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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 29.07.2009
Aktenzeichen: 4 L 172/06
Rechtsgebiete: BKleinGG, BauGB, VwGO


Vorschriften:

BKleinGG § 1 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 135 Abs. 4 S. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 2
VwGO § 113 Abs. 4
Eine innerhalb der Einfriedung der Gartenanlage gelegener gemeinsamer Brunnen bzw. eine gemeinsam genutzte Wasserstelle, die keiner Parzelle zugeordnet ist, stellt eine gemeinschaftliche Einrichtung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG dar, wenn keiner der Einzelgärten durch eine separate Wasserleitung oder eine andere Wasserquelle versorgt wird. Eine gemeinschaftliche Einrichtung ist auch ein Leitungssystem innerhalb der Gartenanlage, das ausgehend von einem zentralen Anschluss der Anlage an die Hauptleitung sämtliche Gärten mit Wasser versorgt.

§ 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 VwGO sind bei Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar.


Tatbestand:

Der Kläger ist Miteigentümer eines 6.584 m² großen Grundstücks im Gemeindegebiet der Beklagten (FlSt. 237/3, Fl. A), auf dem sich gärtnerisch bewirtschaftete Parzellen befinden. Das Grundstück verfügt über einen zentralen Trinkwasserhauptanschluss, von dem aus Leitungen zu sämtlichen Parzellen verlaufen. Nach seiner Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 46.878,18 € stellte der Kläger bei der Beklagten am 21. Januar 2004 einen Antrag auf zinslose Stundung des Beitrags gem. § 135 Abs. 4 Satz 3 BauGB wegen kleingärtnerischer Nutzung. Mit Bescheid vom 28. Januar 2004 lehnte die Beklagte den Stundungsantrag des Klägers ab; das Widerspruchsverfahren war erfolglos.

Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat die dagegen fristgerecht erhobene Verpflichtungsklage mit Urteil vom 23. Februar 2006 abgewiesen. Die auf dem Grundstück befindlichen Parzellen gehörten nicht zu einer Kleingartenanlage i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG. Es fehle an dem Vorhandensein von gemeinschaftlichen Einrichtungen. Die Wasserversorgung gehöre nicht dazu, weil es schon keine gemeinschaftliche Wasserversorgung sei. Selbst eine gemeinschaftlich betriebene Wasserversorgung genüge jedoch nicht, weil sie lediglich der praktikableren individuellen Nutzung und Versorgung der Einzelgärten diene und nicht einem aktiv erlebten Gemeinschaftszweck, den § 1 Abs. 1 Nr. 2 des BKleingG meine, wenn die Vorschrift beispielhaft Vereinshäuser, Spielflächen und Wege als gemeinschaftliche Einrichtungen benenne. Auch die Außeneinfriedung, der Stichweg auf dem Grundstück, die Sitzbank und der Fahrradständer seien keine gemeinschaftlichen Einrichtungen.

Im April 2006 haben die bisherigen Pächter der Gärten einen Kleingartenverein gegründet, der mit den Eigentümern des Grundstücks einen Pachtvertrag abgeschlossen hat. Pächter des gesamten Grundstücks ist der Verein geworden, der acht Parzellen an seine Mitglieder als Einzelpächter weiterverpachtet hat. Neben der Vornahme anderer Maßnahmen sind auf einer geteilten Parzelle - der Parzelle 3a - u.a. eine Sitzecke mit Grill, ein Sandkasten und Kinderspielgeräte aufgestellt worden.

Mit Beschluss vom 13. Februar 2009 hat der Senat auf den Antrag des Klägers die Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

In der am 4. März 2009 eingegangenen Berufungsbegründung hat der Kläger zusätzlich die Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung des von ihm gezahlten Erschließungsbeitrages verlangt, mit Schriftsatz vom 23. März 2009 zusätzlich die Zahlung von Zinsen.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, es seien (inzwischen) mehrere gemeinschaftliche Anlagen vorhanden (Außeneinfriedung, gemeinschaftliche Wasserversorgung, Stichweg, Gemeinschaftsbank und Gemeinschaftsfahrradständer, Sitz/Grillecke, Spielplatz, Rasenfreizeitfläche, gemeinschaftlicher Kompost/Baumschnittplatz). Eine gemeinschaftliche Wasserversorgung reiche aus, nicht zu fordern sei eine gemeinsame Brunnenanlage oder Wasserstelle. Die Parzelle 3a sei unverpachtet und für eine gemeinsame Nutzung gewidmet. Das Gartentor könne von den berechtigten Pächtern geöffnet werden. Im Weiteren ergehe sich die Beklagte zu der Nutzung dieser Parzelle in Vermutungen.

Soweit die Beklagte behaupte, die Anlage sei ungepflegt, sei darauf hinzuweisen, dass der Winter erst Anfang April "gewichen" sei und die Anlage schon zwei Wochen später einen ganz anderen Eindruck gemacht habe. Die Ausstattung sei weit überdurchschnittlich im Vergleich zu anderen Kleingartenanlagen im Kreisverband der Gartenfreunde C. e.V. Auch wegen der bestehenden Rechtsunsicherheit könne dem Kleingartenverein keine aufwändige Umgestaltung auferlegt werden. Ein Rechtsmissbrauch liege nicht vor. Auf dem Grundstück befinde sich seit 1933 eine Kleingartenanlage und die Voreigentümerin, seine Tante, habe nach der Wiedervereinigung im Jahre 1991 alle Pachtverträge auf das Bundeskleingartengesetz umgestellt.

Er habe den sofort vollziehbaren Beitrag am 29. März 2007 unter Vorbehalt gezahlt. Auf Grund des gesetzlich zwingenden Stundungsanspruchs sei die Beklagte ungerechtfertigt bereichert. Er habe entweder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch analog § 812 BGB oder einen Anspruch auf Folgenbeseitigung in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Die Forderung der Zinsen ergebe sich aus § 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG LSA i.V.m. §§ 236 Abs. 1, 238 AO. Der Kläger beantragt,

1. das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 2. Kammer - vom 23. Februar 2006 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 28. Januar 2004 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 19. März 2004 zu verpflichten, ihm den für das Flurstück 237/3, Flur A, Gemarkung C. festgesetzten Erschließungsbeitrag in Höhe von 46.878,18 € zinslos zu stunden,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihm den zwischenzeitlich gezahlten Erschließungsbeitrag in Höhe von 46.878,18 € nebst Zinsen in Höhe von 6 % seit dem 29. März 2007 zu erstatten,

3. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, es fehle nach wie vor an gemeinschaftlichen Einrichtungen i.S.d. Bundeskleingartengesetzes. Am 6. und 7. April 2009 hätten ihre Mitarbeiter Ortsbesichtigungen vorgenommen und das Grundstück - da es verschlossen gewesen sei - von außen besichtigt. Das Grundstück sei insgesamt sehr ungepflegt und einige der Gärten schienen nicht genutzt zu werden. In Bezug auf den Grillplatz/Spielplatz auf Parzelle 3a sei festzustellen, dass die Fläche nicht frei zugänglich sei, weil die Parzelle durch einen Zaun vom Stichweg getrennt und nur durch ein Tor zu erreichen sei. Eine Abgrenzung zwischen Parzelle 3a und 3b sei nicht erkennbar, so dass sich der Verdacht aufdränge, der Pächter der Parzelle 3 habe nur einen Teil seines Gartens für Fotos zur Verfügung gestellt. Auch sei schwer nachvollziehbar, weshalb die Sitzecke/Grillecke nicht auf der ohnehin leer stehenden Fläche der Parzelle 1 angelegt worden sei. Außerdem befänden sich große Teile der Parzelle 3a nicht auf dem Grundstück des Klägers; es habe ein Überbau des Nachbargrundstücks stattgefunden. Die Wasserversorgung durch den Wasseranschluss diene nur der praktikablen individuellen Nutzung und Versorgung der Einzelgärten und nicht einem aktiv erlebten Gemeinschaftszweck.

Die Gründung des Kleingartenvereins an sich führe nicht dazu, eine Nutzung des Grundstücks als Kleingärten zu begründen. Am Rande sei angemerkt, dass der Verein wesentliche im Jahresplanprogramm 2006 ausgeführte Arbeiten, wie den Abbruch der Gartenlaube auf Parzelle 1 und die Anlegung eines Stellplatzes, bislang nicht durchgeführt habe. Daher sei zu vermuten, dass der Verein lediglich auf dem Papier für das vorliegende Klageverfahren gegründet worden sei. Der Schaukasten, der am Eingang des Gartengrundstücks aufgestellt worden sei, weise jedenfalls nicht auf eine Vereinsaktivität hin, sondern enthalte nur veraltete Zeitungsartikel. Es sei auch zu beachten, dass sich auf dem Grundstück insgesamt nur neun Parzellen befänden, so dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Prüfung des Vorliegens einer Kleingartenanlage der Schaffung gemeinschaftlicher Einrichtungen besondere Bedeutung zukomme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung ist zulässig.

Der Kläger durfte auch in der Berufungsinstanz durch die Aufnahme des Klageantrages zu 2. eine Klageänderung nach § 91 VwGO vornehmen (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 91 Rdnr. 93 m.w.N.). Die Beklagte hat sich darauf i.S.d. § 91 Abs. 2 VwGO in ihrer Berufungserwiderung vom 4. Mai 2009 rügelos eingelassen, so dass ihre Einwilligung in die Klageänderung gegeben ist.

II. Die Berufung ist weiterhin in dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage des Klägers zu Unrecht abgewiesen (1.). Die Ablehnung der Gewährung einer zinslosen Stundung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erstattung des schon gezahlten Erschließungsbeitrages einschließlich von Zinsen in Höhe von 6 % seit dem 5. März 2009 und in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2009. Kein Anspruch des Klägers besteht lediglich hinsichtlich der Zinsforderung für den Zeitraum vor dem 5. März 2009 und soweit er für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2009 Zinsen in einer Höhe begehrt, die 5 % über dem Basiszinssatz übersteigen (2.).

1. Dem Kläger steht ein Stundungsanspruch nach § 135 Abs. 4 Satz 3 BauGB zu, wonach der Erschließungsbeitrag zinslos zu stunden ist, solange Grundstücke als Kleingärten i.S.d. Bundeskleingartengesetzes - BKleingG - genutzt werden.

Maßgeblich sind dazu die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Senats. Grundsätzlich kommt es für die Beurteilung von Verpflichtungsklagen auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz an, soweit das materielle Recht keine abweichende Regelung trifft. Eine solche abweichende Regelung enthält § 135 Abs. 4 Satz 3 BauGB nicht (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23. August 1996 - 8 C 34/94 -, zu § 135 Abs. 4 Satz 1 BauGB i.d.F. des Gesetzes vom 8. Dezember 1986). Da es sich um einen rechtlich gebundenen Anspruch handelt und der Behörde kein Ermessen eingeräumt ist, ist nicht auf den Zeitpunkt ihrer Entscheidung bzw. der Widerspruchsentscheidung abzustellen. Denn nur wenn die Entscheidung über eine Stundung eine Ermessensentscheidung ist und die Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung allein von Tatsachen und Verhältnissen abhängen kann, die im Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung vorgelegen haben, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt dieser Entscheidung maßgeblich (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 222 Rdnr. 70, § 227 AO Rdnr. 78; Pahlke, AO, 2. A., § 222 Rdnr. 76).

Die auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Gärten liegen entgegen der Auffassung der Beklagten in einer Kleingartenanlage i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG. Eine Kleingartenanlage ist danach eine Anlage, in der mehrere Einzelgärten mit gemeinschaftlichen Einrichtungen, zum Beispiel Wegen, Spielflächen und Vereinshäusern, zusammengefasst sind.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 27. Oktober 2005 - III ZR 31/05 -, zit. nach JURIS m.w.N.), der der Senat insoweit folgt, ist im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG als absolute Untergrenze die Mindestzahl von fünf Pachtparzellen für das Vorhandensein einer Anlage erforderlich. Diese Mindestzahl wird hier durch die Zahl von acht Pachtparzellen erreicht.

b) Weiterhin bestehen auf dem Grundstück gegenwärtig zumindest zwei gemeinschaftliche Einrichtungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG, so dass offen bleiben kann, ob nicht sogar schon das Vorhandensein einer gemeinschaftlichen Einrichtung zur Begründung einer Kleingartenanlage ausreichend ist (vgl. Stang, BKleingG, 2. A., § 1 Rdnr. 15 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung; so wohl auch OLG Naumburg, Urt. v. 11. Januar 2001 - 7 U 132/99 -, zit. nach JURIS; Mainczyk, BKleingG, 6. A., § 1 Rdnr. 11).

Unter gemeinschaftlichen Einrichtungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG sind solche Einrichtungen zu verstehen, die der Gemeinschaft der Kleingärtner zur Verfügung stehen und dem Kleingartenzweck dienen (vgl. VG Frankfurt [Oder], Urt. v. 31. März 1998 - 7 K 1912/96 -, zit. nach JURIS m.w.N.; Mainczyk, a.a.O., § 1 Rdnr. 11). Durch sie wird eine Anlage nach dem Bundeskleingartengesetz mehr als die (zufällig erscheinende) Nähe von Einzelgärten auf der Erdoberfläche (vgl. OLG Naumburg, Urt. v. 11. Januar 2001, a.a.O.). Einrichtungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG müssen dabei nicht unbedingt einem "aktiv erlebten" Gemeinschaftszweck dienen, wie es das Verwaltungsgericht und die Beklagte annehmen. Der Wortlaut der Regelung legt eine solch einschränkende Auslegung schon nicht nahe. Bei den in der Norm aufgeführten Anlagen handelt es sich ausdrücklich nur um Beispiele. Außerdem ist zumindest bei der Einrichtung "Wege" fraglich, ob sie dem vom Verwaltungsgericht und von der Beklagten vertretenen Maßstab genügt. Nach Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG ist vielmehr allein auf die Klammerwirkung der Einrichtung abzustellen, die mehrere Einzelgärten als Anlage zusammenfasst (vgl. dazu Stang, a.a.O., § 1 Rdnr. 15). Das auf dem klägerischen Grundstück vorhandene Wasserversorgungssystem ist danach als gemeinschaftliche Einrichtung anzusehen. Es ist dazu nicht erforderlich, dass (nur) die Gartenanlage als solche und nicht die jeweiligen Einzelgärten mit Wasser versorgt werden (so aber wohl OLG Brandenburg, Urt. v. 11. Oktober 2006 - 3 U 192/05 -, zit. nach JURIS; unklar Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 BKleingG Rdnr. 11). Zwar stellt ein innerhalb der Einfriedung der Gartenanlage gelegener gemeinsamer Brunnen bzw. eine gemeinsam genutzte Wasserstelle, die keiner Parzelle zugeordnet ist, durchaus eine Gemeinschaftsanlage dar, wenn keiner der Einzelgärten durch eine separate Wasserleitung oder eine andere Wasserquelle versorgt wird. Denn dabei handelt es sich um eine gemeinsame Wasserversorgung (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27. Oktober 2005, a.a.O.) sämtlicher Gärten. Wie oben dargelegt, ist es nicht erforderlich, dass die Wasserversorgung einem "aktiv erlebten" Gemeinschaftszweck dient (a.M.: AG Potsdam, Urt. v. 30. Oktober 1996 - 20 C 314/96 -, zit. nach JURIS).

Eine gemeinsame Wasserversorgung und damit eine gemeinschaftliche Einrichtung ist aber auch ein - wie hier - Leitungssystem innerhalb der Gartenanlage, das ausgehend von einem zentralen Anschluss der Anlage an die Hauptleitung sämtliche Gärten mit Wasser versorgt (so wohl auch OLG Naumburg, Urt. v. 11. Januar 2001, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15. Oktober 2008 - 2 A 5.08 -, zit. nach JURIS; vgl. weiter Mainczyk, a.a.O., § 1 Rdnr. 14b und Stang, a.a.O., § 1 Rdnr. 15). In Abgrenzung dazu steht eine Wasserversorgung, bei der nicht sämtliche Gärten an ein zentrales System angeschlossen sind, sondern einzelne Gärten direkt an die Wasserversorgungsanlage des örtlichen Versorgers angebunden sind und/oder auf anderem Wege mit Wasser versorgt werden. Dass anscheinend bei mehreren Gärten auf dem klägerischen Grundstück zusätzlich noch Grundwasserpumpenanlagen funktionstüchtig sind, steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist, dass durch das sämtliche Gärten versorgende interne Leitungsnetz eine Zusammenfassung der (Einzel)Gärten zu einer Anlage bewirkt wird.

Eine weitere Gemeinschaftseinrichtung befindet sich auf der - nach den vorgelegten Einzelpachtverträgen nicht weiterverpachteten und daher rechtlich nur dem Kleingartenverein zuzuordnenden - Parzelle 3a, die unstreitig u.a. mit einer Sitzecke mit Grill, einem Sandkasten und Kinderspielgeräten ausgestattet ist. Damit ist zumindest das in § 1 Abs. 1 Nr. 2 BKleingG genannte Regelbeispiel "Spielfläche" erfüllt. Diese Fläche steht entgegen der Auffassung der Beklagten auch allen Kleingartenpächtern zur Verfügung, obwohl die Parzelle durch einen Zaun abgetrennt und durch ein Tor zu erreichen ist. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass das Gartentor von den berechtigten Pächtern geöffnet werden kann. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass eine Nutzung als Gemeinschaftseinrichtung tatsächlich nicht erfolgt, sondern nur eine Nutzung durch den Pächter der benachbarten Parzelle 3b, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Die bloße Vermutung der Beklagten ist dazu nicht ausreichend. Dass die Sitzecke mit Grill nicht auf der (größeren) Fläche der Parzelle 1 angelegt worden ist, kann der Einstufung der Parzelle 3a als Gemeinschaftseinrichtung schließlich ebenso wenig entgegen gehalten werden, wie die Tatsache, dass möglicherweise ein Überbau des Nachbargrundstücks stattgefunden hat.

Andere Einwendungen gegen die Einstufung des klägerischen Grundstücks als Kleingartenanlage i.S.d. Bundeskleingartengesetzes sind weder ersichtlich noch von der Beklagten im Berufungsverfahren geltend gemacht, so dass die Vorgabe des § 135 Abs. 4 Satz 3 BauGB erfüllt ist

2. Der Kläger darf die Erstattung des inzwischen gezahlten Erschließungsbeitrages nebst Zinsen in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 VwGO zusammen mit der auf die Stundung gerichteten Verpflichtungsklage verfolgen. Diese Regelungen sind aus Gründen der Prozessökonomie auch bei Verpflichtungsklagen entsprechend anwendbar (vgl. OVG Niedersachsen, Urt. v. 2. November 1999 - 7 L 3645/97 -, zit. nach JURIS m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 15. A., § 113 Rdnr. 177; Posser/Wolff, VwGO, 2008, § 113 Rdnr. 64 zur § 113 Abs. 4; Bader u.a., VwGO, 4. A., § 113 Rdnr. 96 zu § 113 Abs. 4; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 17. Februar 2000 - 3 C 11/99 -, zit. nach JURIS; wohl a.M.: Sodan/Ziekow, VwGO, § 113 Rdnr. 191, 391; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 113 Rdnr. 61, 62 m.w.N.).

Dem Kläger steht weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis für das auf die Erstattung gerichtete Leistungsbegehren zu. Es ist zwar davon auszugehen, dass die Beklagte nach Rechtskraft eines Verpflichtungsurteils zur Stundung eine Rückzahlung vornehmen würde. Das Rechtsschutzbedürfnis folgt jedoch daraus, dass ansonsten kein Anspruch auf Prozesszinsen in entsprechender Anwendung des § 291 BGB begründet werden könnte. Denn Prozesszinsen können nur verlangt werden, wenn die Verwaltung zum Erlass eines die Zahlungspflicht unmittelbar auslösenden Verwaltungsakts verpflichtet wird und diese Verpflichtung so konkret ist, dass der Umfang der zugesprochenen Geldforderung feststeht, also zumindest rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9. Februar 2005 - 6 B 80/04 -, zit. nach JURIS). Andernfalls kommt die Gewährung von Prozesszinsen nur in Betracht, wenn (auch) unmittelbar auf Zahlung einer Geldsumme geklagt wird.

Die auf Stundung des Geldbetrages gerichtete Verpflichtungsklage führt nicht zu einem die Zahlungspflicht unmittelbar auslösenden Verwaltungsakt. Denn eine Stundung im Abgabenrecht ist die Hinausschiebung der Fälligkeit einer Abgabe, die in der Regel durch Verwaltungsakt geschieht. Ist die Abgabe schon bezahlt, entsteht zwar nach Erlass des Stundungsbescheides als Nebenfolge ein Rückzahlungsanspruch aus § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 2 AO (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 18. März 1998 - 6 C 97.3792 -, zit. nach JURIS). Damit wird aber eine (Rück)Zahlungspflicht nicht durch den Stundungsbescheid unmittelbar ausgelöst.

Ein Zinsanspruch besteht jedoch nur für Prozesszinsen. Für öffentlich-rechtliche Geldforderungen sind Prozesszinsen unter sinngemäßer Anwendung des § 291 BGB zu entrichten, wenn - wie hier - das jeweils einschlägige Fachrecht keine abweichende Regelung trifft. Der Anspruch besteht ab dem auf die Rechtshängigkeit des (bezifferten) Rückzahlungsanspruchs folgenden Tag (vgl. § 187 Abs. 1 BGB). Der Kläger hat erst mit einem am 4. März 2009 bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz einen Leistungsanspruch auf Rückzahlung geltend gemacht, so dass erst danach ein Anspruch auf Prozesszinsen entstehen konnte.

Die Höhe der Prozesszinsen ergibt sich aus § 291 Satz 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach der Zinssatz für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt. Für den Zeitraum bis 1. Juli 2009 spielt dies keine Rolle, da der Kläger lediglich Zinsen in Höhe von 6 % beantragt hat und der Basiszinssatz bis dahin über 1 % lag. Erst ab 1. Juli 2009 beträgt der Basiszinssatz nur noch 0,12 %, so dass der Kläger ab dann nicht mehr 6 %, sondern im Ergebnis nur noch 5,12 % verlangen kann.

Ein anderweitiger Anspruch des Klägers auf Zinsen, insbesondere für den Zeitraum vom 29. März 2007 bis 4. März 2009, besteht nicht. Ansprüche aus dem Abgabeschuldverhältnis können nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung verzinst werden (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 233 Satz 1 AO), an der es hier aber fehlt (vgl. auch OVG Niedersachsen, Beschl. v. 23. Januar 2004 - 11 LB 257/03 -, zit. nach JURIS).

Der vom Kläger genannte § 13 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist schon von vornherein nicht anwendbar. Gemäß § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des - hier nicht einschlägigen - Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Abgabe herabgesetzt oder eine Abgabevergütung gewährt wird. Abgesehen davon, dass die Entscheidung über die Stundung (noch) nicht rechtskräftig ist (vgl. grundsätzlich auch BVerwG, Urt. v. 17. Februar 2000, a.a.O.), handelt es sich bei der Stundung weder um die Herabsetzung einer Abgabe noch um die Vergütung einer Abgabe. Eine vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung angesprochene entsprechende Anwendung dieser Regelung scheitert schon an dem Vorliegen einer Regelungslücke. Insbesondere verweisen weder das Baugesetzbuch noch das Kommunalabgabengesetz Sachsen-Anhalt auf § 233a AO, der eine ausdrückliche Regelung für die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen trifft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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