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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 05.09.2007
Aktenzeichen: 3 L 263/05
Rechtsgebiete: GG, LSA-AG-BSHG
Vorschriften:
GG Art. 104a Abs. 5 | |
LSA-AG-BSHG § 4 Abs. 3 |
Ob bei der Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches die allgemeine Verjährungsregelung des § 195 BGB a. F. oder ob der Anwendungsbereich einer in den §§ 196, 197 BGB a. F. genannten Fallgruppen für eine kürzere Verjährungsfrist eröffnet ist, ist jeweils im Einzelfall zu klären.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung von Aufwendungen für Sozialhilfeleistungen, die die Rechtsvorgänger des Klägers in den Jahren 1992 bis 1996 im Namen des Landes Sachsen-Anhalt erbracht haben.
Die ehemaligen Landkreise Weißenfels und Hohenmölsen (bis zum Inkrafttreten der Kreisgebietsreform am 1. Juli 1994) sowie bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Kreisgebietsneuregelung vom 11. November 2005 am 1. Juli 2007 der Landkreis Weißenfels - nahm(en) seit dem Jahre 1991 als Rechtsvorgänger des Klägers unter anderem Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe im Rahmen der "Heranziehung" durch diesen wahr.
Die den Rechtsvorgängern des Klägers entstandenen Aufwendungen wurden zunächst unmittelbar vom überörtlichen Träger an die jeweiligen Einrichtungsträger ausgezahlt. Ab dem 1. Oktober 1992 wurde dieses Verfahren durch das sog. Sammelabrechnungsverfahren ersetzt. Danach hatte der herangezogene örtliche Träger der Sozialhilfe dem überörtlichen Träger vor Beginn eines Quartals den voraussichtlichen Finanzbedarf mitzuteilen, woraufhin zunächst Abschläge auf die zu erwartenden Aufwendungen ausgezahlt wurden. Nach dem jeweiligen Quartalszeitraum erfolgte eine Abrechnung über Sammelabrechnungen.
In der Zeit vom 10. März bis zum 18. Dezember 1997 führte das Amt für Versorgung und Soziales Halle bei dem Rechtsvorgänger des Klägers eine Geschäftsprüfung durch. Überprüft wurden die Sammelabrechnungen seit dem 1. Oktober 1992, die Abrechnung mit den Einrichtungsträgern, im Wege einer stichprobenartigen Prüfung von ca. 20 % der Einzelfallakten in den Fällen der Hilfe zur Pflege nach § 68 BSHG bzw. zur Eingliederungshilfe nach § 39 ff. BSHG, die Beachtung des Grundsatzes des Nachranges der Sozialhilfe (Einsatz von Einkommen und Vermögen, Unterhaltspflicht Dritter nach § 90 f. BSHG, Einsatz von Wohngeld) sowie die allgemeine Aktenführung.
Der im Rahmen dieser Überprüfung erstellte Bericht wies für den Zeitraum vom 1. Oktober 1992 bis zum 31. Dezember 1996 einen Rückerstattungsanspruch des überörtlichen Trägers in Höhe von 197.703,31 DM gegen den Rechtsvorgänger des Klägers aus. In der Begründung des Prüfberichtes heißt es, dass die Mehrzahl der festgestellten Beanstandungen in den Zeiträumen 1991/1992 und dem 1. Halbjahr 1994 lägen. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass die Sachbearbeiter im Zeitraum von 1991 bis 1996 ein enormes Arbeits- und Lernpensum zu bewältigen gehabt hätten. Sie hätten sich mit dem gesamten Sozialhilferecht und anderen gesetzlichen Vorschriften vertraut machen müssen und seien gleichzeitig mit einer größeren Zahl von Sozialhilfeanträgen konfrontiert worden. Zusätzlich seien Gesetzesänderungen und Erlasse, Verfügungen und Rundschreiben, die größtenteils rückwirkenden Charakter besessen hätten, hinzugekommen.
Nachdem sich der Rechtsvorgänger des Klägers in der Folgezeit zu verschiedenen Teilbeträgen des geltend gemachten Rückforderungsbetrages geäußert hatte, wurde mit Schreiben des Amtes für Versorgung und Soziales Halle vom 13. Juni 2001 die Höhe des zurückgeforderten Betrages auf 30.852,68 DM reduziert. In diesem Schreiben wurde auch mitgeteilt, dass mit der Endabrechnung zur Sammelabrechnung im I. Quartal 2001 eine Summe in Höhe von 30.852,68 DM verrechnet werde. In der Sammelabrechnung vom 18. April 2001 - für das I. Quartal 2001 - wurde daraufhin von dem vom Rechtsvorgänger des Klägers geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 45.212,91 DM vom Beklagten ein Betrag in Höhe von 30.852,68 DM in Abzug gebracht.
Als sich der Rechtsvorgänger des Klägers mit Schreiben vom 20. August 2001 erneut gegen die Höhe der geforderten Rückzahlung bzw. die "Verrechnung" gewendet hatte, erkannte das Amt für Versorgung und Soziales Halle mit Schreiben vom 20. September 2001 einen Erstattungsanspruch des Rechtsvorgänger des Klägers in Höhe von 3.291,78 DM gegenüber dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe an, der noch an den Kläger zurückgezahlt wurde.
Am 1. Februar 2002 hat der Rechtsvorgänger des Klägers beim Verwaltungsgericht Halle Klage erhoben. Zur Begründung der Klage trug er vor, dass der Beklagte nicht zur Rückforderung und damit auch nicht zur Aufrechnung des noch streitigen Betrages in Höhe von 14.091,66 € (entspricht 27.560,90 DM) berechtigt sei. Ein entsprechender Anspruch lasse sich insbesondere nicht aus § 4 Abs. 3 Satz 2 AG-BSHG LSA herleiten. Nach dieser Regelung müsse dem örtlichen Träger ein Verschulden an der zu Unrecht erbrachten Leistung vorzuwerfen sein. Dies sei nicht der Fall. Den jeweiligen Antragstellern habe bei der Leistungsgewährung ein Anspruch zugestanden. Auch zu den vom Beklagten behaupteten Verletzungen des Nachranges der Sozialhilfe bestünden unterschiedliche Auffassungen. Zudem werde sich auf die Verjährung der Ansprüche des Beklagten nach § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X berufen. Da die Rückforderung des Beklagten im Wege der Verrechnung somit zu Unrecht erfolgt sei, stehe dem Rechtsvorgänger des Klägers der geltend gemachte Anspruch zu.
Der Rechtsvorgänger des Klägers hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, 14.091,66 € an ihn zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, die Rückerstattungsforderung beruhe auf in Einzelfällen zu Unrecht gewährten Sozialhilfeleistungen, für die den Rechtsvorgänger des Klägers ein Verschulden im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 AG-BSHG LSA treffe. Dieser könne sich nicht auf die Verjährung des Anspruches nach § 113 SGB X berufen. Denn der zweite Abschnitt des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch, dem auch § 113 SGB X zuzuordnen sei, befasse sich mit der Zusammenarbeit der Leistungsträger untereinander. Die Zusammenarbeit zweier Leistungsträger sei vorliegend aber nicht berührt. Der Kläger werde durch die Heranziehung nicht zum Träger der überörtlichen Sozialhilfe. Mithin könne auch die Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 SGB X nicht einschlägig sein.
Das Verwaltungsgericht Halle hat mit Urteil vom 26. Januar 2005 die Beklagte verurteilt, an den Kläger 14.091,66 € zu zahlen und die Berufung gegen das Urteil zugelassen. Der Rechtsvorgänger des Klägers könne von dem Beklagten die Auszahlung des geltend gemachten Betrages für die ihm im Rahmen der Durchführung von Aufgaben des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe entstandenen Aufwendungen verlangen. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AG-BSHG LSA sei der zuständige Träger der Sozialhilfe, wenn Aufträge nach § 3 durchgeführt werden, zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. Eine Erstattungspflicht entstehe nach § 4 Abs. 3 Satz 2 AG-BSHG LSA nicht, soweit Leistungen zu Unrecht erbracht worden seien und die herangezogene Gebietskörperschaft hierfür ein Verschulden treffe. Die noch offene Forderung des Rechtsvorgängers des Klägers sei weder durch eine Verrechnungserklärung nach § 52 SGB I noch durch Aufrechnung erloschen. Der Aufrechnung stehe nämlich jedenfalls § 390 Satz 1 BGB in der bis zum 01. Januar 2002 geltenden Fassung entgegen. Diese, vorliegend nach Art. 229 § 6 EGBGB zur Anwendung kommende, Regelung bestimme - ebenso wie § 390 BGB in der seit dem 01. Januar 2002 geltenden Fassung -, dass mit einer Forderung, der eine Einrede entgegenstehe, nicht aufgerechnet werden könne. Die Aufrechnung sei danach vorliegend ausgeschlossen, weil die Gegenforderung des Beklagten verjährt gewesen sei, bevor sie der Hauptforderung des Rechtsvorgängers des Klägers auf Kostenerstattung für die im Zeitraum von Januar bis März 2001 im Namen des überörtlichen Sozialhilfeträgers erbrachten Leistungen erstmals aufrechenbar habe gegenüber stehen können. Der von der Sammelabrechnung für das I. Quartal 2001 umfasste Anspruch des Rechtsvorgängers des Klägers sei frühestens ab Januar 2001 entstanden und erfüllbar gewesen. Damit sei die vom Beklagten aufgerechnete Gegenforderung verjährt, bevor die Hauptforderung erfüllbar geworden sei. Die Gegenforderung des Beklagten sei spätestens mit Ablauf des Jahres 2000 verjährt gewesen. Abzustellen sei insoweit auf § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Diese Regelung sei vorliegend jedenfalls entsprechend anwendbar. Für den Beginn der Verjährungsfrist sei der Zeitpunkt der rechtsirrtümlichen Befriedigung des Erstattungsanspruches maßgebend. Die streitgegenständlichen Erstattungsansprüche seien danach jedenfalls mit Ablauf des 31. Dezember 2000 verjährt. Es sei schließlich auch keine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung nach § 113 Abs. 2 SGB X i. V. m. den §§ 197 ff. BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung eingetreten.
Gegen das ihm am 10. Juni 2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 7. Juli 2005 beim Verwaltungsgericht Halle Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2005 wie folgt begründet:
Das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestimme sich entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch, sondern nach dem Verwaltungsverfahrensrecht des Landes Sachsen-Anhalt. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass die kurze Verjährungsfrist von vier Jahren generell für alle im sozialrechtlichen Bereich angelegten Ansprüche gelte, gebe es nicht. Die Verjährungsregelung des § 113 SGB X sei für die vorliegende Erstattungsstreitigkeit nicht anwendbar, da sich das Rechtsverhältnis zwischen dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der herangezogenen Gebietskörperschaft nicht als eine Verwaltungstätigkeit auf dem Gebiet des Sozialgesetzbuches darstelle. Eine entsprechende Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz SGB X auf die hier streitgegenständliche Erstattungsstreitigkeit sei auch verfassungsrechtlich unzulässig, da es sich bei der Regelung des § 4 Abs. 3 AG-BSHG LSA materiell um eine Regelung des kommunalen Finanzausgleichs handele. Eine von den allgemein geltenden Verjährungsregelungen abweichende Bestimmung, wie sie § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X enthalte, sei landesrechtlich gerade nicht normiert worden. Mit einer entsprechenden Anwendung der bundesrechtlichen Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X werde auch die landesgesetzgeberische Entscheidung des Unterlassens einer Regelung über die Verjährung konterkariert. Im Übrigen sei, selbst wenn man die Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X für entsprechend anwendbar hielte, die Verjährung unterbrochen worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - vom 26. Mai 2005 zu ändern und die Klage abzuweisen,
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Beide Beteiligte beantragen übereinstimmend die Zurückverweisung des Rechtstreits an das Verwaltungsgericht gemäß § 130 Abs. 2 VwGO für den Fall, dass der Senat die Voraussetzungen hierfür als gegeben erachtet.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und führt ergänzend aus, dass wenn man nicht davon ausgehe, dass der Erstattungsanspruch des Beklagten verjährt sei, den Kläger jedenfalls kein Verschulden im Sinne des § 4 Abs. 3 AG-BSHG LSA treffe. Der Erstattungsanspruch der herangezogenen Gebietskörperschaft könne allenfalls bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit bei der Rechtsanwendung ausgeschlossen sein. Gerade vor dem Hintergrund der schwierigen Bedingungen beim Aufbau eines Sozialhilfesystems in Sachsen-Anhalt Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts könne bei den von dem Beklagten beanstandeten Fehlern in der Rechtsanwendung zumindest keine grobe Fahrlässigkeit festgestellt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze in den Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verfahrensakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und auch begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht (§ 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Eine fehlende Entscheidung zur Sache i. S. d. § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht nur vor, wenn das Verwaltungsgericht durch Prozessurteil entschieden hat, sondern auch dann, wenn das Verwaltungsgericht zwar in der Sache entschieden, aber aus Gründen, die der Senat nicht für zutreffend hält, zur eigentlichen Rechtsfrage nicht Stellung genommen hat, weil es "die Weichen falsch gestellt" hat (so Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2004, § 130 Rdnr. 8; Blanke in Sodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl., § 130 Rdnr. 11; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 130 Rdnr. 11). Letzteres ist hier der Fall. Das Verwaltungsgericht hat sich lediglich mit dem Erlöschen des Klageanspruches unter dem Gesichtspunkt der Verrechnung und Aufrechnung mit Ansprüchen des Beklagten befasst, wobei es das Institut der Verrechnung als nicht einschlägig angesehen hat und eine Aufrechnung - unbeschadet der Frage, ob eine Aufrechnungslage überhaupt gegeben war (vgl. S. 7 d. UA) - wegen Verjährung für ausgeschlossen hielt. Die maßgeblichen Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Auslegung der Rechtsvorschrift des § 4 Abs. 3 AG-BSHG LSA und der Rechtsgrundlage für die vom Beklagten geltend gemachte "Gegenforderung" sind damit nicht nur ungeprüft geblieben, sondern es fehlt die für eine Sachentscheidung erforderliche und voraussichtlich umfangreiche und aufwändige Tatsachenermittlung. Diese Besonderheit des konkreten Einzelfalls lässt es als sachdienlich erscheinen und rechtfertigt es, der von den Verfahrensbeteiligten übereinstimmend beantragten Zurückverweisung stattzugeben. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen entgegen, der eine Zurückverweisung für unzulässig erachtet, wenn es wegen der Annahme der Verjährung des Anspruches zu keiner Sachentscheidung gekommen ist. Die vom Bundesgerichtshof für maßgeblich erachtete Vorschrift des § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ("wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist"; jetzt § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) bezieht sich ausdrücklich auf fehlende Prozessvoraussetzungen, wogegen materiellrechtliche Aspekte über die Regelung des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (jetzt § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO) erfasst und nur bei einem Grundurteil berücksichtigt werden können (vgl. BGH, Urt. v. 27.05.1999 - VII ZR 24/98 -, NJW 1999, 3125 m. w. N.). Eine solche Differenzierung enthält die verwaltungsprozessuale Regelung des § 130 Abs. 2 VwGO nicht; der Wortlaut des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO schließt eine Einbeziehung auch materiellrechtlicher Gesichtspunkte nicht aus. Ob danach auch weitere Unterschiede in der Ausgestaltung von zivil- und verwaltungsprozessrechtlichen Verfahren sowie die fallspezifische Besonderheit, dass die Verjährung nicht den Klageanspruch selbst, sondern einen den Klageanspruch erfüllenden bzw. zum Erlöschen bringenden Gegenanspruch betrifft, gegen eine Übernahme der Erwägungen des Bundesgerichtshofes sprechen, bedarf keiner weiteren Vertiefung.
Rechtlicher Anknüpfungspunkt für das Erstattungsbegehren des Klägers, ihm für das I. Quartal 2001 einen weiteren Betrag in Höhe von 14.091,66 € zu zahlen, ist § 4 Abs. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes vom 30. April 1991 (AG-BSHG LSA, GVBl. LSA S. 31, geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17.12.2003, GVBl. LSA S. 352). Danach ist der zuständige Träger der Sozialhilfe zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet, wenn Aufträge nach § 3 durchgeführt werden (Satz 1). Eine Erstattungspflicht besteht nicht, soweit Leistungen zu Unrecht erbracht worden sind und die herangezogene Gebietskörperschaft hierfür ein Verschulden trifft (Satz 2). Der Senat geht davon aus, dass die Regelungen des AG-BSHG LSA auch nach dessen Außerkrafttreten am 1. Januar 2005 trotz Fehlens einer Übergangsregelung in § 9 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - vom 11. Januar 2005 (AG-SGB XII LSA, GVBl. LSA S. 8) auf den hier vorliegenden Sachverhalt noch anwendbar sind. Dem Gesetzentwurf der Landesregierung zum Ausführungsgesetz zum Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (LT-Drs 4/1876) ist nicht zu entnehmen, dass bis zum 31. Dezember 2004 bereits entstandene Aufwendungserstattungsansprüche der herangezogenen Gebietskörperschaften nach dem Außerkrafttreten des AG-BSHG LSA nicht mehr gegenüber dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe geltend gemacht werden können bzw. dass bereits entstandene Ansprüche nach dem neuen Recht zu beurteilen sind. Gegen letztere Annahme spricht insbesondere der Umstand, dass das neu geregelte Abrechnungsverfahren in § 4 Abs. 4 AG-SGB XII sich grundlegend von dem bisherigen Verfahren unterscheidet, da die herangezogenen Gebietskörperschaften die Zahlungen an die Hilfeempfänger bzw. Einrichtungsträger nunmehr unmittelbar aus dem Haushalt des überörtlichen Trägers veranlassen (vgl. LT-Drs 4/1876, S. 12) und das bisherige Sammelabrechnungsverfahren grundsätzlich gegenstandslos geworden ist.
Anders als aufgrund der Nachfolgeregelung in § 4 Abs. 4 und 5 AG-SGB XII stehen sich im Rahmen des Heranziehungsverhältnisses nach § 4 Abs. 3 AG-BSHG LSA nicht von vornherein zwei selbständige Ansprüche (Erstattungs- und Schadensersatzansprüche) der herangezogenen Gebietskörperschaft und des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe gegenüber. Der Gesetzgeber hat in Anlehnung an den Wortlaut des § 91 Abs. 1 Satz 3 SGB X in § 4 Abs. 3 AG-BSHG LSA vielmehr einen Anspruchsausschluss im Hinblick auf den der herangezogenen Gebietskörperschaft zustehenden Aufwendungserstattungsanspruch geregelt, wonach der überörtliche Träger der Sozialhilfe gegen den von den Gebietskörperschaften geltend gemachten Aufwendungserstattungsanspruch einwenden kann, dass die Leistung an den Leistungsempfänger schuldhaft zu Unrecht erbracht worden ist. Nur in Höhe nicht schuldhaft und nicht rechtswidrig erbrachter Leistungen ist der Aufwendungserstattungsanspruch der herangezogenen Gebietskörperschaft entstanden.
Hiervon ausgehend kann dem Kläger in Bezug auf den für das I. Quartal 2001 geltend gemachten Aufwendungserstattungsanspruch nach § 4 Abs. 3 AG-BSHG LSA nur ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch des Beklagten entgegenhalten werden, soweit dem Kläger für Zeiträume vor dem I. Quartal 2001 bereits tatsächlich Aufwendungen erstattet worden sind, obgleich eine Erstattungspflicht i. S. d. § 4 Abs. 3 Satz 1 AG-BSHG LSA nicht bestanden hat und der Beklagte es verabsäumt hat, von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.
Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der seit langem anerkannt ist und dessen Anspruchsvoraussetzungen denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruches entsprechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1966 - 6 C 112.63 -, BVerwGE 23, 166), dient dazu, Leistungen ohne Rechtsgrund und sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen auch im öffentlichen Recht rückgängig zu machen. Er kann auch im Verhältnis zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts Anwendung finden (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.09.1970 - II C 48.68 -, BVerwGE 36, 108). Für dieses seit langem im Verwaltungsrecht anerkannte Rechtsinstitut bedarf es auch nicht einer gesonderten gesetzlichen Regelung, etwa in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes oder Länder (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 22.09.2006 - 2 LB 1790/01 - NdsRpfl. 2006, 377). So liegt der Fall hier. Wie bereits ausgeführt, entsteht der Aufwendungserstattungsanspruch nach § 4 Abs. 3 AG-BSHG LSA nur insoweit, als der herangezogenen Gebietskörperschaft keine schuldhafte und rechtswidrige Leistung an Dritte zugerechnet werden kann. Erstattet das Land hiernach der herangezogenen Gebietskörperschaft (vorab) höhere Aufwendungen, als es gesetzlich verpflichtet ist, ist insoweit hinsichtlich eines Teilbetrages eine Leistung auf eine Nichtschuld erfolgt, welche grundsätzlich entsprechend § 814 BGB kondiziert werden kann.
Ob und in welcher Höhe danach ein (Rück-)Erstattungsanspruch des Beklagten besteht, kann nach den bislang vorgelegten Sachakten nicht festgestellt werden. Hinsichtlich der vom Beklagten geltend gemachten Überzahlungen müsste bezogen auf den konkreten Einzelfall ermittelt werden, welche Leistungen der jeweiligen Rechtsvorgänger des Klägers "zu Unrecht" erbracht hat und ob diesen bei der Leistungsgewährung ein Verschulden im Sinne grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz trifft.
Der bei der Auslegung des Begriffes "Verschulden" anzuwendende Maßstab ist in § 4 Abs. 3 Satz 2 AG-BSHG LSA nicht ausdrücklich geregelt. Nach den Gesetzesmaterialien (LT-Drucksache 1/51) ist die Vorschrift im Wortlaut § 91 Abs. 1 Satz 3 SGB X nachgebildet worden. In der Kommentarliteratur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass Verschulden im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 3 SGB X Vorsatz und jede Form der Fahrlässigkeit umfasst (vgl. Engelmann in v. Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 91 Rdnr. 6 m. w. N.; zur Gesetzgebungshistorie: Grell/Gramatke, Überörtliche Sozialhilfe in Sachsen-Anhalt, § 4 AG-BSHG LSA Rdnr. 4.2.2. m. w. N.). Das Bundessozialgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich offen gelassen, welcher Verschuldensmaßstab im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 3 SGB X heranzuziehen ist (vgl. BSG, Urt. v. 25.06.1985 - 9a RV 29/84 - ZfSH/SGB 1986, 395 und Urt. v. 07.12.1983 - 9a RV49/82 - juris).
Der Senat hält die von der Kommentarliteratur entwickelte Auffassung, wonach Verschulden im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 3 SGB X jede Form der Fahrlässigkeit, also auch die einfache Fahrlässigkeit umfasst, für nicht auf den Anspruchsausschluss des § 4 Abs. 3 Satz 2 AG-BSHG LSA übertragbar. Vielmehr ist der Begriff des Verschuldens im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 AG-BSHG LSA im Wege einer teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass nur ein grob fahrlässiges bzw. vorsätzliches Verhalten der herangezogenen Gebietskörperschaft erfasst wird.
Die teleologische Reduktion einer Vorschrift setzt voraus, dass sie nach ihrem Wortlaut Sachverhalte in ihren Anwendungsbereich aufnimmt, die sie nach ihrem Regelungszweck oder dem Sinnzusammenhang des Gesetzes nicht erfassen soll. Die nach ihrem Wortlaut zu weit gefasste Vorschrift ist im Wege einer teleologischen Reduktion durch Hinzufügung der gebotenen Einschränkung auf den ihr nach Sinn und Zweck zukommenden Anwendungsbereich zurückzuführen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.06.2000 - 10 C 3.99 -, BVerwGE 111, 255, 257; BVerfG, Beschl. v. 06.04.2000 - 1 BvL 18/99 und 1 BvL 19/99 -, NVwZ 2000, 910 f.). Die teleologische Reduktion einer Vorschrift darf sich allerdings nur auf einen Teil der von ihrem Wortlaut erfassten Fälle beziehen (BVerfG, Beschl. v. 07.04.1997 - 1 BvL 11/96 -, NJW 1997, 2230) und nicht im Widerspruch zu einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers stehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.04.2000, a. a. O.). Liegt danach eine verdeckte Regelungslücke vor, so steht ihrer Füllung durch Hinzufügung der gebotenen Einschränkung nicht der nur scheinbar eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen (BVerwG, Urt. v. 28.05.1997 - 6 C 1/96 -, BVerwGE 105, 20, 23 f.). Diese Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des § 4 Abs. 3 Satz 2 AG-BSHG LSA sind gegeben.
Die von der Kommentarliteratur entwickelte Interpretation des Verschuldensbegriffes in § 91 Abs. 1 Satz 3 SGB X kann zunächst nicht unmittelbar zur Auslegung von § 4 Abs. 3 Satz 2 AG-BSHG LSA herangezogen werden, da das 3. Kapitel des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch, in welcher sich auch die Vorschrift des § 91 Abs. 1 SGB X befindet, nur die Zusammenarbeit von Leistungsträgern untereinander regelt und seine Anwendbarkeit eine Rechtsbeziehung von mindestens zwei Leistungsträgern voraussetzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.11.1995 - 7 C 56.93 - BVerwGE 100, 56). Durch die bloße Heranziehung der Rechtsvorgänger des Klägers nach Maßgabe von § 2 HeranzVO-BSHG werden diese jedoch nicht selbst zu Leistungsträgern, was auch nach außen hin erkennbar ist, da sie in den Heranziehungsfällen jeweils im Namen des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe aufgetreten sind.
Weiter hat sich in der Rechtspraxis die von der Kommentarliteratur entwickelte letztlich auf der Auslegung des § 20 Satz 2 und 3 BVG (i. d. F. d. Gesetzes vom 28.12.1966, BGBl. I S. 750, 755) beruhende Interpretation des § 91 Abs. 1 SGB X auch bei der Ausgestaltung der Aufwendungserstattungsregelungen in den Ausführungsgesetzen zum Bundessozialhilfegesetz nicht durchgesetzt. In Niedersachsen wie später auch in Nordrhein-Westfalen ist eine Haftung der herangezogenen Gebietskörperschaft ausdrücklich auf grob fahrlässige und vorsätzliche Pflichtverletzungen beschränkt worden. Übereinstimmend ist der Rechtsgedanke des für das Verhältnis zwischen Bund und den Ländern geltenden Artikel 104 a Abs. 5 GG auf das Heranziehungsverhältnis zwischen Land und Kommunen hinsichtlich des Einstehens für eine ordnungsgemäße Verwaltung übertragen worden (vgl. zur Rechtslage in Niedersachsen: Landtags-Drucksache 12/3660, S. 7; Begründung zu § 5 Abs. 2 des Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, Landtags-Drucksache 12/3730, S. 130; im Ansatz auch BVerwG, Urt. v. 30.11.1995, a. a. O.).
Wie auch die Begründungen zu den Ausführungsgesetzen der Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zeigen, wird in den Fällen des Auseinanderfallens von Finanzierungs- und Verwaltungsverantwortung, wie sie auch in der Heranziehung der Gebietskörperschaften durch den überörtlichen Träger der Sozialhilfe nach Maßgabe der Heranziehungsverordnung gegeben ist, bei Fehlen einer ausdrücklichen Haftungsregelung auf die sog. Haftungskernrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung von Art. 104 a Abs. 5 GG Bezug genommen (vgl. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, Seite 249 unter Bezugnahme auch auf § 4 Abs. 3 AG-BSHG LSA). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründet Art. 104 a Abs. 5 GG auch ohne den Erlass eines entsprechenden Ausführungsgesetzes eine unmittelbare Haftung zwischen dem Bund und den Ländern, wobei das Einstehenmüssen des in Anspruch genommenen Verwaltungsträgers auf die Fälle des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit (sog. Haftungskern) beschränkt bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.05.1994 - 11 A 1.92 -, BVerwGE 96, 45; Urt. v. 02.02.1995 - 2 A 5.92 -, NVwZ 1995, 991). Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem oben zitierten Urteil vom 30. November 1995 jedenfalls die für das Verhältnis von Bund und Ländern entwickelten Grundsätze bezüglich einer Haftung bei vorsätzlichen und grob fahrlässigen Pflichtverletzungen auch auf das Verhältnis Land-Kommune übertragen. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei der Regelung des Art. 104 a Abs. 5 GG und der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hierzu entwickelten Begrenzung auf einen Haftungskern um ein allgemeines Strukturprinzip handelt, welches im Wege des Homogenitätsgebotes nach Art. 28 Abs. 2 GG auf das Verhältnis von Ländern zu den Kommunen zu übertragen ist, erscheint es dem Senat jedenfalls nach dem Sinn und Zweck der Haftungsregelungen geboten, die tragenden Erwägungen, welche zur Begrenzung der Haftung auf vorsätzliches bzw. grob fahrlässiges Verhalten geführt haben, auf das hier vorliegende Heranziehungsverhältnis zu übertragen. Der überörtliche Träger der Sozialhilfe wurde durch die Heranziehung der Kommunen nach Maßgabe von § 2 HeranzVO-BSHG des Risikos für fehlerhaftes Verwaltungshandeln entbunden und die Verantwortung den kreisfreien Städten und Landkreisen auferlegt. Hätten die Kommunen im Verhältnis zum überörtlichen Träger auch für einfach fahrlässiges Handeln ihrer Beschäftigten nach Maßgabe von § 278 BGB einzustehen, würde eine Privilegierung des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe eintreten, da dieser bei fehlerhafter Aufgabenerfüllung durch eigene Bedienstete nur in den Fällen des Vorsatzes bzw. der groben Fahrlässigkeit Regress nehmen könnte (§ 78 Abs. 2 BG LSA bzw. vormals § 14 BAT-O). Durch eine Begrenzung des Verschuldens i. S. d. § 4 Abs. 3 Satz 2 AG-BSHG auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit wird sichergestellt, dass der überörtliche Träger der Sozialhilfe in dem Maße von der Erstattung der Aufwendungen freigestellt wird, in dem der die Aufgaben durchführenden Körperschaft ein Haftungsanspruch gegen ihren schuldhaft, fehlerhaft handelnden Bediensteten zusteht (so nun auch ausdrücklich die Begründung zu § 5 Abs. 5 AG-SGB XII LSA, LT-Drucksache 4/1876, S. 13; vgl. auch VG Magdeburg, Urt. v. 21.12.2001 - 6 A 691/99 - und VG Dessau, Urt. v. 25.08.2004 - 4 A 208/03 -). Weder der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 2 AG-BSHG LSA noch die Gesetzesmaterialien geben Veranlassung für die Annahme, dass der Gesetzgeber ausdrücklich eine Form der Haftungsprivilegierung zugunsten des überörtlichen Trägers und zulasten der herangezogenen Gebietskörperschaft normiert hat. Zusätzlich gestützt wird die Auffassung des Senates durch den Umstand, dass der Gesetzgeber die vorbenannte, ihm bekannte Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, welche einheitlich eine Beschränkung des Anspruchsausschlusses auf grob fahrlässige und vorsätzliche Pflichtverletzungen der herangezogenen Gebietskörperschaften angenommen haben, weder zum Anlass genommen hat, eine gesetzgeberische Klarstellung vorzunehmen noch im Gesetzgebungsverfahren zum Ausführungsgesetz zum SGB XII ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Haftungsregelung in § 4 Absatz 4 und 5 AG-SGB XII gegenüber der bisher geltenden Rechtslage eine inhaltliche Änderung darstellt.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts wäre ein eventuell gegebener Erstattungsanspruch des Beklagten im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung am 13. Juni 2001 noch nicht verjährt gewesen.
Das AG-BSHG LSA enthält weder eine Regelung zur Verjährung noch wird im Wege der Verweisung auf Verjährungsvorschriften in anderen Gesetzen verwiesen (so etwa § 13 Abs. 1 Nr. 4 b KAG LSA unter Verweis auf die Bestimmungen der Abgabenordnung). Soweit spezielle Regelungen fehlen, sind in Bezug auf die Verjährung öffentlich-rechtlicher Erstattungsansprüche die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.06.2006 - 2 C 10.05 - NJW 2006, 3225 m. w. N.). Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch unterliegt der "regelmäßigen" Verjährungsfrist des § 195 BGB, die bis zum In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. S. 3138) am 1. Januar 2002 dreißig Jahre betrug und nunmehr drei Jahre beträgt.
Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Vorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X, in welcher eine vierjährige Verjährungsfrist geregelt ist, ist im vorliegenden Verfahren weder unmittelbar noch im Wege der Analogie anwendbar. Wie bereits zur Anwendbarkeit des § 91 Abs. 1 SGB X ausgeführt, setzt auch die unmittelbare Anwendung der Verjährungsvorschrift des § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X, welche sich ebenfalls im Dritten Kapitel des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch befindet, die Beteiligung von mindestens zwei Sozialleistungsträgern voraus (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.11.1995, a. a. O.). An dieser Voraussetzung fehlt es vorliegend.
Auch eine analoge Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB X auf das hier gegebene Heranziehungsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten kommt nicht in Betracht.
Soweit das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 30.09.1993 - 4 RA 6/92 - FEVS 44, 348; Urt. v. 17.06.1999 - B 3 KR 6/99 R - FEVS 51, 259) verweist, wonach sämtliche im Sozialrecht wurzelnde Rückerstattungsansprüche der vierjährigen Verjährungsfrist unterliegen und es ein erhebliches Interesse an der Überschaubarkeit öffentlicher Haushalte gebe, sind diese Erwägungen auf das vorliegende Heranziehungsverhältnis zwischen Land und Kommune nicht anwendbar.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung ausdrücklich verneint, dass aus § 45 Abs. 1 SGB I - und vergleichbaren weiteren Vorschriften - für das Sozialrecht insgesamt auf eine allgemeine vierjährige Verjährungsfrist geschlossen werden könne (BVerwG, Urt. v. 27.11.1986 - 5 C 74.85 - BVerwGE 75, 173). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist weiter anerkannt, dass die Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Verjährung - insbesondere § 195 BGB a. F. - auf vermögensrechtliche Ansprüche des öffentlichen Rechts grundsätzlich auch dann entsprechend anwendbar sein können, wenn sowohl Gläubiger als auch Schuldner Körperschaften des öffentlichen Rechts sind (vgl. Urt. v. 15.12.1967 - VI C 98.65 - BVerwGE 28, 336).
Bei der Frage, ob und welche Verjährungsregelungen zum Lückenschluss herangezogen werden können, ist zudem die Zielsetzung von Verjährungsregelungen im Sozialrecht maßgebend. Die Verjährungsregelungen verfolgen in diesem Rechtsgebiet im Wesentlichen das Ziel, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit herbeizuführen sowie eine verlässliche Grundlage für das Haushaltsgebaren der Versicherungsträger zu schaffen. Außerdem sollen sie einen "erzieherischen" Druck auf den Berechtigten ausüben, um ihn zur baldigen Klärung der Ansprüche zu veranlassen. Die Verjährungsregelungen sollen ferner den Schuldner gegen Beweisschwierigkeiten schützen, wenn er erst nach längerer Zeit in Anspruch genommen wird. Als wichtiges Motiv für die kurzen Verjährungsfristen im Sozialrecht wird auch besonders hervorgehoben, dass bei den Ansprüchen, die den laufenden Unterhalt des Berechtigten sicherstellen sollen, ihr sozialpolitischer Zweck nach langer Zeit nur noch eingeschränkt erreicht werden kann (vgl. zum Vorstehenden: Guckelberger, Die Verjährung im öffentlichen Recht, S. 26 f. mit zahlreichen Nachweisen). Diese vorbenannten Erwägungen sind auf das hier streitige Heranziehungsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten - bis auf das Interesse an einer baldigen Klärung gegenseitiger Ansprüche - nicht ohne weiteres übertragbar. Das Interesse an einer baldigen Klärung am Bestand bzw. an der Höhe von Erstattungsansprüchen ist bei jeder Rechtsbeziehung zwischen verschiedenen Trägern hoheitlicher Gewalt gegeben. Gleichwohl ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass bei Erstattungsansprüchen zwischen verschiedenen Trägern hoheitlicher Gewalt auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung möglichst kurze Verjährungsfristen zur Anwendung zu bringen sind, in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht anerkannt. Ob die allgemeine Verjährungsregelung des § 195 BGB a. F. oder ob der Anwendungsbereich einer die in den §§ 196, 197 BGB a. F. genannten Fallgruppen für eine kürzere Verjährungsfrist eröffnet ist, ist jeweils im Einzelfall zu klären (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 05.01.2005 - 2 LB 58/04 - ZfSH/SGB 2006, 368 für einen Kostenausgleich im Kindertagesstättenrecht). Eine der in § 196 BGB a. F. genannten Fallgruppen ist im vorliegenden Fall ersichtlich nicht gegeben und auch von den Beteiligten nicht näher dargelegt worden, so dass es vorliegend bei der allgemeinen Regelung des § 195 BGB a. F. bleibt.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung des Verwaltungsgerichts vorbehalten.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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