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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 28.10.2009
Aktenzeichen: 4 L 209/07
Rechtsgebiete: GO LSA


Vorschriften:

GO LSA § 73
Das Tarifvertragsgesetz nimmt dem Landesgesetzgeber nicht die Möglichkeit, aus haushaltsrechtlichen Erwägungen und im Interesse einer gleichmäßigen personalpolitischen Stabilität einheitliche Vergütungsvorschriften für die Bediensteten der Kommunen und Länder zu schaffen. Vielmehr ist es zur Schaffung eines gleichmäßigen Lohngefüges sogar geboten, die Besoldungsverhältnisse im öffentlichen Dienst über die einzelne Gemeinde hinaus zu vereinheitlichen und einer staatlichen Bindung zu unterwerfen.

Die darin liegende Einschränkung der Vertragsfreiheit verstößt nicht gegen das allgemeine Freiheitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG oder die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG.


Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer kommunalaufsichtlichen Beanstandungsverfügung des ehemaligen Landkreises Saalkreis, dessen Rechtsnachfolger der Beklagte ist.

Der Gemeinderat der Klägerin, die bereits zum 31. Dezember 2001 aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) ausgetreten war, beschloss am 21. Oktober 2004, den Bürgermeister zu bevollmächtigen, mit den Beschäftigten der Gemeinde entsprechend eines dem Beschluss beigefügten Vertragsmusters Änderungsvereinbarungen zu schließen bzw. Änderungskündigungen im Hinblick auf die bestehenden Arbeitsverhältnisse auszusprechen, um Tarifsteigerungen nach den einschlägigen Tarifverträgen nicht mehr anwenden zu müssen.

Mit Bescheid vom 15. März 2005 beanstandete der ehemalige Landkreis Saalkreis den Beschluss des Gemeinderates mit der Begründung, der Beschluss widerspreche § 73 Abs. 2 GO LSA (in der bis zum 31. Dezember 2005 geltenden Fassung), der das Tarifvertragsgesetz und die darin verankerte Tarifbindung auch auf die Städte und Gemeinden erweitere und die Einheitlichkeit des öffentlichen Dienstes - auch unter Berücksichtigung der Nichtmitgliedschaft einer Gemeinde im Kommunalen Arbeitgeberverband - gewährleisten solle. Da das Land tarifgebunden sei, gälten für die Beschäftigten der Gemeinden die Regelungen der einschlägigen Tarifverträge als Rechtsgrundlage für die Personalausgaben entsprechend. Eine Abweichung von den tarifvertraglichen Regelungen, die durch die weitere Entwicklung der Tarifverträge entstehe, an denen sich die Gemeinde nicht beteiligen wolle, widerspreche der Einheitlichkeit des öffentlichen Dienstes. Unter Berücksichtigung der Tarifgebundenheit des Landes und der damit verbundenen Anwendbarkeit der tarifvertraglichen Regelungen auf die Landesbediensteten widerspreche der Abschluss arbeitsvertraglicher Regelungen, der sich nicht nach den tarifrechtlichen Vorschriften des Landes richte, § 73 Abs. 2 GO LSA. Auch tarifvertragliche Regelungen seien als Vorschriften im Sinne dieser Regelung anzusehen. Schließlich sei die Abweichung auch nach § 73 Abs. 3 GO LSA nicht zulässig. Nach dieser Vorschrift könnten Personalausgaben nur geleistet oder zugesagt werden, soweit gesetzliche Vorschriften, Arbeits- und Tarifverträge hierzu verpflichteten oder ausdrücklich ermächtigten. Diese Vorschrift erweitere die nach dem Tarifvertragsgesetz vorgeschriebene Tarifbindung insoweit, als auch Gemeinden, die nicht Mitglied im KAV seien, hinsichtlich der Personalausgaben den entsprechenden tarifrechtlichen Regelungen unterworfen würden. Außertarifliche Mehr- oder Minderzahlungen würden damit gesetzlich unterbunden. Ausnahmen seien nur gemäß § 73 Abs. 3 S. 2 und 3 GO LSA möglich, die hier indes nicht einschlägig bzw. von der Obersten Kommunalaufsichtsbehörde nicht zugelassen worden seien.

Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2005 zurück.

Am 28. Juli 2005 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sie sei nicht Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes, so dass für sie keine Tarifgebundenheit im Sinne des § 3 des Tarifvertragsgesetzes bestehe. Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung gebe es für die im öffentlichen Dienst geltenden Tarifverträge nicht. Auch aus § 73 Abs. 2 Satz 1 GO LSA in der Fassung der Gesetzesänderung vom 31. Dezember 2005 könne nicht der Schluss gezogen werden, dass die Gemeinde verpflichtet sei, ihre Arbeitsverträge einem der im Land Sachsen-Anhalt geltenden Tarifverträge zu unterwerfen. Schon die Gesetzesformulierung, dass auf die Gemeindebediensteten die für Landesbedienstete geltenden Vorschriften anzuwenden seien, spreche dafür, dass die für Landesbediensteten geltenden Tarifverträge hier nicht gemeint seien. Vielmehr erfasse § 73 Abs. 2 Satz 1 GO LSA nur die durch den Gesetz- und Verordnungsgeber erlassenen Vorschriften. Würde man unter den Begriff der Vorschriften auch die für Landesbedienstete geltenden Tarifverträge subsumieren, wäre § 73 Abs. 2 Satz 1 GO LSA nichtig.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes vom 12. Juli 2005 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und ergänzend ausgeführt, aus § 73 Abs. 3 Satz 1 GO LSA ergebe sich, dass auch Gemeinden, die nicht Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband seien, hinsichtlich der Personalausgaben den entsprechenden tarifrechtlichen Regelungen unterworfen seien.

Mit Urteil vom 28. Juni 2007 hat das Verwaltungsgericht Halle die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin ziehe zu Unrecht aus dem Wortlaut des § 73 Abs. 2 GO LSA den Schluss, sie könne ihre Arbeitnehmer unabhängig von den für die Landesbediensteten geltenden Tarifverträgen entlohnen, weil diese nicht unter den Begriff der "Vorschriften" fielen. Vielmehr beziehe sich das Wort "Vorschriften" in dieser Norm nicht allein auf die durch den Gesetz- und Verordnungsgeber erlassenen Rechtsnormen, sondern sei umfassend dahingehend zu verstehen, dass es die anzuwendenden "Regeln" meine. Es habe damit eine umfassende Bedeutung. Regeln seien nicht allein Vorschriften, die im Über- und Unterordnungsverhältnis erlassen würden, sondern auch solche Vereinbarungen, die sich die Beteiligten im Gleichordnungsverhältnis gäben, um hierdurch die gegenseitigen Rechte und Pflichten festzuschreiben, mithin auch tarifvertragliche Vereinbarungen. Aber auch nach dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Norm sei davon auszugehen, dass hiermit eine umfassende Regelung der Dienst- und Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter in den Gemeinden geschaffen worden sei. Diese Auslegung entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers, der Einheitlichkeit des öffentlichen Dienstes Rechnung zu tragen und zu verhindern, dass sich Länder und Kommunen auseinander entwickelten. Mit der Aufgabe, eine ordnungsgemäße Verwaltung des Staates auf allen Ebenen sicherzustellen, sei es nicht zu vereinbaren, wenn eine finanzschwächere Gemeinde aufgrund der von ihr angebotenen geringeren Bezahlung kein gutes Personal mehr zur Verfügung hätte bzw. Stellen unbesetzt blieben. Dieses Verständnis werde auch dadurch bestätigt, dass ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 73 GO LSA ausdrücklich festgestellt werde, dass die Vorschrift notwendig sei, um die Besoldungs- und Vergütungsverhältnisse über die einzelnen Kommunen hinaus zu vereinheitlichen und staatlichen Bindungen zu unterwerfen. Die sich daraus ergebende enge Einbindung der Gemeinden in das Regelwerk, dem auch das Land unterworfen sei, verstoße auch nicht gegen das Grundgesetz, insbesondere Art. 28 Abs. 2 GG. Vielmehr sei der sich hieraus ergebende Eingriff in die Vertragsfreiheit der Gemeinden durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gedeckt.

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Klägerin vor, § 73 Abs. 2 Satz 1 GO LSA sei wegen eines Verstoßes gegen Art. 31 GG verfassungswidrig. Die Gemeinde sei nicht (mehr) tarifgebunden im Sinne des § 4 TVG. Auch sei zu dem Zeitpunkt, als der Austritt der Gemeinde aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband wirksam geworden sei, der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) der für die Kommunen gültige Tarifvertrag gewesen. Der für das Land Sachsen-Anhalt nunmehr geltende Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) sei erst zu einem deutlich späteren Termin vereinbart worden. Gemäß § 4 Abs. 5 TVG finde daher der "alte" Tarifvertrag so lange Anwendung, bis er durch eine andere Abmachung ersetzt werde. Eine derartige Abmachung zwischen der Gemeinde und ihren Mitarbeitern gebe es derzeit nicht. Da die Gemeinde nicht mehr tarifgebunden sei, könne das also - im Lichte des § 4 Abs. 5 TVG betrachtet - nur bedeuten, dass die Normen des BAT solange ihre Gültigkeit behielten, bis entweder die Gemeinde sich wieder einer Tarifbindung mit laufendem Tarifvertrag unterwerfe oder aber die Gemeinde gesonderte Abmachungen mit den Beschäftigten treffe. In keinem Fall könne die Vorschrift des § 4 Abs. 5 TVG bedeuten, dass der Landesgesetzgeber oder aber das Land als Tarifpartei befugt und imstande sei, durch Vereinbarungen mit den Beschäftigten die Rechtsverhältnisse zwischen Gemeinde und ihren Beschäftigten zu regeln. Indem aber der Landesgesetzgeber durch § 73 Abs. 2 Satz 1 GO LSA der Gemeinde die von seinen Behörden ausgehandelten tariflichen Regelungen aufzwinge, breche er die Regelungen des TVG, mithin Bundesrecht. Sofern die Parteien eines Arbeitsrechtsverhältnisses nicht auf Grund Tarifgebundenheit oder aber wegen einer entsprechenden Allgemeinverbindlichkeitserklärung den Regeln eines Tarifvertrages unterworfen seien, seien sie weitestgehend frei in der Gestaltung des Arbeitsvertrages. Der Schutz der Arbeitnehmer werde dabei durch - zumeist vom Bundesgesetzgeber erlassene - Gesetze gewährt. In diese bundesrechtlich gewährte Vertragsautonomie greife § 73 Abs. 2 GO LSA ein, ohne dass Gründe des Allgemeinwohls diesen Eingriff rechtfertigten. Einer Verschwendung öffentlicher Mittel durch zu hohe Vergütungsvereinbarungen werde durch § 90 Abs. 2 GO LSA entgegengewirkt. Einem eventuell zu befürchtenden Lohndumping stünden die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Arbeitsrechts entgegen. Die allgemeinen (Bundes)gesetze regelten ausführlich die Rechte der Arbeitnehmer, so dass insoweit Ausbeutung nicht zu befürchten sei. Einem eventuellen Wettbewerb der Kommunen um die "besten Köpfe" sei durch die Verpflichtung zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung nach oben Grenzen gesetzt. Die Entscheidung einer Gemeinde, im Rahmen der geltenden Gesetze Vereinbarungen zu treffen, die den Standard für Landesbedienstete nicht erreichten, wirke sich nicht schädlich auf das Wohl der Allgemeinheit oder der Bürger der Gemeinde aus. Die Gefahr, dass durch Unterschreitungen des Landesstandards kein qualifiziertes Personal mehr akquiriert werden könne, sei nicht gegeben. Daher liege kein Grund vor, in den bundesgesetzlich normierten Grundsatz der Vertragsfreiheit durch einen Akt des Landesgesetzgebers einzugreifen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 28. Juni 2007 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 15. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes vom 12. Juli 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, § 4 Abs. 5 TVG sei hier schon deswegen nicht einschlägig, weil zum Zeitpunkt des Austritts der Gemeinde aus dem KAV der BAT gegolten habe; dieser sei durch den TVöD ersetzt worden. Insofern sei nicht zu erkennen, dass der Landesgesetzgeber unter Verstoß gegen § 4 Abs. 5 TVG der Gemeinde tarifliche Regelungen aufzwinge und § 73 Abs. 2 GO LSA deshalb nichtig sei. Diese Vorschrift solle eine überall gleichmäßige personalpolitische Stabilität, die im Interesse der Kommunen selbst sei, gewährleisten. Insofern sei die Vorschrift notwendig, um die Besoldungs- und Vergütungsverhältnisse über die einzelne Kommune hinaus zu vereinheitlichen und einer staatlichen Bindung zu unterwerfen und damit den Grundsatz der Einheitlichkeit des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes zu wahren. Gerade im sensiblen Bereich des Personalwesens sei es auch gegen die im BGB festgelegte Vertragsautonomie aus Gründen des Gemeinwohls notwendig, ein einheitliches Besoldungs- und Vergütungsgefüge beizubehalten, um es allen Kommunen zu ermöglichen, auf qualifizierte Fachkräfte zurückzugreifen, um die Aufgaben, die für die Allgemeinheit zu erledigen seien, sachgerecht erfüllen zu können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Die Unterlagen sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; denn die angefochtene kommunalaufsichtliche Beanstandungsverfügung des vormaligen Landkreises Saalkreis vom 15. März 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 12. Juli 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 136 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt in der hier bis zum 31. Dezember 2005 geltenden und für den vorliegenden Fall maßgeblichen Fassung - GO LSA a. F. -. Danach kann die Kommunalaufsichtsbehörde Beschlüsse und Anordnungen der Gemeinde, die das Gesetz verletzen, beanstanden und verlangen, dass Maßnahmen, die auf Grund derartiger Beschlüsse oder Anordnungen getroffen wurden, rückgängig gemacht werden.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der von dem Beklagten beanstandete Beschluss des Gemeinderates der Klägerin vom 21. Oktober 2004, mit dem der Bürgermeister zum Abschluss von Änderungsvereinbarungen bzw. zur Erklärung von Änderungskündigungen der mit den Beschäftigten der Klägerin bestehenden Arbeitsverhältnisse entsprechend eines dem Beschluss beigefügten Vertragsmusters bevollmächtigt wurde, verstößt gegen § 73 Abs. 2 GO LSA a. F.. Nach dieser Vorschrift sind auf die Gemeindebediensteten die für die Landesbediensteten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Gemeinderates der Klägerin am 21. Oktober 2004 waren die Bediensteten des Landes Sachsen-Anhalt auf der Grundlage des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT/BAT-O), der vom 1. April 1961 bis zum 1. Oktober 2005 bzw. 1. November 2006 die Beschäftigungsbedingungen und die Bezahlung der meisten Angestellten im Öffentlichen Dienst regelte, zu beschäftigen und zu vergüten. Diese Tarifverträge wurden für Angestellte des Bundes und der Kommunen zum 1. Oktober 2005 durch einen einheitlichen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) ersetzt. Für den Bereich der Landesangestellten wurde der BAT zum 1. November 2006 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ersetzt. Die von der Klägerin mit ihrer Beschlussfassung beabsichtigte Änderung der mit den Beschäftigten der Gemeinde bestehenden Arbeitsrechtsverhältnisse durch den Abschluss von Änderungsvereinbarungen bzw. durch die Erklärung von Änderungskündigungen entsprechend eines der Beschlussvorlage beigefügten Vertragsmusters weicht von dieser gesetzlichen Vorgabe ab, weil insbesondere die Vergütung der Beschäftigten zukünftig nicht mehr nach dem BAT bzw. ab dem 1. November 2006 nach dem TVöD, sondern auf der Grundlage individueller Regelungen im Arbeitsvertrag (vgl. Nr. 3 und 4 des Vertragsmusters) erfolgen soll.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 73 Abs. 2 GO LSA nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 31 GG verfassungswidrig; insbesondere verstößt die Vorschrift weder gegen Regelungen des Tarifvertragsgesetzes (1.) noch gegen den bundesgesetzlich normierten Grundsatz der Vertragsfreiheit (2.).

1. Das Tarifvertragsgesetz (TVG) vom 9. April 1949 legt die rechtlichen Rahmenbedingungen für Tarifverhandlungen fest. Der aus diesen Verhandlungen hervorgehende Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien (Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber sowie Vereinigungen von Arbeitgebern) und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG gelten die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, allerdings unmittelbar und zwingend nur zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen, also die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist (§ 3 Abs. 1 TVG), so dass mit dem zum 31. Dezember 2001 wirksam gewordenen Austritt aus dem Kommunalen Arbeitgeberverband die Tarifgebundenheit der Klägerin grundsätzlich entfallen ist. Die Klägerin leitet insoweit aus § 4 Abs. 5 TVG ("bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden") den Anspruch her, nach Ablauf des BAT "andere Abmachungen" in Form von Einzelverträgen mit ihren Bediensteten schließen zu können. Dem steht jedoch § 73 Abs. 2 GO LSA entgegen; denn durch die mit dieser Vorschrift begründeten Verpflichtung der Klägerin, der Besoldung ihrer Beschäftigten dennoch die für Landesbedienstete geltenden tariflichen Regelungen zugrunde zu legen, hat der Landesgesetzgeber die Arbeitsverhältnisse der kommunalen Beschäftigten unmittelbar kraft Gesetzes erneut dem Tarifrecht des öffentlichen Dienstes unterworfen. Hierin liegt indes kein Verstoß gegen §§ 3, 4 TVG.

Wie sich aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts vom 18. Mai 2005 (LT-Drucksache 4/2177) ergibt, die durch die Redewendung "weiterhin" auch auf die Vorgängerfassung übertragbar ist, soll § 73 Abs. 2 GO LSA eine auch im Interesse der Kommunen liegende, gleichmäßige personalpolitische Stabilität gewährleisten, indem die Besoldungs- und Vergütungsverhältnisse über die einzelne Kommune hinaus vereinheitlicht und einer staatlichen Bindung unterworfen werden. Die Vorschrift wahrt damit zugleich den Grundsatz der Einheitlichkeit des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes. Dies bedeutet zugleich, dass nach der Vorschrift weder unter- noch übertarifliche Leistungen gewährt werden dürfen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Tarifbindung zugleich die Kommunen erfassen, die nicht Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbandes sind, die damit bei den Personalausgaben ebenfalls den tarifrechtlichen Bestimmungen unterworfen werden. Diese mit der Schaffung des § 73 Abs. 2 GO LSA verfolgte Zielsetzung des Landesgesetzgebers ist mit dem Tarifvertragsgesetz zu vereinbaren.

Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 08.03.1974 - BVerwG VII C 47.72 -, zit. nach juris; Urt. v. 13.03.1964 - BVerwG VII C 87.60 -, BVerwGE 18, 135 ff.) ist zu entnehmen, dass das Tarifvertragsgesetz schon seinem Wortlaut nach den Ländern grundsätzlich nicht verwehrt, den Gemeinden vorzuschreiben, dass die Vergütung ihrer Beschäftigten der Vergütung vergleichbarer Landesbediensteter entsprechen muss, weil die mit einer solchen Regelung beabsichtigte Gleichstellung von Gemeinde- und Landesbediensteten im Bereich der Besoldung und Vergütung im Rahmen der dem Landesgesetzgeber auch den Gemeinden gegenüber bestehenden Organisationsgewalt liegt.

Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in einer Entscheidung vom 13. März 1964 grundsätzlich festgestellt, dass es nicht gegen das Grundgesetz oder § 4 des Tarifvertragsgesetzes verstoße, wenn den Gemeinden für den öffentlichen Dienst durch Gesetz die Überschreitung von tariflichen Lohnsätzen untersagt werde, und insoweit festgestellt:

"Die Tarifverträge haben in der freien Marktwirtschaft nur die Aufgabe, als Mindestbedingung den als einzelnen schwachen Arbeitnehmer zu schützen. Ganz anders liegt es aber bei der öffentlichen Verwaltung. In allen Gemeinden und in den Ländern sind die öffentlichen Aufgaben mit der gleichen Sorgfalt wahrzunehmen. Die Gemeinden sind insoweit untereinander keine Konkurrenten, die im Wettbewerb stehen. Es wäre deshalb mit den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Staates in allen seinen Gliederungen nicht vereinbar, dass die finanzstarken von finanzschwächeren Gemeinden dringend benötigte Angestellte durch bessere Bezahlung "abwerben" könnten oder dass wegen der höheren Bezahlung alle guten Kräfte sich im Dienste finanzstarker Gemeinden befänden... Um hier eine überall gleichmäßige personalpolitische Stabilität, die auch im Interesse der Gemeinden selbst liegt, zu schaffen, ist es notwendig, die Besoldungsverhältnisse über die einzelne Gemeinde hinausgehend zu vereinheitlichen und einer staatlichen Bindung zu unterwerfen..." Diese Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 8. März 1974 zu einer ähnlichen Bestimmung wie § 73 Abs. 2 GO LSA in der Niedersächsischen Gemeindeordnung vom 4. März 1955 (aktuelle Regelung jetzt § 80 Abs. 2 Satz 1 NGO) vertieft und ausgeführt:

"Das Land Niedersachsen hat hier im Rahmen seiner auch den Gemeinden bzw. den gemeindlichen Zweckverbänden gegenüber bestehenden Organisationsgewalt gehandelt... Solche Vorschriften führen allen Stellen der öffentlichen Hand ihre Verantwortung im Rahmen der gesamten öffentlichen Haushaltswirtschaft und damit auch der Personalwirtschaft vor Augen; sie sind notwendig, weil andernfalls das Ausbrechen einzelner Verwaltungsträger aus der haushaltswirtschaftlichen Gesamtverantwortung nicht verhindert werden könnte...

Die Gemeinden und gemeindlichen Zweckverbände unterstehen der Organisationsgewalt der Länder, die freilich grundsätzlich -- insbesondere wegen Art. 28 Abs. 2 GG -- nur in Form des Gesetzes ausgeübt werden kann und dabei auch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung einhalten muß. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben; dazu, daß durch eine solche Vorschrift in das Selbstverwaltungsrecht nicht unzulässig eingegriffen ist, wird auf das im Urteil vom 13. März 1964 Gesagte verwiesen (a.a.O. S. 140 f.). Es kann dabei offenbleiben, ob der Gesetzgeber bei der Schaffung von Angleichungsvorschriften den gemeindlichen Selbstverwaltungskörperschaften in ihrer Personalwirtschaft die notwendige Bewegungsfreiheit lassen muß (vgl. Pagenkopf, Kommunalrecht, 1971 S. 67). Denn für eine solche Bewegungsfreiheit ist gesorgt, wenn Ausnahmen von der (starren) Bindung vorgesehen sind. Das ist hier nach § 80 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 NGO der Fall."

Ausgehend von den grundsätzlichen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts, denen sich der Senat anschließt und die auch und erst recht mit Blick auf den Übergang der Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes der Länder auf die Länder (vgl. Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl. I 2034 ff.) fort gelten, nimmt das Tarifvertragsgesetz dem Landesgesetzgeber nicht die Möglichkeit, aus haushaltsrechtlichen Erwägungen und im Interesse einer gleichmäßigen personalpolitischen Stabilität einheitliche Vergütungsvorschriften für die Bediensteten der Kommunen und Länder zu schaffen. Vielmehr ist es - wie oben ausgeführt - zur Schaffung eines gleichmäßigen Lohngefüges sogar geboten, die Besoldungsverhältnisse im öffentlichen Dienst über die einzelne Gemeinde hinaus zu vereinheitlichen und einer staatlichen Bindung zu unterwerfen (vgl. auch Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11.12.1996 - 3 (7) Sa 552/95 -, zit. nach juris).

2. Allerdings ist mit der Klägerin davon auszugehen, dass § 73 Abs. 2 GO LSA trotz dieser Zielsetzung in die Vertragsfreiheit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber im gemeindlichen Bereich eingreift, indem er verlangt, dass auf die Gemeindebediensteten die für die Landesbediensteten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind und damit auch die Vergütung der kommunalen Beschäftigten derjenigen der vergleichbaren Beschäftigten des Landes entsprechen muss. Die darin liegende Einschränkung der Vertragsfreiheit und damit des allgemeinen Freiheitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG ist jedoch durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gedeckt; dabei kann offenbleiben, ob sich die Klägerin als Gebietskörperschaft überhaupt auf einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG berufen könnte oder ihr nur die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG zur Seite steht. Gegen § 73 Abs. 2 GO LSA bestehen nämlich weder aus der Sicht des Art. 2 Abs. 1 GG noch aus der des Art. 28 Abs. 2 GG Bedenken. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 13. März 1964 (a. a. O.) näher begründet (s. o.), weshalb es erforderlich ist, "die Besoldungsverhältnisse im öffentlichen Dienst über die einzelne Gemeinde hinausgehend zu vereinheitlichen und einer staatlichen Bindung zu unterwerfen". Diese Gründe rechtfertigen die Regelung des § 73 Abs. 2 GO LSA und ergeben, dass diese Vorschrift zur verfassungsmäßigen Ordnung im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG gehört; sie gelten unabhängig davon, ob eine Gemeinde tarifgebunden ist oder nicht (BVerwG, Urt. v. 08.03.1974, a. a. O.). Vorschriften wie § 73 Abs. 2 GO LSA verletzen auch nicht die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG. Einschränkungen des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden sind zulässig, soweit sie sachlich notwendig sind und die Selbstverwaltungsgarantie nicht in ihrem Wesensgehalt antasten. Einen derartigen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden durch eine gesetzlich normierte Besoldungsangleichung hat das Bundesverwaltungsgericht indes nicht gesehen, sondern vielmehr festgestellt, dass diese sogar notwendig sind, um eine ordnungsgemäße Selbstverwaltung für alle Gemeinden zu garantieren (BVerwG, Urt. v. 13.03.1964, a. a. O.). Dieser Erkenntnis kann sich der Senat nur anschließen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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