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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 20.10.1995
Aktenzeichen: 4 K 9/95
Rechtsgebiete: AtG, VwGO, VwVfG, BGB, StrSchV, GKG


Vorschriften:

AtG § 1 Nr. 2
AtG § 7
AtG § 7 Abs. 1
AtG § 9 Abs. 1
AtG § 9 a Abs. 3 Satz 1
AtG § 9 b
AtG § 11 Abs. 1 Nr. 1
AtG § 11 Abs. 1 Nr. 2
AtG § 11 Abs. 1 Nr. 3
AtG § 17
AtG § 17 Abs. 5
AtG § 19 Abs. 1 Satz 1
AtG § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3
AtG § 24 Abs. 1 Satz 1
AtG § 24 Abs. 2
AtG § 57 a
VwGO § 42 Abs. 2
VwGO § 80
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
VwGO § 80 a
VwGO § 86
VwGO § 123
VwGO § 152 Abs. 1
VwVfG § 75 Abs. 2 Satz 1
VwVfG § 77
BGB § 1004
StrSchV § 28
StrSchV § 28 Abs. 3 Satz 1
StrSchV § 45
StrSchV § 45 Abs. 1 Nr. 1
GKG § 5 Abs. 2 Satz 2
GKG § 13 Abs. 1 Satz 1
GKG § 20 Abs. 3
GKG § 25 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 K 9/95

Datum: 20.10.1995

Gründe:

Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Landes Sachsen-Anhalt als Antragsgegner zu 1, der Bundesrepublik Deutschland, der Antragsgegnerin zu 2, die Einlagerung radioaktiver Abfallstoffe im Bundesendlager für niedrig- bis mittelradioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) vorläufig zu untersagen, sowie die Antragsgegnerin zu 2 zu verpflichten, vorläufig die Einlagerung dieser Stoffe zu unterlassen.

Die Antragsteller besitzen in Helmstedt, Brunnenweg 12, 13 und 14, ca. 4,6 km vorn ERAM entfernt, Eigentumswohnungen, die sie zum Teil vermietet haben oder als Zweitwohnsitz nutzen.

Das ERAM liegt im Westen des Landes Sachsen-Anhalt auf dem Gebiet der Gemeinden Morsleben und Beendorf. Als Lagerstätten dienen die untertägigen Anlagen der Gruben Bartensleben und Marie, in denen früher Steinsalze abgebaut wurden. Die Gruben sind auf drei Sohlen miteinander verbunden.

Das ERAM wurde 1978 zunächst probeweise und 1981 endgültig in Betrieb genommen. Am 22. April 1986 erteilte das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS) beim Ministerrat der DDR dem Volkseigenen Kombinat Kernkraftwerke "Bruno Leuschner" Greifswald, Betriebsteil Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben, die Genehmigung zum Dauerbetrieb "für die Erfassung und Endlagerung niedrig- bis mittelradioaktiver Abfälle aus Kernanlagen der DDR".

Radioaktive Abfälle der Strahlenschutzgruppen S 1 bis S 5 dürfen nach Anlage 2 zur Dauerbetriebsgenehmigung vom 22. April 1986 mit unterschiedlichen Technologien endgelagert werden. Die Einteilung der radioaktiven Abfälle in Abfallarten und Strahlenschutzgruppen ergibt sich nach Ziffer 4,2 der Betriebsgenehmigung vom 22. April 1986 aus "den geltenden Rechtsvorschriften" und damit aus der Anordnung über die allgemeinen Leistungsbedingungen für die zentrale Erfassung und Endlagerung radioaktiver Abfälle vom 04. September 1981 (GBl. der DDR, Sdr. Nr. 1073). Diese Einteilung gilt bis heute fort. Die qualitative Klassifizierung wird dabei wie folgt vorgenommen:

Strahlenschutzgruppe S 1 bis S 2 niedrigradioaktive Abfälle

Strahlenschutzgruppe S 3 bis S 5 mittelradioaktive Abfälle

Strahlenschutzgruppe S 6 hochradioaktive Abfälle,

- Für feste Abfälle sind eine Lagerung in Behältern und der Versturz vorgesehen. Beim Letzteren werden radioaktive Betriebsrückstände aus Atomkraftwerken und andere Strahlenquellen durch ein Loch in einem höheren Stockwerk des früheren Salzbergwerkes bis zu zehn Meter tief in den darunterliegenden Hohlraum der Abbaue 1 und 2 der Sohle 5a im Südfeld gestürzt. Dabei können Fässer aufplatzen und eine Vermischung des radioaktiven Mülls eintreten.

- Gemäß Anlage 2 der Dauerbetriebsgenehmigung vom 22. April 1986 ist die Endlagerung flüssiger radioaktiver Eindampfrückstände durch Verfestigung mit Braunkohlefilterasche nach dem Sorptions-Abbinde-Verfahren und unter Bildung von Silikathydraten für die Abbaue 2 und 3 der 5a-Sohle sowie für den Bereich der 5 6. und 7. Sohle im Südfeld zugelassen (sogenannte in-situ-[d. h. "vor Ort"]Verfestigung).

Durch Genehmigung des SAAS vom 24. Oktober 1989 wurde, bis zum 31. Dezember 1991 begrenzt, probeweise die Einlagerung hochradioaktiver Abfälle der Strahlenschutzgruppe S 6 zugelassen.

Im April 1990 stellte das SAAS fest, daß die Sicherheit des Endlagers für die Betriebsphase nicht im gesamten technologischen Bereich bestehe. Insbesondere bestünden Sicherheitsdefizite bezüglich der Brandgefahr im Abbau 1 und im Hinblick auf die fehlenden Sicherheitsnachweise für die in-situ-Verfestigung.

Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 03. Oktober 1990 ging die von den DDR-Behörden erteilte Dauerbetriebsgenehmigung vom 22. April 1986 für das ERAM kraft Gesetzes gemäß § 57 a des Gesetzes ; über die friedliche Nutzung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren - Atomgesetz (AtG) - vom 23. Dezember 1959 in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Juli 1985 (BGBI, l S. 1565), zuletzt geändert durch Art. 22 Verbrauchsteuer-BinnenmarktG vom 21. Dezember 1992 (BGBI. l S. 2150) auf das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) über (eingehend hierzu: BVerwG, Urt. vom 25.06.1992, - 7 C 1.92 -, BVerwGE 90, 255; Rengeling, DVBl. 1992, 222).

Die Antragsgegnerin zu 2 veranlaßte eine Sicherheitsanalyse durch die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GSR). Diese stellte in ihrem Bericht vom März 1991 eine Reihe von Mängeln fest und gab Empfehlungen zur Gefahrenabwehr, zur Risikovorsorge und zur Restrisikominimierung.

So wurde u.a. angeregt, den Schüttkegel verstürzter Abfälle zur Verhinderung von Bränden abzudecken. Ein erneuter Versturz sollte nur vorgenommen werden, wenn die Schutzfunktion der Abdeckung erhalten bleibe. Brennbare Abfälle sollten in standardisierten Fässern konditioniert werden. Auf Grund dieser Empfehlungen wurde der Schüttkegel im Abbau 1 mit einer Ascheschicht von 50 cm abgedeckt.

Im Abbau 3 sind zwischen 1978 und 1987 insgesamt 7.414 m3 flüssige Eindampfungsrückstände endgelagert worden. Bei einer Teilmenge von 1.200 m3 mißlang jedoch die vorgesehene Verfestigung. Die Flüssigkeit ist in tiefergelegene Hohlräume der 5. 6. und 7. Sohle abgeflossen. Ihre Verfestigung ist nach Auffassung der GSR erforderlich. Dies ist bisher jedoch nicht geschehen.

Ferner empfahl die GSR, die Abbaue 2 und 3 sachgerecht zu isolieren. Auch dies ist noch nicht geschehen. In den Abbau 3 wird aber nicht mehr eingelagert. Dieser ist vollständig mit Braunkohlefilterasche restverfüllt.

in ihrer Gesamtbeurteilung kommt die GSR zu dem Schluß, daß trotz der festgestellten Mängel keine Gefährdung bestehe, die eine Einstellung des Betriebes erfordere. Dieser Einschätzung schloß sich im Mai 1991 die Reaktorsicherheitskommission an.

Seit Oktober 1992 wird das Planfeststellungsverfahren zur Genehmigung des Weiterbetriebes des ERAM über den 01. Juli 2000 hinaus betrieben.

im November 1993 einigte sich der damalige Bundesumweltminister Töpfer mit dem seinerzeitigen Minister für Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt, Rauls, darüber, die Einlagerung auf niedrigradioaktive feste Abfallstoffe zu beschränken. Ein Planfeststellungsverfahren zur Änderung der Betriebsgenehmigung für das ERAM wurde jedoch nicht durchgeführt.

Mit Schreiben vom 04. September 1994 meldeten die Antragsteller ihre Rechte gegenüber den Antragsgegnern zu 1 und 2 an, als betroffene Nachbarn beteiligt zu werden und ihre Einwendungen vortragen zu können. Ferner beantragten sie beim Antragsgegner zu 1, gem. § 17 AtG zu prüfen, ob die Einstellung des Einlagerungsbetriebes anzuordnen sei, und bei der Antragsgegnerin zu 2, zu prüfen, ob im Rahmen der Eigenaufsicht der Einlagerungsbetrieb wegen der bestehenden Sicherheitsbedenken einzustellen sei.

Seit dem 15. März 1995 hält die Antragsgegnerin zu 2 die im November 1993 mit dem Antragsgegner zu 1 vereinbarte Einlagerungsbeschränkung auf niedrigradioaktive feste Abfallstoffe nicht mehr aufrecht. Flüssige radioaktive Stoffe werden aber nach wie vor entsprechend der Empfehlung der GSR von 1991 nicht mehr eingelagert.

in einer Rede vor dem Landtag des Landes Sachsen-Anhalt am 05. Mai 1995 erklärte die Ministerin für Umwelt und Naturschutz des Landes Sachsen-Anhalt, daß "aktuelle Gefährdungen durch den laufenden Betrieb gegenwärtig nicht nachweisbar [seien]". Vorliegende Meßergebnisse wiesen Werte auf, die der natürlichen Untergrundstrahlung entsprächen. Bedenken bestünden aber hinsichtlich der Langzeitsicherheit.

Das Würzburger "Volksblatt und das "Mainecho", Ausgabe Aschaffenburg, berichteten am 08. Juli 1995, der Geschäftsführer des Versuchsatomkraftwerkes Kahl, Dr. ... E..., habe in dem jährlichen "Kraftwerksgespräch" vor Vertretern der Presse und der Öffentlichkeit mitgeteilt, daß "noch in diesem Jahr" der Notkühl-Sprühring, die obere Gitterplatte, der Kamin, der Kondensat-Verteilerring sowie die Steuerstäbe für die bereits 1989 nach Schweden geschafften Brennelemente in das Endlager nach Morsleben transportiert werden würden.

Mit Bescheid vom 24. August 1995 - 58.1/40340/22 -, zu dem das Bundesamt für Strahlenschutz angehört worden ist und mit Schreiben vom 30. Juni 1995 Z 2.2/Zi/Sza - Stellung genommen hat, erteilte der Antragsgegner zu 1 der Antragsgegnerin zu 2 nachträgliche Auflagen zu der als Planfeststellungsbeschluß fortwirkenden Dauerbetriebsgenehmigung vom 22. April 1986. Darin wurde der Antragsgegnerin zu 2 aufgegeben, die Nutzung des Einlagerungsbereiches der Abbaue 1 und 2 auf der Sa-Sohle im Südfeld so lange zu unterlassen, bis er, der Antragsgegner zu 1, der Wiederaufnahme des Betriebes nach Vorlage von Sicherheitsnachweisen durch das Bundesamt für Strahlenschutz zustimme. Die Auflagen sollten dem Nachweis der erforderlichen Schadensvorsorge beim Endlagerbetrieb und der Klärung folgender Fragen dienen:

- inwieweit die Abbaue 1 und 2 im derzeitigen Zustand als Einlagerungsort für den Versturz von festen Abfällen und Strahlenquellen geeignet seien,

- inwieweit die Versturztechnologie den Stand von Wissenschaft und Technik darstelle,

- inwieweit der Abbau 2 im derzeitigen Zustand als Einlagerungsort für die erneute Aufnahme der in-situ-Verfestigung von flüssigen Abfällen geeignet sei und ob das in-situ-Verfahren zu einer vollständigen Verfestigung der flüssigen Abfälle führe.

Zur Begründung des Bescheides führte der Antragsgegner zu 1 im wesentlichen folgendes aus:

a) Bei den im Abbau 1 eingebrachten Abfällen sei davon auszugehen, daß diese weitgehend unverpackt eingelagert würden. Belastbare Daten über die entsprechenden Zusammensetzungen der verstürzten Stoffe lägen ihm, dem Antragsgegner zu 1, nicht vor. Ein weiterer Fortgang des Versturzes würde die Gewinnbarkeit erforderlicher Daten behindern.

Zwar seien aus Gründen der Gefahrenabwehr die bestehenden Einlagerungen mit einer 50 cm dicken Ascheschicht überdeckt worden. Es fehle jedoch der Nachweis, daß diese Ascheschicht in ihrer aufgebrachten Form die Sicherheitsanforderungen, insbesondere in bezug gegen Brandentstehung, der Beherrschung von Folgen chemischer Reaktionen und von Verschiebungen des Abfallkörpers sowie der Reduzierung der Freisetzung radioaktiver und anderer Gase auch erfülle. Außerdem sei nachzuweisen, daß die Abdeckung so aufgebracht worden sei, daß sie durch die Neuverstürze nicht beschädigt werden könne.

Für die im Abbau 2 eingebrachten sowohl flüssigen wie auch festen Abfälle sei zwar ein monolithischer Körper angestrebt worden. Untersuchungsergebnisse, ob dieses Ziel erreicht worden sei, seien nicht bekannt, wohl aber gewisse Unregelmäßigkeiten bei der Verfestigung, so daß eben nicht ohne weiteres von einem erreichten monolithischen Körper ausgegangen werden könne. Es müsse daher eine Untersuchung des Abfallkörpers im Abbau 2 erfolgen. Es liege auf der Hand, daß eine solche nach Überdeckung mit neuerlich verstürzten Abfällen schwierig bzw. undurchführbar würde. Erst die Auswertung der Ergebnisse dieser Untersuchungen könne die Grundlage für eine Beurteilung bilden, ob ein weiterer Versturz im Abbau 2 sicherheitstechnisch unbedenklich sei.

b) Auf Grund der fehlgeschlagenen in-situ-Verfestigungen vagabundierten noch heute die ausgetretenen 1.200 m3 radioaktive Flüssigkeit' unterhalb der Abbaue 1 und 2. Ihre Lösefähigkeit könne die Standfestigkeit der Grubenanlage beeinträchtigen. Vor einer weiteren Belastung durch die Masse und den Aufprall der zu verstürzenden Abfälle müsse daher die Standsicherheit im Nahbereich der Abbaue nachgewiesen werden.

c) Offensichtlich sei auch der Versturz von Fässern mit brennbarem Inhalt unter bestimmten Bedingungen in den Abbauen 1 und 2 vorgesehen. Zumindest schlössen die Einlagerungsbedingungen dies nicht aus. Da bei einem Versturz eine Beschädigung der Kartuschen bzw. Fässer möglich sei, müsse mit freiliegendem brennbaren Material gerechnet werden. Daher sei eine sicherheitstechnische Analyse und Bewertung notwendig, die unter Umständen auch zu Änderungen oder Einschränkungen der Genehmigung führen könne.

Der Versturz von Abfällen unterschiedlicher Strahlenschutzgruppen sei auf mögliche Sicherheitsgefährdende Wechselwirkungen zu untersuchen.

d) Eine Wiederaufnahme der in-situ-Verfestigung flüssiger Abfälle erfordere die Vorlage prüfbarer Unterlagen zum Nachweis der erforderlichen Schadensvorsorge.

e) Die Versturztechnologie entspreche nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik, da die Gebinde zerstört würden und der Inhalt untereinander reagieren könne. Hinzu komme, daß die Gebinde nach dem Versturz nicht mehr rückholbar seien. Neuere Endlager und Endlagerplanungen sähen daher die Versturztechnik, wie sie im ERAM praktiziert werde, auch nicht mehr vor.

Der Antragsgegner zu 1 ordnete gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 24. August 1995 an; weil dies im öffentlichen Interesse liege. Bis zum Beweis des Gegenteils könne nicht ausgeschlossen werden, daß das Risiko im Einzelfall zu einer Gefahr führe.

Mit bundesaufsichtlicher Weisung vom 01. September 1995 - RS IM 1-14844/15 - gab die Antragsgegnerin zu 2 dem Antragsgegner zu 1 auf, die erteilten Auflagen vom 24. August 1995 wieder zurückzunehmen, da von dem Betrieb des ERAM keine Gefahr ausgehe und auch kein Gefahrenverdacht bestehe, der aufzuklären wäre.

Dazu führten das Bundesamt für Strahlenschutz in der im Rahmen des von dem Antragsgegner zu 1 durchgeführten Anhörungsverfahrens vor Erlaß des Auflagenbescheides am 30. Juni 1995 abgegebenen Stellungnahme und die Antragsgegnerin zu 2 in der Begründung der bundesaufsichtlichen Weisung im wesentlichen aus:

a) Die Abbaue 1 und 2 seien zur Einlagerung geeignet.

Der durch Versturz bis Februar 1991 entstandene Abfallkegel sei mit Asche abgedeckt worden. Die Ascheschicht in ihrer aufgebrachten Form erfülle die sicherheitstechnischen Anforderungen. Der Versturzkegel werde visuell kontrolliert. Auf ihn werde nicht weiter verstürzt. Bei dem im Abbau 1 seit Februar 1991 (und offensichtlich nicht, wie auf S. 26-der bundesaufsichtlichen Weisung vom 1. September 1995 mitgeteilt, "bis Februar 1991") fortgeführten Versturz handele es sich um eine örtlich vom alten Schüttkegel entfernt gelegene Versturzschleuse, über die ein neuer Schüttkegel mit Abfällen, deren Brennbarkeit in den Abbauen ausgeschlossen sei, aufgebaut werde. Beim Anlegen dieses Schüttkegels sei zwar grundsätzlich nicht auszuschließen, daß verstürzte Abfallfässer auf den Nachbarkegel stießen. Eine permanente Überprüfung stelle aber sicher, daß bei einem eventuellen Nachsacken der Aschenüberdeckung erneut ein überdeckender Ascheneintrag vorgenommen werde. Damit könne ein den Sicherheitsanforderungen entsprechender Zustand aufrecht erhalten werden. Vor diesem Hintergrund bestehe auch keine Besorgnis eines Brandes, unkontrollierter chemischer Reaktionen und erhöhter Freisetzung radioaktiver und anderer Gase. Eine nennenswerte Verschiebung des Abfallkörpers sei technisch nicht vorstellbar.

Eine Gefahr durch den aus festen und verfestigten flüssigen radioaktiven Stoffen aufgebauten Abfallkörper im Abbau 2 bestehe ebenfalls nicht.

Der Abbau 2 sei 1988 in Betrieb genommen worden. Insgesamt seien 625,6 m3 flüssiger Verdampfungsrückstände auschließlich nach dem Durchsumpfungsverfahren eingebracht und verfestigt worden. Durch das Verhältnis von 4 kg Braunkohlefilterasche zu 1 kg der Flüssigkeit sei eine ausreichende Überschußmenge an Braunkohlefilterasche sichergestellt, so daß die vollständige Verfestigung gewährleistet sei. Ein Austritt von kontaminierten Flüssigkeiten sei nicht festgestellt worden. Neben der Endlagerung von flüssigen Verdampfungsrückständen seien von 1988 bis zum 21. Februar 1991 ca. 85 m3 feste Abfälle verstürzt worden. Durch diesen parallel zur in-situ-Verfestigung durchgeführten Versturz sei ein monolithischer Abfallkörper schichtweise aufgebaut worden.

Die GSR habe bei ihrer Sicherheitsuntersuchung 1991 diesen Sachverhalt bereits berücksichtigt und sei in ihrer Bewertung zu der Beurteilung gelangt, daß die in-situ-Verfestigung zwar nicht fortgesetzt werden sollte, der bestehende Zustand eines nicht völlig verfestigten Abfallkörpers aber keinen Anlaß für sicherheitstechnische Bedenken gegen den weiteren Betrieb des Endlagers biete. Dies habe die GSR in ihrer Stellungnahme vom August 1994 erneut bestätigt. Sicherheitstechnische Bedenken, die die Standfestigkeit beträfen, seien auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse selbst dann nicht gegeben, wenn der Abfallkörper nicht monolithisch aufgebaut worden wäre. Von Lösungen, deren Lösungsfähigkeit begrenzt sei, seien keine Auswirkungen auf die Standsicherheit zu befürchten. Auch aus der Sicht der GSR seien keine weiteren Untersuchungen zur Sicherheit erforderlich.

Anders laute die Einschätzung der GSR für den Fall, daß von der in-situ-Verfestigung weiter Gebrauch gemacht werden sollte. Hier sei die Einstellung empfohlen worden, der sie, die Antragsgegnerin zu 2, auch nachkomme. Die Kernkraftwerke könnten Eindampfungsrückstände nur noch in bereits verfestigter Form anliefern.

b) Der bestehende Zustand der nicht völlig verfestigten radioaktiven 1.200 m3 Flüssigkeiten beinhalte ebenfalls keine Gefährdung der Sicherheit für den Weiterbetrieb des Endlagers.

Heute befände sich die kontaminierte Salzlauge auf der 7. Sohle. Auf der 6. Sohle seien keine belasteten Flüssigkeiten. Lediglich auf der 5. Sohle würden kontaminierte Laugen in Form von Tropfwässern angetroffen. Es träfe daher nicht zu, daß diese Flüssigkeiten "vagabundierten". Derzeit flössen noch 2 bis 2,5 l gesättigte Salzlösung pro Tag aus dem Abbau 3 ab. Diese sei durch das Steinsalz, wie aus Proben durchgeführte Analysen belegten, völlig gesättigt worden und könne weder an den Abbaustößen noch an der Abbausohle noch auf dem Abflußweg weitere Abugungenverursachen. Die heute geringen Abflußmengen verdunsteten auf dem Fließweg zur 5. Sohle und erreichten die tieferen Sohlen nicht.

Demzufolge sei eine Instabilität, die die Standfestigkeit der Grubenanlagen negativ beeinflussen könne, auszuschließen. Auch die GSR sei bei ihren Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, daß das gesamte Grubengebäude trotz der Flüssigkeiten auf der 5. bis 7. Sohle standfest sei. Auch neuere Beurteilungen, z. B. durch das Bergamt Staßfurt vom 23. Juni 1995, kämen zu dem Schluß, daß die Grubenbaue im Steinsalz auf der 6., 7. und 7.a-Sohle als standsicher einzustufen seien.

Daß die Lauge noch nicht entsorgt worden sei, bedeute keine Gefährdung. Die abgeflossenen kontaminierten Laugen würden durch den Betreiber überwacht. Die Tropfstellen im Bereich der 5. Sohle im Südfeld würden bei entsprechender Sonderbewetterung monatlich befahren und beprobt.

Die GSR habe in ihrer Stellungnahme zur "Planung und Umsetzung der Empfehlungen aus der Sicherheitsanalyse des Endlagers für radioaktive Abfälle Morsleben" vom August 1994 festgestellt, daß sicherheitstechnische Gründe nicht dagegen sprächen, die Entsorgungsfrage der nicht verfestigten 1.200m3 Salzlauge erst im Zusammenhang mit den im laufenden Planfeststellungsverfahren vorzulegenden Verschluß- und Verwahrungsmaßnahmen für den gesamten Einlagerungsbereich der 5 a-Sohle im Südfeld endgültig zu lösen.

c) Die bestehenden Endlagerannahmebedingungen schlössen die Einlagerung brennbarer zu verstürzender Abfälle in den Abbauen aus. Die einzulagernden Stoffe müßten unabhängig von der Strahlenschutzgruppe mindestens das Qualitätsmerkmal QM 4 (Ausschluß der Brennbarkeit oder thermisch stabile Verpressung) erfüllen, bei denen brennbare Abfallstoffe in ihrem Anteil so begrenzt seien, daß durch die restlichen Abfallbestandteile und durch den Preßvorgang sichergestellt sei, daß bei Erhitzung geschmolzene Bestandteile gebunden würden und nicht aus dem Preßling austreten könnten. Eine Beschädigung durch den Versturz, die zur Freilegung von brennbarem Material geführt hätte, sei im Endlager Morsleben bisher auch nicht beobachtet worden und auf Grund des heutigen Kenntnisstandes über die Stabilität von Fässern mit derartigen Abfällen auch nicht zu erwarten. Den Anforderungen des Brandschutzes sei Genüge getan.

Die Vorgaben der Einlagerungsbedingungen an die zu verstürzenden radioaktiven Abfälle reichten aus, um selbst beim Mischversturz von Abfällen unterschiedlicher Strahlenschutzgruppen keine sicher-heitsgefährdenden Wechselwirkungen zu verursachen. Die eingebrachten radioaktiven Abfälle führten zu keiner Wärmeentwicklung, die Anlaß geben könnte, eine Selbstentzündung mischverstürzter Abfälle zu befürchten.

d) Die Versturztechnik entspreche dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik. Sie sei bis 1978 im Versuchsendlager Asse zum Einsatz gekommen und auf Grund der praktischen Erfahrungen als Einlagerungstechnik national und international anerkannt worden. Beim Endlagerprojekt Schacht Konrad sei die Anwendung wegen der dort vorhandenen geologischen Formation - der Korallenoolith des Malm besitze nicht die für die Aufnahme der Versturztechnologie erforderliche Mächtigkeit - und der kleinräumigen Einlagerungskammern aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten unterblieben.

Die Vorteile der Versturztechnik lägen u. a. in der geringeren Strahlenbelastung für das Betriebspersonal und der Erleichterung des Versatzes der eingelagerten radioaktiven Abfälle in den Untertagewerksbauen.

Die von dem Antragsgegner zu 1 angesprochene fehlende Rückholbarkeit sei bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle gerade nicht beabsichtigt und könne daher kein Argument gegen die Versturztechnik sein.

Zur Zeit findet die nach Ziffer 10 der Dauerbetriebsgenehmigung vom 22. April 1986 im Abstand von fünf Jahren vorgesehene Gesamtüberprüfung über die Einhaltung der Forderungen von Atomsicherheit und Strahlenschutz einschließlich der technischen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb durch das Bundesamt für Strahlenschutz statt, dessen Ergebnisse zunächst im Herbst 1995, nun aber Ende 1995 obliegen sollen.

Die Antragsteller meinen,

- die Betriebsgenehmigung vom 22. April 1986 sei rechtswidrig, da sie gegen "die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 27. Juni 1985 (85/337/EWG) verstoße, weil keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Übergang der Genehmigung auf das Bundesamt für Strahlenschutz vorgenommen worden sei.

- die Genehmigung der SAAS vom 24. Oktober 1989 lasse die Einlagerung hochradioaktiver Abfälle der Strahlenschutzgruppe S 6 zu,

- die Antragsgegnerin sei auf Grund der im November 1993 mit dem Antragsgegner zu 1 getroffenen Vereinbarung, auf die sie, die Antragsteller, hätten vertrauen können, verpflichtet, die Einlagerungsbeschränkungen bis zum Auslaufen der Dauerbetriebsgenehmigung am 30. Juni 2000, zumindest bis zum Abschluß des eingeleiteten Planfeststellungsverfahrens bzw. bis zum Abschluß der vor dem Senat anhängigen Hauptsacheverfahren aufrecht zu erhalten,

- und unter Bezugnahme auf den Sachvortrag der Kläger in den Verfahren 4 K 1/95, 4 K 2/95 und 4 K 4/95, daß vom ERAM Gefahren ausgingen, die eine sofortige Schließung des Endlagers erforderten.

Sie behaupten weiter,

- es würden radioaktive Abfallstoffe der Strahlenschutzgruppe S 5 eingelagert,

- ferner würden "heiße" Teile des Reaktordruckbehälters des Versuchsatomkraftwerkes Kahl in Morsleben eingelagert; zu diesem Zweck sei auch der Förderkorb im ERAM ausgetauscht worden, da der alte für die Abfallbehälter aus Kahl zu klein gewesen sei.

Sie beantragen,

1. den Antragsgegner zu 1 als zuständige Planfeststellungsbehörde zu verpflichten, der Antragsgegnerin zu 2

A. bis zum Abschluß der eingeleiteten Überprüfung der weitergeltenden Betriebsgenehmigung von 1986

a) die wiederaufgenommene Einlagerung radioaktiver Abfälle im Wege der Versturztechnik,

b) die ab sofort wiederaufgenommene Einlagerung mittelradioaktiver Abfälle,

c) die Annahme und Einlagerung radioaktiver Abfallstoffe, stammend aus dem Versuchsatomkraftwerk Kahl und teilweise zwischengelagert in der bayerischen Landessammelstelle Mitterteich, zu untersagen, bis zur Vorlage und Genehmigung der für Herbst 1995 angekündigten "Revision der Endlagerbedingungen" die Annahme und Einlagerung aller - auch der niedrigradioaktiven -Abfallstoffe im ERAM zu untersagen,

2. die Antragsgegnerin zu 2 zu verpflichten,

A. bis zum Abschluß der eingeleiteten Überprüfung der weitergeltenden Betriebsgenehmigung von 1986

a) die wiederaufgenommene Einlagerung radioaktiver Abfälle im Wege der Versturztechnik,

b) die ab sofort wiederaufgenommene Einlagerung mittelradioaktiver Abfälle,

c) die Annahme und Einlagerung radioaktiver Abfallstoffe, stammend, aus dem Versuchsatomkraftwerk Kahl und teilweise zwischengelagert in der bayerischen Landessammelstelle Mitterteich, einzustellen,

B. bis zur Vorlage und Genehmigung der für Herbst 1995 angekündigten "Revision der Endlagerbedingungen" die Annahme und Einlagerung aller - auch der niedrigradioaktiven - Abfallstoffe im ERAM zu unterlassen.

Der Antragsgegner zu 1 .hat keinen Antrag gestellt.

Die Antragsgegnerin zu 2 beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie meint,

- die mit dem Land im November 1993 getroffene Einlagerungsbeschränkung auf feste niedrigradioaktive Abfallstoffe sei rechtlich nicht verbindlich und habe nur für die Anlaufphase des Betriebes nach der Übernahme durch das Bundesamt für Strahlenschutz gegolten. Die Beschränkung sei nicht auf Grund sicherheitsanalytischer Untersuchungen erfolgt, sondern nur vorsorglich, um erste Betriebserfahrungen zu sammeln. Aufgrund der seitdem vergangenen Zeit von mehr als einem Jahr und der dabei gemachten positiven Betriebserfahrung habe die Selbstbeschränkung wieder aufgehoben werden können.

Die Antragsgegnerin zu 2 behauptet,

- seit der Wiederaufnahme des Einlagerungsbetriebes am 13. Januar 1994 bis heute würden lediglich Abfälle der Strahlenschutzkategorie S 1, S 2 und S 3 eingelagert,

- Anträge auf Einlagerung hochradioaktiver Teile des abgebauten Versuchsatomkraftwerkes Kahl lägen nicht vor. Derartige Abfallstoffe würden auch nicht eingelagert. Der Anmeldepflichtige müsse die von ihm anzuliefernden Stoffe vorab anmelden und dabei die Einhaltung der in der Dauerbetriebsgenehmigung und den Endlagerungsbedingungen angegebenen Aktivitätskonzentrationen dargelegen. Unabhängig davon werde vom Bundesamt für Strahlenschutz im Rahmen der sogenannten Produktkontrolle mit Hilfe von unabhängigen Sachverständigen nochmals gesondert geprüft, ob die angelieferten Abfälle den Vorgaben der Dauerbetriebsgenehmigung entsprächen.

Dies schließe auch die Prüfung der Aktivitätskonzentrationen der angelieferten Abfälle ein. Über sie, die durchgeführten Kontrollen und die Endlagerung werde eine Dokumentation erstellt, die es ermögliche, jeweils den Ablieferungspflichtigen, die Abfallart und die Aktivitätskonzentration nachzuvollziehen. Die Einhaltung dieser organisatorischen Vorkehrungen werde im ERAM vom Bundesamt für Strahlenschutz fortlaufend überwacht. Bisher seien im ERAM nur in einem Fall am 05. Mai 1995 niedrigradioaktive Abfälle endgelagert worden. Die Abfälle bestünden aus hochdruckverpreßten Mischabfällen der Strahlenschutzgruppe S 1, - der Förderkorb im ERAM sei 1991 nicht durch einen größeren ersetzt worden. Da der alte verschlissen gewesen sei, sei er durch einen Ersatzkorb mit den gleichen Abmessungen ersetzt worden.

Der Senat hat Beweis darüber erhoben, ob aus dem Versuchsatomkraftwerk Kahl hochradioaktives Material zur Endlagerung in das ERAM verbracht werden soll, durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des Geschäftsführers des Versuchsatomkraftwerkes Kahl GmbH, Dr. E.... Der Zeuge verneint, daß hochradioaktives Material aus dem VAK im ERAM end-gelagert werden solle.

II,

1. Die Anträge zu 1 und 2 A a), b) und 2 B sind unzulässig. Der Antrag zu 2 A c) ist zulässig, aber unbegründet.

1.1 Soweit die Antragsteller die Annahme und Einlagerung radioaktiver Abfallstoffe verhindern wollen, sind die Anträge nach § 123 VwGO statthaft, da keiner der Fälle des §§ 80 und 80 a VwGO vorliegt (§ 123 Abs. 5 VwGO). Im Hauptsacheverfahren können die Antragsteller ihr Begehren nur durch Verpflichtungsklage gegenüber dem Antragsgegner zu 1 und durch allgemeine Leistungsklage gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 durchsetzen, so gegen den Antragsgegner zu 1 auf Verpflichtung, der Antragsgegnerin zu 2 die weitere Einlagerung im Wege der Staatsaufsicht zu untersagen, und gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 auf Verpflichtung zur Unterlassung der weiteren Einlagerung.

1.2 Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ist dadurch gewahrt, daß sich die Antragsteller zunächst mit den Schreiben vom 04. September 1994 an die Antragsgegner gewandt haben (vgl. zu diesem Erfordernis: Kopp, VwGO, 10. Aufl.,1994, § 123 Rdnr. 25; Huba, JuS 1990, 983, 987).

1.3 Die Antragsteller sind aber nicht antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog).

Sie haben nicht darlegen können, daß das Unterlassen aufsichtsbehördlicher Maßnahmen gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 sie, die Antragsteller, in ihren Rechten verletzt, da ihnen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen den Antragsgegner zu 1 zusteht; denn Bundesendlager unterstehen nicht der Aufsicht der Länder. Der Bund nimmt vielmehr selbst die Aufsicht als Eigenaufsicht wahr. Damit kann der Antragsgegner zu 1 die begehrten Maßnahmen nicht ergreifen. Demzufolge fehlt es an einem subjektiv-öffentlichem Recht der Antragsteller auf Einschreiten des Antragsgegners zu 1 gegen die Antragsgegnerin zu 2 zu ihren, der Antragsteller, Gunsten.

1.3.1 Dem Antragsgegner zu 1. stehen keine Befugnisse staatlicher Aufsicht gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG zu.

Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 03. Oktober 1990 ist die nach DDR-Recht 1986 erteilte atomrechtliche Betriebsgenehmigung für niedrig- bis mittelradioaktive Abfälle für das Endlager Morsleben kraft Gesetzes nach § 57 a AtG auf die Antragsgegnerin zu 2 als Planfeststellungsbeschluß im Sinne des § 9 b AtG übergegangen (BVerwGE90,255,257 ff.).

Die Aufsicht über Bundesendlager wird vom Bundesamt für Strahlenschutz als der in bundeseigener Verwaltung für die Errichtung und den Betrieb von undesendlagern zuständigen Bundesoberbehörde (Art. 87 Abs. 3 GG) als Eigenaufsicht des Bundes wahrgenommen.

(Senatsbeschluß vom 09.06.1995 - 4 K/95 - im Anschluß an das Urteil des Bezirksgerichts Magdeburg vom 27.11.1991 - OVG 3 K 91 -; ebenso Rengeling, Rechtsfragen zur Langzeitsicherheit von Endlagern für radioaktive-Abfälle, 1995, C. H. 3 b) aa), S. 32; ders., VerwArch 81 [1990], 370 ff.; Härtung, Die Atomaufsicht, S. 112 bis 114).

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AtG unterliegen der staatlichen Aufsicht der zuständigen obersten Landesbehörden der Umgang und Verkehr mit radioaktiven Stoffen, die Errichtung, der Betrieb und der Besitz von Anlagen, Geräten und Vorrichtungen der in § 11 Abs. 1 Nr. 3 AtG bezeichneten Art sowie die Beförderung dieser Stoffe, Anlagen und Geräte und Vorrichtungen. Anlagen zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle (§ 9 a Abs. 3 AtG) sind dort nicht aufgeführt. Da § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG die Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörde folgerichtig nicht über den durch § 19 Abs. 1 Satz 1 AtG gezogenen Rahmen ausdehnt, überschritte der Antragsgegner zu 1 seine Kompetenzen, wenn er der Antragsgegnerin zu 2 die weitere Einlagerung von radioaktiven Abfällen im ERAM untersagte.

Die Unterwerfung von Bundesendlagern für radioaktive Abfälle unter die staatliche Aufsicht des Landes nach § 19 Abs. 1 Satz 1 AtG läßt sich auch nicht mit der Erwägung begründen, in diesen Lagern würde mit radioaktiven Stoffen "umgegangen". Zwar bezeichnet § 11 Abs. 1 Nr. 1 AtG neben Gewinnung, Erzeugung, Lagerung, Bearbeitung, Verarbeitung und sonstiger Verwendung auch die Beseitigung solcher Stoffe als "Umgang" mit ihnen. Er unterliegt der staatlichen Aufsicht des Landes mit allen seinen Ausprägungen uneingeschränkt jedoch nur, soweit er - was § 9 Abs. 1 AtG prinzipiell gestattet - außerhalb von Anlagen im Sinne des Atomgesetzes stattfindet. Die staatliche Aufsicht des Landes über den Betrieb von Anlagen und damit der Umgang mit radioaktiven Stoffen in diesen Anlagen ist auf die in den §§ 7 und 11 Abs. 1 Nr. 2 AtG genannten Anlagen begrenzt.

Die Beschränkung der staatlichen Aufsicht des Landes beruht auf einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers und nicht auf einem redaktionellen Versehen. Dies ergibt sich aus der Zuständigkeitsregelung des § 24 Abs. 2 AtG. In dessen Satz 1 ist unter anderem angeordnet, daß die Genehmigung von Anlagen nach § 7 AtG sowie deren Rücknahme und Widerruf, ferner die lanfeststellung für Endlager, die bisher ausschließlich vom Bund betrieben werden, und die Aufhebung von Planfeststellungsbeschlüssen nach § 77 VwVfG der von der Landesregierung bestimmten obersten Landesbehörde obliegen. Im nachfolgenden Satz, der die Regelung der Aufsicht genehmigter Anlagen zum Gegenstand hat, sind nur noch die Anlagen nach § 7 AtG genannt, die der Aufsicht der obersten Landesbehörde unterstehen. Der Bund ist allein dafür verantwortlich, daß vom Betrieb seiner Bundesendlager keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen (Senatsbeschluß vom 09.06.1995 - 4 K 4/95 -; Rengeling, VerwArch 81, 370, 375; Härtung, a. a. 0., S. 112). Das Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG und der Grundsatz eines fairen Verfahrens schließen die damit gegebene Identität zwischen Vorhabenträger und Aufsichtsbehörde nicht aus (Rengeling, VerwArch 81, 370, 379)." Es gibt auch keinen allgemeinen Rechtssatz, daß eine effektive und kollisionsfreie Aufsicht eine Trennung von betreibender und zur Aufsicht verpflichteter Verwaltungsbehörde erfordert.

1.3.2 Der Antragsgegner zu 1 kann gegenüber der Antragsgegnerin zu 2 auch keine ordnungsrechtlichen Maßnahmen auf Grund der Generalklausel des § 8 des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 19. Dezember 1991 (GVBI. S. 538), zuletzt geändert durch ÄndG vom 23. Juni 1994 (GVBI. S. 710, 721), - SOG-LSA - ergreifen. Die Endlagerung radioaktiver Abfälle ist eine staatliche Aufgabe (Rengeling, VerwArch 81, 370, 381).

Sie ist in § 9 a Abs. 3 Satz 1 AtG dem Bund vorbehalten und seiner Verantwortung übertragen worden, weil sie aus Gründen der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes auf wenige Lagerstätten in der Bundesrepublik Deutschland beschränkt werden sollte und die technischen und rechtlichen Probleme der Lagerung nur aus der gesamtstaatlichen hoheitlichen Position heraus lösbar erschienen (Haedrich, Atomgesetz, 1986, § 9 a, Rdnr. 40). Der für das Polizei- und Ordnungsrecht entwickelte allgemeine Grundsatz, daß der jeweils tätig werdende Verwaltungsträger selbst zuständig und verantwortlich dafür ist, daß von seinem Handeln und seinen Einrichtungen keine Gefahren für die öffentliche Sicherheit ausgehen, läßt einen Rückgriff auf die ordnungsrechtliche Generalklausel nicht zu. Gegenüber anderen Behörden st die Anwendung von Zwangsmitteln nur dann zulässig, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung besteht. Ordnungsbehörden sind ohne eine solche nicht befugt, in den Tätigkeitsbereich anderer Hoheitsträger einzugreifen (vgl. statt vieler; Drews/WackeA/ogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., 6, S. 241 m. w. N.)

2. Die gegen die Antragsgegnerin zu 2 gerichteten Anträge zu 2 A a), b) und der Antrag zu 2 B sind ebenfalls unzulässig.

2.1 Die Anträge sind nach § 123 VwGO statthaft; den Antragstellern steht auch das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis zu. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe zu II 1.1 und 1.2 Bezug genommen,

2. 2 Die Antragsteller haben indessen nicht dargelegt, daß sie durch den weiteren Betrieb des ERAM im Rahmen der bestehenden Betriebsgenehmigung in ihren Rechten, auch nicht in ihrer Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 GG verletzt sein können (§ 42 Abs. 2 VwGO), sie also antragsbefugt sind.

2.2.1 Rechtsgrundlage des Begehrens der Antragsteller, von der Antragsgegnerin zu 2 die Unterlassung der weiteren Einlagerung trotz der bestehenden Betriebsgenehmigung zur Einlagerung der niedrig- und mittelradioaktiven Abfälle und der Nutzung der Versturztechnik im Wege der Eigenaufsicht verlangen zu können, ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch gegen die Fortsetzung des schlicht-hoheitlichen Verwaltungshandels.

Unabhängig davon, ob dieser Anspruch dogmatisch unmittelbar aus der Abwehrfunktion der Grundrechte folgt (so: OVG Münster, Beschl. vom 31.8.1984 - 20 B 1361/84- NVwZ 1985. 123; VGH Mannheim, Beschl. vom 2.7.1985 - 14 S 942/85 -, NJW 1986, 340; OVG Koblenz, Urt. vom 26.9.1985 -1 A 89/84 - NJW 1986. 953; Schoch VerwArch 1988, 1, 38 m. w. N. in Fußnote 218) oder ob er aus einer Analogie zum zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB abgeleitet werden kann (so: BayVGH, Urt. vom 18.12.1990 - 8 B 87.03780 -, NJW 1991, 2660; VGH Mannheim, Beschi. vom 6.8.1990 - 9 S 1725/89 -, NVwZ 1991 184, 185; OVG Koblenz, Urt. vom 29.8.1989 - 7 A 26/89 -, NVwZ 1990, 279; VGH Kassel, Urt. vom 20.10.1978 - 9 OE 24/83 - NJW 1988, 1683; Laubinger VerwArch 1989, 261, 291; Steinberg, Das Nachbarrecht der öffentlichen-Anlagen, 1988, S. 11 f.), herrscht Übereinstimmung darüber, daß er die drohende Beeinträchtigung einer grundrechtlich geschützten Rechtsposition durch bevorstehendes hoheitliches Handeln voraussetzt, für das der Hoheitsträger keine Rechtsgrundlage hat und das der Betroffene infolgedessen auch nicht dulden muß.

Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand fehlt es für den Betrieb des ERAM an einer Rechtsgrundlage jedoch nicht. Die Antragsgegnerin zu 2 ist Inhaberin einer wirksamen Betriebsgenehmigung (2.2.1.1 bis 2.2.1.4); sie ist auch nicht - ausnahmsweise - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 17 Abs. 5 AtG gehindert, von dieser Genehmigung weiter Gebrauch zu machen (2.2.2).

2.2.1.1 Die Antragsgegnerin zu 2 hat eine gültige Betriebsgenehmigung.

Gemäß § 57 a AtG gilt die Dauerbetriebsgenehmigung vom 22. April 1986 als Planfeststeilungsbeschluß fort.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist sie nicht wegen Verstoßes gegen das Europäische Gemeinschaftsrecht unwirksam, weil vor ihrem Erlaß keine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgenommen worden ist.

Art. 2 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 27. Juni 1985 (85 / 337 / EWG - ABI. 1985 Nr. L 175/40 ff. -) bestimmt, daß vor Genehmigungen von Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzunehmen ist. Die Bundesrepublik Deutschland hat diese Richtlinie durch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vom 12. Februar 1990 (BGBI. l S. 205) umgesetzt. Dessen Bestimmungen finden jedoch auf den Übergang der von den DDR - Behörden am 22. April 1986 erteilten Dauerbetriebsgenehmigung auf das Bundesamt für Strahlenschutz auf Grund des durch den Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBI II S, 889) in das Atomgesetz eingefügten § 57 a AtG keine Anwendung. Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 27. Juni 1985 stellt ausdrücklich fest, daß sie ncht für Projekte gilt, die im einzelnen durch einen besonderen einzelstaatlichen Gesetzgebungsakt genehmigt werden.

2.2.1.2 Der von den DDR-Behörden am 22. April 1986 erteilten Dauerbetriebsgenehmigung ging zwar, anders als dies nach dem bundesdeutschen Atomrecht vorgesehen ist, keine Bürgerbeteiligung voraus. Dies führt aber ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der als Planfeststellungsbeschluß fortgeltenden Dauerbetriebsgenehmigung vom 22. April 1986. Der Senat folgt dabei der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 90, 255, 263), daß zwar den Staat angesichts der Schwere möglicher Gefahren durch die friedliche Nutzung der Atomenergie eine besondere Schutzpflicht für das Leben, die Gesundheit und das Eigentum der Bürger trifft (§ 1 Nr. 2 AtG) und daß er - im Hinblick auf das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG - dieser Schutzpflicht auch bei der Gestaltung des Verfahrens für die Zulassung entsprechender Endlager Rechnung zu tragen hat. Aus der Verfassung ist jedoch nicht abzuleiten, daß zwingend eine Bürgerbeteiligung vor der Überleitung der schon vorhandenen Genehmigung erforderlich war. Denn das ERAM war vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland mehr als vier Jahre hinweg auf Grund der Dauerbetriebs-Genehmigung vom 22. April 1986 in Betrieb, für deren Erteilung ebenfalls die Frage des sicheren Betriebes Prüfungsgegenstand war.

Die Beteiligung betroffener Bürger am Genehmigungsverfahren ist nicht Selbstzweck, sondern dient dazu, die Argumente bereits im Verwaltungsverfahren aufzunehmen und zu bewerten und Betroffene nicht erst auf den Klageweg zu verweisen.

Die Bundesrepublik Deutschland stand bei dem Beitritt der DDR vor der Problematik, auf risikobehaftete technische Verfahren das bundesdeutsche Recht mit seinem in über 40 Jahren entwickelten Standard zu übertragen. Dabei mußte der Gesetzgeber nicht ausnahmslos alle von DDR-Behörden erteilten Genehmigungen aufheben und erneut erteilen, was praktisch zum Stillstand in vielen Bereichen geführt hätte, solange nicht die Gefährlichkeit der betreffenden Verfahren bekannt war und deshalb eine Neubescheidung erforderte.

Dem Schutz der Grundrechte konnte er vielmehr auch dadurch genügen, daß er zum einen die Fortdauer der Genehmigung zeitlich befristete, so daß für dieZeit nach dem 30. Juni 2000 für den Betrieb des ERAM ein Planfeststellungsverfahren erforderlich ist, zum anderen dadurch, daß seit dem 03. Oktober 1990 das AtG anwendbar ist. Dies hat zur Folge, daß die zuständige oberste Landesbehörde, soweit es zur Erreichung des in § 1 Nr. 2 AtG bezeichneten Zwecks - dem Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern vor den Gefahren der Kernenergie - erforderlich ist, auch nachträgliche Auflagen erteilen kann. Schließlich ist die Antragsgegnerin zu 2 im Rahmen ihrer Eigenaufsicht verpflichtet, die weitere Einlagerung zu unterlassen und gegebenenfalls das ERAM zu schließen, wenn sich "erhebliche Gefährdungen" Dritter im Sinne des § 17 Abs. 5 AtG ergeben, die nicht durch nachträgliche Maßnahmen beseitigt werden können. Ebensowenig wie Atomkraftwerke betrieben werden können, die eine "erhebliche Gefahr"' darstellen mit der Folge, daß die Aufsichtsbehörde die Betriebsgenehmigung nach § 17 Abs. 5 AtG widerrufen muß, können auch Endlager, von denen eine solche Gefahr ausgeht, nicht weiter in Betrieb bleiben. Denn die friedliche Nutzung der Kernenergie ist insgesamt nur soweit mit dem Grundgesetz vereinbar, als die Möglichkeit eines Schadenseintritts "praktisch ausgeschlossen" ist (BVerfG, Beschl. vom 8.8.1978,-2 BvL 8/77-. BVerfGE 49, 89, 143).

2.2.1.3 Die Antragsteller können sich der Antragsgegnerin zu 2 gegenüber auch nicht darauf berufen, daß sie, die Antragsgegnerin zu 2, sich 1993 gegenüber dem Antragsgegner zu 1 verpflichtet hatte, nur noch niedrigradioaktive Abfälle einzulagern und damit die Dauerbetriebsgenehmigung vom 22. April 1986 nicht in vollem Umfange auszunutzen.

Diese Zusage hatte allein politische Bedeutung. Rechtlich wäre eine solche erhebliche Beschränkung des Umfanges der Dauerbetriebsgenehmigung erst durch ein Planfeststellungsverfahren nach § 9 b AtG wirksam geworden. Ein solches ist aber nicht durchgeführt worden. -

2.2.1.4 Die als Planfeststellungsbeschluß nach § 57 a AtG fortgeltende Dauerbetriebsgenehmigung vom 22. April 1986 ist ferner nicht durch die von dem Antragsgegner zu 1 am 24. August 1995 erteilten Auflagen auf die Einlagerung niedrigradioaktiver Abfälle wirksam beschränkt worden.

Auf Grund der Weisung der Antragsgegnerin zu 2 vom 01. September 1995 ist der Antragsgegner zu 1 rechtswirksam verpflichtet worden, diese Auflagen wieder aufzuheben. Die Landesbehörden unterstehen, wenn Gesetze wie das Atomgesetz nach Art. 87 c GG in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Satz 1 AtG im Auftrage des Bundes ausgeführt werden, gemäß Art. 85 Abs. 3 GG den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörde mit der Maßgabe, daß der Vollzug der Weisungen von den obersten Landesbehörden sicherzustellen ist. Gegenstand der Weisung sind auch nach außen gerichtete verfahrensabschließende Entscheidungen, wie die Aufhebung nachträglicher Auflagen. Der Bund kann diese Weisungen erteilen, obwohl er selbst Adressat der Auflagen ist am (vgl. dazu: BVerfG, Urt. vom 20.2.1990 - 2 BvG 1/88 -, BverfGE 81, 10; Urt. vom 10.4.1991 -2 BvG 1/91 -, BVerfGE 84, 25).

Die Länder sind an die Weisung gebunden.

2.2.1.5 Damit ist von dem Bestehen einer wirksamen Betriebsgenehmigung für die Einlagerung niedrig- und mittelradioaktiver Abfallstoffe im Umfange der Dauerbetriebsgenehmigung vom 22. April 1986 bis zum 30. Juni 2000 auszugehen.

2.2.2 Die Ausnutzung einer atomrechtlichen Genehmigung ist für den Genehmigungsinhaber grundsätzlich rechtmäßig mit der Folge, daß Dritte den Berieb im genehmigten Umfange zu dulden haben.

2.2.2.1 Daher kann in der Regel auch nicht die Unterlassung der weiteren Ausnutzung des genehmigten Betriebes verlangt werden. Dies entspricht der Regelung des § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG. Danach sind Ansprüche auf Unterlassung des Vorhabens, auf Beseitigung oder Änderung der Anlagen oder auf Unterlassung ihrer Benutzung ausgeschlossen, wenn der Planfeststellungsbeschluß unanfechtbar geworden ist.

Den Antragstellern kann im vorliegenden Verfahren diese Vorschrift aber nicht entgegengehalten werden. Ihre Anwendbarkeit setzt schon vom Wortlaut her (unanfechtbar "geworden") voraus, daß der Planfeststellungsbeschluß zunächst überhaupt anfechtbar gewesen sein muß. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Dauerbetriebsgenehmigung der DDR-Behörden vom 22. April 1986 ist durch Gesetz nach § 57 a AtG als bestandskräftiger Planfeststellungsbeschluß fingiert worden.

(OVG Magdeburg, Beschl. vom 13.12.1993 - 3 M 29/93 -; Rengeling, DVBL 1992,222).

Die Dauerbetriebsgenehmigung war in der DDR gerichtlich nicht überprüfbar, da ein Rechtsmittel nur dann eingelegt werden konnte, wenn dies "ausdrücklich gesetzlich vorgesehen war (Schulze u.a., Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Staatsverlag der DDR, Berlin 1979, S. 339), was bei dem hier maßgeblichen Atomenergiegesetz der DDR vom 8, Dezember 1983 (GBI.-DDR l Nr. 34, S. 325) gegen atomrechtliche Erlaubnisse nach § 7 Abs. 1 AtG - DDR nicht der Fall war.

2.2.2.2 Daher ist es zwar rechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen, daß den Antragstellern ein Anspruch auf Unterlassung der weiteren Einlagerung radioaktiver Abfälle entsprechend dem Rechtsgedanken des § 17 Abs. 5 AtG zustehen kann. Die Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO setzt aber weiter voraus, daß nach dem tatsächlichen Vorbringen der Antragsteller die Tatbestandsmerkmale der zugrunde zu legenden Norm erfüllt werden, wobei bei streitigem Vorbringen vom Sachvortrag der Antragsteller auszugehen ist. Die Frage, ob der Tatsachenvortrag zutrifft oder nicht, ist dann in der Begründetheit zu entscheiden.

Die Antragsteller haben nicht dargelegt, daß während der Betriebsphase tatsächlich eine "erhebliche Gefahr" im Sinne des § 17 Abs. 5 AtG für ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 und 14 GG entstanden ist, und kumulativ, daß diese nicht durch nachträgliche technische, bauliche oder organisatorische Maßnahmen in angemessener Zeit beseitigt werden können.

Der Gefahrbegriff des § 17 AtG entspricht dem allgemeinen polizeirechtlichen Gefahrbegriff (eingehend dazu: VGH Kassel, Beschl. vom 28.06.1989 - 8 Q 2809/88 - NVwZ 1989, 1183, 1185; vgl. auch: Sender, DÖV 1988, 813, 815, 816; Sellner, a. a .0., S. 3471), d. h., es müssen Tatsachen eine Sachlage ergeben, die bei ungehindertem Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden führen wird. Der Gefahrbegriff wird daher nicht erfüllt, wenn ein Schadenseintritt nur möglich oder nicht auszuschließen ist. Die Prognose muß sich dabei auf objektive Kriterien stützen. Auf subjektive Befürchtungen, so verständlich sie auch sein mögen, kommt es dagegen nicht an (BVerwG, Urt. vom 26.2.1974 -1 C 31.72 -, BVerwGE 45, 51, 57; Friauf in: von Münch/S...-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl. 1992, S.117f., Rdnr. 45).

Weiter ist für einen Anspruch der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin zu 2 unerheblich, ob für Bedienstete des ERAM, die Allgemeinheit oder die Umweit eine Gefahrenlage anzunehmen ist und deshalb die Antragsgegnerin zu 2 im Wege der Eigenaufsicht zur Unterlassung der weiteren Einlagerung verpflichtet wäre. Die Antragsteller haben keinen gegen die Antragsgegnerin zu 2 durchsetzbaren allgemeinen Rechtsanspruch darauf, daß sie sich gesetzestreu verhält. Ihnen steht ein eigenes einklagbares subjektiv-öffentliches Recht nur dann gegen die Antragsgegnerin zu 2 auf Einstellung und Unterlassung der weiteren Einlagerung niedrig- und mittelradioaktiven Abfalls zu, wenn nach ihrem Sachvortrag es bei objektiver Betrachtung möglich ist, daß ihre Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 und 14 GG durch den Weiterbetrieb des ERAM Schaden nehmen werden, und die Gefahr des Schadenseintritts nicht durch andere Maßnahmen abgewendet werden kann.

2.2.3 Die Antragsteller selbst tragen keine konkreten Tatsachen vor, aus denen objektiv nachvollziehbar sich Ursachen im Betrieb des ERAM ergäben, die möglicherweise zu einer Gefährdung für die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 und 14 GG führen könnten. Sie vermuten vielmehr lediglich, daß der Betrieb des Bundesendlagers für sie gefährliche Auswirkungen habe. Im übrigen erschöpft sich ihr Sachvortrag in der Bezugnahme auf ebenfalls vor dem Senat anhängige Hauptsacheverfahren sowie den Auflagenbescheid des Antragsgegners zu 1 vom 24. August 1995.

2.3.1 Die Bezugnahme auf den Sachvortrag der Kläger der Verfahren 4 K 1/95,4 K 2/95 und 4 K 4/95 zu den Sicherheitsfragen des ERAM genügt den Anforderungen an die Darlegung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 5AtG nicht:

(1) In dem Verfahren 4 K 1/95 trägt die Klägerin, die im vorliegenden Verfahren die Prozeßbevollmächtigte der Antragsteller ist, im Schriftsatz vom 26. Februar 1995 (Bl. 140 d. A.) vor, daß sie wegen des laufendenden Planfeststellungsverfahrens sich davor "hüten" werde, "in den von ihr ... geführten Klagen konkrete einzelne Sicherheitsfragen und Problemkreise so detailliert auf[zu]listen, daß eine möglicherweise erst im Planfeststeilungsverfahren vollständig mögliche abschließende Beurteilung des konkreten Aspektes durch Richterspruch präkludiert ist". Es findet sich daher auch kein Tatsachenvortrag, aus dem sich konkret ergibt, daß durch den Weiterbetrieb des ERAM objektiv ein Schaden an den Grundrechten der Antragsteller aus Art. 2 Abs. 2 und 14 GG eintreten würde:

So weist sie auf Bl. 96 d. A. - 4 K 1/95 - darauf hin, daß ab Mai/Juni 1990 ein Ein- und Endlagerungsstop radioaktiver Abfallstoffe erfolgt sei. Näherer Sachvortrag dazu, ob inzwischen den damals vorhandenen Sicherheitsbedenken nicht durch zusätzliche technische, bauliche oder organisatorische Maßnahmen begegnet worden ist oder noch begegnet werden kann, fehlt Die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 5 AtG im Rahmen der Eigenaufsicht verlangt aber, daß neben dem Vorliegen einer durch den Fortbetrieb gegebenen verursachten Gefährdung kumulativ diese Ursache nicht durch nachträgliche Maßnahmen in angemessener Zeit beseitigt werden kann. Die Klägerin hat nicht dargelegt, daß weitere nachträgliche Abhilfemaßnahmen ausscheiden oder erfolglos wären.

(2) !n dem Verfahren 4 K 4/95 werden ebenfalls keine Tatsachen dargelegt, aus denen eine konkrete Gefahr für die Grundrechte durch die weitere Einlagerung niedrigradioaktiver Abfälle abgeleitet werden könnte.

(3) Die Kläger des Verfahrens 4 K 2/95 stützen sich zur Begründung der einzelnen Sicherheitsmängel auf das Sachverständigengutachten des Ing. (grad.) Gerhard S... vom 10. Mai 1994 (Bl. 77 ff. d. A.), der aber nicht speziell der Frage einer Gefährdung Helmstedter Bürgerinnen und Bürger durch den Betrieb des ERAM nachgeht, sondern die Frage untersucht, ob der Salzstock Morsleben als Bundesendlager für niedrig- und mittelradioaktive Abfälle nach § 9 b AtG genehmigungsfähig ist:

a) So wird zum einen die Standorteignung des Salzbergwerkes bezweifelt.

Der Salzstock, der der Endlagerung diene, weise nicht die erforderliche Hohlraumstabilität für den dauerhaften sicheren Einschluß der radioaktiven Abfälle auf. Schwere Unfälle könnten nicht ausgeschlossen werden, insbesondere nicht ein Wassereinbruch im Hauptschacht. Beim Einsturz von Abbaukammern, der zum Verlust der isolierenden Schutzschichten führen würde, könnte es zu einem unkontrollierten Zufluß lösenden Süßwassers aus den Deckgebirgen und damit zur Unbefahrbarkeit des Bergwerkes kommen. Die Schächte würden "absaufen"

Diese Vorgänge würden sich allerdings im Inneren des Salzbergwerkes abspielen. Es sind keine konkreten Umstände dargelegt, aus denen sich der Schluß ziehen ließe, daß dieses angenommene Geschehen für einen Schadenseintritt an den Grundrechtsgütern der 4,6 Kilometer vom ERAM entfernt wohnenden Antragsteller objektiv ursächlich sein könnte.

- So ist weder im Sachvortrag der Kläger des Verfahrens 4 K 2 / 95 noch in dem Parteigutachten des Sachverständigen S... davon die Rede, daß radioaktive Stoffe oder Strahlung über den Luftweg freigesetzt werden würden.

- Auch die Gefahr einer Kontaminierung des Grund- und Trinkwassers in Helmstedt besteht nicht. Die hierfür in Betracht kommenden Wasserströme stehen in keiner Verbindung mit eventuell aus dem Salzbergwerk austretendem Wasser.

b) Weiter wird eine durch den Betrieb des ERAM gefährdende radioaktive Belastung über den Luftpfad befürchtet.

Die Kläger wenden ein, der Normalbetrieb des ERAM führe zu einer jährlichen Strahlenbelastung von 340 Mikrosievert bei Erwachsenen und 400 Mikrosievert bei Kindern (effektive Dosis) bzw. mehr als 330 Mikrosievert bei Erwachsenen und mehr als 400 Mikrosievert bei Kindern (Teilkörperdosis für Keimdrüsen, Gebärmutter, rotes Knochenmark). Damit würde der Dosisgrenzwert des § 45 Abs. 1 Nr. 1 StrISchV überschritten, wonach nur 300 Mikrosievert zulässig sind.

Auch hieraus läßt sich die Klagebefugnis der Antragsteller nicht ableiten. Zwar hat § 45 StrSchV drittschützenden Charakter (BVerwG, Urt. vom 22.7.1980 - 7 C 84.78 -, BVerwGE 61, 256, 264).

Die Vorschrift gilt jedoch nach ihrem Wortlaut nur für die Planung einer Anlage, nicht aber für deren Betrieb, Die Frage, ob eine analoge Anwendung über den reinen Wortlaut hinaus in Betracht zu ziehen ist, kann hier offenbleiben, da weder die Kläger in dem in Bezug genommenen Verfahren 4 K 2/95 noch die Antragsteller geltend gemacht haben, daß die Dosisgrenzwerte in Helmstedt ebenfalls nicht eingehalten werden. Die Sicherheitsanalyse der GSR, auf die der Parteigutachter S... Bezug nimmt, führt lediglich aus, daß bei Ausschöpfung der genehmigten Werte für die Ableitung radioaktiver Stoffe mit den Abwettern die Dosisgrenzwerte - allerdings nur in geringfügigerer Höhe - am Standort Morsleben überschritten werden könnten. Da sich die Abluft nach dem Austritt aus den Hauptgrubenlüftern mit der Außenluft vermischt, ist es objektiv ausgeschlossen, daß mit einer Überschreitung der Grenzdosiswerte noch am Zweitwohnsitz der Antragsteller zu rechnen ist.

Die Antragsteller haben selbst nicht vorgetragen, daß Luftimmissionen eingetreten seien, die die Grenzwertbelastungen nach § 28 Abs. 3 Satz 1 StrlSchV an ihrem Zweitwohnsitz überschritten hätten. Auch der Antragsgegner zu 1 stellt in der Begründung seines Auflagenbescheides nicht auf eine über den Grenzwerten liegende Strahlenbelastung in Helmstedt ab.

c) Ferner wird eine mangelnde Störfallsicherheit und damit die erhöhte Strahlenbelastung bei Eintritt des Störfalles von den Klägern behauptet.

Die insoweit heranzuziehende Vorschrift des § 28 Abs. 3 Satz 1 StrSchV ist ebenfalls tatbestandlich nicht einschlägig, da sie sich nur auf Kernkraftwerke bezieht. Unter einem Kernkraftwerk ist eine kerntechnische Anlage zur Erzeugung elektrischer Energie zu verstehen (Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 11, S. 625).

Das Bundesendlager dient aber nicht der Energieerzeugung. Weiter ist § 28 StrISchV, wie sich aus dem Begriff "Planung" ergibt, nicht auf bereits bestehende Anlagen anwendbar (so auch die amtliche Begründung zu § 28 StrISchV, abgedruckt bei Kramer/Zerlett, Strahlenschutzverordnung/Strahlenschutz-Vorsorgegesetz, 3. Aufl., C § 28, Anm. l).

Dennoch dürfte zugunsten der Antragsteller davon auszugehen sein, daß die Dosisgrenzwerte des § 28 Abs. 3 Satz 1 StriSchV bei der Frage, ob der Betrieb eines Bundesendlagers analog § 17 Abs. 5 AtG einzustellen ist, mit heranzuziehen sind; denn die primär für die Planung eines Kernkraftwerkes zugrunde zu legenden Werte beruhen auf der naturwissenschaftlichen Einschätzung, ab wann Strahlendosen die menschliche Gesundheit gefährden.

Die Sicherheitsanalyse der GSR vom März 1991 enthält unter den Punkten 3.3 - 1 bis 3.3-16 eine Störfalluntersuchung. Unter einem Störfall ist ein Ereignisablauf zu verstehen, bei dessen Eintreten der Betrieb der Anlage oder die Tätigkeit aus sicherheitstechnischen Gründen nicht mehr fortgeführt werden kann und für den die Anlage technisch und baulich auszulegen ist oder für den bei der Tätigkeit vorsorglich Schutzvorkehrungen vorzusehen sind (Anlage l zu § 2 StrISchV).

Die GSR kommt in der Sicherheitsanalyse zu dem Ergebnis, daß bei den Störfällen - Absturz schwerer Lasten auf Abfallgebinde - Brand eines Containers in der Umladehalle - Brand von Abfallgebinden untertage auch unter ungünstigsten Annahmen für die freigesetzte Radioaktivität die Störfallplanungswerte des § 28 Abs. 3 Satz 1 StrISchV eingehalten werden. Zum Störfall "Erdbeben" führt die GSR aus, daß sich die Allertalsohle, in der das ERAM liegt, in einem Gebiet mit geringer seismischer Aktivität befinde. Die Containerhalle, die Krananlagen sowie die Turmförderanlage seien nicht gegen dynamische Belastungen ausgelegt. Inwieweit die statische Auslegung der Gebäude erdbebeninduzierte Beschleunigungen ohne Beschädigungen abfange, könne zum derzeitigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, daß es bei einem Erdbeben zu einem Einsturz von den genannten Anlagenteilen bzw. zum Absturz von Trümmerlasten auf Abfallgebinde komme. Bei den untertägigen Anlagenteilen des ERAM seien die Erdbebenauswirkungen auf technische Einbauten, Kammerbauwerke, in denen die Einlagerung erfolge, und erdbebeninduzierte Löserfälle nur von untergeordneter Bedeutung. Diese Aussage gelte jedoch nicht für das gesamte Grubengebäude. Inwieweit bei Ausfall der Bewetterungseinrichtungen im Erdbebenfall ein rechtzeitiger Ersatz bzw. die Reparatur möglich sei, könne bisher noch nicht beantwortet werden. Eine Störungsumkehr und der Auszug der Abwetter aus den Einlagerungskammern über dem Einlagerungsschacht könnten nicht ausgeschlossen werden.

Die von den Gutachtern festgestellten Mängel der Störfallsicherheit, stellten dann eine bestehende objektive ''erhebliche Gefährdung" der Antragsteller im Sinne des § 17 Abs. 5 AtG dar, wenn der Störfalleintritt nicht völlig fernliegend ist und die Gefahrenursache nicht durch nachträgliche Auflagen in angemessener Zeit beseitigt werden kann.

Diesen Schluß lassen die vorliegenden Gutachten jedoch nicht zu:

- Es ist nicht anzunehmen, daß der Absturz schwerer Lasten auf Abfallgebinde nicht durch technische Maßnahmen vermeidbar ist bzw. daß die Folgen für die Antragsteller ungefährlich gehalten werden können, zumal sich diese Ereignisse unter Tage abspielen.

- Die Brandgefahr ist einerseits durch die Einlagerungsbedingungen beherrschbar. Die Antragsgegnerin zu 2 hat dazu - von den Antragstellern unwidersprochen - vorgetragen, daß nur noch nicht brennbare Stoffe eingelagert werden. Weiter ist nicht erkennbar, daß - soweit es dennoch zu einem Brand kommt - bauliche, technische und organisatorische Möglichkeiten nicht ausreichen, um Strahlungsimmissionen zu vermeiden, die noch für die 4,6 lometer vom ERAM entfernt lebenden Antragsteller gefährlich sein könnten.

Die Frage, ob das ERAM gegen Erdbeben sicher ausgelegt ist, ist in den Gutachten nicht beantwortet. Da das ERAM lediglich in einem Gebiet mit geringer seismischen Aktivität liegt, sind Anhaltspunkte für eine Gefahr im Sinne des § 17 Abs. 5 AtG für die Antragsteller jedoch nicht gegeben. Auch der Antragsgegner zu 1 hat in seinem Auflagenbescheid vom 24. August 1995 nicht darauf abgestellt, daß das ERAM erdbebengefährdet sei.

d) Weiter werden Einwände gegen die Langzeitsicherheit des ERAM geltend gemacht.

Diese Frage stellt sich im vorliegenden Fall nicht, da die Betriebsgenehmigung nach § 57 a AtG zeitlich bis zum 30. Juni 2000 befristet ist. Ob es in Morsleben über den 30. Juni 2000 hinaus ein Endlager für niedrig- und mittelradioaktive Abfälle gibt oder wegen fehlender Langzeitsicherheit des Salzstockes nicht geben kann, ist eine Frage, die im Rahmen des laufenden Planfeststellungsverfahrens zu klären sein wird.

e) Auch die ungeklärte Frage, ob die schon aus DDR-Zeiten eingelagerten Abfälle wegen möglicher chemischer oder physikalischer Reaktionen mit den neu hinzukommenden Stoffen ein Risiko für Dritte darstellen können, rechtfertigt die Antragsbefugnis nicht.

Auf Seite 20 seines Gutachtens kommt der Sachverständige S... zwar zu dem Ergebnis, daß der v/eitere Einlagerungsbetrieb "nicht vor einer Klärung dieser Wechselwirkungen bzw. nicht vor der Beseitigung dieser Altlasten aufgenommen werden sollte.". Die Formulierung "sollte" statt "muß" macht aber deutlich, daß der Gutachter eine konkreten Gefahr, die die Unterlassung zwingend geböte, gerade nicht annimmt.

2.2.3.2 Auch die Kläger des Verfahrens 4 K 2/95 tragen keine Tatsachen vor, aus denen eine solche Gefahr abgeleitet werden kann. Dem Vorbringen der übrigen Verfahrensbeteiligten (des Antragsgegners zu 1 als Beklagten und der Antragsgegnerin zu 2 als Beigeladener) sowie aus den dort beigezogenen Verwaltungsvorgängen lassen sich ebenfalls keine Anhaltspunkte für einen Kausalzusammenhang zwischen dem Betrieb des ERAM und der vermuteten Gefährdung der Antragsteiler durch eine weitere Einlagerung niedrigradioaktiver Abfälle finden.

2.2.3.3 Die Gründe, aus denen der Antragsgegner zu 1 der Antragsgegnerin zu 2 durch die Erteilung der Auflagen vom 24. August 1995 die weitere Einlagerung mittelradioaktiven Materials untersagt hatte, erfüllen ebenfalls die tatbestandlichen Voraussetzungen einer erheblichen Gefahr für die Antragsteller im Sinne des § 17 Abs. 5 AtG nicht:

(1) Daß eine möglicherweise bestehende mangelnde Langzeitsicherheit des Salzstockes nicht gegeben und der Betrieb nicht ausreichend gegen Brandgefahr gesichert ist, führt aus den bereits oben unter II 2.2.5.1 (3) c dargelegten Gründen nicht dazu, daß die Antragsteller deswegen antragsbefugt sind.

(2) Es ist zweifelhaft, ob die Risiken der unter Tage stattfindenden Ver-sturztechnik zu einer Gefahr im Sinne des § 17 Abs. 5 AtG führt. Bisher werden lediglich Vermutungen über mögliche Gefahren geäußert. Es ist offenbar unbekannt, ob und gegebenenfalls welche chemischen und physikalischen Prozesse in Gang gesetzt werden, wenn durch Aufplatzen von verstürzten Containern bzw. durch das Verstürzen losen Materials gefährliche Verbindungen und Vermischungen entstehen. Der Antragsgegner zu 1 legt keine Umstände dar, die den Schluß darauf zuließen, daß durch das Verstürzen unter Tage eine Ursache für eine objektive hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts an den Grundrechten der 4,6 Kilometer vom ERAM entfernt lebenden Antragsteller aus Art. 2 Abs. 2, Art. 14 GG eintreten kann. Eine Gefahr kann nur durch Immissionen über die Luft entstehen, da die Grundwasserströme unter dem Bergwerk mit denen in Helmstedt nicht in Verbindung stehen.

2.2.3.4 In ihrer Gesamtbewertung schließen die vorliegenden Gutachten erkennbar nicht aus, daß die aus den beschriebenen Störfällen herrührendeGefahr beherrschbar ist. Weiter ergibt der in Bezug genommene Tatsachenvortrag in den Verfahren 4 K 1/95, 4 K 2/95 und 4 K 4/95 sowie die Begründung des Auflagenbescheides keine konkreten Anhaltspunkte für eine objektiv nachvollziehbare Gefährdung der Antragsteller aus der Fortsetzung des Betriebes des ERAM im bisher genehmigten Umfange.

2.2.5.5 Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Antragsteller keine konkreten Tatsachen dargelegt haben, aus denen sich objektiv eine Ursache dafür ableiten ließe, daß eine Gefahr ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 GG bestehen könnte. Sie haben vielmehr lediglich einen Verdacht geäußert, daß der Betrieb des ERAM gefährlich sei. Dies reicht für die Annahme der Antragsbefugnis aber nicht aus. Voraussetzung hierfür ist, wie bereits dargelegt, daß die Tatbestandsmerkmale der heranzuziehenden Norm - hier des § 17 Abs. 5 AtG - nach dem Tatsachenvorbringen erfüllt sein können. Damit werden im vorliegenden Fall auch nicht die Anforderungen an die Substantiierungspflicht überdehnt (vgl. dazu VGH Kassel NVwZ 1989, 1183, 1184) da sich die Antragsteller auf bereits seit langem vorliegende Gutachten berufen. Es kann erwartet werden, daß sie sich mit deren Inhalt argumentativ auseinandersetzen. Nur dann wäre ihre Einschätzung für die Antragsgegnerin zu 2 und den Senat nachprüfbar.

Ohne die physikalischen, chemischen, geologischen und technischen Vorgänge im einzelnen nachzuvollziehen, sind für den Senat bei summarischer Bewertung der Verwaltungsvorgänge und des vorgetragenen und in Bezug genommenen Tatsachenstoffes keine tatsächlichen Umstände dafür erkennbar, daß eine Gefahr für die Grundrechte der Antragsteller von dem Weiterbetrieb des ERAM ausgeht. Die Beurteilung der Betriebssicherheit des ERAM durch die Antragsgegnerin zu 2 ist - wie sich aus der eingehenden Begründung der bundesaufsichtlichen Weisung ergibt - in sich schlüssig und nachvollziehbar und kann sich auf die Sicherheitsanalyse der GSR stützen. Dem steht auch nicht eine - auf Tatsachen gestützte - abweichende Einschätzung des Antragsgegners zu 1 entgegen. Das Umweltministerium des Landes Sachsen-Anhalt sieht bisher lediglich Verdachtsmomente als nicht ausgeräumt an und will diesen durch entsprechende Untersuchungen und Datenerhebungen nachgehen.

Ohne daß aber das Vorbringen der Antragsteller auf konkrete und prüfbare Tatsachen gestützt wird, sieht der Senat keinen Anlaß, der es rechtfertigen würde, etwa Sachverständige - noch dazu im Eilverfahren - nach § 86 VwGO anzuhören, um den geäußerten Vermutungen nachzugehen und dazu eigene Ermittlungen anzustellen.

3. Der Antrag zu 2 A c) ist, soweit er sich auf die Einlagerung hochradioaktiven Materials erstreckt, zulässig, aber unbegründet.

3,1 Der Antrag ist zulässig, insbesondere sind die Antragsteller entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Auf Grund der von hochradioaktivem Material ausgehenden erhöhten Strahlenbelastung ist eine Gefährdung der Grundrechte der Antragsteiler aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 GG durch die von den Antragstellern behauptete Einlagerung hochradioaktiver Stoffe, ohne die physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse im einzelnen nachzuvollziehen, bei summarischer Betrachtung zumindest möglich und infolgedessen schlüssig dargetan.

3.2 Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Rechtsgrundlage des Begehrens der Antragsteller, von der Antragsgegnerin zu 2 die Unterlassung der Einlagerung hochradioaktiver Stoffe verlangen zu können, ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch. Seine tatbestandlichen Voraussetzungen sind jedoch nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat die Antragsgegnerin zu 2 keine Genehmigung zur Einlagerung hochradioaktiven Materials - die Genehmigung der SAAS vom 24. Oktober 1989 für die Einlagerung von Abfällen der Strahlenschutzgruppe S 6 war bis zum 31. Dezember 1991 begrenzt -; die Antragsteller haben aber den Senat nicht davon überzeugen können, daß überhaupt die Einlagerung solcher Stoffe bevorsteht. Die weitere Frage, ob die Einlagerung ursächlich für die von den Antragstellern angenommene Gefährdung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 GG werden würde, braucht daher nicht geprüft zu werden.

Die Antragsteller haben ihre Behauptung, daß die Einlagerung bevorsteht nicht durch Tatsachen belegt.

Der Zeuge Dr. Eickelpasch hat in seiner schriftlichen Aussage vom 04. Oktober 1995 nicht bekundet, daß hochradioaktives Abbruchmaterial aus dem Versuchsatomkraftwerk Kahl im ERAM eingelagert werde. Es sind für den Senat keine konkret greifbaren Umstände erkennbar, die zu Zweifeln an der Richtigkeit dieser Zeugenaussage Anlaß geben. Zur Klarsteilung weist der Senat darufhin, daß im übrigen solche Zweifel auch nicht dazu führten, daß dann das Gegenteil der Aussage, nämlich die Einlagerung hochradioaktiver Stoffe in das ERAM, als Tatsache feststünde oder glaubhaft gemacht sei. Dies bliebe vielmehr offen. Daher müssen für die Überzeugungsbildung des Senats, daß die von der Antragsgegnerin zu 2 bestrittene Behauptung der Antragsteller zutrifft, weitere Tatsachen oder Indizien, die den zwingenden Schluß auf die behauptete Haupttatsache der Einlagerung zulassen, feststellbar sein. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Dazu sind auch die Ausführungen der Antragsteller in ihrer Stellungnahme zu der Zeugenaussage im Schriftsatz vom 16. Oktober 1995 nicht geeignet. Sie, die Antragsteller, "schließen ... auch nach Vorliegen der Antwort des Zeugen Eickelpasch keinesfalls aus, daß nicht doch höherstrahlende problematische und sie gefährdende Abfälle aus dem VAK Kahl in naher Zukunft zur Einlagerung im ERAM anstehen und zu erwarten sind", tragen aber selbst nicht vor, daß die Einlagerung derartiger Stoffe in nächster Zukunft zu erwarten ist.

Aus der mit Schriftsatz der Antragsteller vom 16. Oktober 1995 überreichten Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit an die Abgeordnete Schönberger, MdB, vom 09. Oktober 1995 ergibt sich, daß vom Versuchsatomkraftwerk Kahl zur Einlagerung im Endlager Morsleben über die bereits dort gelagerten 25 Fässer mit niedrigradioaktiven verpreßten Mischabfällen - ca. 34,0 m3 Erdaushub und Bauschutt,

- ca. 0,4 m3 hochdruckverpreßte Mischabfälle aus der Verbrennung,

- ca. 29,0 m3 hochdruckverpreßte Mischabfälle,

- ca. 0,4 m3 metallische (Brennelement - Korb) hochdruckverpreßte Abfälle angemeldet seien. Die Einlagerbarkeit dieser Abfälle im ERAM müsse aber noch vom Bundesamt für Strahlenschutz geprüft und bestätigt werden. Entsprechende Spezifikationen für diese Prüfung seien noch nicht eingereicht worden.

Auch die von den Antragstellern eingereichten Stellungnahmen des Herrn Wolfgang N... (Anlage 35 zu ihrem Schriftsatz vom 16. Oktober 1995 und Anlage 36 zu ihrem Schriftsatz vom 19. Oktober 1995) ergeben nicht, daß die Einlagerung hochradioaktiver Abbrucnteile bevorstünde. In der Zusammenfassung der Stellungnahme vom 10. Oktober 1995 (der Anlage 35) stellt Herr N... fest, daß es "fraglich [sei], ob die Abfälle aus dem Abbau der Kerneinbauten überhaupt nach Morsleben sollen".

Damit stützt sich die Behauptung der Antragsteller, es werde im ERAM hochradioaktives Material aus dem Versuchsatomkraftwerk Kahl ohne entsprechende Genehmigung eingelagert, auf Vermutungen und nicht auf nachprüfbare Tatsachen ab. Dies genügt zur Glaubhaftmachung der Tatbestandsmerkmale des Anordnungsanspruchs nicht.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Bei Klagen Drittbetroffener wegen anderer Beeinträchtigungen als solcher des Eigentums - hier des Lebens und der Gesundheit - ist das Interesse der Antragsteller gemäß dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBI. 1991, 1239), der von Verwaltungsrichtern aufgestellt worden ist und den der Senat um der Einheitlichkeit und Klarheit der Rechtsanwendung willen seinen Entscheidungen zugrunde legt, mit 20.000,00 DM zu bemessen. Bei einstweiligen Anordnungsverfahren ist dieser Betrag zu halbieren.

Da bei einem Nuklearunfall die Eigentumswohnungen unbewohnbar sein könnten, ist der Jahresmietzins als Berechnungsgrundlage heranzuziehen. Der Senat schätzt den Mietzins auf ebenfalls 20.000,00 DM. Dieser Wert ist ebenfalls zu halbieren.

Damit beträgt der zusammenzurechnende Streitwert insgesamt 20.000,00 DM.

5. Der Beschluß ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Satz 2 GKG unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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