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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 26.10.2007
Aktenzeichen: 4 L 177/07
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 7 Abs. 1
RVG § 22 Abs. 1
1. Zur Auslegung des Begriffs "derselben Angelegenheit" i. S. v. § 7 Abs. 1 RVG.

2. Die Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft nehmen ihre Rechte gegen die Genehmigung einer Gemeinschaftsvereinbarung als Rechtsgemeinschaft wahr. Die gegen diese Vereinbarung gerichteten Rechtsbehelfe mehrerer Mitgliedsgemeinden betreffen einen Gegenstand und nicht mehrere Gegenstände, deren Werte nach § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen sind.


Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel i. S. des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Für die Vertretung der Klägerinnen im behördlichen Vorverfahren erhält ihr Anwalt gem. § 7 Abs. 1 RVG die Gebühren nur einmal, weil er hierdurch für mehrere Auftraggeber "in derselben Angelegenheit" tätig geworden ist. Unter einer "Angelegenheit" ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für seine Auftraggeber besorgen soll. Die Angelegenheit betrifft das Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit des Anwalts aufgrund des Auftrages bezieht. Eine Angelegenheit kann dabei auch mehrere Gegenstände umfassen (BVerwG, Urt. v. 09.05.2000 - BVerwG 11 C 1.99 -, juris, Rdnr. 20). Aus dem Wortlaut des § 7 Abs. 1 RVG folgt, dass der Rechtsanwalt auch mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit vertreten kann. Entscheidend ist allein, dass sie dem Bevollmächtigten einen einheitlichen Auftrag (vgl. dazu Göttlich/Mümmler, RVG, 2. Aufl. S. 30) für seine Tätigkeit erteilt haben, zwischen ihren Begehren ein innerer Zusammenhang besteht und der Rechtsanwalt einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen wählt (BVerwG, Urt. v. 09.05.2000, a. a. O.). Bei der Führung eines Rechtsstreites oder eines behördlichen Vorverfahrens liegt in aller Regel eine Angelegenheit vor (Madert in: Gerold u. a., RVG, Kommentar, 17. Aufl. 2006, § 15 Rdnr. 5). Denn der Rechtsanwalt verfolgt in diesen Fällen die Begehren seiner Auftraggeber im gleichen Rahmen (z. B. einer Klage, eines Widerspruchs) und es bestehen in der Regel keine Anhaltspunkte dafür, dass er den Auftrag hatte, für jeden Auftraggeber gesondert Widerspruch einzulegen bzw. Klage zu erheben. Weil die Klägerinnen sich im Widerspruchsverfahren auch gegen ein und dieselbe Genehmigung gewandt haben, liegt der innere Zusammenhang ihrer Begehren auf der Hand. Entgegen der Ansicht der Klägerinnen kommt es demnach bei der Beurteilung, ob nur eine Angelegenheit i. S. von § 7 Abs. 1 RVG vorliegt, nicht darauf an, welche Auswirkungen der angefochtene Verwaltungsakt auf die einzelnen Auftraggeber hat. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob und aus welchen taktischen Gründen der Rechtsanwalt die Begehren seiner Auftraggeber mit einem Widerspruchsschreiben verfolgt hat. Entscheidend ist allein, dass er wie vorliegend (auftragsgemäß) einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen gewählt hat und zwischen den Begehren seiner Auftraggeber ein innerer Zusammenhang besteht, der die Annahme einer Gebühreneinheit rechtfertigt.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht weiterhin davon ausgegangen, dass es sich bei der Führung des Widerspruchsverfahrens nicht um mehrere Gegenstände handelt, deren Werte gem. § 22 Abs. 1 RVG zusammenzurechnen sind. Die Begehren der Klägerinnen betreffen vielmehr denselben Gegenstand. Derselbe Gegenstand liegt vor, wenn der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber wegen desselben Rechts oder Rechtsverhältnisses tätig wird, wenn die Auftraggeber insoweit eine Rechtsgemeinschaft oder eine dieser gleich gestellten Gemeinschaft sind. Steht hingegen jeden von mehreren Auftraggebern das Recht allein zu bzw. werden die Auftraggeber wegen Rechten in Anspruch genommen, von denen jeder Auftraggeber ganz allein betroffen ist, so handelt es sich um verschiedene Gegenstände (Müller-Rabe in: Gerold, a. a. O., VV 1008, Rdnr. 128). Ist bei einem Verwaltungsakt jeder einzelne Auftraggeber nur in seinem persönlichen Recht betroffen, so handelt es sich um verschiedene Gegenstände, deren Werte zu addieren sind. Steht das Recht den Auftraggebern aber als Rechtsgemeinschaft zu, so ist nur ein Gegenstand gegeben (Müller-Rabe a. a. O., Rdnr. 131). Eine Rechtsgemeinschaft besteht bei gemeinsamen vertraglichen Verpflichtungen, z. B. mehrerer Gesellschafter einer GbR oder OHG (Vollkommer in: Zöller, ZPO, Kommentar, 25. Aufl. 2005, § 60, Rdnr. 5). Um die Genehmigung einer solchen vertraglichen Verpflichtung in Form einer (aufsichtsbehördlichen verfügten) Gemeinschaftsvereinbarung ging es im behördlichen Vorverfahren, um dessen Kosten die Beteiligten vorliegend streiten. Die Gemeinschaftsvereinbarung i. S. von § 76 Abs. 3 und 4 GO LSA und ihre Genehmigung nach § 76 Abs. 5 GO LSA bindet alle Mitgliedsgemeinden gleichermaßen. Auf die Bestandskraft der grundsätzlich vollziehbaren Genehmigung der Gemeinschaftsvereinbarung kommt es dabei entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht an. Selbst wenn es sich bei Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft nicht um eine Rechtsgemeinschaft handeln würde, so müsste ihr Verhältnis angesichts der gesellschaftsvertragsähnlichen Konstruktion der Gemeinschaftsvereinbarung einer Rechtsgemeinschaft gleichgestellt werden.

Die Genehmigung der Gemeinschaftsvereinbarung hat gegenüber jeder Mitgliedsgemeinde die gleiche Wirkung. Bei erfolgreicher Anfechtung der Genehmigung durch nur eine Gemeinde fehlt es an der Wirksamkeit der Vereinbarung und der rechtlichen Bindung auch der übrigen Mitgliedsgemeinden an die Vereinbarung. Denn die neue Gemeinschaftsvereinbarung i. S. von § 76 a Abs. 2 GO LSA macht für die durch Zuordnung veränderte Verwaltungsgemeinschaft nur Sinn, wenn sie für alle Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft gilt. Mithin kann sich die Rechtmäßigkeit der Genehmigung der Gemeinschaftsvereinbarung entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht für jede Gemeinde unterschiedlich beurteilen, so dass eine Zusammenrechnung des Gegenstandswerts ausscheidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.

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