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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 06.03.2007
Aktenzeichen: 4 K 78/05
Rechtsgebiete: LSA-LKO, LSA-GO


Vorschriften:

LSA-LKO § 6 Abs. 3
LSA-GO § 6 Abs. 2
Zur Bestätigung ihrer Identität und Authentizität ist es nicht erforderlich, alle Anlagen, die Bestandteil einer Satzung sind, gesondert auszufertigen. Ausreichend ist vielmehr, wenn durch eindeutige Angaben im Satzungstext oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der Anlage zur Satzung ausgeschlossen wird, diese gewissermaßen durch eine "gedankliche Schnur" mit dem Satzungstext verbunden ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn auf einen bestimmten Bestandteil Bezug genommen wird, also eine ausreichende inhaltliche Verknüpfung von Normtext und Beilage dadurch besteht, dass der Normtext die bezeichnete Anlage als Bestandteil der Norm ausweist.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 K 78/05

Datum: 06.03.2007

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen die Anlage 1 zur Abfallgebührensatzung des Antragsgegners - Behältergebühren für Wohngrundstücke - in der Fassung der am 1. Februar 2005 in Kraft getretenen 3. Änderungssatzung vom 15. Dezember 2004. Auf der Grundlage dieser Satzung wurden sie als Eigentümer des Wohngrundstücks Ernst-Thälmann-Platz 7 in der Stadt A-Stadt zu Abfallentsorgungsgebühren für das Jahr 2005 in Höhe von 80,99 € herangezogen.

Mit dem am 17. Februar 2005 gestellten Normenkontrollantrag machen die Antragsteller geltend, die 3. Änderungssatzung der Abfallgebührensatzung vom 15. Dezember 2004 enthalte keine wirksame Gebührenbestimmung, weil die in der Anlage zur Änderungssatzung dargestellten Behältergebühren nicht in den eigentlichen Text der 3. Änderungssatzung einbezogen seien. Auch sei in der Änderungssatzung nicht bestimmt, dass und gegebenenfalls ab wann sich der Inhalt der Anlage 1 ändern soll. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass der Satzungsgeber tatsächlich eine Änderung der Gebühren beschlossen habe. Die in der zusammen mit der 3. Änderungssatzung veröffentlichten Anlage enthaltenen Gebührensätze seien nicht Inhalt der Satzung geworden. Vielmehr enthalte die Anfallgebührensatzung des Antragsgegners entgegen § 2 Abs. 1 KAG LSA ganz offenkundig den Maßstab und den Satz der Abgabe in der Fassung der Anlage 1 zur Ausgangssatzung. Die Anlage 1 sei entgegen § 6 Abs. 3 LKO LSA i. V. m. § 6 Abs. 2 GO LSA nicht durch den Landrat mit seiner Unterschrift ausgefertigt worden.

Zudem bestünden grundsätzliche Bedenken gegen die ordnungsgemäße Beschlussfassung, denn ausweislich der Anlage 6 des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 31. Mai 2005 habe der Kreistag nur über die Textfassung der 3. Änderung der Abfallgebührensatzung einen Beschluss gefasst. Auch weise das als Anlage 8 zum Schriftsatz vom 31. Mai 2005 von dem Antragsgegner vorgelegte Beschlussprotokoll aus, dass von 40 anwesenden Kreistagsmitgliedern 45 abgestimmt hätten. Soweit der Antragsgegner darauf verweise, dass gemäß Anwesenheitsliste 44 Kreistagsmitglieder und der Landrat anwesend gewesen seien, handele es sich dabei um eine statische Bestandsaufnahme zu Beginn der Sitzung. Damit sei jedoch kein Nachweis darüber erbracht, dass bei jeder einzelnen Beschlussfassung im Verlauf der Sitzung eben diese Zahl von Mitgliedern (noch) anwesend gewesen seien.

Die Antragsteller beantragen,

die Anlage 1 zur Abfallgebührensatzung des Antragsgegners - Behältergebühren für Wohngrundstücke - in der Fassung der Anlage zur 3. Änderungssatzung der Abfallgebührensatzung vom 15. Dezember 2004 für nichtig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er macht geltend, den Antragstellern fehle bereits ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis, weil die 3. Änderung der Abfallgebührensatzung eine wirksame Gebührenbestimmung enthalte. Die streitgegenständliche Anlage sei ausweislich § 2 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung vom 12. Dezember 2001 "Bestandteil der Satzung". Dem Beschluss des Kreistages über die 3. Änderung der Abfallgebührensatzung habe die Beschlussvorlage KT 63/2004 zugrunde gelegen, aus der sich auch die Veränderungen hinsichtlich der Abfallgebühren für Wohngrundstücke entsprechend der hier in Streit stehenden Anlage 1 ergeben hätten.

Ein Nachweis über die Anwesenheit der Kreistagsmitglieder bei jeder einzelnen Beschlussfassung sei nicht erforderlich, weil der Vorsitzende gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 LKO LSA die Beschlussfähigkeit zu Beginn der Kreistagssitzung feststelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet durch Beschluss, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO); die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erklärt.

Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

Der Antrag der Antragsteller ist am 17. Februar 2005 und damit innerhalb der Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden.

Die Antragsteller sind antragsbefugt i. S. des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, weil sie als Gebührenpflichtige von der Satzung betroffen sind. Dass für bestimmte Zeiträume Gebührenbescheide ihnen gegenüber bestandskräftig geworden sind und die Antragsteller deshalb insoweit nicht antragsbefugt sind, ist nicht ersichtlich und von dem Antragsgegner auch nicht geltend gemacht worden. Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis, weil eine Rechtsverletzung der Antragsteller durch die Feststellung der Unwirksamkeit der angegriffenen Rechtsvorschrift noch beseitigt oder wenigstens gemildert werden kann (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 14. Aufl. 2005, § 47 Rdnr. 89 m. w. N.).

Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Anlage 1 zur Abfallgebührensatzung des Antragsgegners - Behältergebühren für Wohngrundstücke - i. d. F. der Anlage zur 3. Änderungssatzung der Abfallgebührensatzung vom 15. Dezember 2004 - 3. ÄAbfGS - ist nicht ungültig i. S. des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Die von den Antragstellern angegriffene Anlage 1 i. d. F. der Anlage zur 3. Änderungssatzung der Abfallgebührensatzung vom 15. Dezember 2004 leidet entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht unter formellen Mängeln; sie ist insbesondere gemäß § 6 Abs. 3 der Landkreisordnung für das Land Sachsen-Anhalt - LKO LSA - i. V. m. § 6 Abs. 2 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt - GO LSA - mit der Unterschrift des Landrats ordnungsgemäß ausgefertigt worden.

Ausfertigung ist die Wahrnehmbarmachung des Willens des Normgebers durch Herstellung der Originalurkunde. Dadurch wird gleichzeitig bezeugt, dass der Inhalt der Urkunde mit dem Beschluss des zuständigen Organs übereinstimmt und dass die für die Rechtswirksamkeit maßgebenden Umstände beachtet sind (Ziegler, Die Ausfertigung von Rechtsvorschriften, insbesondere von gemeindlichen Satzungen, DVBl. 1987, 280 ff. m. w. N. aus der Rechtsprechung). Zu einer dem Rechtsstaatsprinzip entsprechenden Ausfertigung gehört die die Authentizität des Norminhalts bestätigende handschriftliche Unterzeichnung der Rechtsnorm durch das zuständige Organ (VGH BW, Beschl. v. 25.10.1991 - 8 S 1543/91 -, NVwZ-RR 1992, 296).

Zur Bestätigung ihrer Identität und Authentizität ist es nicht erforderlich, alle Anlagen, die Bestandteil einer Satzung sind, gesondert auszufertigen (hinsichtlich der Ausfertigung von Bebauungsplänen: BVerwG, Beschl. v. 16.5.1991 - 4 NB 26/90 -, NVwZ 1992, 371; SächsOVG, Urt. v. 23.10.2000 -1 D 33/00 -, NVwZ-RR 2001, 426 m. w. N). Eine solche Ausfertigung aller Teile einer Satzung ist - wenn auch möglicherweise im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wünschenswert - rechtlich nicht zwingend geboten. Ausreichend ist vielmehr, wenn durch eindeutige Angaben im Satzungstext oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der Anlage zur Satzung ausgeschlossen wird, diese gewissermaßen durch eine "gedankliche Schnur" mit dem Satzungstext verbunden ist (VGH BW, Urt. v. 8.5.1990 - 5 S 3064/88 -, NVwZ-RR 1991, 20; BayVGH, Urt. v. 04.04.2003 - 1 N 01.2240 -, NVwZ-RR 2003, 669). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn auf einen bestimmten Bestandteil Bezug genommen wird (OVG Lüneburg, Urt. v. 14.7.1993, NVwZ-RR 1994, 248), also eine ausreichende inhaltliche Verknüpfung von Normtext und Beilage dadurch besteht, dass der Normtext die bezeichnete Anlage als Bestandteil der Norm ausweist (Ziegler, a. a. O.).

Nach den genannten Grundsätzen ist eine gesonderte Ausfertigung der Anlage 1 - Behältergebühren für Wohngrundstücke - entgegen der Auffassung der Antragsteller entbehrlich, weil der eigentliche Satzungstext der 3. Änderungssatzung der Abfallgebührensatzung vom 15. Dezember 2004 in nicht zu beanstandender Weise ausgefertigt worden ist und die Anlage 1 durch eindeutige Angaben im Satzungstext gekennzeichnet ist. Es besteht eine ausreichende inhaltliche Verknüpfung von Normtext und Anlage, weil die 3. Änderungssatzung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 als "gedankliche Schnur" die als Anlage 1 gekennzeichneten Behältergebühren für Wohngrundstücke als Bestandteil der Norm ausweist und dadurch mit hinreichender Bestimmtheit auf die Anlage 1 Bezug genommen wird. Dabei ist unschädlich, dass § 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 - weil insoweit eine Änderung nicht erfolgt ist - im Satzungstext der 3. Änderungssatzung nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Denn durch die Fortgeltung des Normtextes des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 der am 12. Dezember 2001 beschlossenen Abfallgebührensatzung - AbfGS -, wonach die Behältergebühren für Wohngrundstücke als Bestandteil der Satzung in Anlage 1 dargestellt sind, ist gleichzeitig auch die Anlage 1 in ihrer geänderten Fassung inhaltlich mit dem Normtext verknüpft, ohne dass es insoweit eines - weiteren - Hinweises bedurft hätte. Ihr Inhalt ist zweifelsfrei feststellbar, denn sie ist im Anschluss an die 3. Änderungssatzung im Amtsblatt des Landkreises Mansfelder Land vom 29. Januar 2005 abgedruckt.

Gegenüber der mit der Ausfertigung verbundenen Erklärung, dass der Inhalt der 3. Änderungssatzung mit dem Beschluss des Kreistages übereinstimmt und die für die Rechtswirksamkeit maßgebenden Umstände beachtet worden sind, bleiben die - nicht näher substanziierten - Einwände der Antragsteller gegen die ordnungsgemäße Beschlussfassung über die Anlage 1 zur Abfallgebührensatzung des Antragsgegners in der Fassung der Anlage zur 3. Änderungssatzung ohne Erfolg.

Soweit die Antragsteller geltend machen, dass der Kreistag nur über die Textfassung der 3. Änderung der Abfallgebührensatzung einen Beschluss gefasst habe, greift ihr Einwand schon deshalb nicht durch, weil die Anlage 1 - wie bereits oben ausgeführt - durch die Verweisung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 3. ÄAbfGS bereits (inhaltlicher) Bestandteil des Satzungstextes der 3. Änderungssatzung ist. Zudem lag die streitgegenständliche Anlage 1 ausweislich der von dem Antragsgegner vorgelegten, dem Beschluss des Kreistages über die 3. Änderung der Abfallgebührensatzung zugrunde liegenden Beschlussvorlage KT 63/2004 dem Kreistag vor.

Ein Nachweis über die Anwesenheit der Kreistagsmitglieder bei jeder einzelnen Beschlussfassung ist entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht erforderlich, weil der Vorsitzende gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 LKO LSA die Beschlussfähigkeit zu Beginn der Kreistagssitzung feststellt. Die Vermutung der Beschlussfähigkeit gilt während der Sitzung solange fort, bis die Beschlussunfähigkeit durch den Vorsitzenden festgestellt worden ist. Auch wenn sich im Laufe der Sitzung die Zahl der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder verringert, gilt der Kreistag gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 LKO LSA als beschlussfähig, solange nicht - was die Antragsteller nicht einwenden- ein stimmberechtigtes Mitglied Beschlussunfähigkeit geltend macht.

Schließlich bleibt auch der Einwand der Antragsteller ohne Erfolg, die 3. Änderungssatzung der Abfallgebührensatzung vom 15. Dezember 2004 verstoße gegen den Grundsatz der Bestimmtheit, weil sie entgegen § 2 Abs. 1 KAG LSA keine wirksame Gebührenbestimmung enthalte.

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt, dass Ermächtigungen zur Vornahme belastender Verwaltungsakte nach Inhalt, Gegenstand und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sind, so dass die Eingriffe messbar und in gewissem Umfang für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar sind (vgl. u. a. BVerfGE 8, 274, 325). Bei Abgabesatzungen sollen insbesondere der Abgabetatbestand, der Maßstab als Bemessungsgrundlage und der Abgabesatz so bestimmt sein, dass das Entstehen und die Höhe der Abgabeschuld für den Abgabepflichtigen jedenfalls ansatzweise voraussehbar sind (Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Kommentar, § 2 Rdnr. 99). Im Zusammenhang mit Abgaben hat das Bestimmtheitsgebot ganz allgemein in erster Linie die Funktion, Vorschriften auszuschließen, die in Folge ihrer Unbestimmtheit den Behörden die Möglichkeit einer rechtlich nicht hinreichend überprüfbaren willkürlichen Handhabung eröffnen. Das setzt dem Erfordernis der Bestimmtheit im Abgabenrecht Grenzen und reduziert dieses Erfordernis auf die dem jeweiligen Sachzusammenhang angemessene Bestimmtheit (Driehaus, a. a. O., § 2 Rdnr. 100).

Wie bereits oben ausgeführt, ist die angegriffene Anlage 1 zur 3. Änderungssatzung durch die unveränderte Fortgeltung von § 2 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 AbfGS in den Text der Änderungssatzung einbezogen. Eines ausdrücklichen Hinweises in der Änderungssatzung auf die Änderung (auch) der Anlage 1 bedurfte es daher entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht. Der Geltungszeitraum der geänderten Anlage 1 ergibt sich unzweifelhaft aus § 2 3. ÄAbfGS, wonach die 3. Änderungssatzung - gleichzeitig mit ihrer durch § 2 AbfGS in den Satzungstext einbezogenen Anlage 1 über die Behältergebühren für Wohngrundstücke - am 1. Februar 2005 in Kraft tritt.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO analog i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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