Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 4 L 154/05
Rechtsgebiete: LSA-KAG


Vorschriften:

LSA-KAG § 6 Abs. 4
Zur hinreichenden Begrenzung eines Straßenabschnitts i. S. v. § 6 Abs. 4 KAG-LSA geeignete äußere Merkmale sind insbesondere einmündende Straßen, Plätze, Brücken und Wasserläufe. Äußerlich erkennbares Merkmal für die Abschnittsbildung kann auch eine Grundstückseinfahrt sein, die straßeneinmündungsähnliche Wirkung hat.

Um eine Teilstrecke einer Anbaustraße als Abschnitt für die Aufwandsermittlung i. S. der genannten Vorschrift zu verselbständigen, muss die Teilstrecke eine gewisse selbständige Bedeutung als Verkehrsanlage haben; sie muss von ihrem Umfang her - gleichsam stellvertretend - "Straße" sein können.


Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Straßenbaubeitrag für den Ausbau eines Abschnitts des B-Weges in der Stadt C..

Die Klägerin ist Eigentümerin eines aus vier Flurstücken bestehenden Grundstücks in der Gemarkung C., welches gewerblich genutzt wird und unmittelbar an die ausgebaute Verkehrsanlage anliegt. Ein Bebauungsplan besteht für das Gebiet nicht.

In den Jahren 2002/2003 baute die Beklagte den B-Weg aus. Die Fahrbahn erhielt entsprechend der Bauklasse IV RStO 01 eine 4 cm starke Bitumendecke auf einem frostsicheren Unterbau. Für die Straßenentwässerung wurden ein Trennsystem errichtet und zusätzliche Straßenabläufe installiert, um das Oberflächenwasser des Straßenkörpers und der Nebenanlagen ordnungsgemäß abfangen zu können. Die Straßenbeleuchtung wurde erneuert.

Die letzte in den beitragsfähigen Aufwand eingestellte Unternehmerrechnung ging am 28. Juli 2003 bei der Beklagten ein.

Durch Beschluss vom 11. Mai 2004 beschloss der Stadtrat der Beklagten die Bildung eines Abrechnungsabschnitts für die Verkehrsanlage Breiter Weg, beginnend an der Einmündung zur Straße zum Klärwerk bis 6 m östlich der Grundstücksgrenze des Flurstücks 1118/83 der Flur 5. An dieser Stelle befindet sich eine Einfahrt zum Grundstück der Klägerin. Im darüber hinausgehenden Straßenabschnitt fanden keine Baumaßnahmen statt.

Durch Bescheid vom 26. April 2004 zog die Beklagte die Klägerin für die Erneuerung des oben genannten Abschnitts des B-Weges zu einem Straßenbaubeitrag in Höhe von 19.458,81 € heran. Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2004 zurück.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen gerügt, die durchgeführten Baumaßnahmen wären nicht notwendig gewesen, wenn regelmäßig Reparaturen durchgeführt worden wären. Die von der Beklagten vorgenommene Abschnittsbildung sei fehlerhaft. Sie habe nicht begründet, warum gerade die Zufahrt zu ihrem Grundstück maßgebliches Kriterium für die Abschnittsbildung sein soll.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2004 aufzuheben.

Die Beklagte ist dem Begehren entgegengetreten und hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 19. Mai 2005 hat das Verwaltungsgericht Magdeburg - 2. Kammer - die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Durch die abgerechneten Baumaßnahmen sei der B-Weg i. S. des § 6 Abs. 1 KAG-LSA i. V. m. § 1 Abs. 1 der Straßenausbaubeitragssatzung der Beklagten vom 13. September 1999 - SAB - erneuert worden. Eine - möglicherweise - unterlassene ordnungsgemäße Unterhaltung und Instandsetzung habe bei zweifellos erfolgtem Ablauf der üblichen Nutzungszeit und tatsächlich eingetretener Abgenutztheit der Verkehrsanlage keine eigenständige Bedeutung. Die von dem Stadtrat der Beklagten mit Beschluss vom 11. Mai 2004 gemäß § 6 Abs. 4 KAG-LSA i. V. m. § 3 Abs. 1 SAB vorgenommene Abschnittsbildung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Als zur hinreichenden Begrenzung geeignete äußere Merkmale seien anerkannt einmündende Straßen, Plätze, Brücken und Wasserläufe. Durch das Abstellen auf äußerlich erkennbare Merkmale solle verhindert werden, dass selbständig abzurechnende Abschnitte willkürlich gebildet würden. Als äußerlich erkennbares Merkmal für die Abschnittsbildung könne auch auf eine Grundstückseinfahrt abgestellt werden, die straßeneinmündungsähnliche Wirkung habe. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Fotos habe die Zufahrt zum Grundstück der Klägerin diesen straßeneinmündungsähnlichen Charakter, denn sie weise eine über die einer normalen Grundstückszufahrt deutlich hinausgehende Breite auf. Die Zufahrt sei beim Befahren des B-Weges bereits aus einiger Entfernung deutlich erkennbar und gehe somit über die Eigenart von typischen Grundstückszufahrten deutlich hinaus.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat mit Beschluss vom 4. Mai 2007 die Berufung zugelassen: Es erscheine ernstlich zweifelhaft i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, ob die von der Beklagten gewählte Begrenzung des abgerechneten Straßenabschnittes an der östlichen Zufahrt zum Grundstück der Klägerin ein den gesetzlichen Anforderungen genügendes äußeres Merkmal der Anliegerstraße sei.

Nach Auffassung der Klägerin ist die von der Beklagten vorgenommene Abschnittsbildung zu beanstanden. Eine Abschnittsbildung dürfe nicht willkürlich vorgenommen werden; sie müsse sich nach äußerlich eindeutig erkennbaren Merkmalen richten. Die vom Verwaltungsgericht als Kriterium für eine Abschnittsbildung angesehene Einmündung sei auch nicht andeutungsweise mit einer Straßeneinmündung zu vergleichen. Beide Einfahrten seien von so untergeordneter Bedeutung, dass der Vergleich mit einer Straßeneinmündung nicht zulässig sei. Auch hinterlasse die Abschnittsbildung keinen sinnvollen restlichen Abschnitt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 2. Kammer - vom 19. Mai 2005 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dass beide Einfahrten zum Grundstück der Klägerin einen straßeneinmündungsähnlichen Charakter aufwiesen, weil sie wesentlich breiter seien als die anderen Grundstückszufahrten in der Straße "B-Weg" und - anders als diese - Eckabrundungen aus Hochborden erhalten hätten, wie dies bei jeder Einmündung einer normalen Straße üblich sei. Es liege im Ermessen der Gemeinde, an welcher Einfahrt sie die Abschnittsgrenze festlege, wenn beide Grundstückeinfahrten einmündungsähnliche Wirkung entfalteten.

Die durch Beschluss des Senats vom 8. Oktober 2007 mit der Durchführung der Beweisaufnahme beauftragte Berichterstatterin hat am 26. Oktober 2007 durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit Beweis erhoben. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 26. Oktober 2007 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere das Protokoll der Beweisaufnahme vom 26. Oktober 2007, und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Heranziehungsbescheid der Beklagten vom 26. April 2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2004 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs.1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung ist § 6 Abs. 1 KAG-LSA in Verbindung mit der Straßenausbaubeitragssatzung (SAB) der Beklagten vom 13. September 1999.

Bedenken an der formellen oder materiellen Wirksamkeit der Satzung bestehen nicht und sind nicht erhoben worden. Die im Berufungsverfahren allein (noch) streitige Abschnittsbildung indes ist rechtswidrig mit der Folge, dass die sachliche Beitragspflicht für die streitgegenständliche Straßenausbaumaßnahme noch nicht entstanden ist, weil die Verkehrsanlage "B-Weg", die von ihrer Einmündung in die Straße "Am Klärwerk" bis zu ihrer östlichen Begrenzung an einer Baumgruppe nach maßgeblicher natürlicher Betrachtungsweise unstreitig eine Anlage darstellt, nicht auf ganzer Länge ausgebaut ist.

Die von dem Stadtrat der Beklagten mit Beschluss vom 11. Mai 2004 gemäß § 6 Abs. 4 KAG-LSA i. V. m. § 3 Abs. 1 SAB an der östlichen Grundstückszufahrt der Klägerin vorgenommene Abschnittsbildung ist willkürlich erfolgt.

Nach § 6 Abs. 4 KAG-LSA kann der Aufwand auch für Abschnitte einer Einrichtung ermittelt werden, wenn diese selbständig in Anspruch genommen werden können. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass es sich um eine Straßenstrecke handeln muss, die vorwiegend durch äußere, in den tatsächlichen Verhältnissen begründete Merkmale begrenzt ist und der eine gewisse selbständige Bedeutung als Verkehrsweg zukommt, d. h. die selbständig in Anspruch genommen werden kann (OVG LSA, Beschl. v. 12.4.2002 - 2 L 153/01 - u. Beschl. v. 5.11.2002 - 2 M 175/02 -; Nds. OVG, Beschl. v. 15.10.2001 - 9 LB 1853/01 -; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 112). Zur hinreichenden Begrenzung geeignete äußere Merkmale sind insbesondere einmündende Straßen, Plätze, Brücken und Wasserläufe. Äußerlich erkennbares Merkmal für die Abschnittsbildung kann auch eine Grundstückseinfahrt sein, die straßeneinmündungsähnliche Wirkung hat (Nds. OVG, Beschl. v. 15.10.2001, a. a. O.). Sowohl die grundsätzliche Forderung einer gewissen selbständigen Bedeutung als auch das Verlangen einer optisch erkennbaren Begrenzung ist letzten Endes darauf ausgerichtet, willkürliche Abschnittsbildungen zu verhindern. Die Zulässigkeit einer Abschnittsbildung findet - auch im Straßenausbaubeitragsrecht - eine bundesrechtliche Schranke im Willkürverbot (BVerwG, Urt. v. 18.11.2002 - 9 C 2/02 -, BVerwGE 117, 200; zur insoweit vergleichbaren Rechtslage im Erschließungsbeitragsrecht: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 14 Rdnr. 24 ff.).

Die von der Beklagten gewählte Begrenzung des abgerechneten Straßenabschnittes an der östlichen Zufahrt zum Grundstück der Klägerin stellt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kein den gesetzlichen Anforderungen genügendes äußeres Merkmal der Anliegerstraße dar. Die bezeichnete Zufahrt ist zwar - wie im Übrigen auch die westliche Zufahrt zum Grundstück der Klägerin - deutlich breiter als die weiteren an der Verkehrsanlage gelegenen Grundstückszufahrten; auch verfügt die den Abschnitt begrenzende Grundstückszufahrt - an einer Seite - über eine Eckabrundung, weil sie von einer mit Bordsteinkanten eingefassten Grünfläche begrenzt ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Straßenverlauf in Höhe der östlichen Grundstückszufahrt der Klägerin indes entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht straßeneinmündungsähnlich ausgestaltet. Für denjenigen, der den B-Weg - aus der westlichen Hauptverkehrsrichtung kommend - befährt, ist die östliche Zufahrt zu dem Grundstück der Klägerin allenfalls als - der Eigenart von typischen Grundstückszufahrten entsprechende - Grundstückszuwegung erkennbar. Die Ortsbesichtigung hat ergeben, dass die von der Beklagten gewählte östliche Begrenzung des abgerechneten Straßenabschnitts jedenfalls keine - einem einmündungsähnlichen Straßeneinschnitt vergleichbare - Wirkung zukommt, die allein die Bildung eines Abschnittes rechtfertigte.

Darüber hinaus erfüllt der verbleibende, ca. 58 m lange "Restabschnitt" des B-Weges von der östlichen Grundstückszufahrt der Klägerin bis zum Straßenende in Höhe einer Baumgruppe nicht das Merkmal der selbständigen Nutzbarkeit i. S. des § 6 Abs. 4 KAG-LSA i. V. m. § 3 Abs. 1 SAB. Um eine Teilstrecke einer Anbaustraße als Abschnitt für die Aufwandsermittlung i. S. der genannten Vorschriften zu verselbständigen, muss die Teilstrecke eine gewisse selbständige Bedeutung als Verkehrsanlage haben; sie muss von ihrem Umfang her - gleichsam stellvertretend - "Straße" sein können (OVG LSA, Beschl. v. 5.11.2002, a. a. O.). Auch diese Voraussetzungen für eine Abschnittsbildung liegen nicht vor, denn das nicht ausgebaute Teilstück ist nicht selbständig als "Straße" nutzbar. Es verfügt - ähnlich einer unselbständigen Stichstraße (vgl. insoweit Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, a. a. O., § 12 RdNr.14ff.) - nur über eine geringe Länge von unter 100 m und endet - wie diese - ohne Weiterfahrmöglichkeit, weil der nicht ausgebaute Straßenabschnitt nur über den B-Weg erreichbar ist. Nach ihrem insoweit maßgeblichen äußeren Erscheinungsbild vermittelt die nicht ausgebaute Teilstrecke daher nicht zuletzt angesichts ihrer geringen Bebauung nicht den Eindruck einer selbständigen Verkehrsanlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück