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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 3 N 145/08
Rechtsgebiete: KapVO


Vorschriften:

KapVO § 8
KapVO § 9
1. Vor dem Hintergrund eines fehlenden normativen Stellenplanes könnte eine Reduzierung des Lehrdeputates eines wissenschaftlichen Mitarbeiter infolge einer tarifvertraglichen Regelung nur dann als zulässiges kapazitätsreduzierendes Moment anerkannt werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass nicht das individuelle Dienstverhältnis eines Stellenverwalters für die Anwendung der tarifvertraglichen Reduzierung des Lehrdeputates maßgeblich ist, sondern sich diese Reduzierung abstrakt auf in einem Stellenplan aufgeführte Planstellen bezieht.

2. Sofern Bestimmungen in der Lehrverpflichtungsverordnung so auszulegen sein sollen, dass sie im Wege einer dynamischen Verweisung auf tarifvertragliche Vereinbarungen Bezug nehmen, muss sich diese Verweisung mit hinreichender Klarheit aus dem Normtext ergeben. Im Weiteren sind dynamische Verweisungen in gesetzlichen Regelungen ohnehin nur eingeschränkt zulässig. Der Verordnungsgeber darf seine Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen, soll der Bürger nicht schrankenlos einer normsetzenden Gewalt nichtstaatlicher Einrichtungen ausgesetzt werden.


Gründe:

Die Beteiligten streiten über das Vorhandensein von Studienplätzen außerhalb der festgesetzten Kapazität im ersten Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin bei der Antragsgegnerin im Wintersemester 2007/2008.

Mit der Verordnung über die Festsetzung von Zulassungszahlen für Studienplätze im Wintersemester 2007/2008 und im Sommersemester 2008 - Zulassungszahlenverordnung vom 19.Juni 2007 (ZZVO 2007/2008, GVBl. LSA S. 184) - wurde die Zulassungszahl in diesem Studiengang für das Wintersemester 2007/2008 auf 185 Studienanfänger festgesetzt. In der Folgezeit haben u. a. die im Beschwerdeverfahren verbliebenen Antragstellerinnen und Antragsteller - im Folgenden: Antragsteller - beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und geltend gemacht, im Studiengang Humanmedizin seien in dem betreffenden Semester über die festgesetzte Zahl hinaus weitere Studienplätze bei der Antragsgegnerin vorhanden.

Das Verwaltungsgericht hat in seinem (Sammel-) Beschluss vom 17. Dezember 2007 die von der Antragsgegnerin vorgenommene Kapazitätsberechnung überprüft mit dem Ergebnis, dass über die festgesetzte Kapazität von 185 Studienplätzen noch weitere sieben Studenten aufzunehmen seien, da von einer Kapazität von 192 Studienplätzen auszugehen sei.

Mit den auf vorläufige Zulassung gerichteten Beschwerdeanträgen verfolgen die Antragsteller ihr Begehren weiter. Die Beschwerden der Antragsteller zu 1. bis 11., deren Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO auf die von ihnen dargelegten Gründe beschränkt ist, haben in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Beschwerden der übrigen Antragsteller waren zurückzuweisen.

Die gerichtliche Nachprüfung in den vorliegenden Beschwerdeverfahren führt zur Feststellung von 11 weiteren Studienplätzen, die nach näherer Maßgabe des Entscheidungstenors zu vergeben sind.

Die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin ist nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch hinreichenden summarischen Prüfung fehlerhaft, soweit insgesamt eine Kapazität von weniger als 203 Studierenden für das 1. Fachsemester errechnet worden ist.

Der Senat hatte zunächst keine Veranlassung, die Nachweise für die Erfüllung der Lehrverpflichtungen für Lehrpersonen der Lehreinheiten Vorklinische Medizin, Klinisch-theoretische Medizin und Klinisch-praktische Medizin anzufordern, weil einzelne Lehrpersonen ihre Lehrverpflichtung nicht voll erfüllten und auch in der Lehre - in der Lehreinheit Vorklinische Medizin - eingesetzt werden könnten. Die Beschwerdebegründung beansprucht mit ihrer Argumentation ein anderes Modell der Kapazitätsberechnung als sie in der Kapazitätsverordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 24. Januar 1994 (nachfolgend KapVO, GVBl. LSA S. 68, zuletzt geändert durch Verordnung vom 14. Februar 2003, GVBl. LSA S. 8) geregelt ist bzw. eine Verlagerung von Stellen - aus ihrer Sicht - nicht hinreichend ausgelasteter Lehrpersonen der Lehreinheit Klinisch-theoretische Medizin in die Lehreinheit Vorklinische Medizin, welche aber auch das aus Art. 12, Art. 3 GG und dem Sozialstaatsprinzip abgeleitete Kapazitätserschöpfungsgebot nicht gebietet. Denn dieses verpflichtet nicht zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze, sondern nur zur vollen Ausschöpfung der nach der verbindlichen Kapazitätsverordnung und deren Modell zu errechnenden Studienplätze. Die von den Antragstellern angestellten Erwägungen wären auch nicht durch das Prinzip der horizontalen Substituierbarkeit gefordert, also der unwiderleglichen Vermutung, dass die Lehrleistungen von Lehrpersonen einer Lehreinheit untereinander austauschbar sind und insofern alle Lehrpersonen in die Ermittlung des Lehrangebots einer Lehreinheit einbezogen werden können (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 12.02.2007 - 13 C 1/07 - juris m. w. N.).

Soweit die Antragsgegnerin im Rahmen der Beschwerdeerwiderung die Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit als fehlerhaft ansieht, als dieses eine höhere Kapazität von sieben weiteren Studienplätzen festgestellt hatte, war diesem Einwand bereits deshalb nicht näher nachzugehen, weil die Antragsgegnerin gegen den Sammelbeschluss des Verwaltungsgerichts selbst keine Beschwerde eingelegt hat. Im Übrigen entspricht die vom Verwaltungsgericht insoweit vertretene Auffassung der Rechtsauffassung des Senats, wie sie sich aus dem Beschluss vom 23. März 2007 (3 N 199/06 u. a.) ergibt.

Mit dem Beschwerdevorbringen ist allerdings rechtlich zu erinnern, dass das Verwaltungsgericht das von ihm ermittelte Lehrangebot im Hinblick auf die Arbeitszeitreduzierung für Angestellte durch den Tarifvertrag zu § 3 des Tarifvertrages zur sozialen Absicherung für den Bereich der Landesverwaltung für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2009 - TV LSA 2004 - vom 24. November 2003 (MBl. LSA 2004 S. 189) um 6,9 SWS reduziert hat (vgl. zur Ermittlung dieses Wertes: Kapazitätsbericht vom 28. März 2007, Seite 2 und 3). Der Senat hatte in dem den Beteiligten bekannten Beschuss vom 23. März 2007 (3 N 199/06, veröffentlicht in juris) ausgeführt, dass die Verminderung des unbereinigten Lehrangebotes infolge der Verringerung des Lehrdeputates für die angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter durch den vorbenannten Tarifvertrag dann mit dem in § 8 KapVO verankerten abstrakten Stellenprinzip vereinbar ist, wenn sich die vorgenommene Verringerung auf in einem normativ geregelten Stellenplan aufgeführte Planstellen und nicht lediglich auf das individuelle Lehrdeputat eines Stellenverwalters bezieht. Der Senat hatte hinsichtlich des in dem vorbenannten Beschluss streitigen Wintersemesters 2006/2007 die von der Antragsgegnerin vorgelegte Personal- und Stellenübersicht - im Hinblick auf die Deputatreduzierung aus vorbenanntem Tarifvertrag - als einen noch ausreichenden, hinreichend validen "Stellenplanersatz" angesehen. Diese Auffassung lässt sich für das nunmehr streitige Wintersemester 2007/2008 nicht mehr aufrechterhalten. Der Senat teilt insofern zunächst die Auffassung des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss, dass sich die Ermittlung der Aufnahmekapazität durch die Antragsgegnerin und die Wissenschaftsverwaltung nicht mehr hinreichend an der Erfassung des Lehrangebots nach Stellengruppen und nach den hierauf entfallenden Regellehrverpflichtungen orientiert hat (sog. Stellen- oder Sollprinzip, vgl. BVerwG, Urt. v. 20.04.1990 - 7 C 74.87 - Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr. 48).

Nach § 8 KapVO, der für die Ermittlung der Aufnahmekapazität maßgeblich ist, werden die Lehrpersonen, die zur Wahrnehmung von Aufgaben in der Lehre an die Hochschule abgeordnet sind, in die Berechnung einbezogen, während Stellen, die im Berechnungszeitraum aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht besetzt werden können, außer Betracht bleiben. Das darin zum Ausdruck kommende sog. abstrakte Stellen- oder Sollprinzip, dem im Kapazitätsrecht als Instrument einer generalisierenden, nicht engpassbezogenen Kapazitätserfassung zentrale Bedeutung zukommt, besagt, dass bei der Ermittlung des Lehrangebots gerade nicht von der tatsächlichen Anzahl der Lehrpersonen und ihren jeweiligen individuellen Lehrverpflichtungen auszugehen ist, sondern von der Zahl der der Lehreinheit zugewiesenen Stellen und den auf diese Stellen entfallenden Regellehrverpflichtungen. Das Stellenprinzip beruht dabei auf der Vorstellung des Normgebers, dass die personelle Aufnahmekapazität einer Lehreinheit weniger durch die tatsächlich erbrachten oder zu erbringenden Lehrleistungen der Lehrpersonen als durch die Zahl der ihr zugewiesenen Stellen des Lehrpersonals bestimmt wird. Die Stellen werden der Lehreinheit gerade zu dem Zweck zugewiesen, dass eine dem jeweiligen Stellenbestand entsprechende Aufnahmekapazität der Lehreinheit entsteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.09.1990 - 7 C 51.87 -, DVBl. 1990, 940, OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 03.08.2006 - 5 NC 72.06 -, juris).

Da sich ein (absoluter) Numerus clausus, wie er für den Studiengang Humanmedizin in der Bundesrepublik Deutschland praktiziert wird, an der Grenze des verfassungsrechtlich Hinnehmbaren bewegt (vgl. hierzu: BVerfG, Urt. v. 18.07.1992 -1 BvL 32/70 u. 25/71-, BVerfGE 33, 303 (333)), ist es auch im Interesse der gebotenen Nachprüfbarkeit der von der jeweiligen Hochschule angestellten Kapazitätsberechnungen (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 08.02.1984 - 1 BvR 580/83 u. a. -, BVerfGE 66, 155 (179)) erforderlich, zur Ermittlung des Lehrangebots die im Rahmen des Lehrangebots verfügbaren Stellen normativ festzulegen. Es wäre anderenfalls den in Streitverfahren bezüglich einer Zulassung außerhalb der festgesetzten Kapazität angerufenen Verwaltungsgerichten nicht möglich, das von den Hochschulen vorgelegte Datenmaterial daraufhin zu überprüfen, ob es sich bei den Zahlen um die für die Hochschule verbindliche Festlegung der verfügbaren Stellen des Studiengangs oder nur unverbindliches Zahlenmaterial handelt, das im Verwaltungsprozess lediglich dazu dienen soll, die zuvor ohne eine verbindliche Festlegung des Lehrangebots festgesetzte Studienplatzzahl aus Sicht der Hochschule plausibel darzustellen. Grundsätzlich hat die Wissenschaftsverwaltung bei der Zuordnung und Verteilung von Stellen auf die Fachbereiche und ihre Untergliederungen (Zentren, Betriebseinheiten, Abteilungen, Institute) ein durch strukturplanerische und haushaltsbezogene Wertungen und Abwägungen bestimmtes Ermessen, das nur beschränkt gerichtlich überprüfbar ist. Eine sachgemäße Ausübung dieses Ermessens setzt dabei voraus, dass z.B. bei Stellenverlagerungen Kapazitätsminderungen soweit wie möglich vermieden werden und vermeidbare Kapazitätsverluste jedenfalls nachprüfbar begründet werden. Dazu muss dargelegt werden, dass etwa die Verringerung der Stellenausstattung einer Lehreinheit auf einer sorgfältigen Planung und einer Abwägung der Forschungs- und Lehraufgaben der Hochschule mit den Ausbildungsansprüchen der Studienbewerber beruht (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 05.04.1989 - M a 72 G 6959/87 - juris m. w. N). Eine den Anforderungen an eine rechtmäßige Kapazitätsermittlung genügende Stellenübersicht setzt hierbei insbesondere voraus, dass die Stellenübersicht so angelegt ist, dass sie die in den einzelnen selbständigen Lehreinheiten wie der hier interessierenden Lehreinheit Vorklinische Medizin zur Verfügung stehenden Stellen eindeutig und damit im verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreit nachprüfbar festlegt (vgl. hierzu: OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.11.2005 - 2 NB 1304/04 - NVwZ-RR 2006, 28). Dies ist vorliegend jedoch nicht geschehen.

Die Ermittlung der jährlichen Aufnahmekapazität, wie sie in Art. 7 Abs. 3 des Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen bzw. § 8 KapVO geregelt ist, orientiert sich dabei an der hergebrachten Form der Stellenbewirtschaftung. Die Zahl der verfügbaren Stellen in einer Lehreinheit war bislang ohne weiteres aus den spezifizierten Stellenplänen ersichtlich, welche den jeweiligen Haushaltsplänen beigefügt waren. Insoweit bildete dieser Stellenplan regelmäßig eine hinreichend verlässliche Grundlage auch für die gerichtliche Prüfung des an einer Lehreinheit verfügbaren Lehrangebots, da die Zahl der im Stellenplan bei den Instituten der Lehreinheit Vorklinische Medizin aufgeführten Stellen - vorbehaltlich der näheren Bestimmungen in § 8 KapVO - die Zahl der verfügbaren Stellen tatsächlich widerspiegelt. Nachdem den Hochschulen in Sachsen-Anhalt insbesondere durch § 114 des Hochschulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. Mai 2004 (HSG LSA, GVBl. LSA S. 256) entsprechend dem neuen Steuerungsmodell nach § 57 HSG LSA nunmehr weitgehende Gestaltungs- und Verfügungsmöglichkeiten auch im Finanzwesen eingeräumt worden sind und die Hochschulen hierbei insbesondere das Recht verliehen erhalten haben, in eigener Verantwortung einen Wirtschaftsplan aufzustellen und damit auch eigenständig Stellen zu bewirtschaften, hat die "traditionelle" Methode der Planstellenbewirtschaftung an den Hochschulen im Land Sachsen-Anhalt ihre Bedeutung weitgehend verloren. Die Befugnis zur selbständigen Stellenbewirtschaftung entbindet die Antragsgegnerin aber nicht von den für sie als staatliche Hochschule bestehenden Verpflichtungen, die sich aus dem Verfassungsrecht ergeben. Weder in der Kapazitätsverordnung noch im Hochschulzulassungsgesetz vom 12. Mai 1993 (GVBl. LSA S. 244), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Mai 2007 (GVBl. LSA S. 160), finden sich Anhaltspunkte dafür, dass die Regelungen des Hochschulzulassungsgesetzes bzw. der Kapazitätsverordnung mit Inkrafttreten des Hochschulmedizingesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. August 2005 (HMG LSA, GVBl. LSA S. 508) jedenfalls bezogen auf die Medizinischen Fakultäten keine Anwendung mehr finden sollen bzw. bei der Auslegung des § 8 KapVO eine "budgetorientierte" Betrachtungsweise angestellt werden muss, mithin die Medizinischen Fakultäten ihre Kapazitäten außerhalb des für die anderen staatliche Hochschulen geltenden Kapazitätsrechts ermitteln könnten.

Sowohl die Ausführungen im Kapazitätsbericht der Antragsgegnerin vom 28. März 2007, dem bei den Kapazitätsunterlagen befindlichen Schreiben des Kultusministeriums vom 15. Juni 2007, den Ausführungen des Kultusministers des Landes Sachsen-Anhalt vor dem Landtag bei der Beratung zum Antrag der Fraktion der FDP (Missbilligung der Haushaltsaufstellung des Kultusministers, LT-Drucksache 5/1004) in der Sitzung vom 13. Dezember 2007 (Plenarprotokoll 5/31, Seite 2042 f., veröffentlicht unter www.landtag.sachsen-anhalt.de) und den Erklärungen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren lassen darauf schließen, dass eine der zwischen der Antragsgegnerin und dem Kultusministerium geschlossene Zielvereinbarung vom 8. März 2006 und der verfügbaren Finanzausstattung der Antragsgegnerin entsprechende Festsetzung der Aufnahmekapazität mit den Regelungen der Kapazitätsverordnung lediglich argumentativ unterlegt worden ist, ohne dass eine ausreichend am Stellenprinzip orientierte Ableitung des Lehrangebotes aus einem normativ geregelten Stellenplan erfolgt ist.

Der Senat teilt dabei weiter die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass sich bereits aus dem Kapazitätsbericht vom 28. März 2007 nicht ergibt, dass sich die Kapazitätsermittlung noch hinreichend am abstrakten Stellenprinzip orientiert. So heißt es dort u. a.: "Aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen Universitätsklinikum und Fakultät sind aber nur soviel Ärzte und Wissenschaftler stellenmäßig der Fakultät zugeordnet, wie es unter Beachtung des CNW notwendig ist. Alle anderen Ärzte werden ausschließlich für die Krankenversorgung eingesetzt." Aus den Ausführungen lässt sich - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - der Schluss ziehen, dass zunächst abstrakt ein bestimmter von der Fakultät zu leistender Ausbildungsaufwand ermittelt worden ist, zu dessen Bewältigung der Medizinischen Fakultät dann eine bestimmte Anzahl von Lehrpersonen zugeordnet worden ist. Eine solche Betrachtungsweise, welche zwar durchaus im Einklang mit der budgetorientierten Betrachtungsweise des Hochschulmedizingesetzes steht, stellt in der Tat eine unzulässige Umkehrung der Prinzipien der Kapazitätsermittlung nach der Kapazitätsverordnung dar, wobei offen bleiben kann, inwieweit durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem Universitätsklinikum (Anstalt öffentlichen Rechts) und der Medizinischen Fakultät der Antragsgegnerin die Ermittlung der Aufnahmekapazität überhaupt in zulässiger Weise beeinflusst werden könnte. Auch das an die Antragsgegnerin gerichtete Schreiben des Kultusministeriums vom 15. Juni 2007 enthält keinen Hinweis auf einen normativ bestimmten Stellenplan. Es wird dort lediglich ausgeführt, dass im Haushaltsplan für den Doppelhaushalt 2008/2009 eine verbindliche Erläuterung in das Vorwort zum Kapitel 608 aufgenommen wird, dass die Zuschüsse zur sog. Grundausstattung aus dem Landeshaushalt so zu bemessen sind, dass eine Ausbildungskapazität von bis zu 185 Studienanfängern in der Humanmedizin erreicht wird und Überhangpersonal in der Titelgruppe 96 ausgewiesen wird. Auch diese Ausführungen sprechen dafür, dass ein budgetrechtlicher Ansatz anstelle des gebotenen Ansatzes nach Maßgabe der KapVO gewählt worden ist.

Auch die Ausführungen des Kultusministers in den Beratungen zum Antrag der FDP (Missbilligung der Haushaltsaufstellung des Kultusministers, LT-Drucksache 5/1004) in der Sitzung vom 13. Dezember 2007 stützen die Annahme, dass die hier streitige Kapazitätsermittlung sich nicht ausreichend an der Kapazitätsverordnung orientiert hat. Im Rahmen dieser Beratungen, welche auch die Beschlüsse des Senats vom 23. März 2007 (3 N 199/06 bezüglich der Antragsgegnerin) und vom 4. Mai 2007 (3 N 56/07 u.a. bezüglich des Studiengangs Humanmedizin an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) zum Gegenstand hatten, wurde seitens des Kultusministers Prof. Dr. O ausgeführt:

"Die Haushaltsansätze für die medizinischen Fakultäten im Doppelhaushalt 2008/2009 sind direkt aus den Zielvereinbarungen übernommen und berücksichtigen zusätzlich, also jenseits der Zielvereinbarungen, die Tarifsteigerungen aufgrund der mit ver.di und mit dem Marburger Bund abgeschlossenen Tarifverträge. Ihrer Höhe nach sind sie ausdrücklich so bemessen, dass zum Beispiel in Halle eine Ausbildungskapazität von 185 Studienanfängern in der Humanmedizin und 40 Studienanfängern in der Zahnmedizin erreicht wird. Damit wird vonseiten der Landesregierung deutlich gemacht, und zwar mit einem dem Kostennormwertverfahren analogen Ansatz (Hervorhebung durch den Senat), dass der wesentliche Auftrag, die Studienanfängerzahlen auch finanziell abzusichern, keineswegs missachtet wird."

Weiter heißt es dort:

"Herr K (FDP):

Sehr geehrter Herr Minister, Ihnen ist bekannt, dass die Studienanfängerzahlen in Halle über denen in der Zielvereinbarung liegen. Wie werden diese zusätzlichen Studienanfänger finanziert? Herr Prof. Dr. O, Kultusminister:

Verehrter Herr Kollege K, das ist tatsächlich der Fall, merkwürdigerweise nur in Halle. Das hängt aber überhaupt nicht mit dem Kostennormwertverfahren zusammen. Von den Gerichten werden vielmehr alte Ausstattungsbedingungen, die noch aus früheren Planungsperioden stammen, geltend gemacht, weshalb eine höhere Kapazität in dem System steckte, als mit diesen 185 Studienanfängern rechnerisch angesetzt wird. Wenn Sie außerdem die Zahl der Studienanfänger mit der Zahl der Absolventen vergleichen, dann werden Sie sehen, dass sich die im günstigsten Fall wieder auf der Höhe der Zahl der Anfänger, die eigentlich geplant ist, einpegelt, teilweise sogar knapp darunter liegt, sodass in der Gesamtbilanz - die muss ich in einem budgetierten Unternehmen angucken - solche dramatischen Mehrkosten, wie Sie sie vermuten, jedenfalls aus dieser Situation nicht erwachsen können."

Auf eine entsprechende Anfrage des Senates hat die Antragsgegnerin (Schriftsatz vom 27. Februar 2008 im Verfahren 3 N 128/08) ausdrücklich erklärt, dass es bei der Medizinischen Fakultät der Antragsgegnerin für Beamte und Angestellte keinen Stellenplan (mehr) gibt. Die vorgelegte Stellen- und Personalübersicht habe zwar keinen normativen Charakter mehr, beruhe aber "de facto" auf einer Fortschreibung des ehemaligen Stellenplans der Medizinischen Fakultät. Aus diesem Grunde könne diese Übersicht auch der Kapazitätsberechnung zugrunde gelegt werden.

Es ist zunächst festzuhalten, dass diese Personalübersicht im Ansatz vom Verwaltungsgericht und auch vom Senat - mangels eines ausreichenden normativen Stellenplanes und einer anderweitigen tragfähigen Alternative - als (bloße) Rechenbasis herangezogen worden ist bzw. zugrunde gelegt wird. Der Senat erkennt die Reduzierung des unbereinigten Lehrangebotes infolge der tarifvertraglichen Regelungen nicht mehr an, da durch die Antragsgegnerin nicht hinreichend nachgewiesen worden ist, dass diese Reduzierung noch in vollem Umfang im Einklang mit dem abstrakten Stellenprinzip und der damit verbundenen Ermittlung des unbereinigten Lehrangebotes durch die Multiplikation von Lehrverpflichtungen je Stellengruppe im Sinne von § 9 KapVO steht. Auch der Hinweis der Antragsgegnerin auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 3. März 2006 (3 FM 2887/05.W, juris) vermag an dem vorbenannten Ergebnis nichts zu ändern, da der hier vorliegende Sachverhalt nicht mit dem dort entschiedenen vergleichbar ist. Das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte nämlich zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass es die von der Universität vorgelegte Personalübersicht als ausreichenden Stellenplanersatz ansehe, weil seit dem Wegfall eines verbindlichen normativen Stellenplanes sich das Lehrangebot in den Vorklinischen Lehreinheiten (deutlich) erhöht hatte, so dass ein von der Hochschule in besonderem Maße zu begründender Kapazitätsabbau nicht eingetreten war. Im Gegensatz zu dem vom Verwaltungsgericht Frankfurt entschiedenen Fall ist bei der Antragsgegnerin - wie auch von ihr eingeräumt wird - eine Verringerung des - bereinigten - Lehrangebotes eingetreten.

Es ist der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang zwar zuzugeben, dass es aufgrund der Neuregelung der Finanzierung der medizinischen Fakultäten im Land Sachsen-Anhalt in § 1 Abs. 6 des Hochschulmedizingesetzes des Landes Sachsen-Anhalt vom 12. August 2005 (HMG LSA, GVBl. LSA S. 508) aus Sicht der Antragsgegnerin zu unbilligen Ergebnissen bei der Anwendung dieser hergebrachten Methode der Kapazitätsermittlung kommen kann. Entsprechend der am 8. März 2006 aufgrund von § 1 Abs. 5 HMG LSA geschlossenen Zielvereinbarung stellt das Land der Medizinischen Fakultät der Antragsgegnerin zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre für die Haushaltsjahre ab dem Jahr 2006 im Kapitel 608 des Haushaltsplanes nämlich nur noch Zuschüsse zur Grund- und Ergänzungsausstattung zur Verfügung. Aus den Mitteln für die Grundausstattung Forschung und Lehre sind die kapazitätsrelevanten Personal-, Betriebs- und Investitionskosten zu finanzieren. Aus den Zuschüssen für die Ergänzungsausstattung sind die nicht kapazitätsrelevanten Kosten zu finanzieren, wobei die Zuschüsse für die Ergänzungsausstattung ab dem Jahr 2005 zwischen den beiden medizinischen Fakultäten in Magdeburg und Halle durch eine interfakultäre leistungsorientierte Mittelvergabe (LOM) zugewiesen werden. Der Gesetzgeber hat zwar die Problematik gesehen, dass durch die Umstellung der Finanzierung der Medizinischen Fakultäten auf eine an Kostennormwerten orientierte (bloße) Zuschussgewährung die bisherige Methodik der Kapazitätsermittlung nach der Kapazitätsverordnung den Interessen der Hochschulen unter Umständen nicht mehr im vollem Umfang gerecht wird, da die Kapazitätsberechnung nach der Kapazitätsverordnung an die (vorhandene) Personalausstattung nach Maßgabe eines Stellenplanes anknüpft und die Finanzierung dieser Stellen grundsätzlich unberücksichtigt lässt (vgl. Reich, Kommentar zum Hochschulmedizingesetz Sachsen-Anhalt, § 1 Rdnr. 13). Der Gesetzgeber bzw. Verordnungsgeber im Land Sachsen-Anhalt hat jedoch auf diese veränderte Lage bei den Medizinischen Fakultäten im Hinblick auf das Kapazitätsrecht zunächst nicht reagiert. Zwar enthielt der vormals geltende Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen in Art. 7 Abs. 4 die Ermächtigung, die jährliche Aufnahmekapazität nach einem Lehrbudget und einem Kostennormwert (anstelle des bisher anzuwendenden Curricularnormwertes) zu berechnen. Mit dem Inkrafttreten des neuen Staatsvertrages über die Vergabe von Studienplätzen vom 22. Juni 2006 am 1. Januar 2008 ist diese Möglichkeit zur Anwendung des Kostennormwertes für die medizinischen Studiengänge entfallen, da es für eine Fortführung dieser Option keine Mehrheit unter den Ländern gegeben hat (vgl. hierzu Redebeitrag von Kultusminister Prof. Dr. O, Landtag des Landes Sachsen-Anhalt, Plenarprotokoll 5/14 vom 25. Januar 2007, Seite 868). Für die Antragsgegnerin gilt daher weiterhin uneingeschränkt das in § 8 KapVO niedergelegte Stellenprinzip für die Kapazitätsermittlung (vgl. zur insoweit vergleichbaren Situation in Niedersachsen: OVG Lüneburg, Beschl. v. 10.07.2006 - 2 NB 12/06 - juris m. w. N.).

Gerade vor dem Hintergrund eines fehlenden normativen Stellenplanes könnte die hier in Frage stehende Reduzierung des Lehrdeputates der wissenschaftlichen Mitarbeiter infolge einer tarifvertraglichen Regelung nur dann weiter als zulässiges kapazitätsreduzierendes Moment anerkannt werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass nicht das individuelle Dienstverhältnis eines Stellenverwalters für die Anwendung der tarifvertraglichen Reduzierung des Lehrdeputates maßgeblich ist, sondern sich diese Reduzierung abstrakt auf in einem Stellenplan aufgeführte Planstellen bezieht.

Es ist zunächst festzuhalten, dass die Bestimmung der Lehrdeputate in § 4 LVVO eine Doppelfunktion insofern erfüllt, als einmal die individuelle Lehrverpflichtung der Lehrpersonen generell bestimmt wird und zum anderen das für die Kapazitätsfestsetzung maßgebliche Lehrdeputat von Lehrpersonen, welche in einer Stellengruppe zusammengefasst sind, normiert wird (§ 9 Abs. 1 KapVO). Reduzierungen des Lehrdeputates, welche nicht in der Lehrverpflichtungsverordnung geregelt sind, können nicht berücksichtigt werden (§ 9 Abs. 2 KapVO). Insoweit bleiben individuelle Vereinbarungen, wie z. B. eine Altersteilzeitregelung hinsichtlich des Stellenverwalters (vgl. VG Berlin, Beschl. v. 10.07.2007 - 12 A 49.07 - juris), bei der Kapazitätsfestsetzung außer Betracht. Der Senat hatte die vormals geltende Regelung des § 1 Abs. 4 LVVO in der Fassung vom 1. Februar 1992 (GVBl. LSA S. 96) in den Vorjahren (vgl. Beschl. d. Senates v. 02.02.2005 - 3 N 27/05 u. a. -) als eine Vorschrift verstanden, welche als dynamische Verweisung auf tarifvertragliche Bestimmungen auszulegen ist und daher nicht nur für die Höhe der individuellen Lehrverpflichtung maßgebend ist, sondern auch auf das abstrakt anzusetzende Lehrdeputat einer Lehrperson einer Stellengruppe im Sinne von § 9 Abs. 1 KapVO einwirkt. Vor dem Hintergrund des oben dargestellten ersatzlosen Wegfalls eines normativen Stellenplans ist diese Auffassung nicht mehr aufrecht zu erhalten. Hierbei ist zunächst festzustellen, dass sich aus der von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren eingeholten Stellungnahme des Verordnungsgebers jedenfalls nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit ergibt, dass der nunmehr seit dem 1. Oktober 2007 maßgebliche § 4 Abs. 5 LVVO (in der Fassung der Verordnung vom 06.04.2006, GVBl. LSA S. 232) in Verbindung mit den Bestimmungen des Tarifvertrages nicht nur für die Bemessung der individuellen Lehrverpflichtung maßgeblich ist, sondern auch im Rahmen der Kapazitätsfestsetzung eine dem Tarifvertrag entsprechende Deputatsermäßigung legitimieren kann. So heißt es in der Stellungnahme des Kultusministeriums vom 25. Februar 2008: "Sie (gemeint sind die Beschäftigten der Hochschulen, Anm. d. Senats) erfahren die Absenkung des Umfangs ihrer Lehrverpflichtung demnach nicht aufgrund von Festlegungen in der LVVO, sondern allein deshalb, weil wie vorliegend durch den TV (Tarifvertrag, Anmerkung des Senats) landesweit eine Kürzung der Arbeitszeit mit einschlägigem Lohnverzicht gegen entsprechenden Kündigungsschutz erfolgt ist. Dies hat natürlich dann auch auf den Umfang der von den Einzelnen zu erbringenden Lehrverpflichtung durchgeschlagen, so dass die Hochschulen das so eingetretene Fehl in der Lehre durch die Vergabe von Lehraufträgen zumindest ausgeglichen haben." Wenn man eine Parallelität der individuell zu erfüllenden Lehrverpflichtung mit der Höhe des abstrakt festzusetzenden Lehrdeputates im Sinne von § 9 Abs. 1 KapVO zugrunde legt, kann ein "Fehl" im Bereich der Lehre rechnerisch jedoch nicht eintreten. Im Weiteren sind dynamische Verweisungen in gesetzlichen Regelungen ohnehin nur eingeschränkt zulässig (vgl. zuletzt BVerfG, Urt. v. 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05 - u. a., DVBl. 2008, 575 "Kennzeichenerfassung"). Der Gesetzgeber darf seine Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen, soll der Bürger nicht schrankenlos einer normsetzenden Gewalt nichtstaatlicher Einrichtungen ausgeliefert werden. Auch eine Verweisung von staatlichen Gesetzen auf tarifvertragliche Regelungen darf nicht dazu führen, dass der normbetroffene Bürger - hier die Studienbewerber - schrankenlos der normsetzenden Gewalt der Tarifvertragsparteien ausgeliefert wird, die ihm gegenüber weder staatlich-demokratisch noch mitgliedschaftlich legitimiert sind. Das widerspräche sowohl dem Rechtsstaatsprinzip, wonach Einschränkungen der Freiheit des Bürgers, soweit sie überhaupt zulässig sind, nur durch oder aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen dürfen, als auch dem Demokratieprinzip, wonach die Ordnung eines nach dem Grundgesetz staatlicher Regelung offen stehenden Lebensbereichs durch Sätze des objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muss (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.06.1983 - 2 BvR 488/80 - BVerfGE 64, 208 f.). Im vorliegenden Fall begegnet die Zulässigkeit einer dynamischen Verweisung in § 4 Abs. 5 LVVO auf die hier streitige tarifvertragliche Regelung im Hinblick auf die abstrakt zu bestimmenden Lehrdeputate Bedenken, weil die Interessen der (zukünftigen) Studienanfänger offenkundig nicht in die Tarifvertragsverhandlungen einbezogen waren und zum anderen erst durch den Tarifvertrag die Struktur der Stellengruppen nach § 4 LVVO eine inhaltliche Änderung erfahren hat, als nicht sämtliche angestellten wissenschaftliche Mitarbeiter bei der Antragsgegnerin von der tarifvertraglichen Absenkung der Wochenarbeitszeit betroffen sind, sondern nur die Beschäftigten in den in der Anlage 1 Ziffer 2 aufgeführten Instituten, wobei es sich überwiegend um die kapazitätsrechtlich relevanten Institute der Vorklinischen Lehreinheit handelt. Der Senat lässt es vorliegend offen, ob insofern durch eine Interpretation des § 4 Abs. 5 LVVO als eine dynamische Verweisungsnorm in zulässiger Weise Rechtsetzung außerhalb des Einflussbereichs des legitimierten Rechtsetzungsorgans (hier: der für die Hochschulen zuständigen Wissenschaftsverwaltung) überhaupt stattfinden kann. Jedenfalls soweit in § 4 LVVO nicht nur die individuelle Lehrverpflichtung von Lehrpersonen, sondern auch das Lehrdeputat der Angehörigen einer bestimmten Stellengruppe im Sinne von § 9 Abs. 1 KapVO festgelegt worden ist, lässt sich nicht (mehr) in einer mit dem Gebot der Normenklarheit zu vereinbarenden Betrachtungsweise eindeutig feststellen, dass die vorbenannten tarifvertraglichen Regelungen Einfluss auf die Regellehrverpflichtung der Stelle einer Stellengruppe haben.

Soweit sich einige Antragsteller gegen den festgesetzten Curricularanteil sowie gegen die Aufteilungsberechnung hinsichtlich einzelner vorklinischer Lehrveranstaltungen wenden, verweist der Senat insoweit auf seine Ausführungen in dem dem Prozessbevollmächtigten dieser Antragsteller bekannten Beschluss vom 26. Februar 2007 (3 N 187/06), in welchem sich der Senat gerade mit der besonderen Situation der Medizinischen Fakultät der Antragsgegnerin auseinander gesetzt hatte. Die Antragsteller, deren Beschwerdebegründungen insoweit nahezu wortgleich mit den entsprechenden Ausführungen des Vorjahres sind, setzen sich in der Beschwerdebegründung erneut nicht mit den spezifischen Gegebenheiten der Antragsgegnerin auseinander. Im Übrigen sind die Ausführungen dieser Antragsteller auch nicht in vollem Umfang nachvollziehbar, da in der Beschwerdebegründung durchgehend von einer festgesetzten Studienanfänger von 184 (anstelle der tatsächlich festgesetzten Zahl von 185) ausgegangen wird.

Mit den Antragstellern ist allerdings die Schwundquote zu beanstanden, da sich die Semesterübergangsquote q2 insoweit nicht hinreichend am für die Ermittlung üblicherweise verwandten "Hamburger Modell" orientiert hat (vgl. hierzu im Einzelnen: Seeliger, Leitfaden zur Anwendung der Kapazitätsverordnung, Stand Juli 2005, veröffentlicht im Internet unter: www.verwaltung.uni-hamburg.de/pr/1/11/leitf_kapvo.pdf).

Das allseits anerkannte und in der Praxis verbreitete "Hamburger Modell" hat sich als methodisch zutreffend und rechnerisch korrekt erwiesen. Demnach wird ein Schwundausgleichsfaktor empirisch pro Studiengang ermittelt, indem aus den Bestandszahlen in den einzelnen Fachsemestern durchschnittliche Übergangsquoten vom 1. zum 2. Fachsemester, vom 2. zum 3. Fachsemester, ... usw. errechnet und multiplikativ verknüpft werden. Die einzelnen Schritte dieser Berechnung sind wie folgt:

Für jedes Fachsemester wird zunächst die semesterliche Erfolgsquote (auch Übergangsquote genannt) errechnet. Für jedes Fachsemester wird dann die totale Erfolgsquote berechnet, indem die semesterliche Quote mit den Quoten aller vorangegangenen Fachsemester multipliziert wird. Die Summe aller absoluten Erfolgsquoten ergibt dann die "Schwundstudienzeit". Die Relation zwischen Schwund- und Regelstudienzeit ergibt nachfolgend den Schwundfaktor. Die Anwendung des "Hamburger Modells" beruht daher auf der Verknüpfung von Übergangsquoten, wobei die fehlerhafte Berechnung im vorliegenden Fall bereits deshalb auffallend ist, weil sich die Studentenzahl in den Semesterkohorten kontinuierlich verringert hat, gleichwohl der Wert q2 größer als 1 ist, obwohl dies bei der Anwendung des "Hamburger Modells" rechnerisch nur dann auftreten kann, wenn die Studentenzahl in den Kohorten ansteigt. Die Antragsgegnerin hat bei ihrer Berechnung nicht hinreichend berücksichtigt, dass bei der Ermittlung der Übergangsquoten vom 2. zum 3. Fachsemester die Studierendenzahl im Sommersemester 2006 (2. Fachsemester) bzw. Wintersemester 2003/2004 (1. Fachsemester) kein nachfolgendes bzw. vorgehendes "Übergangssemester" hat. Insoweit war bei q2 - wie von den Antragstellern nachvollziehbar dargelegt - ein Wert von 0,9949 (aufgerundet) einzusetzen, was dann im Ergebnis zu einem Schwundfaktor von 0,9752 führt.

Die von einigen Antragstellern gegen die Höhe des Dienstleistungsbedarfs angestellten Bedenken sind hingegen nicht durchgreifend. Die Antragsgegnerin hat insofern hinreichend durch die Vorlage von Studienplänen dargelegt, dass der Lehrexport in Höhe von 1,224 SWS für die Studiengänge Neurobiologie und Neurowissenschaften zutreffend ermittelt worden ist. Im Übrigen geht die Beschwerdebegründung auch nicht näher auf den Umstand ein, dass für die Aufnahme des Studiums in diesen Studiengängen eine abgeschlossene Diplom-Vorprüfung bzw. die erfolgreiche Ärztliche Vorprüfung erforderlich ist.

Soweit sich einige Antragsteller gegen die vom Verwaltungsgericht getroffene Kostenentscheidung auf die Stellungnahmen des Deutschen Anwaltvereins und der Bundesrechtsanwaltkammer jeweils vom November 2007 im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 1464/07 berufen, folgt der Senat den in dieser Stellungnahme vertretenen Rechtsauffassungen zur Inhaltsbestimmung der Rechtsschutzbegehren mit sog. "Losanträgen" und der daraus folgenden Anwendung des § 154 Abs. 1 VwGO nicht. Diese Auffassungen berücksichtigen nicht hinreichend, dass auch diese Rechtsuchenden ebenso wie die Antragsteller der vorliegenden Verfahren zur Sicherung ihres Rechts auf Zugang zum Studium in einem Numerus-Clausus-Fach eine Regelung (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO) begehren, welche sich nicht in der Teilnahme an einem Vergabeverfahren (Losverfahren) erschöpft, sondern zugleich auch die sofortige Aufnahme des Studiums ermöglichen soll.

Der Senat lässt abschließend offen, ob auch zukünftig eine von der Antragsgegnerin vorgelegte, nicht rechtsverbindliche Personalübersicht noch als Grundlage der gerichtlichen Kapazitätsermittlung dienen kann oder ob entsprechend der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (vgl. Beschl. v. 24.09.2007 - 2 NB 1048/06 - juris) in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Anzahl der vorläufig zuzulassenden Studienanfänger vielmehr anhand einer um einen "Sicherheitszuschlag" erhöhten Zahl der in der Zulassungszahlenverordnung festgesetzten Zahl von Studienanfängern zu bemessen ist. Ein solcher Zuschlag soll dabei auch verhindern, dass sich die Universität der Vorlage einer ordnungsgemäßen, die Überprüfung der Kapazitätsberechnung ermöglichenden Normierung ihrer Stellen entzieht. In erster Linie soll dieser aber Unsicherheiten bei der Kapazitätsauslastung eines Studienganges in einen verhältnismäßigen Ausgleich bringen. Der Senat lässt es dabei auch offen, ob auch in Sachsen-Anhalt ein Wert von 15 % für diesen Sicherheitszuschlag anzusetzen wäre.

Auf der Grundlage des insgesamt um 14,6 SWS (7,7 SWS wie vom Verwaltungsgericht berechnet und 6,9 SWS) erhöhten bereinigten Lehrdeputats in Höhe von 191,98 errechnet sich hiernach bei einem Curriculareigenanteil von 1,9397 eine jährliche Aufnahmekapazität der Lehreinheit von (191,98 x 2 =) 383,96: 1,9397 = 197,948 so dass sich unter Berücksichtigung des berichtigten Schwundausgleichsfaktors von 0,9752 eine Gesamtzahl von (197,948 : 0,9752 =) 202,982 aufgerundet 203 Studienplätzen ergibt. Es sind insofern bei bereits 192 immatrikulierten Studenten noch 11 weitere Studienplätze hinsichtlich des Wintersemesters 2007/2008 auf der Grundlage der bereits vorliegenden Losfolge zu vergeben. Hieraus folgt, dass die Beschwerden der Antragsteller zu 1. bis 11. Erfolg haben, da sie Rangplätze von 10. bis 57. einnehmen und damit gegenüber den weiteren Antragstellern, welche Rangplätze ab 59. belegen, an besserer Rangfolge liegen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich bei den Antragstellern zu 1. bis 11. aus § 154 Abs. 1 VwGO, bei den Antragstellern zu 12. bis 40. aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Höhe des Streitwertes für die jeweiligen Beschwerdeverfahren folgt jeweils aus den §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG. Danach ist der Auffangstreitwert anzunehmen, wenn der bisherige Sach- und Streitstand - wie hier - keine genügenden Anhaltspunkte dafür bietet, den Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Da die Antragsteller (letztlich) die Zulassung zum Studium begehren, besteht keine Veranlassung, den Auffangwert zu halbieren oder gar noch weiter zu reduzieren, weil die von den Antragstellern begehrte Entscheidung die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnimmt (vgl. schon 2. Senat des OVG LSA, Beschl v. 17.02.2004 - 2 O 823/03 -; Beschl. d. Senates vom 17.01.2005 - 3 N 53/04 und 3 N 54/04 -).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO sowie § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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