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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 20.03.2009
Aktenzeichen: 3 M 153/09
Rechtsgebiete: LSA-SOG


Vorschriften:

LSA-SOG § 1 Abs. 2
Soweit die Eingriffsnorm des § 1 Abs. 2 SOG LSA eine Gefahrenlage im Sinne einer drohenden Verkürzung privater Rechte voraussetzt, ist der erforderlichen Gefahrenprognose das Tatsachenwissen zugrunde zu legen, das der Polizei zum Zeitpunkt ihres Einschreitens bekannt war.
Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

Die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung keinen Anlass.

Die Antragstellerin trägt vor, soweit der Polizei und den Sicherheitsbehörden gem. § 1 Abs. 2 SOG LSA der Schutz privater Rechte nach diesem Gesetz (u. a.) nur dann obliege, wenn gerichtlicher Rechtsschutz nicht rechtzeitig zu erlangen sei, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Der Vertreter der Beigeladenen habe mit Schreiben vom 2. März 2009 dem Amtsgericht Quedlinburg im Verfahren mit dem Aktenzeichen 3 C 17/09 mitgeteilt, dass er bereits am 26. Februar 2009 gesehen habe, dass die Vermieterin der versiegelten Räumlichkeiten das angeblich im Eigentum der Beigeladenen stehende Inventar demontieren und ausräumen würde. Die Beigeladene hätte eine weitere einstweilige Verfügung beantragen können oder - wie mit Schreiben vom 2. März 2009 beantragt - die Festsetzung eines Ordnungsgeldes herbeiführen und damit rechtzeitig gerichtlichen Schutz erlangen können.

Der Einwand der Subsidiarität polizeilichen Einschreitens greift nicht durch. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die am 2. März 2009 von der Beigeladenen beim Amtsgericht Quedlinburg beantragte Androhung eines Ordnungsgeldes gegenüber der Vermieterin (der (...) mbH & Co. KG) den am 6. März 2009 in Gang befindlichen Abtransport des Inventars aus den streitgegenständlichen (versiegelten) Räumlichkeiten durch die Antragstellerin hätte beenden können. So ist weder ersichtlich, dass dem Antrag der Beigeladenen auf Androhung eines Ordnungsgeldes gegenüber der Vermieterin bis zur Räumungsmaßnahme bereits stattgegeben worden ist, noch dass ein Unterlassen der Vermieterin zugleich Räumungsmaßnahmen der Antragstellerin, welche diese bereits in ihrer Antragsschrift vom 7. März 2009 eingeräumt hat, unterbunden hätte. Es ist ferner weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Beigeladene aufgrund ihrer Erkenntnisse vom 26. Februar 2009 davon ausgehen musste, dass die Antragstellerin als neue Mieterin der Räumlichkeiten das streitgegenständliche Inventar ausräumen werde und gegen sie die Beantragung einer einstweiligen Verfügung angezeigt sei. Immerhin hat die Antragstellerin dem Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen mit Fax vom 9. Januar 2009 mitgeteilt, dass sie selbst das Inventar nicht beseitigen werde und die Vermieterin die Gegenstände selbst einlagern werde. Diesen Sachverhalt hat auch das Amtsgericht Quedlinburg seiner einstweiligen Verfügung vom 9. Februar 2009 (a. a. O.) zugrunde gelegt.

Weiter wendet die Antragstellerin ein, die Verbringung des Inventars durch die Antragstellerin in andere Räumlichkeiten würde nicht - wie in § 1 Abs. 2 SOG LSA weiter vorausgesetzt - die Verwirklichung des Rechts der Beigeladenen vereiteln oder wesentlich erschweren.

Auch dieser Einwand überzeugt nicht. Weder ist durch den Vortrag schlüssig dargelegt und nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht, dass die Beigeladene Kenntnis vom Verbringungsort erhält noch dass durch die Änderung des Lagerortes des Inventars der Herausgabeanspruch des Eigentümers nicht durch Einwendungen eines weiteren Besitzers erschwert oder vereitelt wird (vgl. § 986 BGB). Soweit im Übrigen die Eingriffsnorm des § 1 Abs. 2 SOG LSA eine Gefahrenlage im Sinne einer drohenden Verkürzung privater Rechte voraussetzt, ist der erforderlichen Gefahrenprognose das Tatsachenwissen zugrunde zu legen, das der Polizei zum Zeitpunkt ihres Einschreitens bekannt war. Das Verwaltungsgericht ist insoweit in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass angesichts der bereits laufenden Räumung aufgrund der einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Quedlinburg vom 9. Februar 2009 (a. a. O.), auf die sich die Polizeibeamten bei ihrem Einschreiten nach Angaben der Antragstellerin auf Seite 3 der Antragsschrift vom 7. März 2009 (vgl. Bl. 3 d. GA) bezogen haben, aus Sicht eines objektiven, besonnenen Amtswalters das Vorliegen einer Gefahr bejaht werden konnte und die Beigeladene ihr Eigentumsrecht bzw. ihren Herausgabeanspruch in der gebotenen Weise plausibel gemacht hat. Denn soweit der Vermieterin der Räumlichkeiten in der einstweiligen Verfügung (a. a. O.) aufgegeben wurde, es zu unterlassen, das in der einstweiligen Verfügung aufgelistete Inventar der ehemaligen Eisdiele ("...") im Haus M-Platz .. in C-Stadt auszuräumen, stützt sich die Begründung der einstweiligen Verfügung auf das von der Beigeladenen glaubhaft gemachte Eigentum an dem Inventar und die konkrete Gefahr, dass die Durchsetzung eines Herausgabeanspruches der Beigeladenen durch beabsichtigte Räumungsmaßnahmen der Vermieterin erheblich erschwert werde.

Die Beschwerde wendet ferner ein, die Polizei und auch das Verwaltungsgericht gingen fälschlicherweise davon aus, dass die Vormieterin die Unterlassung der Beeinträchtigung ihrer "Eigentumsverhältnisse" verlange; es handele sich vielmehr bei der Beigeladenen um eine Drittfirma, die mit konstruierten Verträgen behaupte, Eigentümerin des Inventars zu sein, um dieses aus der Haftung für Mietschulden herauszuhalten.

Auch dieser Einwand rechtfertigt keine Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Das Beschlussergebnis wird hierdurch nicht in Frage gestellt. Es ist zutreffend, dass das Verwaltungsgericht in der Beschlussbegründung zu Unrecht davon ausgeht, "dass vorliegend die Vormieterin zum Schutz ihres Eigentums einen Anspruch auf Untersagung der Entfernung ihres Mobiliars aus dem Mietobjekt hat" (vgl. S. 2 d. BA). Vergleichbares kann allerdings für die einschreitenden Polizeibeamten nicht festgestellt werden. Die Antragstellerin hat ihre Behauptung insoweit nicht belegt, noch ergibt sich Entsprechendes nach Aktenlage. Aber selbst wenn die Polizei die Rolle der Beigeladenen im vorgetragenen Sinne falsch eingestuft haben sollte, ist dies unschädlich, da sie aufgrund des Gerichtsbeschlusses vom 9. Februar 2009 auf Veranlassung des Vorstandes der in diesem Beschluss genannten Antragstellerin (der Beigeladenen im hier anhängigen Verfahren) eingeschritten ist (vgl. SS d. Antragsgegners v. 18.03.2008). Aus diesem Beschluss ist das zu schützende private Recht ersichtlich, nämlich das nach Auffassung des Amtsgerichts Quedlinburg glaubhaft gemachte Eigentum an dem Inventar und das Bestehen eines Herausgabeanspruches. Ob und in welcher rechtlichen Beziehung die Beigeladene darüber hinaus zur Vermieterin der Antragstellerin steht, ist rechtlich nicht von Belang.

Schließlich rügt die Antragstellerin die Verhältnismäßigkeit der Versiegelung. Sie sei unbeteiligte Dritte und habe die Räumlichkeiten angemietet, um darin ein Café mit Ladengeschäft zu betreiben. Dazu seien Umbaumaßnahmen erforderlich, die seit März 2009 erfolgen sollten, um rechtzeitig zur Saison (Osterferien) fertig zu sein. Durch den Ausschluss entstehe ihr ein erheblicher Schaden, da sich der Rechtsstreit zwischen der Vermieterin und der Vormieterin bzw. der Beigeladenen noch über Monat hinziehen könne. Ein Abwarten könne ihr nicht zugemutet werden.

Auch mit diesem Vorbringen hat die Beschwerde keinen Erfolg. Zunächst ist die Antragstellerin im Hinblick auf die Polizeimaßnahme zum Schutze privater Rechte nicht Unbeteiligte, sondern diejenige, die durch die Durchführung der Räumung das polizeiliche Einschreiten verursacht hat. Soweit sie keinen Anteil am Rechtsstreit zwischen der Beigeladenen und der Vermieterin bzw. zwischen der Vermieterin und der Vormieterin hat, ist es allerdings ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen, dass sie in Kenntnis der Sachlage die Räumlichkeiten angemietet hat, die noch mit Gegenständen bestückt sind, die die Vormieterin eingebracht hat und über die die Antragstellerin nicht ohne Einverständnis des Berechtigten verfügen kann. Dass der Polizei am 6. März 2009 eine weniger belastende Maßnahme zur Verfügung gestanden hat, ist von der Antragstellerin weder schlüssig dargelegt noch angesichts des in der einstweiligen Verfügung des Amtsgerichts Quedlinburg vom 9. Februar 2009 (a. a. O.) angeordneten Räumungsverbotes ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen, weil die Beigeladene im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und sich dem Risiko eigener Kostenpflicht gem. § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47, 63 Abs. 3 GKG. Eine Reduzierung des Streitwertes wegen des vorläufigen Charakters des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes erscheint dem Senat wegen der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache nicht angemessen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

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