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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 27.04.2006
Aktenzeichen: 4 K 89/06
Rechtsgebiete: AG AbwAG LSA
Vorschriften:
AG AbwAG LSA § 6 I 1 | |
AG AbwAG LSA § 7 I | |
AG AbwAG LSA § 7 II 1 |
2. Eine satzungsrechtliche Bestimmung des Kreises der Abgabepflichtigen, wonach die Abwasserabgabe grundsätzlich auf die Grundstückseigentümer abgewälzt wird, ist nicht mit § 7 Abs. 2 Satz 1 AG AbwAG LSA vereinbar, wonach die Abwälzung auf die Abwassereinleiter erfolgt (so auch OVG LSA, Beschl. v. 21. Februar 2006 - 4 L 28/06 -).
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 4 K 89/06
Datum: 27.04.2006
Tatbestand:
Die Antragsteller wenden sich gegen die rückwirkend zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene Satzung der Antragsgegnerin über die Abwälzung der Abwasserabgabe vom 23. März 2004. Sie sind Eigentümer des Grundstücks A-Straße in A-Stadt und wurden auf Grundlage dieser Satzung zu einer Zahlung herangezogen.
Mit dem am 20. Februar 2006 gestellten Normenkontrollantrag machen die Antragsteller geltend, die Satzung sei ungültig, weil sie mit Landesrecht unvereinbar sei. Die Antragsgegnerin sei ersichtlich einem Rechtsirrtum erlegen, weil sie verkannt habe, dass sie für das aus der öffentlichen Kanalisation eingeleitete Niederschlagswasser und anstelle von Direkteinleitern abgabepflichtig sei. Sie habe die im Gesetz genannten Begriffe offenkundig falsch definiert. Direkteinleiter sei ausschließlich derjenige, der die letzte Ursache dafür setze, dass Abwasser in öffentliche Gewässer eingeleitet werde.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß, die Satzung über die Abwälzung der Abwasserabgabe der Antragsgegnerin vom 23. März 2004 für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie macht geltend, sie sei für das aus der öffentlichen Kanalisation eingeleitete Abwasser an Stelle von Direkteinleitern dem Land Sachsen-Anhalt gegenüber abwasserabgabenpflichtig. Für sie bestehe die Abwasserabgabepflicht für verschmutztes Niederschlagswasser für alle Einwohner, welche bisher nicht an das Trennsystem der Schmutzwasserentsorgung des AZV A-Stadt und Umgebung angeschlossen seien, d.h. wo Schmutzwasser einschließlich Überlauf von häuslichen Kleinkläranlagen u.ä. zusammen mit dem Niederschlagswasser einem Vorfluter zugeführt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet durch Beschluss, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO); die Beteiligten wurden hierzu angehört.
Der zulässige Normenkontrollantrag ist begründet.
Die Satzung über die Abwälzung der Abwasserabgabe der Antragsgegnerin vom 23. März 2004 - AAS - ist ungültig i.S.d. § 47 Abs. 5 Satz 2 HS 1 VwGO.
1. Die Ungültigkeit der Satzung ergibt sich schon daraus, dass die Antragsgegnerin damit eine Abwasserabgabe durch eine unmittelbare Heranziehung abwälzt, die sie nach Landesrecht nur im Rahmen der Erhebung von (Benutzungs)Gebühren abwälzen darf.
Nach § 1 Satz 1 AAS ist die Antragsgegnerin gem. § 6 Abs. 1 AG AbwAG LSA für das aus der öffentlichen Kanalisation eingeleitete verschmutzte Niederschlagswasser an Stelle von Direkteinleitern dem Land Sachsen-Anhalt gegenüber abwasserabgabepflichtig. Dementsprechend ist gem. § 2 AAS abgabepflichtig, wer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Abgabebescheides Eigentümer des Grundstückes ist, dessen Niederschlagswasser aus einer Mischkanalisation in den Vorfluter abgeleitet wird (Satz 1). Ist das Grundstück mit einem Erbbaurecht oder einem sonstigen dinglichen Nutzungsrecht belastet, so ist an Stelle des Eigentümers der dinglich Nutzungsberechtigte abgabepflichtig (Satz 2).
In § 6 Abs. 1 Satz 1 AG AbwAG LSA ist dagegen ausdrücklich bestimmt, dass die Gemeinden für das aus der öffentlichen Kanalisation eingeleitete Abwasser und an Stelle von Direkteinleitern, die im Jahresdurchschnitt weniger als acht Kubikmeter je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten, abgabepflichtig sind (vgl. auch § 9 Abs. 2 AbwAG). Diese Unterteilung hat Auswirkungen auf die Abwälzung der Abwasserabgaben. Während die Gemeinden gem. § 7 Abs. 1 AG AbwAG LSA die gegen sie für eigene Einleitungen nach § 5 KAG LSA anzusetzenden oder von Verbänden auf sie umgelegte Abwasserabgabe im Rahmen der Erhebung von Gebühren abwälzen, wälzen sie nach § 7 Abs. 2 Satz 1 AG AbwAG LSA die gegen sie nach § 6 Abs. 1 AG AbwAG LSA an Stelle von Abwassereinleitern festzusetzende Abwasserabgabe unmittelbar auf die Abwassereinleiter ab. Die Gemeinde darf also unmittelbar Abwasserabgaben nur auf diejenigen Kleineinleiter abwälzen, die gerade nicht an die Kanalisation angebunden sind (vgl. auch § 7 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 5 AG AbwAG LSA sowie § 8 Abs. 1 AbwAG), sondern ihr Schmutzwasser direkt in ein Gewässer einleiten. Die von der Antragstellerin vorgenommene unmittelbare Abwälzung der Abwasserabgabe für das Niederschlagswasser aus einer Mischkanalisation ist also von vornherein nicht von der gesetzlichen Rechtsgrundlage gedeckt.
2. Darüber hinaus führt die Regelung zu den Abgabepflichtigen in § 2 AAS, mit der grundsätzlich die Grundstückseigentümer herangezogen werden, ebenfalls zur Ungültigkeit der Satzung.
Diese Bestimmung des Kreises der Abgabepflichtigen ist nicht mit § 7 Abs. 2 Satz 1 AG AbwAG LSA vereinbar (so auch OVG LSA, Beschl. v. 21. Februar 2006 - 4 L 28/06 -), wonach die Abwälzung auf die Abwassereinleiter erfolgt. Wer Einleiter in diesem Sinne ist, bestimmt § 9 Abs. 1 AbwAG. Danach ist abgabepflichtig derjenige, der Abwasser einleitet. Einleiten im Sinne dieses Gesetzes ist wiederum das unmittelbare Verbringen des Abwassers in ein Gewässer (§ 2 Abs. 2 AbwAG). Abgabepflichtiger Einleiter i.S.d. § 9 Abs. 1 AbwAG ist mithin der Anlagebetreiber und damit - ohne gewichtige Rücksicht auf die privatrechtliche Situation - grundsätzlich derjenige, der die tatsächliche Sachherrschaft über die Anlage besitzt und ausübt sowie in der Lage ist, auf das Einleiten aus ihr nach Menge und Beschaffenheit Einfluss zu nehmen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist nicht zweifelhaft, dass das Eigentum an einem Grundstück bzw. an der darauf befindlichen Abwasseranlage für sich genommen nichts über die Person des Einleiters i. S. des § 9 Abs. 1 AbwAG aussagt. Die privatrechtliche Rechtmäßigkeit des die Sachherrschaft vermittelnden Besitzes stellt lediglich ein Indiz für die Möglichkeit der Ausübung von Herrschaftsrechten dar. Wesentlich ist die Sachherrschaft, die nur in der Regel, nicht aber generell mit dem Eigentum zusammenfällt (so Köhler/Meyer, AbwAG 2. A., § 9 Rdnr. 14 m.w.N.; Nisipeanu, Abwasserabgabenrecht, S. 37; OVG LSA, Beschl. v. 1. Februar 2001 - B 3 S 342/99 -; in diesem Sinne auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 8. August 1984 - 2 A 2133/83 -, NVwZ 1985, 778). Knüpft aber die Abwasserabgabepflicht gemäß § 9 Abs. 1 AbwAG an die tatsächliche Sachherrschaft über eine (konkrete) Abwasserentsorgungsanlage an, reicht es nicht aus, wenn in der Abwasserabgabensatzung der Kreis der Abgabepflichtigen auf die Grundstückseigentümer beschränkt bleibt und nicht auf den unmittelbaren Einleiter abgestellt wird. Anderenfalls würde der von § 9 Abs. 1 AbwAG verfolgte Zweck, durch die Erhebung einer Abwasserabgabe einen Anreiz zur Schadstofffrachtminimierung zu geben, verfehlt, denn nur der unmittelbare Einleiter vermag auch Einfluss auf die Qualität und die Beschaffenheit des Abwassers zu nehmen, während der Grundstückseigentümer bei mangelnder Sachherrschaft diesen Einfluss gerade nicht ausüben kann.
Auch aus der in § 7 Abs. 2 Satz 2 AG AbwAG LSA geregelten Verweisung auf das KAG LSA ergibt sich nichts Anderes; denn diese Regelung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit § 7 Abs. 2 Satz 1 AG AbwAG LSA, wonach die Gemeinden die Abwasserabgabe auf die "Abwassereinleiter" abwälzen. Der Landesgesetzgeber hat sich also im Rahmen des ihm gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 AbwAG zustehenden Regelungsumfangs ausdrücklich dafür entschieden, ein Abwälzen der Abwasserabgabe auf den Abwassereinleiter zu ermöglichen, so dass gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AG AbwAG LSA auch "hierzu", d. h. in Ausfüllung der gesetzlichen Vorgaben in Satz 1, eine dem Kommunalabgabengesetz entsprechende Satzung zu erlassen ist. Eine ergänzende Anwendung des § 5 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA, wonach die Satzung u.a. auch die Eigentümer als Gebührenschuldner bestimmen kann, scheidet damit von vornherein aus.
Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bekanntgabe der Entscheidungsformel folgt aus § 47 Abs. 5 Satz 2 HS 2 VwGO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung der §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.
Ende der Entscheidung
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