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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 03.11.2008
Aktenzeichen: 3 O 211/07
Rechtsgebiete: SGB X, WoGG, ZPO


Vorschriften:

SGB X 45 Abs. 2
SGB X 50 Abs. 2
WoGG § 4
WoGG § 18 Ziff. 4
WoGG § 26
ZPO § 114 1
1. Bei der Frage, ob eine Leistung zu Unrecht i. S. d. § 50 Abs. 2 SGB X erbracht worden ist, kommt es nicht auf die beim Erlass eines (fiktiven) Wohngeldbescheides zu beachtenden formellen Erfordernisse (z. B.: § 26 WoGG) an; entscheidend ist vielmehr die Frage nach dem Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs des Betroffenen auf Wohngeld.

2. Soweit gem. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X Vertrauen regelmäßig schutzwürdig ist, wenn der Begünstigte sein Vertrauen auch betätigt hat, ist bei zweckgebundenen Sozialleistungen - und um solche handelt es sich beim Wohngeld, welches zur Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens gewährt wird - regelmäßig davon auszugehen, dass sie in der vorgesehenen Weise für die Kosten der Unterkunft verwendet worden sind.

3. Im Zweifel hat die Behörde zu beweisen, dass der Begünstigte nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut oder in sonstiger Weise darauf vertraut hat, dass die Leistung an ihm mit Rechtsgrund erbracht worden ist.

4. Im Rahmen des § 50 Abs. 2 SGB X besteht derselbe Vertrauensschutz, wie er bei einer Leistung aufgrund eines Verwaltungsaktes besteht.


Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.

Der Klägerin ist unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts nach Maßgabe des Tenors Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg beizumessen (§§ 166 ff. VwGO, 114 Satz 1 ZPO); nach der von der Klägerin eingereichten Erklärung gem. § 117 ZPO liegen auch die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor.

Prozesskostenhilfe ist bereits dann zu gewähren, wenn nur "hinreichende" Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen (BVerfG, Beschl. v. 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 (357)), wobei aus Gründen der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten insbesondere bei den von Fachgerichten zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten keine allzu überspannten Anforderungen zu stellen sind (BVerfG, Beschl. v. 07.04.2000 - 1 BvR 81/00 -, NJW 2000, S. 1936 ff.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, Rdnr. 8 zu § 166). Da das Gericht im Prozesskostenhilfeverfahren eine Prüfung der Sach- und Rechtslage auch nur vorläufig vorzunehmen hat (Baumbach et al., Kommentar zur ZPO, § 114, Rz. 80) und die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vor zu verlagern, ist es nicht erforderlich, dass der Prozesserfolg schon gewiss ist; es genügt vielmehr bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs (BVerwG, Beschl. v. 08.03. 1999 - 6 B 121/98 -, NVwZ-RR 1999, S. 587). Schwierige Tatsachen- oder noch nicht geklärte Rechtsfragen brauchen im Prozesskostenhilfeverfahren ebenfalls keiner Klärung zugeführt zu werden (BVerfG, Beschl. v. 13.03.1990, a. a. O; BayVGH, Beschl. v. 22.06.2004 - 10 C 04.1496 -). Allerdings ist es erforderlich, dass mehr als eine nur theoretische Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Klage spricht (BVerfG, Beschl. v. 04.02.1997 - 1 BvR 381/93 -, NVwZ 1997, 2102 (2103)).

In Anlegung dieser Maßstäbe besteht - auch wenn der Prozesserfolg noch keineswegs gewiss ist - jedenfalls mehr als nur eine theoretische Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klägerin bei summarischer Prüfung mit ihrer Klage, mit der sie die Aufhebung des Erstattungsbescheides der Beklagten vom 10. Februar 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 begehrt, teilweise Erfolg haben könnte.

Der auf § 50 Abs. 2 SGB X gestützte Bescheid der Beklagten begegnet - soweit es den Zeitraum Oktober 2003 bis einschließlich Juni 2004 betrifft - bei überschlägiger Prüfung rechtlichen Bedenken. Nach der genannten Vorschrift sind Leistungen zu erstatten, soweit diese ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind. Dabei gelten die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend.

An die Klägerin ist auf ihren Antrag vom 21. Oktober 2003 ausweislich einer an sie adressierten, ihr aber nicht bekannt gegebenen Mitteilung der Beklagten über eine Zahlungsaufnahme vom 1. Juni 2004 (Bl. 19, 24 d. Sachakte) sowie einem Nachweis über entsprechende Anweisungen (Bl. 27 d. Sachakte) - für den Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis 31. Juli 2004 Wohngeld in Höhe von insgesamt 691,40 € zur Auszahlung gelangt. Ein entsprechender leistungsbegründender Bescheid ist an die Klägerin nicht ergangen. Damit sind die Leistungen ohne Verwaltungsakt erbracht worden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Erstattungsbescheides vom 10. Februar 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 24. November 2006 (Bl. 8 d. Gerichtsakte) über den von der Klägerin geltend gemachten Wohngeldanspruch bereits mit Bescheid vom 24. Juni 2004 entschieden worden war bzw. - soweit es den Widerspruch der Klägerin betrifft - zeitgleich mit Widerspruchsbescheid vom 24. November 2006 (Bl. 3 d. Gerichtsakte) entschieden wurde. Maßgeblich kommt es zum einen auf den Zeitpunkt der Auszahlung des Wohngeldes an, zum anderen wurde ihr Antrag auf Bewilligung von Wohngeld abgelehnt, so dass es auch insoweit an einer (formell) ausgesprochenen Bewilligung der erbrachten Leistungen fehlt. Unabhängig hiervon sind die mit Klage beim Verwaltungsgericht Dessau-Roßlau zum Aktenzeichen 2 A 76/07 DE angefochtenen Bescheide nicht bestandskräftig.

Soweit im Ausgangsbescheid der Beklagten vom 10. Februar 2005 (Bl. 30 d. Sachakte) ausgeführt wird, die Auszahlung des Wohngeldes sei "versehentlich" erfolgt, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Vielmehr ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass die Zahlung im Rahmen eines bestehenden, durch den Antrag der Klägerin begründeten öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnisses bewusst und zweckgerichtet im Hinblick auf einen später noch zu erlassenden (positiven) Verwaltungsakt erfolgt ist, wenngleich hierfür unzutreffende Annahmen maßgeblich gewesen sein mögen. Für einen bewussten und zweckgerichteten Zahlungsvorgang spricht jedenfalls die an die Klägerin adressierte, offenbar aber nicht bekannt gegebene Mitteilung über die Zahlungsaufnahme vom 1. Juni 2004. Aus dem genannten Grunde kann auf sich beruhen, ob ein Erstattungsanspruch überhaupt auf § 50 Abs. 2 SGB X gestützt werden könnte, sofern die Zahlung tatsächlich "versehentlich" erfolgt wäre (vgl. hierzu u. a. BSG, Urt. v. 29.10.1986 - 7 RAr 77/85 -, BSGE 61, 11 = juris).

Nach allem ist die Klägerin gem. § 50 Abs. 2 SGB X nur dann zur Erstattung des an sie zur Auszahlung gelangten Wohngeldes verpflichtet, wenn - soweit nicht zu ihren Gunsten Vertrauensschutzgesichtspunkte eingreifen - dieses zu Unrecht erfolgt ist. Dies erscheint bei summarischer Prüfung fraglich.

Die Rechtswidrigkeit der erbrachten Leistung folgt nicht bereits daraus, dass die Gewährung von Wohngeld an strenge formelle Anforderungen hinsichtlich des Erlasses eines begünstigenden Verwaltungsaktes wie z. B. in Bezug auf das Schriftformerfordernis gem. § 26 WoGG anknüpft. Bei der Frage, ob eine Leistung zu Unrecht i. S. d. § 50 Abs. 2 SGB X erbracht worden ist, kommt es nicht auf die beim Erlass eines (fiktiven) Wohngeldbescheides zu beachtenden formellen Erfordernisse an; entscheidend ist vielmehr die Frage nach dem Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs des Betroffenen auf Wohngeld. Andernfalls liefe die Vorschrift des § 50 Abs. 2 SGB X im Wohngeldrecht praktisch leer.

Hinsichtlich der Frage, ob die an die Klägerin erbrachten Leistungen im materiellen Recht eine Stütze findet, ist bei überschlägiger Prüfung von Folgendem auszugehen:

Stellt man allein auf die Person der Klägerin ab, haben bei ihr die Voraussetzungen für die Bewilligung von Wohngeld gem. § 3 des Wohngeldgesetzes - WoGG - in der maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2002 (BGBl. I S. 474) im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorgelegen. Die Klägerin muss sich darauf verweisen lassen, dass sie selbst - auch wenn von ihr kein Antrag auf die Gewährung entsprechender Leistungen gestellt worden ist - zumindest dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Berufsausbildungsbeihilfe gem. § 59 SGB III besessen hat mit der Folge, dass nach § 41 Abs. 3 Satz 1 SGB X das Wohngeldgesetz in ihrem Fall nicht zur Anwendung gelangt. Die Vorschrift des Absatz 3 a. a. O. hat insoweit zum Ziel, die verschiedenen Sozialleistungssysteme voneinander abzugrenzen und Doppelleistungen auszuschließen, soweit sie - wie bei der Finanzierung von Unterkunftskosten - einen vergleichbaren Zweck aufweisen. Dies ist bei Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz, aber auch bei solchen nach § 59 SGB III der Fall. Dabei ist es nicht erforderlich, dass Leistungen nach den genannten gesetzlichen Bestimmungen tatsächlich in Anspruch genommen werden; vielmehr reicht es aus, dass entsprechende Leistungen in Anspruch genommen werden könnten, d. h. ein Anspruch dem Grunde nach besteht. Die vom Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 14.10.1997 - 1 BvR 5/93 -) zum Verhältnis von Wohngeld und Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz angestellten Erwägungen sind insoweit auf das Verhältnis des Wohngeldes zur Berufsausbildungsförderung nach § 59 SGB III übertragbar (vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG - Stand Juni 2007 - § 41 Rdnr. 18).

Fraglich könnte allenfalls sein, ob bei der Frage nach dem Bestehen eines Wohngeldanspruchs allein auf die Klägerin oder ob nicht zugleich auch auf ihren Freund und Mitbewohner, Herrn K, abzustellen ist, der weder dem Grunde noch der Höhe nach einen Anspruch auf Ausbildungsförderung besitzt (Bl. 9 d. Sachakte).

Gem. § 41 Abs. 3 WoGG ist das Wohngeldgesetz nicht auf "Haushalte" anzuwenden, zu denen "ausschließlich" Familienmitglieder rechnen, denen Leistungen zur Förderung der Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder nach dem § 59 SGB III dem Grunde nach zustehen würden. Dabei ist davon auszugehen, dass der "Haushalt" unter den allgemeinen Voraussetzungen wohngeldberechtigt ist, wenn auch nur einem zum Haushalt gehörenden Familienmitglied solche Leistungen nicht mindestens dem Grunde nach zustehen oder im Falle eines Antrags zustehen würden (Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, a. a. O. § 41 Rdnr. 13).

Zwar handelt es sich bei ihrem Freund und Mitbewohner, Herrn K., in der gemeinsamen Wohnung in der C-Straße in B-Stadt nicht um ein Familienmitglied i. S. d. § 4 Abs. 1 WoGG. Allerdings stellt sich die Frage - der ggf. im Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen ist -, ob nicht im Hinblick auf die Regelung in § 18 Ziffer 4 WoGG eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 41 Abs. 3 WoGG in Betracht zu ziehen ist.

Gem. § 18 Ziffer 4 WoGG wird Wohngeld nicht gewährt, soweit ein Antragsberechtigter, der mit Personen, die keine Familienmitglieder im Sinne des § 4 WoGG sind, eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft führt, besser gestellt wäre als im Rahmen eines Familienhaushalts entsprechender Größe; das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft wird (zudem) vermutet, wenn der Antragsberechtigte und die Personen Wohnraum gemeinsam bewohnen. Die im letzten Halbsatz genannte Vermutungsregelung soll den Wohngeldstellen dabei die schwierige Feststellung ersparen, ob bei so genanten eheähnlichen Verhältnissen oder sonstigen Wohngemeinschaften auch eine Wirtschaftsgemeinschaft ("Wirtschaften aus einem Topf") vorliegt (vgl. auch die Begründung des als Fünftes Änderungsgesetz verabschiedeten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes, BT-Drucks. 8/3702 und 8/3903, jeweils S. 79 zu § 7 Abs. 3 WoGG). Hieran gemessen ist vorliegend - soweit ersichtlich - von einer Wohngemeinschaft auszugehen, so dass von Gesetzes wegen zugleich das Bestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft vermutet werden kann. Dies hat zugleich zur Folge, dass auch im Fall der Klägerin unter Berücksichtigung der Gesamtmiete (§ 7 WoGG) und der Einkommensverhältnisse auch des Herrn K. eine Vergleichsberechnung vorzunehmen wäre, um zu verhindern, dass sie besser gestellt wäre als im Rahmen eines Familienhaushaltes entsprechender Größe und mit vergleichbaren Einkunftsverhältnissen.

Folgt insoweit aus § 18 Ziffer 4 WoGG, dass nicht nur bei eheähnlichen Verhältnissen, sondern auch bei sonstigen Wohn- bzw. Wirtschaftsgemeinschaften - und zwar unabhängig davon, ob die Wohnpartner gesondert, sukzessive oder gleichzeitig Wohngeldanträge stellen (vgl. Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, a. a. O. § 18 Rdnr. 17 ff.) -, der Wohngeldanspruch in Anlegung der für einen Familienhaushalt geltenden Maßstäbe zum Nachteil der Wohnpartner begrenzt ist, stellt sich allerdings die Frage, ob bei der Bemessung des Wohngeldanspruchs nicht - in entsprechender Anwendung des § 41 Abs. 3 WoGG - auch jene Maßstäbe heranzuziehen sind, die sich in Bezug auf einen Familienhaushalt als rechtlich vorteilig erweisen. Dies würde bedeuten, dass es sich auch bei eheähnlichen Verhältnissen und sonstigen Wohn- bzw. Wirtschaftsgemeinschaften - ungeachtet der gebotenen Vergleichberechnung - als unschädlich erweisen würde, wenn einem Wohnpartner des gemeinsamen Haushalts Leistungen zur Förderung der Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz oder nach dem § 59 SGB III dem Grunde nach zustehen. Fraglich erscheint allerdings, ob eine solche Gleichstellung von Familienhaushalten und so genannten eheähnlichen Verhältnissen bzw. Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften im Hinblick auf Art. 3 GG und Art. 6 GG zwingend geboten ist, so dass bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht bereits von einer überwiegenden Aussicht auf Erfolg der Klage ausgegangen werden kann.

Bei überschlägiger Prüfung ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Klägerin - jedenfalls soweit es die von der Beklagten erbrachten Leistungen im Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis 31. Juni 2004 betrifft - gem. § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X auf Vertrauensschutz berufen kann.

Nach der entsprechend anwendbaren Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X ist die Rücknahme eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakts ausgeschlossen, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Verhalten unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Diese Voraussetzungen dürften - soweit ersichtlich - im vorliegenden Fall erfüllt sein.

Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass ein Vertrauensschutz der Klägerin nicht gem. §§ 50 Abs. 2, 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ausgeschlossen ist. Denn Anhaltspunkte für eine den Vertrauensschutz ausschließende Bösgläubigkeit der Klägerin bestehen nicht; auch lässt sich nach Aktenlage nicht feststellen, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit der Zahlung - soweit eine solche feststellbar wäre - kannte oder kennen musste (§§ 50 Abs. 2, 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und Nr. 3 SGB X). Die Klägerin ist vielmehr - zumal offenbar auch die Beklagte die Sach- und Rechtslage zunächst nicht zutreffend eingeschätzt hatte - in nicht vorwerfbarer oder gar grob fahrlässiger Weise davon ausgegangen, dass ihr das zur Auszahlung gelangte Wohngeld aufgrund des von ihr gestellten Wohngeldantrages zusteht und dass diese Zahlungen auch rechtens sind.

Ferner erscheint die Annahme berechtigt, dass die Klägerin - trotz des Umstandes, dass ein begünstigender Wohngeldbescheid noch nicht ergangen war - darauf vertraut hat, dass sie die Leistung behalten darf. Dabei ist eine solche Annahme regelmäßig dann begründet, wenn der Begünstigte sein Vertrauen auch betätigt hat. Zwar hat die Klägerin hierzu bislang nicht (substantiiert) vorgetragen; indes ist bei zweckgebundenen Sozialleistungen - und um solche handelt es sich beim Wohngeld, welches zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen und familiengerechten Wohnens gewährt wird - regelmäßig davon auszugehen, dass sie in der vorgesehenen Weise für die Kosten der Unterkunft verwendet worden sind. Darüber hinaus hat die Behörde im Zweifel zu beweisen, dass der Begünstigte nicht auf den Bestand des Verwaltungsaktes bzw. darauf, dass die Leistung nicht rechtsgrundlos erfolgt ist, vertraut hat (vgl. zu allem: BSG, Urt. v. 14.06.1984 - 10 RKg 5/83 - SozR 1300 § 45 Nr. 9 = Juris; Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, a. a. O. § 45 Rdnr. 20; vgl. zur Bestandserwartung auch BVerwGE 83, 198; 85, 88).

Darüber hinaus erscheint das Vertrauen der Klägerin bei summarischer Prüfung auch gem. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X schutzwürdig, jedenfalls soweit es die von der Beklagten erbrachten Leistungen im Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis 31. Juni 2004 betrifft.

Der Schutzwürdigkeit des Vertrauens steht nicht etwa schon der Umstand entgegen, dass im Zeitpunkt der Auszahlung kein (begünstigender) Wohngeldbescheid an die Klägerin ergangen bzw. - was sich der Kenntnis der Klägerin entzogen haben dürfte - noch keine endgültige Prüfung erfolgt war. Denn jedenfalls gilt im Rahmen des § 50 Abs. 2 SGB X derselbe Vertrauensschutz, wie er bei einer Leistung aufgrund eines Verwaltungsaktes besteht. Das wird durch eine entsprechende Anwendung der §§ 45 und 48 SGB X sichergestellt; ein anderer Zweck wird mit dieser Vorschrift nicht verfolgt (BSG, Urt. v. 29.10.1986 - 7 RAr 77/85 -, BSGE 61, 11 ff. = juris; s. auch BSGE 55, 250 (251 f.) = SozR 1300 § 50 Nr. 3 = juris; BSGE 75, 291 = SozR 1300 § 50 Nr. 17 = juris). Im Übrigen kann auch bei einem Verwaltungsakt das Vertrauen schutzwürdig sein, wenn dieser mit einem Widerrufsvorbehalt oder mit einem Hinweis auf sonstige Möglichkeiten einer Aufhebung, Ersetzung oder Änderung (z. B. bei vorläufigen Verwaltungsakten) versehen ist (vgl. OVG NRW, Urt. v. 15.08.1980 - 9 A 251/79 -, NJW 1981, 2598 = juris; Kopp / Ramsauer, VwVfG 9. Aufl. 2005, § 48 Rdnr. 95).

Der Schutzwürdigkeit des Vertrauens steht - soweit es die Leistungen im Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis 31. Juni 2004 betrifft - auch nicht entgegen, dass der Wohngeldantrag der Klägerin mit Bescheid vom 24. Juni 2004 abgelehnt worden ist. Die erfolgte Ablehnung vermag insoweit nicht rückwirkend das Vertrauen der Klägerin, welches gem. §§ 50 Abs. 2, 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X auch das Vertrauen auf ohne Verwaltungsakt erbrachte Leistungen schützt, zu entziehen. Allerdings dürfte vom Zeitpunkt des Zugangs des ablehnenden Wohngeldbescheides an - hier Ende Juni 2004 (s. Vermerk über die Aufgabe zur Post vom 24.06.2004 mit Fiktion gem. § 41 VwVfG - Bl. 25 d. Sachakte) - eine (fortbestehende) "Bestandserwartung" der Klägerin nicht (mehr) berechtigt gewesen sein, so dass hinsichtlich der nach diesem Zeitpunkt erfolgten Leistungen, hier also hinsichtlich des für den Monat Juli 2004 zur Auszahlung gelangten Wohngeldes, ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin nicht anzuerkennen ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Wohngeldbescheid angefochten wurde. Für den Monat Juli 2004 kann daher der gegen die Rückforderung von Wohngeld gerichteten Klage keine hinreichenden Erfolgsaussichten beigemessen werden.

Hinsichtlich der Leistungen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis 31. Juni 2004 ist der Klägerin hingegen Vertrauensschutz zuzubilligen, zumal gem. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X das Vertrauen regelmäßig schutzwürdig ist, wenn der Begünstigte die erbrachte Leistung verbraucht (oder diesbezüglich eine Vermögensdisposition getroffen) hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Hiervon dürfte angesichts der Zweckgebundenheit der in Rede stehenden Leistung und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nach allgemeiner Lebenserfahrung auszugehen sein (vgl. BSG, Urt. v. 14.06. 1984, a. a. O.; BVerwGE 85, 88).

Liegen die Voraussetzungen gem. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X vor, hat überdies das öffentliche Interesse an der Rückerstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen regelmäßig zurückzustehen. Dass vorliegend ausnahmsweise etwas anderes zu gelten hätte, ist nicht ersichtlich und bleibt ggf. einer weiteren Abklärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten.

Eine Gerichtsgebühr wird angesichts des ganz überwiegenden Erfolgs der Beschwerde nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden gem. § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.

Ende der Entscheidung

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