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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 03.11.2006
Aktenzeichen: 4 L 284/05
Rechtsgebiete: AbfG


Vorschriften:

AbfG § 6 Abs. 1 S. 1
AbfG § 6 Abs. 3
§ 6 Abs. 3 AbfG LSA legt der abfallgebührenerhebenden Körperschaft grundsätzlich eine zwingende Verpflichtung auf.

Der Vorgabe des § 6 Abs. 3 AbfG LSA wird bei der Gebührenbelastung der Haushalte jedenfalls dann in ausreichender Weise Rechnung getragen, wenn der Anteil des verbrauchsabhängigen Abfallgebührenbestandteils bei einer durchschnittlichen Abfallmenge grundsätzlich mindestens 25 % beträgt. Der Anteil des verbrauchsunabhängigen Gebührenbestandteils - unabhängig davon, ob als Grundgebühr oder Festgebühr ausgestaltet - darf damit grundsätzlich maximal 75 % betragen.

Werden gebührenrechtlich Gruppen von Haushalten gebildet und die genannte Vorgabe nur in einzelnen Gruppen von Haushalten eingehalten, ist zu prüfen, ob damit der Großteil der Haushalte und Gebührenschuldner im Satzungsgebiet erfasst wird. Weiterhin handelt es sich dabei um prozentuale Werte, von denen je nach der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabes im Einzelfall auch in gewissem Rahmen abgewichen werden kann.

Die Wahl des Personenmaßstabes für eine Abfallgrundgebühr ohne eine degressive Ausgestaltung ist von dem Gestaltungsspielraum der abfallgebührenerhebenden Körperschaft gedeckt. Es kann offen bleiben, ob nicht auch sonst eine Verpflichtung zur Vornahme einer Degression bei personengebundenen Abfallgebühren abzulehnen ist.

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur steuerrechtlichen Lastengleichheit (vgl. Urteile v. 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 - und v. 27. Juni 1991 - 2 BvR 1493/89 -) ist auf das Gebührenrecht nicht ohne weiteres übertragbar.

Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Abfallgebührensatzung für die Festlegung der Personenzahl bei einem personengebundenen Maßstab eine Bindung an die Angaben aus dem Melderegister der Meldebehörde vorsieht.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT URTEIL

Aktenz.: 4 L 284/05

Datum: 03.11.2006

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Abfallgebühren durch den Beklagten für die Jahre 2004 und 2005.

Nach seiner Abfallgebührensatzung vom 30. November 2000 in der im streitbefangenen Zeitraum anwendbaren Fassung - AbfGS - erhebt der Beklagte für die Durchführung der Entsorgung gemäß seiner Abfallwirtschaftssatzung eine jährliche Gebühr (§ 9 Abs. 1 AbfGS), die sich für Grundstücke, die zu Wohnzwecken genutzt werden, aus einer personenbezogenen Abfallentsorgungsgebühr sowie einer behälter- und abfuhrabhängigen Lenkungsgebühr zusammensetzt, soweit die Grundstücke nicht gewerblich genutzt werden und keine nachgewiesenen Wochenendgrundstücke sind (§ 9 Abs. 2 Satz 1 AbfGS).

Die Abfallentsorgungsgebühr wird gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 AbfGS nach der Zahl der auf dem Grundstück wohnenden Personen berechnet und für jedes zu entsorgende Grundstück einmal jährlich erhoben (Sätze 1 und 2). Maßgebend für die Ermittlung der Zahl der Personen sind die Angaben des Anschlusspflichtigen (Satz 3). Die Daten nach dem Melderegister des Einwohnermeldeamtes bilden die Grundlage für die Kontrolle der Angaben des Anschlusspflichtigen hinsichtlich der auf dem Grundstück mit Hauptwohnung gemeldeten Einwohner (Satz 4). Werden Abweichungen zwischen den Angaben des Gebührenpflichtigen, dem Melderegister des Einwohnermeldeamtes und dem Datenbestand des Beklagten festgestellt, so ist der Beklagte berechtigt, als Gebührengrundlage die von ihm ermittelte Anzahl der zu veranlagenden Personen heranzuziehen (Satz 5). Diese Personenzahl hat die laut Melderegister bekannt gegebene Zahl von Personen auf dem angeschlossenen Grundstück nicht zu überschreiten (Satz 6). Die Verpflichtung zur Mitwirkung der Gebührenpflichtigen nach § 30 der Abfallwirtschaftssatzung bleibt davon unberührt (Satz 7). In § 9 Abs. 3 Satz 2 AbfGS wird eine Staffelung der Abfallentsorgungsgebühr für fünf Gruppen von Haushalten (1, 2, 3, 4 sowie 5 und mehr Personen) vorgenommen.

Die Lenkungsgebühr der Hausmüllentsorgung bemisst sich gem. § 9 Abs. 2 Nr. 2 AbfGS nach dem Volumen der Hausmüllbehältnisse sowie der Entleerungshäufigkeit (Satz 1). Sie wird durch den Anschlusspflichtigen mit dem Erwerb der behälterspezifischen Wertmarke (Banderole/Jahresmarke) entrichtet (Satz 2). Der Entsorgungsrhythmus zur Bereitstellung der Hausmüllbehältnisse ist von den Anschlusspflichtigen im Rahmen des Grundabfuhrrhythmusses frei wählbar (Satz 4). Weiterhin wird eine jährliche Lenkungsgebühr für die Benutzung der Biotonne pro Einwohner erhoben (§ 9 Abs. 5 AbfGS) und eine zusätzliche (gestaffelte) Behältergebühr pro Abfallbehältnis und Jahr berechnet, wenn auf Antrag zusätzlicher Gefäßraum für die Bioabfallentsorgung zur Verfügung gestellt wird (§ 9 Abs. 8 AbfGS).

Bestimmte Abfälle (u.a. Altglas, Papier, Pappe und Kartonagen, Metall, Kunststoffe, Verbunde, Metalldosen, kompostierbare Abfälle, Sperrmüll, Sonderabfallkleinmengen, elektronische Geräte bzw. Elektronikschrott) werden nach der Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten vom 30. November 2000 in der jeweils anwendbaren Fassung - AbfWS - vom Hausmüll getrennt erfasst und entsorgt. Bei angeschlossenen Grundstücken muss gem. § 28 AbfWS mindestens eine Hausmüllbehälterkapazität von 15 l pro Woche und Einwohner bereitstehen, auch wenn eine Befreiung für die Bioabfallentsorgung vorgenommen wurde (Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 und 2). Das Mindestbehältervolumen der Bioabfallentsorgung beträgt 10 l pro Woche und Einwohner (Abs. 3 Nr. 2). Zur Verfügung gestellt werden 120 l - Tonnen und 240 l - Tonnen (Abs. 1 Nr. 2).

Die Abfallentsorgungsgebühr belief sich im Jahr 2004 auf 37,68 € pro Einwohner/Jahr und stieg für das Jahr 2005 auf 52,32 € pro Einwohner/Jahr an (§ 9 Abs. 3 Satz 1 AbfGS). Die Lenkungsgebühr für die Benutzung der Biotonne betrug im Jahr 2004 pro Einwohner und Jahr 5,04 € und im Jahr 2005 pro Einwohner und Jahr 6,- € (§ 9 Abs. 5 AbfGS). Die Lenkungsgebühr für die Hausmüllentsorgung betrug seit 1. Januar 2002 je nach Abfallbehältnis (§ 9 Abs. 4 AbfGS):

120 l = 2,- €/Entleerung

1100 l = 18,- €/Entleerung

240 l = 4,- €/Entleerung

3000 l = 50,- €/Entleerung

770 l = 12,50 €/Entleerung

5000 l = 82,50 €/Entleerung

Mit Bescheiden vom 29. Januar 2004 und 27. Januar 2005 zog der Beklagte den Kläger als Grundstückseigentümer zu einer Abfallentsorgungsgebühr und einer Lenkungsgebühr für die Benutzung der Biotonne heran. Für das Jahr 2004 ergab sich ein Betrag in Höhe von 170,88 € und für das Jahr 2005 von 174,96 €. Nachdem der Beklagte die Widersprüche des Klägers mit Widerspruchsbescheiden vom 4. März 2004 und 3. März 2005 zurückgewiesen hatte, hat der Kläger die Bescheide jeweils fristgerecht in das schon anhängige Klageverfahren eingeführt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die anfallenden Kosten in einen behälterbezogenen Leistungsgebührenanteil und einen Grundgebührenanteil aufgeteilt würden. Die Gebührensatzung würde auch keine wirksamen und nachhaltigen Anreize zur Vermeidung und Verwertung schaffen. Die Gebührenfestsetzung sei ungerecht, weil Art und Umfang der Inanspruchnahme nicht angemessen berücksichtigt würden.

Das Verwaltungsgericht Halle hat die angefochtenen Bescheide mit Urteil vom 13. April 2005 aufgehoben, weil es an einer wirksamen satzungsrechtlichen Grundlage fehle. Nicht zu beanstanden sei zwar die Wahl des "Personenmaßstabes" für die Abfallentsorgungsgebühr ohne eine degressive Staffelung der Gebühren. Die Satzung verstoße aber gegen § 6 Abs. 3 AbfG LSA. Die Gebührengestaltung müsse in ihrer Gesamtheit noch geeignet sein, die Benutzer der Abfallentsorgungseinrichtung zu einer strikten Abfallvermeidung und -verwertung zu veranlassen, weil sie hierdurch spürbar Gebühren einsparten, das heiße, sie müsse über marginale Verbilligungen hinausgehen. Es sei daher erforderlich, dass zumindest 25 % der insgesamt erhobenen Gebühren auf die durch das Abfallverhalten der Einwohner beeinflussbare Lenkungsgebühr entfielen. Für das Jahr 2004 habe der Beklagte dargelegt, dass ohne eine Nachkalkulation aus Grundgebühren des Jahres 2001 der Grundgebührenanteil bei 80,94 % gelegen habe und der Anteil aus Jahresmarken und Banderolen zusammen bei lediglich 19,06 %. Unter Berücksichtigung der Nachkalkulation erhöhe sich der Grundgebührenanteil auf 83,77 %. Für das Jahr 2005 liege nur eine Vorkalkulation vor, die teilweise nicht nachvollziehbar sei. Allerdings dürfte auch in diesem Jahr die Lenkungsgebühr deutlich unter 25 % liegen. Im Übrigen trage der Beklagte in diesem Punkt die Beweislast.

Weiterhin habe der Beklagte in § 9 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 AbfGS ein Gebührensystem geschaffen, welches - wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe - nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft des jeweiligen Gebührenschuldners beruhe, weil die Erhebungsregelungen Kontrollen der Erklärungen durch den Beklagten weitgehend ausschließen würden. Bei der Feststellung einer Haushaltsgröße sei der Beklagte allein auf die wahrheitsgemäßen Angaben der Anschlusspflichtigen angewiesen. Das Melderegister gebe über die Zugehörigkeit der auf einem Grundstück gemeldeten Personen zu einem Haushalt keine Auskunft. Eine solche Gebührenerhebung könne, wie es das Bundesverfassungsgericht zur Zinsbesteuerung entschieden habe, nicht mehr alle treffen und verletze damit die gebührenrechtliche Lastengleichheit.

Der Beklagte macht zur Begründung der mit Beschluss vom 22. November 2005 vom Senat zugelassenen Berufung geltend, es stehe mangels weiterer Vorgaben dem Satzungsgeber frei, welchen Weg er zur Umsetzung der Verpflichtung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA wähle. Ob wirksame und nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfall durch eine Satzung gegeben würden, sei allerdings nicht nach dem prozentualen Anteil der kalkulierten Grund- und Lenkungsgebührenhöhe zu bemessen. Bewusst habe der Gesetzgeber darauf verzichtet - wie noch in der alten Fassung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA -, einen Mindestanteil festzulegen. Der Forderung sei vielmehr dann Genüge getan, wenn der Gebührenmaßstab insgesamt und generell Anreize zur Vermeidung und Verwertung enthalte. Diese Voraussetzung habe er erfüllt. Auf Grund der Tatsache, dass dem Gebührenschuldner kein regelmäßiger Entsorgungsrhythmus vorgeschrieben werde, könne sich der Anteil der Lenkungsgebühr erhöhen, indem dieser selbst jeglichen Abfall vermeide. Mit der Einführung der Bioabfalltonne und der Möglichkeit der Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für die Ablieferung von Bioabfällen könne der Gebührenschuldner sämtliche Bioabfälle selbst verwerten. Dann entfalle zusätzlich die Lenkungsgebühr für die Biotonne. Der Gebührenschuldner habe die Möglichkeit, Wertstoffe an Wertstoffhöfen abzuliefern, wo nur die Abgabe bestimmter Wertstoffe gebührenpflichtig sei. Dadurch könnten in erheblichem Maße Behälterkapazitäten und damit Lenkungsgebühren eingespart werden. Durch die jährlich erscheinenden Abfallratgeber sowie in unregelmäßigen Abständen erscheinenden Publikationen informiere er umfassend über Vermeidung, Verwertung und Sortierung von Abfällen.

Im Übrigen sei die vom Verwaltungsgericht für das Jahr 2004 errechnete Lenkungsgebührenhöhe nicht nachvollziehbar. Für das Jahr 2004 sollten nach der Kalkulation für die Haushaltsjahre 2002 bis 2004 für den Hausmüll 21,48 % über Banderolenverkauf, also über die Lenkungsgebühr, erzielt werden. Nehme man den Bioabfall mit hinzu, so käme man insgesamt auf einen Lenkungsgebührenanteil für das Jahr 2004 in Höhe von 31,36 %. Für den Kalkulationszeitraum 2005 bis 2006 werde in der Kalkulation für den Hausmüllanteil von einer Lenkungsgebühr von 15 % und einer Biolenkungsgebühr von 7,64 %, insgesamt also 22,64 % ausgegangen. Würde man nur den Hausmüllanteil der Lenkungsgebühr betrachten, dann ergebe sich hieraus ein Prozentsatz von 16,24 %.

Die Gebührenerhebung beruhe auch nicht nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft des Gebührenschuldners. Insgesamt habe er satzungsrechtlich mehrfache Kontroll- und Überprüfungsmöglichkeiten der Angaben des Gebührenschuldners festgelegt und eine Zuwiderhandlung bußgeldbewehrt.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 13. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertieft die Argumentation des Verwaltungsgerichts zur Verletzung des Grundsatzes der gebührenrechtlichen Lastengleichheit und zum Verstoß der Abfallgebührensatzung gegen § 6 Abs. 3 AbfG LSA.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgeben. Denn die Gebührenbescheide des Beklagten in der Gestalt der Widerspruchsbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Abfallgebührensatzung des Beklagten ist nichtig, weil sie gegen § 6 Abs. 3 Abfallgesetz Sachsen-Anhalt i.d.F. des 2. Investitionserleichterungsgesetzes vom 16. Juli 2003 - AbfG LSA - verstößt (a.M. noch VG Halle, Urt. vom 23. Juni 2004 - 5 A 166/03 HAL -; vgl. auch VG D-Stadt, Urt. v. 13. Dezember 2004 - 8 A 125/04 MD -).

1. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AbfG LSA erheben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger auf der Grundlage von Satzungen nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und unter Beachtung der nachfolgenden Absätze Gebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird. Nach § 6 Abs. 3 AbfG LSA sollen mit dem Gebührenmaßstab wirksame und nachhaltige Anreize zur Vermeidung und Verwertung geschaffen werden. Der bis zum 31. August 2003 geltende § 6 Abs. 3 AbfG LSA i.d.F. des Gesetzes vom 10. März 1998 - AbfG LSA 1998 - bestimmte in einem Satz 2 noch zusätzlich, dass dazu die Gebührenbemessung ganz oder überwiegend mengen- oder gewichtsbezogen zu erfolgen hat. In der Gesetzesbegründung (LT-DrS 2/3686 v. 17. Juni 1997, S. 47) heißt es zu § 6 Abs. 3 AbfG LSA 1998:

"Absatz 3 regelt die Gebührenbemessung, wobei Grundlage das Kommunalabga bengesetz bleibt - insbesondere § 5 Abs. 3, wonach die Bemessung der Gebühren unter Berücksichtigung von Art und Umfang der Inanspruchnahme erfolgt. Der Stra tegie und Entwicklung der Abfallwirtschaft Rechnung tragend soll mit dieser Vor schrift der Satzungsgeber jedoch aufgefordert werden, auch mit dem Instrumentarium 'Gebührensatzung' die gestellten Ziele Vermeidung und Verwertung auf höherem Niveau zu erreichen und diesbezügliche Ergebnisse durch leistungsbezogene Gebührengestaltung zu honorieren. Eine pauschale Gebühr ist demnach nicht mehr möglich. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der wesentliche gebührenrele vante Kostenanteil aus der notwendigen Vorhaltung der Entsorgungsanlagen, Aus rüstungen etc. und nicht aus der unmittelbaren Inanspruchnahme der Dienstleistung bei der Abfallentsorgung selbst resultiert, soll den öffentlich-rechtlichen Entsorgungs trägern bei Beachtung der territorialen Bedingungen, einer möglichst weitgehenden Praktikabilität und Flexibilität die Möglichkeit bleiben, die vielfach bewährte Form der Kombination eines pauschalen Anteils 'Grundgebühr' und eines leistungsabhängigen Anteils anzuwenden. Der leistungsabhängige Anteil sollte mindestens 40 Prozent betragen."

§ 6 Abs. 3 Satz 2 AbfG LSA 1998 wurde durch das 2. Investitionserleichterungsgesetz aufgehoben. In der Gesetzesbegründung (LT-DrS 4/610 v. 5. März 2003, S. 28), die noch von einer Ersetzung dieses Satzes durch den Satz "Die Erhebung von Grundgebühren ist zulässig" ausging, wird ausgeführt:

"Zu b) Änderungen des Absatzes 3:

Die vorliegende Regelung gewährt den ÖRE einen größeren Handlungsspielraum. Die Art der Gebührenbemessung wird weitgehend in das Ermessen der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gestellt. Folglich war die Pflicht zur Anwendung eines Wirklichkeitsmaßstabes durch die Beachtung des Abfallmengen- oder Gewichtsbe zuges zu streichen. Satzungsgeber, die an dem Wirklichkeitsmaßstab festhalten wollen, werden durch die Neuregelung hieran nicht gehindert. Bestehende Satzun gen sind folglich nicht zwingend zu ändern. Fixkosten können anteilig als Grundkos ten in die Gebührenkalkulation einfließen. Gegebenenfalls kann auf die Anwendung eines Wirklichkeitsmaßstabes vollständig verzichtet werden und stattdessen ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab angewendet werden.

Die Änderung entspricht im Ergebnis dem Anliegen einzelner Satzungsgeber. Ziel ist die Bekämpfung der Vermüllung der Landschaft durch illegale Beseitigung und die Verringerung von Fehlwürfen im Rahmen der DSD-Entsorgung. Der Vorschlag wurde auch von MJ im Rahmen des Zweiten Investitionserleichterungsgesetzes herange tragen. Die Anwendbarkeit des Wahrscheinlichkeitsmaßstabes wurde von MI gefor dert."

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass eine landesrechtliche Vorschrift, die den Kommunen bei der Gebührengestaltung einen spürbaren bzw. nachhaltigen Anreiz zur Abfallvermeidung vorschreibt, bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerwG, Beschlüsse v. 26. Mai 1998 - 8 B 82.98 -, NVwZ 1998, 1186 zum KrW/AbfG und v. 3. Mai 1994 - 8 NB 1.94 -, NVwZ 1994, 900 f. zum AbfG). Im Bundesrecht ist das Gebot der Abfallvermeidung und Abfallverwertung (vgl. §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1, 5 Abs. 2 Satz 2 KrW/AbfG) enthalten, auf das § 6 Abs. 3 AbfG LSA zurückzuführen ist. Allerdings lassen sich dem Bundesrecht für die hier streitigen Fragen zur Schaffung von Anreizen im Gebührenmaßstab zur Vermeidung und Verwertung keine besonderen Maßgaben entnehmen (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 20. Dezember 2000 - 11 C 7.00 -, BVerwGE 112, 297, 305; Beschl. v. 3. Mai 1994, a.a.O. S. 900 zum AbfG).

Ansatzpunkt der vorzunehmenden Auslegung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA ist zunächst, dass die Vorschrift der abfallgebührenerhebenden Körperschaft grundsätzlich eine zwingende Verpflichtung auferlegt. Denn durch die Verwendung des Begriffes "soll" oder "sollen" in einer gesetzlichen Regelung wird festgelegt, dass eine Rechtsfolge gilt, wenn nicht atypische Umstände vorliegen (vgl. BVerwG, Urteile v. 17. März 1992 - 1 C 31.89 -, BVerwGE 90, 88, 93 und v. 14. Januar 1982 - 5 C 70.80 -, BVerwGE 64, 318, 323 m.w.N.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I 10. A., § 31 Rdnr. 34). Es ist nicht erkennbar, dass für die Regelung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA und die darin vorgenommene Bindung des normativen Ermessens des Satzungsgebers etwas anderes anzunehmen ist. Atypische Umstände im Satzungsgebiet des Beklagten sind für den streitbefangenen Zeitraum jedoch weder dargelegt noch ersichtlich.

Die Anreizverpflichtung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA verlangt weiterhin im Ergebnis, dass durch die Gestaltung des Gebührenmaßstabes die Vermeidung und Verwertung von Abfällen für den Gebührenschuldner eine Senkung der Gebührenhöhe zur Folge haben muss. Es ist aber nicht ausreichend, dass überhaupt eine Senkungsmöglichkeit besteht. Angesichts des Gesetzeswortlauts, der auf "wirksame und nachhaltige Anreize" abstellt, müssen diese Anreize in spürbaren finanziellen Vorteilen liegen (vgl. zu vergleichbaren Normen im jeweiligen Landesrecht: OVG Sachsen, Urt. v. 4. August 2004 - 5 B 591/03 -, zit. nach JURIS; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2001 - 4 N 47/96 -, LKV 2002, 526, 531 ff.; vgl. auch OVG Niedersachsen, Urt. v. 2. November 2000 - 9 K 2785/98 -, NVwZ-RR 2001, 600 f.). Zur Prüfung, ob diese Verpflichtung in ausreichender Weise erfüllt wird, ist das gesamte Abfallgebührensystem der jeweiligen Körperschaft heranzuziehen. Dabei ist auch zu beachten, dass dem Satzungsgeber für die konkrete Festlegung der Anreize im Gebührensystem ein nicht unerheblicher Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 2. Februar 2000 - 9 A 3915/98 -, NVwZ-RR 2001, 122, 123; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29. Oktober 2003 - 2 S 1019/02 -, NVwZ-RR 2004, 286, 290). Ein solcher Spielraum ergibt sich schon aus dem Fehlen von näheren gesetzlichen Vorgaben. Dementsprechend wurde in der Gesetzesbegründung zum AbfG LSA 1998 von einer "möglichst weitgehenden Praktikabilität und Flexibilität" gesprochen. Durch die Streichung des Abfallmengen- oder Gewichtsbe zuges des § 6 Abs. 3 Satz 2 AbfG LSA 1998 sollte dann - wie sich aus der Gesetzesbegründung zum Änderungsgesetz 2003 ausdrücklich ergibt - den Körperschaften ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt werden. Außerdem muss der Satzungsgeber bei der Ausgestaltung des Gebührensystems neben der Verpflichtung des § 6 Abs. 3 AbfG LSA andere - teilweise sogar widerstreitende - Gesichtspunkte berücksichtigen (vgl. OVG Niedersachsen, Urt. v. 26. März 2003 - 9 KN 439/02 -, KStZ 2004, 36; OVG Bremen, Urt. v. 12. Juli 2000 - 1 A 88/00 -, NVwZ-RR 2002, 379 f.). So ist darauf zu achten, dass durch den Gebührenmaßstab nicht abfallrechtlich unerwünschte Entwicklungen verstärkt werden. Insoweit wird in der Gesetzesbegründung zum Änderungsgesetz 2003 auf den Gesichtspunkt der Verhinderung illegaler Beseitigung von Abfällen und der Verringerung von Fehlwürfen im dualen System hingewiesen.

Zur Feststellung, wie hoch die möglichen Vorteile durch die Abfallvermeidung und -verwertung und damit die Anreize für ein entsprechendes Verhalten nach der Gebührensatzung sind, ist nicht auf die Gebührenkalkulation abzustellen, die lediglich mittelbare Rückschlüsse zulässt. Vielmehr ergibt sich der Umfang dieser Vorteile unmittelbar nur durch die Ermittlung der tatsächlichen Gebührenbelastung und des Anteils des vom Betroffenen durch sein Verhalten beeinflussbaren Gebührenbestandteils (vgl. OVG Niedersachsen, Urteile v. 24. Juni 1998 - 9 L 2722/96 -, KStZ 1999, 172, 174 f. und v. 26. November 1997 - 9 L 234/96 -, zit. nach JURIS; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2001 - 4 N 47/96 -, LKV 2002, 526, 532; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29. Oktober 2003 - 2 S 1019/02 -, NVwZ-RR 2004, 286, 290). Abzustellen ist dabei für die hier streitige Abfallgebühr für Haushalte weder auf die - über die satzungsrechtliche Trennungsverpflichtung hinaus - sämtliche weiteren Vermeidungs- und Verwertungsmöglichkeiten nutzenden Haushalte noch auf die keine dieser Möglichkeiten nutzenden Haushalte. Bezugspunkt ist die Gebührenhöhe bei einer zwischen diesen beiden Extremen liegenden durchschnittlichen Abfallmenge, die pro Person zu bemessen ist (vgl. OVG Niedersachsen, Urt. v. 24. Juni 1998, a.a.O. S. 174). Diese durchschnittliche Abfallmenge pro Person kann nach den tatsächlichen Verhältnissen im Satzungsgebiet ermittelt werden; ist dies nicht möglich oder bestehen Anhaltspunkte dafür, dass damit der (gedachte) Regelfall nicht angemessen erfasst wird, darf auf einen Näherungswert zurückgegriffen werden. Dass die Abfallmenge möglicherweise nicht immer streng proportional zur Anzahl der Personen auf dem Grundstück ansteigt, kann im Rahmen der notwendigen Pauschalierung vernachlässigt werden. Aus einem Mindestbehältervolumen lassen sich dagegen, unabhängig davon, ob daran gebührenrechtliche Folgen geknüpft sind, keine Rückschlüsse auf die Durchschnittsmenge ziehen.

Zwar ist es den Verwaltungsgerichten auf Grund des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers verwehrt, selbst den Umfang der finanziellen Vorteile bei einer Abfallvermeidung und -verwertung zu bestimmen. Da aber § 6 Abs. 3 AbfG LSA an die unbestimmten Rechtsbegriffe "nachhaltig und wirksam" anknüpft, ist zu untersuchen, ob die von der Gebührensatzung eingeräumten Vorteile ihrem Umfang nach wenigstens diese - rechtlich voll überprüfbare - Mindestvorgabe einhalten. Der Umstand, dass die Anreizverpflichtung im wesentlichen nur im Bereich des - vom Gebührenschuldner beeinflussbaren - verbrauchsabhängigen Bestandteils der Abfallgebühr verwirklicht werden kann, sowie der im Abfallgebührenrecht in besonderem Maße zu beachtende Grundsatz der Praktikabilität lassen dabei die Festlegung eines bestimmten Verhältnisses zwischen den verbrauchsunabhängigen und den verbrauchsabhängigen Gebührenbestandteilen als geboten erscheinen. Nach Ansicht des Senats wird der Vorgabe des § 6 Abs. 3 AbfG LSA bei der Gebührenbelastung der Haushalte jedenfalls dann in ausreichender Weise Rechnung getragen, wenn der Anteil des verbrauchsabhängigen Abfallgebührenbestandteils bei einer durchschnittlichen Abfallmenge grundsätzlich mindestens 25 % beträgt. Der Anteil des verbrauchsunabhängigen Gebührenbestandteils - unabhängig davon, ob als Grundgebühr oder Festgebühr ausgestaltet - darf damit grundsätzlich maximal 75 % betragen. Obwohl auch zu berücksichtigen ist, dass das tatsächliche Einsparpotential für den Gebührenschuldner noch geringer ist, weil eine Vermeidung oder Verwertung des gesamten Abfalls bei Wahrung der (satzungs)rechtlichen Bestimmungen nicht möglich ist, führt die Beachtung dieser Grenzen (noch) zu einer hinreichenden Anreizwirkung durch einen spürbaren finanziellen Vorteil. Nicht zu folgen ist der Auffassung, dass der Anteil der Grundgebühr als verbrauchsunabhängige Gebühr nicht mehr als 50 % der Gebührenbelastung eines Haushaltes betragen darf (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 2. Februar 2000, a.a.O. S. 123; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29. Oktober 2003, a.a.O. S. 290). Dem steht schon der erfahrungsgemäß hohe Anteil der fixen Kosten bei der Abfallbeseitigung entgegen. Zudem bestünde bei einer solchen Begrenzung die Gefahr, dass die vom Gesetzgeber erkannten unerwünschten Entwicklungen im Bereich der Abfallbeseitigung, insbesondere illegaler Ablagerungen, gefördert werden könnten. Soweit in der Gesetzesbegründung zum AbfG LSA 1998 ein leistungsabhängiger, d.h. verbrauchsabhängiger, Anteil von mindestens 40 % genannt wird, hat dies im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden und ist im Übrigen nach den Ausführungen in der Begründung zum Änderungsgesetz aus 2003 nicht mehr als Wille des Gesetzgebers anzusehen.

Werden - wie hier - gebührenrechtlich Gruppen von Haushalten gebildet und die genannte Vorgabe nur in einzelnen Gruppen von Haushalten eingehalten, ist zu prüfen, ob damit der Großteil der Haushalte und Gebührenschuldner im Satzungsgebiet erfasst wird. Weiterhin handelt es sich dabei um prozentuale Werte, von denen je nach der Ausgestaltung des Gebührenmaßstabes im Einzelfall auch in gewissem Rahmen abgewichen werden kann. So darf z.B. der zulässige Anteil des verbrauchsunabhängigen Gebührenbestandteils in engen Grenzen höher sein, wenn durch die Einräumung von Befreiungstatbeständen zwar nicht der Großteil der Haushalte und Gebührenschuldner im Satzungsgebiet aber zumindest ein erheblicher Teil die konkrete Möglichkeit hat, damit diesen verbrauchsunabhängigen Bestandteil zu beeinflussen.

Zu dem verbrauchsunabhängigen Bestandteil der Abfallgebühr zählt nach der Satzung des Beklagten zum einen die Abfallentsorgungsgebühr, die nach dessen unbestrittenen Vortrag nur die fixen Kosten der Entsorgung sämtlicher Abfälle erfasst und damit als Grundgebühr ausgestaltet ist. Zum anderen gehört dazu auch die Lenkungsgebühr für die Biotonne, bei der es sich als personenbezogene Gebühr um eine Festgebühr handelt. Dass diese Festgebühr durch eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang an die Bioabfallentsorgung entfallen kann, führt nicht dazu, sie einer verbrauchsabhängigen Gebühr gleichzustellen. Dies scheitert schon daran, dass bei dieser Festgebühr im Gegensatz zu einer verbrauchsabhängigen Gebühr nicht sämtliche Haushalte die Möglichkeit haben, eine Befreiung zu erlangen und damit die Gebühren zu senken. Denn eine Befreiung setzt die Kompostierung des Bioabfalls auf Dauer auf dem anschlusspflichtigen Grundstück voraus. In der Abfallwirtschaftssatzung des Beklagten wird ein nach Lage, Beschaffenheit und Größe dazu geeignetes Grundstück gefordert und es werden insoweit Mindestvorgaben gemacht (25 m2 Fläche pro Person; keine Rasenfläche). Das Behältervolumen, das durch die Festgebühr abgedeckt wird, ist auch nicht so gering bemessen, dass im Regelfall eine zusätzliche Behältergebühr anfällt, die dann als verbrauchsabhängige Gebühr anzusehen wäre. Nach dem unstreitigen Vorbringen des Beklagten betrug im Jahre 2004 das durchschnittliche Aufkommen von Bioabfall pro Einwohner und Woche 8,9 l. Dieses Aufkommen wird durch das Mindestbehältervolumen nach der Abfallwirtschaftssatzung von 10 l pro Woche und Einwohner abgedeckt, wobei infolge des Volumens des kleinsten Bioabfallbehälters (120 l) sogar noch ein größerer Spielraum bestehen dürfte.

Verbrauchabhängiger Bestandteil der Abfallgebühr ist damit allein die Lenkungsgebühr der Hausmüllentsorgung, die auf Grund der Anknüpfung an die Behältergröße und Leerungshäufigkeit nur von der Menge des anfallenden Restabfalls abhängig ist. Da der Gebührenpflichtige die Zahl der Leerungen bestimmt, hat die Festlegung eines Mindestbehältervolumens keine gebührenrechtlichen Auswirkungen. Auf Grund des streng linearen Anstiegs der Lenkungsgebühr - für die doppelte Behältergröße muss die doppelte Lenkungsgebühr gezahlt werden - ist auch die Behältergröße an sich kein wesentlicher Faktor. Es bestehen schließlich keine Bedenken, für die Ermittlung der tatsächlichen Gebührenbelastung den vom Beklagten genannten Durchschnittswert für Restabfall von 11,73 l - gerundet 12 l - pro Einwohner und Woche anzusetzen (vgl. zu den durchschnittlichen Abfallmengen auch BVerwG, Urt. v. 1. Dezember 2005 - 10 C 4.04 -, NVwZ 2006, 589 m.w.N.; OVG Niedersachsen, Urteile v. 2. November 2000, a.a.O. S. 601 und v. 24. Juni 1998, a.a.O. S. 174).

Geht man von Anfall von Bioabfall (ohne Zusatzgefäß) und einer durchschnittlichen Restabfallmenge von 12 l pro Einwohner und Woche aus - wobei die Leerungsfrequenz auch bei geringem Überschreiten nach oben abzurunden war -, ergeben sich für den streitbefangenen Zeitraum folgende Werte:

2004

1-Personenhaushalt 37,68 € Grundgebühr + 12,- € Leistungsgebühr + 5,04 € Festgebühr Biotonne = 54,72 € verbrauchsabhängiger Bestandteil = 21,93 %

2-Personenhaushalt 75,36 € Grundgebühr + 22,- € Leistungsgebühr + 10,08 € Festgebühr Biotonne = 107,44 € verbrauchsabhängiger Bestandteil = 20,48 %

3-Personenhaushalt 113,04 € Grundgebühr + 32,- € Leistungsgebühr + 15,12 € Festgebühr Biotonne = 160,16 € verbrauchsabhängiger Bestandteil = 19,98 %

4-Personenhaushalt 150,72 € Grundgebühr + 42,- € Leistungsgebühr + 20,16 € Festgebühr Biotonne = 212,88 € verbrauchsabhängiger Bestandteil = 19,73%

5-Personenhaushalt 188,40 € Grundgebühr + 52,- € Leistungsgebühr + 25,20 € Festgebühr Biotonne = 265,60 € verbrauchsabhängiger Bestandteil = 19,58 %

2005

1-Personenhaushalt 52,32 € Grundgebühr + 12,- € Leistungsgebühr + 6,- € Festgebühr Biotonne = 70,32 € verbrauchsabhängiger Bestandteil = 17,06 %

2-Personenhaushalt 104,64 € Grundgebühr + 22,- € Leistungsgebühr + 12,- € Festgebühr Biotonne = 138,64 € verbrauchsabhängiger Bestandteil = 15,87 %

3-Personenhaushalt 156,96 € Grundgebühr + 32,- € Leistungsgebühr + 18,- € Festgebühr Biotonne = 206,96 € verbrauchsabhängiger Bestandteil = 15,46 %

4-Personenhaushalt 209,28 Grundgebühr + 42,- € Leistungsgebühr + 24,- € Festgebühr Biotonne = 275,28 € verbrauchsabhängiger Bestandteil = 15,26 %

5-Personenhaushalt 261,60 € Grundgebühr + 52,- € Leistungsgebühr + 30,- € Festgebühr Biotonne = 343,60 € verbrauchsabhängiger Bestandteil = 15,13 %

Damit ist in dem streitbefangenen Zeitraum der im Rahmen des § 6 Abs. 3 AbfG LSA vorgegebene Mindestwert für den Anteil des verbrauchsabhängigen Bestandteils der Abfallgebühr von 25 % in keiner der Haushaltsgruppen eingehalten worden. Eine Abweichung von dem grundsätzlichen Mindestwert kommt nicht in Betracht, in Anknüpfung an die vorstehenden Ausführungen auch nicht auf Grund der Befreiungsmöglichkeit für die Bioabfallentsorgung. Es ist davon auszugehen, dass infolge der tatsächlichen Notwendigkeit, ein Grundstück mit Garten zu besitzen, sowie der weiteren Vorgaben in der Abfallwirtschaftssatzung nicht genügend Haushalte die konkrete Möglichkeit für eine solche Befreiung besitzen. Dies wird dadurch belegt, dass in der Kalkulation des Beklagten für 2003 ein Anschlussgrad an die Bioabfallentsorgung von 84 % der Einwohner aufgeführt wird. Der Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, weit mehr Haushalte hätten in dem ländlich geprägten Satzungsgebiet die Möglichkeit, eine Befreiung vorzunehmen und würden dies lediglich auf Grund der zu geringen Höhe der Gebühr nicht tun. Es handelt sich dabei um eine pauschale Behauptung ohne weitere Substanziierung, die außerdem zu der Frage, wie viele Haushalte die tatsächliche Möglichkeit zur Befreiung haben sollen, keine Aussage trifft. Demgegenüber ist festzuhalten, dass das Satzungsgebiet mit B-Stadt, N-Stadt und W-Stadt mehrere Städte mit jeweils knapp unter 30.000 Einwohnern umfasst. Es dürfte daher schon in diesen Städten eine erhebliche Zahl von Grundstücken geben, bei denen eine Befreiung von vornherein ausgeschlossen ist.

In diesem Zusammenhang rechtfertigt auch die vom Beklagten aufgezeigte Möglichkeit, Abfälle bei den Wertstoffhöfen abzugeben, keine abweichende Beurteilung. Abgesehen davon, dass eine Selbstanlieferung teilweise gebührenpflichtig ist und zusätzliche Transportkosten verursacht, hat dies auf das dargelegte Missverhältnis zwischen verbrauchsabhängigen und verbrauchsunabhängigen Gebührenbestandteilen keine Auswirkungen. Auch wenn die Möglichkeit der Selbstanlieferung in einem Höchstmaß wahrgenommen wird und damit die Lenkungsgebühr für die Hausmüllentsorgung eingespart werden könnte, bliebe der Anteil des verbrauchsabhängigen Gebührenbestandteils immer noch unter den geforderten 25 %.

2. Mit dem Verwaltungsgericht ist weiter davon auszugehen, dass die Wahl des Personenmaßstabes für die Abfallentsorgungsgebühr als Grundgebühr von dem Gestaltungsspielraum des Beklagten gedeckt ist (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht Bd. 1, § 6 Rdnr. 229, 342; Bd. 2 § 6 Rdnr. 755b; VGH Hessen, Beschl. v. 8. September 2005 - 5 N 3200/02 -, zit. nach JURIS). Denn dem Satzungsgeber ist bei der Bemessung von Abfallgebühren ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet, dessen Grenzen mit Blick auf den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erst dann überschritten sind, wenn die Gebührenregelung nicht mehr durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Von daher gesehen kann der kommunale Satzungsgeber je nach den Umständen des Einzelfalles eine Auswahl unter den verschiedensten Gebührenmodellen treffen, ohne dass sich aus dem Gleichheitsgrundsatz eine Präferenz für einen bestimmten Gebührenmaßstab ergibt. Zur Wahl stehen neben mengen- oder gewichtsorientierten auch personen-, haushalts- oder grundstücksbezogene Gebührenmaßstäbe (so BVerwG, Urt. v. 20. Dezember 2000, BVerwGE 112, 297, 299 f.; Urt. v. 21. Oktober 1994 - 8 C 21.92 -, NVwZ-RR 1995, 348 ff.). Der Personenmaßstab rechtfertigt sich daraus, dass die Kosten für das Bereitstellen und Vorhalten von Mitteln der Einrichtung Abfallentsorgung steigen, je mehr als Benutzer in Betracht kommende Personen dem Haushalt angehören, weil ein Zusammenhang zwischen der Zahl der in einem Haushalt befindlichen Personen, der Menge des von ihnen erzeugten Abfalls und der dadurch bedingten Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung besteht (vgl. OVG Niedersachsen, Urt. v. 26. November 1997 - 9 L 234/96 -, zit. nach JURIS). Dass ab der Zahl von fünf Personen im Haushalt keine höheren Gebühren mehr anfallen, führt zwar zu einer Ungleichbehandlung. Angesichts der anzunehmenden geringen Zahl dieser Haushalte (nach der Kalkulation des Beklagten hatten im Jahre 2003 von 99.781 Haushalten überhaupt nur 2.441 Haushalte 5 und mehr Bewohner) ist dies im Rahmen der im Gebührenrecht zulässigen Typisierung kein zur Nichtigkeit der Satzung führender Gleichheitsverstoß.

Eine Verpflichtung, die Staffelung dieser personengebundenen Grundgebühr degressiv zu gestalten, besteht nicht. Die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg (vgl. Urt. v. 22. März 1979 - II 3316/77 -, KStZ 1979, 155, 157 f.; vgl. weiter Driehaus, a.a.O. Bd. 2, § 6 Rdnr. 601 m.w.N.), dass eine Gebührenstaffelung proportional zu der Zahl der Personen gegen das Willkürverbot verstoße, ist auf eine Grundgebührenregelung nicht anwendbar, weil sie sich auf die Refinanzierung variabler Kosten bezieht, während die Grundgebühr nur fixe Kosten erfasst (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 30. Januar 1997 - 2 S 1891/94 -, zit. nach JURIS). Fixe Kosten können aber grundsätzlich jedem Bewohner eines Grundstücks gleichermaßen zugeordnet werden (so auch OVG Niedersachsen, Urt. v. 26. März 2003 - 9 KN 439/02 -, NVwZ-RR 2004, 891, 893).

Es kann daher offen bleiben, ob mit der überwiegenden Rechtsprechung nicht auch sonst eine Verpflichtung zur Vornahme einer Degression bei personengebundenen Abfallgebühren angesichts des Gestaltungsspielraums des Satzungsgebers abzulehnen ist (vgl. VGH Bayern, Urt. v. 6. Juni 1984 - 4 B 81 A.2310 -, BayVBl. 1985, 17, 18.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 5. Juli 1982 - 2 A 1440/81 - LS zit. nach JURIS; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2001 - 4 N 47/96 -, LKV 2002, 526 ff.; VGH Sachsen, Urt. v. 4. August 2004 - 5 B 591/03 - zit. nach JURIS).

3. Nicht zu folgen ist dem Verwaltungsgericht dagegen, soweit es die Nichtigkeit der Abfallgebührensatzung unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 27. Juni 1991 (- 2 BvR 1493/89 -, zit. nach JURIS) auf eine Verletzung der "gebührenrechtlichen Lastengleichheit" gestützt hat. Die Rechtsprechung des BVerfG ist schon auf das Gebührenrecht nicht ohne weiteres übertragbar. Danach sei dem Gesetzgeber eine im Erhebungsverfahren angelegte und erhebliche Ungleichheit im Belastungserfolg dann zuzurechnen, wenn sich dem Gesetzgeber - sei es auch nachträglich - die Erkenntnis habe aufdrängen müssen, dass für die in Frage stehende Steuer mit Blick auf die Erhebungsart sowie die nähere Regelung des Erhebungsverfahrens das von Verfassungs wegen vorgegebene Ziel der Gleichheit im Belastungserfolg prinzipiell nicht zu erreichen sei und er sich dieser Erkenntnis daher nicht habe verschließen dürfen. Eine Steuerbelastung, die nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen beruhe, weil die Erhebungsregelungen Kontrollen der Steuererklärungen weitgehend ausschlössen, treffe nicht mehr alle und verfehle damit die steuerliche Lastengleichheit (so BVerfG, Urt. v, 27. Juni 1991, a.a.O.). Verfassungsrechtlich verboten sei der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung dieses Befehls angelegten Erhebungsregel. Zur Gleichheitswidrigkeit führe nicht ohne weiteres die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, wohl aber das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts (so BVerfG, Urt. v. 9. März 2004 - 2 BvL 17/02 -, zit. nach JURIS). Eine Benutzungsgebühr, die gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA - im Gegensatz zu Steuern - als Gegenleistung für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen gefordert wird, ist nicht in gleicher Weise an diesen Maßstäben zu messen. Denn bei der Erhebung von Gebühren ist das Vorliegen eines strukturellen Erhebungsdefizits i.S.d. auf Steuern bezogenen Rechtsprechung des BVerfG gerade nicht gegeben.

Darüber hinaus beruht das Gebührensystem des Beklagten nicht - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - "nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft des jeweiligen Gebührenschuldners". Nach den Regelungen in § 9 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 3 bis 7 AbfGS sowie § 30 Abs. 3 und 4 AbfWS werden die Erklärungen der Gebührenschuldner dann kontrolliert und gegebenenfalls abgeändert, wenn eine Abweichung zwischen den Daten nach dem Melderegister des Einwohnermeldeamtes bzw. dem Datenbestand des Beklagten und den Angaben des Anschlusspflichtigen besteht. Zwar gibt die Meldebehörde (vgl. § 7 MeldDÜVO LSA) bei den Personen nur die jeweilige Anschrift an den Landkreis bzw. die entsorgende Körperschaft weiter. Durch einen Quervergleich dieser Angaben und der sonstigen Daten des Beklagten mit den Erklärungen für das jeweilige Grundstück lassen sich aber Diskrepanzen feststellen, die näher aufgeklärt werden dürfen. Dass die Satzung für die Festlegung der Personenzahl eine Bindung an die Angaben aus dem Melderegister vorsieht, ist nicht zu beanstanden. Auch insoweit darf der Beklagte Praktikabilitätsgründen den Vorzug geben. Zudem ist es ihm möglich, die Meldebehörden zu weiteren Aufklärungen (vgl. §§ 12 Abs. 2, 13 Abs. 1, 24a Abs. 3 MG LSA) zu veranlassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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