterliegen ist bei den Antragstellerinnen anzunehmen; denn durch die vorliegende Entscheidung haben sie ihr Rechtsschutzziel im Wesentlichen erreicht. Dieses war nämlich in erster Linie darauf gerichtet, die sie selbst unmittelbar betreffende Vorschrift des § 2 Nr. 10 der 2. VwGemVO außer Vollzug zu setzen und damit vorläufig zu verhindern, dass sie mit der Stadt Leuna zu einer Verwaltungsgemeinschaft zusammengeschlossen werden.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 52 Abs. 1; 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - i. V. m. § 5 ZPO sowie in Anlehnung an II. Nr. 1.5 Satz 1, 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.).
Ende der Entscheidung
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