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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 23.03.2007
Aktenzeichen: 4 L 22/07
Rechtsgebiete: AO, GrStG


Vorschriften:

AO § 222
GrStG § 32
Bei der Prüfung einer erheblichen Härte im Sinne des § 222 AO i. V. m. Abschnitt 35 Abs. 2 Satz 8 Grundsteuerrichtlinie, der die Gemeinde aus Gleichbehandlungsgründen gemäß Art. 3 GG bindet, kommt es weder auf eine abschließende Feststellung der Ertraglosigkeit noch eine abschließende Prüfung der Kausalbeziehung zwischen öffentlichem Erhaltungsinteresse und Unrentabilität an. Vielmehr soll die Gemeinde gemäß Abschnitt 35 Abs. 2 Satz 8 Grundsteuerrichtlinie bereits im Zweifelsfall die Grundsteuer des laufenden Kalenderjahres und der beiden folgenden Kalenderjahre bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres stunden, da erst rückblickend festgestellt werden kann, ob der Rohertrag in Regel unter den jährlichen Kosten liegt.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 L 22/07

Datum: 23.03.2007

Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin einen Anspruch auf Stundung der Grundsteuer für die Kalenderjahre 2003 bis 2004 hat. Eine Stundung der Grundsteuerforderung setzt gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 5 der Abgabenordnung - AO - i. V. m. § 222 Satz 1 AO voraus, dass die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würde und der Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint. Der Begriff der erheblichen Härte ist ebenso wie der Begriff der Unbilligkeit in § 227 Abs. 1 AO ein unbestimmter Rechtsbegriff, der Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung bestimmt (BVerwG, Urt. vom 23.08.1990 - BVerwG 8 C 42.88 -, juris).

Das Verwaltungsgericht hat insoweit unter Bezugnahme auf Abschnitt 35 Abs. 2 der Grundsteuerrichtlinie - GrStR - zutreffend festgestellt, dass die Abwägung zwischen dem Interesse des Steuergläubigers an einer vollständigen und gleichmäßigen Steuererhebung und dem Interesse des Steuerpflichtigen an einem Aufschub der Fälligkeit (vgl. BFH, Urt. v. 23.02.1977 - II R 102/75 -, juris) bei der hier gegebenen Sachlage zur Annahme einer erheblichen Härte und damit wegen Verdichtung des Ermessens der Beklagten auf Null zu einem Anspruch der Klägerin auf Stundung führt.

Die von der Beklagten dagegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Unbestritten liegt der Erhalt des Schlosses M. wegen seiner Bedeutung für Kunst und Geschichte im öffentlichen Interesse im Sinne des § 32 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrStG (vgl. insoweit auch das Schreiben der Beklagten vom 10.04.2003). Mit ihrem Einwand, das Verwaltungsgericht sei bei der Prüfung der Ertraglosigkeit des klägerischen Grundstücks zu einem nicht nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, da bei der Berechnung des Rohertrages insbesondere der Nutzungswert völlig unberücksichtigt geblieben sei, verkennt die Beklagte, dass es bei der Prüfung einer erheblichen Härte im Sinne des § 222 AO i. V. m. Abschnitt 35 Abs. 2 Satz 8 GrStR, der die Beklagte - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - aus Gleichbehandlungsgründen gemäß Art. 3 GG bindet, nicht auf eine abschließende Feststellung der Ertraglosigkeit ankommt. Ebenso kann die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, das Verwaltungsgericht habe die im Rahmen des § 32 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrStG zu prüfende Kausalbeziehung zwischen öffentlichem Erhaltungsinteresse und Unrentabilität völlig unberücksichtigt gelassen. Dass der Steuergesetzgeber diese Prüfungstiefe nicht gewollt hat, ergibt sich schon aus Abschnitt 35 Abs. 2 Satz 8 GrStR, wonach die Gemeinde bereits im Zweifelsfall die Grundsteuer des laufenden Kalenderjahres und der beiden folgenden Kalenderjahre bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres stunden soll, da erst rückblickend festgestellt werden kann, ob der Rohertrag in der Regel unter den jährlichen Kosten liegt. Derartige Zweifel hat das Verwaltungsgericht aus den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Einnahmen- und Ausgabenrechnungen hergeleitet. Nach den gegensätzlichen Ausführungen der Beteiligten hierzu auch im Rahmen des Zulassungsverfahrens sind die eine Stundung rechtfertigenden Zweifel nach wie vor gegeben.

Der Einwand der Beklagten, das Verwaltungsgericht habe § 222 Satz 2 AO völlig unberücksichtigt gelassen, bleibt ebenfalls erfolglos; denn nach dieser Vorschrift soll die Stundung nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden, so dass ausnahmsweise auch eine Stundung ohne Sicherheitsleistung möglich ist. Eine solche Ausnahme enthält Abschnitt 35 Abs. 2 Satz 8 GrStR, der die Stundung nach seinem Wortlaut auch ohne Sicherheitsleistung ermöglicht.

2. Vor diesem Hintergrund ist die Berufung auch nicht wegen Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen; denn kommt es im hier anhängigen Stundungsverfahren auf die Frage der Kausalität zwischen der Denkmaleigenschaft und der Ertraglosigkeit nicht an, kann das angefochtene Urteil jedenfalls nicht auf der von der Beklagten behaupteten Abweichung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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