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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 06.05.2008
Aktenzeichen: 4 L 103/08
Rechtsgebiete: KAG LSA


Vorschriften:

KAG LSA § 2 Abs. 1 S. 2
KAG LSA § 6 Abs. 6 S. 2
KAG LSA § 8 S. 4
1. Spätere Änderungen einer nichtigen Satzung können diese nicht heilen, weil eine unwirksame Satzung durch eine nachfolgende Änderung nicht wieder aufleben kann.

2. Die ersten wirksamen Erstattungsbestimmungen betreffen auch bereits abgeschlossene Maßnahmen, weil ein Grundstück von einem Grundstücksanschluss unabhängig davon bevorteilt wird, ob der Anschluss vor oder nach dem Inkrafttreten der Erstattungsregelungen errichtet wurde.


Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

I. Die vom Beklagten geltend gemachten ernstlichen Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung greifen nicht durch.

1. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Erstattungsregelungen der Beitragssatzung vom 27.10.2003 (BS 2003) angesichts der fehlerhaften Bestimmung des Einheitssatzes (insgesamt) unwirksam seien. Dabei wird die auf die Ermittlung des Einheitssatzes bezogene Rüge der Vorinstanz von der Antragsbegründung nicht in Frage gestellt. 2. Entgegen der Ansicht des Beklagten ist auch die 3. Änderungssatzung vom 14.11.2005 i. V. m. den durch die Änderungssatzung unverändert gebliebenen Erstattungsregelungen der BS 2003 keine wirksame Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid. Die vom Verwaltungsgericht zu Recht festgestellte Unwirksamkeit der Erstattungsregelungen der BS 2003 (insgesamt) kann durch die nachträgliche Änderung der Einheitssätze im Jahre 2005 nicht geheilt werden. Denn der Beklagte hat die 3. Änderungssatzung nicht rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der BS 2003, sondern erst am 18.12.2005, dem Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft gesetzt. Spätere Änderungen einer - hier mangels einer wirksamen Festsetzung des Einheitssatzes - nichtigen Satzung gehen aber ins Leere, weil eine unwirksame Satzung durch eine nachfolgende Änderung nicht wieder aufleben kann (OVG LSA, Beschl. v. 09.12.2004 - 1 M 421/04 -, m. w. N.).

Zu Recht geht die Vorinstanz weiterhin davon aus, dass die 3. Änderungssatzung (allein) entgegen § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA keine Regelungen über den Kreis der Schuldner, die Entstehung und den Zeitpunkt der Fälligkeit des Erstattungsanspruchs enthält.

Es ist zwar richtig, dass die Erstattungspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Erstattungsbestimmungen entsteht (§§ 8 Satz 4, 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA) und diese Regelungen auch bereits abgeschlossene Maßnahmen betreffen, weil ein Grundstück von einem Grundstücksanschluss unabhängig davon bevorteilt wird, ob der Anschluss vor oder nach Inkrafttreten der Erstattungsregelungen errichtet wurde. Die Anwendbarkeit der Erstattungsbestimmungen auf abgeschlossene Maßnahmen setzt aber die Wirksamkeit der Satzungsregelungen voraus. Wie bereits ausgeführt, ist durch die 3. Änderungssatzung vom 14.11.2005 auch i. V. m. den nicht geänderten Bestimmungen der BS 2003 jedoch keine wirksame Rechtsgrundlage geschaffen worden.

II. Auch wenn man annähme, der Beklagte wolle mit seinem Einwand, die angefochtene Entscheidung stelle eine Überraschungsentscheidung dar, weil das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es dem angefochtenen Erstattungsbescheid an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehle, die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO erreichen, liegt ein Verfahrensmangel nicht vor.

Die Vorinstanz war zunächst nicht allgemein verpflichtet, die seine Entscheidung tragende Auffassung schon vor der abschließenden Entscheidungsfindung festzulegen und mit den Beteiligten zu erörtern. Von einer "Überraschungsentscheidung" ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 10.04.1991 - BVerwG 8 C 106.89 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235) nur dann auszugehen, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten. So verhält es sich hier aber nicht. Die Frage, ob die Satzungen des Beklagten über die Erhebung von Beiträgen und Kostenerstattungen für die Abwasserbeseitigung vom 27.10.2003 (BS 2003) bzw. vom 14.11.2005 (BS 2003/2005) eine hinreichende Rechtsgrundlage für den Erstattungsbescheid darstellen, war Schwerpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens, so dass der Beklagte sich nicht darauf berufen kann, der Rechtsstreit habe eine überraschende Wende genommen; insoweit trägt der Beklagte selbst vor, dass die Vorinstanz in der mündlichen Verhandlung nur eine "vorläufige" Rechtsauffassung geäußert hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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