Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 08.09.2006
Aktenzeichen: 4 L 288/06
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 34 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
1. Der Bebauungszusammenhang muss nicht in jedem Fall unmittelbar mit dem letzten Baukörper enden, sondern kann bei einem Wohnhaus auch einen angemessenen Hausgarten oder einen Bereich, der für Erholungszwecke genutzt wird, einschließen.

2. Die Einbeziehung von Hilfsflächen in den Innenbereich gemäß § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist nur dann zwingend geboten, wenn sich dies aus den Umständen des Falles ergibt.


Tatbestand:

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

1. An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Zwar führt der Beklagte in seiner Zulassungsbegründung zu Recht aus, dass zu den die Bebauung begrenzten Flächen im Sinne des § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB auch weitere der Wohnnutzung dienende Hilfsflächen, wie Hausgärten, mit einbezogen werden können. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschl. v. 9. November 2005 - BVerwG 4 B 67.05 -, [juris] und Beschl. v. 18. Juni 1997 - BVerwG 4 B 238.96 -, BauR 1997, 808 m. w. N.) ist ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhanges i. S. v. § 34 BauGB, inwieweit die aufeinander folgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und inwieweit die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (BVerwG, Urt. v. 6. November 1968 - BVerwG 4 C 2.66 -, BVerwGE 31, 20 <21>, v. 1. Dezember 1972 - BVerwG 4 C 6.71 -, BVerwGE 41, 227 <233 f.> und vom 19. September 1986 - BVerwG 4 C 15.84 -, BVerwGE 75, 34 <36>). Hierüber ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Bewertung des im Einzelfall vorliegenden konkreten Sachverhalts zu entscheiden. Grundlage und Ausgangspunkt dieser bewertenden Beurteilung sind die tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten, also insbesondere die vorhandenen baulichen Anlagen, sowie darüber hinaus auch andere topographische Verhältnisse und Straßen. Zu berücksichtigen sind indes nur äußerlich erkennbare Umstände, d.h. mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse. Denn bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich vorhandenen Bestand ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche gewinnen lässt. Die bewertende Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann sich angesichts dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren Merkmalen richten.

Ausgehend von diesen Grundsätzen muss der Bebauungszusammenhang folglich nicht in jedem Fall unmittelbar mit dem letzten Baukörper enden, sondern kann bei einem Wohnhaus auch einen angemessenen Hausgarten oder einen Bereich, der für Erholungszwecke genutzt wird, einschließen (vgl. Schmaltz in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl.,§ 34 RdNr. 11; SächsOVG, Urt. v. 23. Oktober 2000 - 1 D 33/00 -, NVwZ-RR 2001, 426 ff.; OVG SH, Urt. v. 17. Mai 2001 - 1 K 21/98, NVwZ-RR 2002, 485 ff.; SaarlOVG, Urt. v. 2. Oktober 1981 - 2 Z 2/80 -, [juris]), oder bei einem am Ortsrand gelegenen Verbrauchermarkt die dazugehörige befestigten Stellplätze umfassen (BVerwG, Urt. v. 17. Juni 1993 - BVerwG 4 C 17.91 -, NVwZ 1994, 294).

Die Einbeziehung von Hilfsflächen in den Innenbereich gemäß § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist hiernach nur dann zwingend geboten, wenn sich dies aus den Umständen des Falles ergibt (so auch SächsOVG, Urt. v. 23. Oktober 2000 - 1 D 33/00 -, NVwZ-RR 2001, 426 ff., m. w. N.). Dass das Verwaltungsgericht diese Grundsätze verkannt hat, ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht ersichtlich. Das auf eine (einzelfallbezogene) Würdigung des Kartenmaterials gestützte erstinstanzliche Urteil tritt vielmehr nur der Auffassung des Beklagten und eines Teils der Rechtsprechung entgegen, dass zu den durch die Bebauung begrenzten Flächen regelmäßig weitere der Wohnnutzung dienende Hilfsflächen, wie Hausgärten, mit einzubeziehen sind, geht aber im Weiteren bei der Bestimmung des Bebauungszusammenhangs zutreffenderweise von einer "wertenden Betrachtungsweise" aus und stellt fest, dass der Bebauungszusammenhang (nur) "grundsätzlich" mit der letzten Bebauung endet (S. 4, 5 der Entscheidungsgründe). Schließlich hat das Verwaltungsgericht geprüft, ob im konkreten Fall die besonderen Verhältnisse auf den Flurstücken 10/2 und 11 eine andere Festlegung des Innenbereichs zwingend erforderlich gemacht hätte, um schließlich zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Situation auf den Flurstücken keine andere rückwärtige Begrenzung der Bebauung erfordert.

Ungeachtet dessen legt der Beklagte in seiner Zulassungsschrift weder dar, dass das Verwaltungsgericht die aufgezeigten örtlichen Verhältnisse verkannt hat, noch inwieweit besondere Umstände vorliegen, die die Gemeinde C-Stadt bei der Aufstellung der Klarstellungssatzung im Sinne des § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB hätten veranlassen müssen, etwa "bauakzessorische Freiflächen" dem Innenbereich zuzuordnen, mit der Folge, dass die Innenbereichssatzung insgesamt nichtig ist.

2. Aus den vorstehenden Ausführungen erschließt sich, dass der Rechtssache die von dem Beklagten aufgezeigte grundsätzliche Bedeutung im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht zukommt, weil der Rechtsstreit keine über den Einzelfall hinaus bedeutsamen, im Sinne der Rechtseinheit klärungsbedürftigen Fragen aufweist. Die Frage, ob der Innenbereich an der rückwärtigen Gebäudewand endet oder erst an der rückwärtigen Grenze des bebauungsakzessorisch genutzten Grundstücksteils, lässt sich ohne Weiteres durch Anwendung des § 34 BauGB und der dazu vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten, ohne dass besondere Auslegungsmethoden herangezogen werden müssten oder eine Klärung streitiger Rechtsansichten erforderlich wäre.

3. Die behauptete Divergenz i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 1993 (- BVerwG 4 C 17.91 -, NVwZ 1994, 294) besteht schon deshalb nicht, weil die Vorinstanz einen Rechtssatz des Inhalts, der Innenbereich ende genau an der rückwärtigen Seite des entsprechenden Bauwerks, gerade nicht aufgestellt hat.

4. Der auf eine mangelnde Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) gestützte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) bleibt ohne Erfolg, denn ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts nicht, wenn es den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufgrund der beigezogenen Verwaltungsvorgänge für aufgeklärt gehalten hat und die sachkundig vertretenen Verfahrensbeteiligten Beweiserhebungen nicht in der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Form beantragt haben (vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 15. Mai 2003 - BVerwG 9 BN 4.03 -, [juris]). Ein entsprechender Beweisantrag wurde jedoch vom Beklagtenvertreter ausweislich der Sitzungsniederschrift in der mündlichen Verhandlung am 28. April 2006 nicht gestellt. Dem Verwaltungsgericht musste sich insbesondere auch aufgrund des vorliegenden Kartenmaterials eine weitere Ermittlung nicht aufdrängen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück