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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 4 L 111/02
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, LSA-KAG


Vorschriften:

VwGO § 113 II 1
BauGB § 130 I 1
BauGB § 130 II 1
BauGB § 242 IX
LSA-KAG § 6 I
LSA-KAG § 6 VI 1
1. Ist der Anlieger nach Ausbaurecht herangezogen worden, so wird der Beitragsbescheid in einen Erschließungsbeitragsbescheid umgedeutet, wenn die Gemeinde einen Beitrag in mindestens gleicher Höhe fordern kann.

2. Liegt zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids noch keine gültige Satzung vor, so wird der Mangel des Bescheids geheilt, wenn später durch eine wirksame Satzung die sachliche Beitragspflicht entsteht.

3. Hat die Gemeinde mehrere Anlagen ausgebaut und wird ihr darüber eine einheitliche Rechnung erstellt, so kann sie den jede einzelne Anlage betreffenden Aufwand schätzen, falls eine "pfennig-genaue" Ermittlung nicht möglich oder mit unzumutbarem Aufwand verbunden ist.

4. Zur Herstellung i. S. des § 242 Abs. 9 BauGB.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 4 L 111/02

Datum: 17.03.2005

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Straßenausbaubeitrag für den Ausbau der Teileinrichtungen Oberflächenentwässerung, Fahrbahn und Gehweg als Mischfläche mit Bord- und Kantensteinen der Verkehrsanlage "L-Straße" in der Gemeinde Körbelitz.

Die Verkehrsanlage "L-Straße", die von der B-Straße kommend in westlicher Richtung parallel zur D-Straße verläuft und dann in diese abbiegt sowie ungefähr in der Mitte eine Verbindungsstraße zur D-Straße aufweist, existiert seit etwa 1920 und bestand nach den Feststellungen der Beklagten am 03.10.1990 teilweise aus einer mit Feldpflaster befestigten Fahrbahn in einer Breite von 3,50 m; im Übrigen war die Fahrbahn "erdstabilisiert". Etwa im Jahre 1970 wurden im L-Straße drei Leuchten in einem Abstand von 60 m angebracht; Gehwege und eine Oberflächenentwässerung waren nicht vorhanden.

Beginnend im Jahre 1991 ließ die Beklagte den L-Straße einschließlich der Verbindungsstraße ausbauen. Im Rahmen der Ausbaumaßnahmen wurde durchgehend aus Verbundsteinpflaster auf frostsicherem Untergrund eine 6,50 m breite Mischverkehrsfläche angelegt, wobei die Fahrbahn in einer Breite von 5,00 m farblich von dem 1,50 m breiten Gehweg abgesetzt wurde. Die Randeinfassung erfolgte in Hoch- und Tiefborden. Die Verkehrsanlage erhielt zudem eine Oberflächenentwässerung mit Muldenrinne und Straßeneinläufen. Die Straßenbeleuchtung wurde um sechs Leuchten in einem Abstand von 35 m erweitert. Die Baumaßnahmen wurden 1993 beendet; die letzte Unternehmerrechnung der Firma H. datiert vom 04.10.1993.

Der Kläger ist Eigentümer des 2.350 m² großen, mit einem zweigeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks L-Straße ... Mit Bescheid vom 06.11.1998 zog die Beklagte den Kläger auf der Grundlage ihrer Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 6 KAG-LSA vom 31.03.1998 zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 24.694,40 DM heran. Dabei legte die Beklagte für den Ausbau der Verkehrsanlage nach Abzug des Gemeindeanteils einen umlagefähigen Aufwand von 154.584,88 DM zu Grunde. Aus dem Verhältnis dieses zu verteilenden Gesamtaufwands zur Summe der ermittelten Beitragsflächen aller Grundstücke des Abrechnungsgebietes (19.688 m²) ergab sich ein Beitragssatz von 7,85183 DM/m². Diesen Beitragssatz multiplizierte die Beklagte mit der für das Grundstück des Klägers ermittelten anrechenbaren Grundstücksfläche von 3.145,05 m², so dass sich der o. g. Straßenausbaubeitrag ergab.

Mit Schreiben vom 15.12.1998 erhob der Kläger gegen den Heranziehungsbescheid der Beklagten Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.08. 1999 zurückwies.

Am 06.10.1999 hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg erhoben (Az: A 2 K 659/99) und diese damit begründet, der angefochtene Bescheid könne nicht auf die Straßenausbaubeitragssatzung vom 31.03.1999 gestützt werden, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung der Anfechtung von Verwaltungsakten der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung sei, hier also der Erlass des Widerspruchsbescheids vom 23.08.1999. Zu diesem Zeitpunkt sei bereits § 6 Abs. 6 KAG-LSA in Kraft gewesen, wonach die Beitragspflicht für Verkehrsanlagen mit Beendigung der beitragsauslösenden Maßnahme nur dann entstehe, wenn vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme eine Satzung vorgelegen habe. Zum Zeitpunkt der Beendigung der Straßenbaumaßnahme L-Straße habe die Straßenausbaubeitragssatzung vom 31.03.1998 aber noch nicht existiert. Darüber hinaus sei der Bescheid auch inhaltlich falsch, weil die Beklagte für die Verkehrsanlage "L-Straße" als Straße mit starkem innerörtlichen Verkehr von falschen Anteilssätzen für die Fahrbahn ausgegangen sei und die anrechenbare Fläche des beitragsbelasteten Grundstücks falsch berechnet habe. Auch Erschließungsbeitragsrecht komme nicht zur Anwendung, weil weder eine erstmalige Herstellung vorliege noch eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage vorhanden sei. Der Kläger hat beantragt,

den Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 6. November 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 1999 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Herstellung von Fahrbahn und Gehweg als Mischfläche und die Einrichtungen zur Straßenentwässerung stellten sich als erstmalige Herstellung dar, mit der Folge, dass der Herstellungsaufwand nach Maßgabe ihrer am 17.10. 2000 beschlossenen Erschließungsbeitragssatzung auf die durch den L-Straße erschlossenen Grundstücke zu verteilen sei. Da auf das Grundstück des Klägers ein Erschließungsbeitrag von 50.040,65 DM entfalle, werde der Straßenausbaubeitragsbescheid vom 06.11.1998 über 24.694,40 DM als Erschließungsbeitragsbescheid aufrecht erhalten.

Mit dem hier angefochtenen Urteil vom 21.02.2002 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sowohl für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen als auch für die Erhebung von Ausbaubeiträgen fehle es an einer rechtswirksamen ortsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage, weil die vorhandenen Beitragssatzungen wegen Bekanntmachungsmängeln jeweils nicht wirksam geworden seien.

Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 01.04.2003 die Berufung auf der Grundlage des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zugelassen. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor, die Baumaßnahmen an der Straße "L-Straße" seien nach Maßgabe des Erschließungsbeitragsrechts abzurechnen, weil die Teileinrichtungen Gehwege und Straßenentwässerung am 03.10.1990 nicht vorhanden und die Fahrbahn nicht auf ihrer gesamten Länge bereits hergestellt gewesen seien. Mit ihrer Erschließungsbeitragssatzung vom 17.10.2000 verfüge sie über eine wirksame Rechtsgrundlage. Die Satzung sei schon durch die öffentliche Bekanntmachung in der Zeit vom 03.11.2000 bis zum 07.12.2000 wirksam veröffentlicht worden. Im Übrigen habe sie die Erschließungsbeitragssatzung erneut entsprechend der zum 01.01.2002 in Kraft gesetzten Änderungssatzung vom 06.11.2001 zur Hauptsatzung vom 27.01. 1998 im Amtsblatt des Landkreises Jerichower Land vom 28.06.2002 veröffentlicht, so dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt wirksames Satzungsrecht vorliege. Die Neuberechnung des Beitrags auf der Grundlage der Erschließungsbeitragssatzung ergebe für das Grundstück des Klägers einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 20.432,59 €, der deutlich über der streitigen Beitragsfestsetzung liege, so dass der Beitragsbescheid vom 06.11.1998 aufrecht erhalten werde. Schließlich sei festzustellen, dass auch die Straßenausbaubeitragssatzung vom 31.03.1998 wirksam veröffentlicht worden sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und

die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils und sein bisheriges Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 [BGBl I 686] - VwGO -, zuletzt geändert durch Gesetz 09.12.2004 [BGBl I 3220 <3223>]).

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen, weil der angefochtene Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 06.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.1999 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage des angefochtenen Heranziehungsbescheides sind §§ 127 ff. des Baugesetzbuchs - BauGB - i. d. F. d. Bek. v. 27.08.1997 (BGBl I 2141, ber.: BGBl. 1998 I 137), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.06.2004 (BGBl I 1359), i. V. m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 17.10.2000 - EBS -; insbesondere ist diese Satzung wirksam veröffentlicht worden. Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Aushang der Erschließungsbeitragssatzung in der Zeit vom 03.11.2000 bis 07.12.2000 im Aushangkasten, Gemeindebüro Körbelitz, Breite Straße 15, den Wirksamkeitsanforderungen des § 13 Abs. 1 der Hauptsatzung der Beklagten vom 27.01. 1998 genügt hat; denn jedenfalls verfügt die Beklagte seit der (erneuten) Veröffentlichung der Erschließungsbeitragssatzung im Amtsblatt des Landkreises Jerichower Land vom 28.06.2002 entsprechend des am 01.01.2002 in Kraft getretenen § 13 Abs. 1 der Änderungssatzung vom 06.11.2001 zur Hauptsatzung vom 27.01.1998 über eine wirksame Beitragssatzung, die Grundlage der hier streitigen Beitragserhebung sein kann.

Hierbei kommt es insbesondere nicht darauf an ob diese Satzung rückwirkend erlassen; denn für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ist lediglich erforderlich, dass zu irgendeinem Zeitpunkt eine wirksame Satzung vorliegt (OVG LSA, Beschl. v. 02.12.2004 - 2 M 609/04 -). Dies kann der Zeitpunkt der Maßnahme, des Bescheiderlasses oder auch ein späterer Zeitpunkt sein. Für das gerichtliche Verfahren ist insoweit allein der Zeitpunkt der Entscheidung über das jeweilige Rechtsmittel maßgeblich (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 19 RdNr. 22 [zum Erschließungsbeitragsrecht] und § 30 RdNr. 3 ff. [zum Straßenbaubeitragsrecht]). Liegen zum Zeitpunkt dieser Entscheidung sämtliche Voraussetzungen der erfolgten Beitragserhebung vor, führt dies bei einer Anfechtungsklage zum "Befehl der Klageabweisung" (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., a. a. O). Der Senat folgt insoweit der zum Erschließungsbeitragsrecht vertretenen Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 25.11.1981 - BVerwG 8 C 14.81 -, BVerwGE 64, 218), wonach auch das In-Kraft-Treten einer Satzung ohne Rückwirkungsanordnung bewirken kann, dass ein vorher erlassener, mangels Entstehens der Beitragspflicht zunächst rechtswidriger Erschließungsbeitragsbescheid rechtmäßig wird und deshalb nicht der gerichtlichen Aufhebung unterliegt.

Soweit der Kläger einwendet, von einer erstmaligen Herstellung im Sinne der §§ 127 ff. BauGB könne nicht die Rede sein, weil sowohl die Fahrbahn der Straße "L-Straße" als auch deren Entwässerung am Stichtag 03.10.1990 den "örtlichen Ausbaugepflogenheiten" der Gemeinde im Sinne von § 242 Abs. 9 Satz 1 BauGB entsprochen hätten, so kann dem nicht gefolgt werden.

Gemäß § 242 Abs. 9 Satz 1 BauGB kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, nicht erhoben werden. Satz 2 bestimmt, dass bereits hergestellt solche Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind, die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellt sind.

Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Kosten eines nach dem 03.10.1990 erfolgten Ausbaus einer Teileinrichtung ist folglich nur dann zulässig, wenn entweder die ausgebaute Teileinrichtung oder die betreffende Erschließungsanlage in allen ihren seinerzeit angelegten Teileinrichtungen bis zum 03.10.1990 in ihrer gesamten Ausdehnung nicht bereits fertiggestellt war (vgl. schon OVG LSA, Urt. v. 18.12.2000 - 2 L 104/00 -, ZMR 2002, 629; BVerwG, Urt. v. 18.11.2002 - BVerwG 9 C 2.02 -, LKV 2003, 227). Die Beantwortung der Frage, ob eine Teileinrichtung (Straße) den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellt, also "bereits hergestellt" i. S. d. § 242 Abs. 9 Satz 1 BauGB ist, erfordert einen Vergleich des Ausbauzustands dieser Teileinrichtung (Straße) am 3. Oktober 1990 mit dem seinerzeitigen durchschnittlichen Ausbauzustand der entsprechenden Teileinrichtungen in der betreffenden Gemeinde. Nach den Feststellungen der Beklagten waren die Fahrbahnen der Straßen im Gemeindegebiet auf ihrer gesamten Länge überwiegend befestigt. Diese überwiegende Befestigung dokumentiert mithin den durchschnittlichen Ausbauzustand der Fahrbahnen im Gebiet der Beklagten. Da die Fahrbahn des L-Straßes zum Stichtag 03.10.1990 auf einer Teillänge keine befestigte Oberfläche aufwies und zudem die Teileinrichtungen Gehwege und Oberflächenentwässerung überhaupt nicht vorhanden waren, war diese Straße nicht den örtlichen Ausbaugewohnheiten entsprechend hergestellt, mit der Folge, dass die von der Beklagten erstmals hergestellten Teileinrichtungen "Mischverkehrsfläche" und "Oberflächenentwässerung" nach den Regeln des Erschließungsbeitragsrechts (§§ 127 ff. BauGB) und nicht nach den Regelungen des Ausbaubeitragsrechts (vgl. § 6 des Kommunalabgabengesetzes - KAG-LSA - i. d. F. d. Bek. v. 13.12.1996 (LSA-GVBl., S. 405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.12.2003 (LSA-GVBl., S. 370), abzurechnen sind.

Zwar hat die Beklagte ihren Heranziehungsbescheid vom 06.11.1998 zu Unrecht auf das Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt gestützt. Dies führt indes nicht zur Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides; denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 27.10.1993 - BVerwG 8 C 33.92 -, KStZ 1994, 72 ff.), der sich der erkennende Senat anschließt, muss ein Heranziehungsbescheid, der zu Unrecht auf das Straßenbaubeitragsrecht gestützt ist, gemäß § 113 Abs. 2 Satz 1 VwGO daraufhin überprüft werden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er mit Blick auf das Erschließungsbeitragsrecht aufrechterhalten werden kann.

2. Die von der Beklagten vorgelegte Berechnung des Erschließungsbeitrags, die der Kläger im Übrigen nicht substantiiert angegriffen hat, begegnet keinen Bedenken.

Zwar hat die Beklagte den Gesamtaufwand für die Herstellung des L-Straßes - ohne die Verbindungsstraße zwischen "L-Straße" und "D-Straße" - nicht "pfennig-genau" ermittelt, sondern den beitragsfähigen Aufwand im Verhältnis der beteiligten Straßenflächen aufgeteilt. Indes ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 16.08.1985 - BVerwG 8 C 120-122.83 -, KStZ 1986, 72) und des Senats (vgl. Urt. v. 28.02.2005 - 4/2 L 233/01 -) geklärt, dass es von dem Grundsatz der "pfennig-genauen" Kostenermittlung dann eine Ausnahme gibt, wenn eine solche Kostenermittlung praktisch unmöglich oder nur mit unvernünftigem und deshalb unvertretbarem Aufwand möglich ist. Der Senat hat keine Zweifel, dass hier von einer derartigen Unmöglichkeit der Aufwandsermittlung auszugehen ist, weil die Beklagte in Unkenntnis des Umstands, dass der L-Straße beitragsrechtlich in zwei Erschließungsanlagen zerfällt, den gemeinsamen Ausbau beider Anlagen in Auftrag gegeben und folglich nur eine Gesamtrechnung des Bauunternehmens erhalten hatte. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht (vgl. Urt. v. 16.08.1985, a. a. O.) rechtfertigt dieser Umstand allerdings nicht den Schluss, die Gemeinde könne den Aufwand überhaupt nicht geltend machen. Vielmehr stehe ihr in einem solchen Fall eine materiell-rechtliche Schätzungsbefugnis zu. Sind die Gemeinden mithin im Ausnahmefall sogar berechtigt, den beitragsfähigen Aufwand zu schätzen, bestehen keine Bedenken, wenn die Gemeinde - wie hier - den beitragsfähigen Aufwand anhand der vorliegenden Rechnungen der Baubetriebe flächenmäßig auf die hergestellten Straßen verteilt.

Demzufolge ergibt sich für die Herstellung des L-Straßes, durch den das Grundstück des Klägers erschlossen wird, ein beitragsfähiger Erschließungsaufwand von 299.988,55 DM (153.381,71 €) und - nach Abzug des Gemeindeanteils - ein umlagefähigen Aufwand in Höhe von 138.043,54 €. Aus dem Verhältnis dieses zu verteilenden Gesamtaufwands zur Summe der ermittelten Beitragsflächen aller Grundstücke des Abrechnungsgebietes (23.815,08 m²) errechnet sich ein Beitragssatz von 5,79648 €/m². Dieser Beitragssatz ist mit der für das Grundstück des Klägers ermittelten anrechenbaren Grundstücksfläche von 3.525 m² (Berücksichtigung einer Geschossflächenzahl von 1,5) zu multiplizieren, so dass auf das Grundstück des Klägers ein Erschließungsbeitrag in Höhe von 20.453,04 € entfällt. Dieser Betrag liegt erheblich über dem von der Beklagten bisher festgesetzten Beitrag von 24.694,40 DM (= 12.626,05 €), so dass der Heranziehungsbescheid vom 06.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.1999 auch hinsichtlich seiner Höhe rechtlichen Bedenken nicht begegnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidungen über die Vollsteckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgen aus § 167 Abs. 1 VwGO und aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil aus Anlass dieses Falls keine weitere Klärung grundsätzlicher Fragen des Bundesrechts oder des Verwaltungsverfahrensrechts zu erwarten ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Auch weicht der Senat von keiner Entscheidung im Instanzenzug (Bundesverfassungsgericht, Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Bundesverwaltungsgericht) ab, (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Ende der Entscheidung

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