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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 23.03.2007
Aktenzeichen: 4 L 309/06
Rechtsgebiete: GrStG


Vorschriften:

GrStG § 32 Abs. 1
GrStG § 32 Abs. 1 Nr. 2
§ 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG erfasst nur Grundstücke, die i.S. des öffentlichen Sachenrechts dem öffentlichen Erholungs-, Spiel- und Sportzweck gewidmet sind; eine Öffnung des Grundstücks für das Publikum durch den Nutzungsberechtigten allein ist nicht ausreichend.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 L 309/06

Datum: 23.03.2007

Gründe:

I.

Die Kläger sind Erbbauberechtigte einer Teilfläche des im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstücks C-Straße, auf dem sich eine Eissporthalle und weitere Gebäude befinden. Mit mehreren Bescheiden erhob die Beklagte von den Klägern für die Steuerjahre 1999 bis 2005 Grundsteuern in Höhe von insgesamt 95.810,86 €. Einen auf § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG gestützten Antrag der Kläger aus Oktober 2002 auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2003 für den Zeitraum "ab 1999 ff." ab. Voraussetzung für einen Erlass sei die eine Widmung der Anlage. Eine solche (konkludente) Widmung sei spätestens durch den Abschluss des Erbbaurechtsvertrages vom 24. April 1998 aufgehoben worden. Ebenfalls mit Bescheid vom 30. April 2003 lehnte der Beklagte einen auf § 33 GrStG gestützten Antrag auf Erlass der Grundsteuer für die Jahre 1999, 2000 und 2001 ab.

Nachdem die fristgerecht erhobenen Widersprüche der Kläger gegen die Bescheide vom 30. April 2003 mit Widerspruchsbescheiden vom 15. Januar 2004 zurückgewiesen worden waren, haben die Kläger am 16. Februar 2004 beim Verwaltungsgericht Halle dagegen Klage erhoben und den Erlass der Grundsteuer begehrt. Ein Antrag der Kläger auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss vom 15. November 2004 (- 5 B 61/04 HAL -) abgelehnt; die Beschwerde wies der erkennende Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2005 (- 4 M 709/04 -) zurück, weil es an der erforderlichen Widmung des Grundstücks fehle.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Kläger mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, "den Bescheid der Beklagten vom 30. April 2003 und deren Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen die Grundsteuer für das Grundstück C-Straße für die Steuerjahre ab 1999 bis 2005 zu erlassen" mit Urteil vom 17. Mai 2006 abgewiesen. Zwar verlange der Begriff "öffentlich" in § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG nicht zwingend auch eine Widmung. Dies ergebe sich schon aus systematischen Erwägungen. Weiterhin stehe einer abweichenden Auslegung entgegen, dass die Norm in dem Falle keinen Anwendungsbereich besäße. Zudem spreche vieles dafür, dass der Komplex Sporthalle auf dem streitbefangenen Grundstück bis heute einer öffentlichen Widmung unterliege. Die Klage sei aber deshalb abzuweisen, weil die Kläger weder belegt hätten, dass die jährlichen Kosten in der Regel den Rohertrag überstiegen, noch, dass die Unrentabilität des Grundstückes auf der Eigenschaft als öffentlicher Sportplatz beruhe. Für letzteres ergäben sich auch sonst keine Anhaltspunkte.

Die Kläger haben am 13. Juli 2006 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und machen zur Begründung im Wesentlichen geltend, Sinn und Zweck des § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG sei es, Erholungsraum zu schaffen und die Anlage von Spiel- und Sportplätzen zu begünstigen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne die Frage der Rentabilität nicht nur grundstücks-, sondern auch nutzungsbezogen beantwortet werden. Darüber hinaus setze § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG keine Kausalität zwischen der öffentlichen Nutzung des Grundstückes und der Eigenschaft als öffentliche Sache voraus.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 30. April 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2004 zu verpflichten, ihnen die Grundsteuer für das Grundstück C-Straße für die Steuerjahre 1999 bis 2005 zu erlassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertieft ihre Rechtsansicht, dass schon die Tatbestandsvoraussetzung eines "öffentlichen" Sportplatzes i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG nicht gegeben sei. Im Übrigen sei den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Klageabweisung zuzustimmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für unbegründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Der Antrag der Kläger ist dahingehend auszulegen, dass sie mit der Berufung ihr Klageziel aus dem erstinstanzlichen Verfahren weiterverfolgen. Die Klage richtete sich nach dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag und dem Vorbringen der Kläger allein auf den Erlass der Grundsteuer für die Jahre 1999 bis 2005 gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG. Dementsprechend wird auch in der Berufungsbegründung nur diese Regelung angeführt.

Das Verwaltungsgericht Halle hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Kläger haben keinen Anspruch aus § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG auf Erlass der Grundsteuer für den Zeitraum 1999 bis 2005.

Nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG ist die Grundsteuer zu erlassen für öffentliche Grünanlagen, Spiel- und Sportplätze, wenn die jährlichen Kosten in der Regel den Rohertrag übersteigen.

Der Senat hält nach eingehender Prüfung an der schon im Eilverfahren geäußerten Rechtsansicht (Beschl. vom 27. Juli 2005 - 4 M 709/04 -) fest, dass diese Regelung nur Grundstücke erfasst, die i.S. des öffentlichen Sachenrechts dem öffentlichen Erholungs-, Spiel- und Sportzweck gewidmet sind und dass eine Öffnung des Grundstücks für das Publikum durch den Nutzungsberechtigten allein nicht ausreichend ist (so auch Abschnitt 36 Abs. 2 GrStR; Troll/Eisele, GrStG 9. A., § 32 Rdnr. 6). Schon der Wortlaut der Vorschrift, die im Gegensatz zu den Formulierungen in § 32 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 GrStG (...der Öffentlichkeit zugänglich gemacht ...) und § 4 Nr. 3 Buchst. a GrStG (...dem öffentlichen Verkehr dienenden...; vgl. dazu BFH, Urt. v. 25. April 2001 - II R 19/98 -, NVwZ-RR 2002, 143) keine Einschränkung oder nähere Bestimmung vornimmt, spricht dafür, dass darin - entsprechend den Vorgaben des öffentlichen Sachenrechts - die Qualifizierung als im Rechtssinne (gewidmete) öffentliche Sache (vgl. dazu Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Bd. 2, 6. A. 2000, § 75 Rdnr. 1 ff.) gefordert wird. Auch Sinn und Zweck der Regelung, durch die - im Gegensatz zu anderen Erlassvorschriften (vgl. §§ 32 Abs. 2, 33 GrStG) - die gesamte Grundsteuer erlassen wird, sprechen für diese Auslegung. Die einen derartigen Erlass der Grundsteuer rechtfertigende Aufopferung der privaten Nutzung für das öffentliche Wohl liegt bei Grünanlagen, Spiel- und Sportplätzen nicht schon bei einer tatsächlichen Nutzung durch die Öffentlichkeit vor, sondern erst, wenn das Grundstück auch rechtlich durch eine Widmung für einen bestimmten öffentlichen Zweck der privaten Nutzung weitestgehend entzogen ist.

Systematische Erwägungen im Hinblick auf die Formulierung des § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG stehen dem nicht entgegen. Zwar ist nach dieser Regelung für einen Erlass ausreichend, dass die Erhaltung des Grundbesitzes aus bestimmten Gründen im öffentlichen Interesse liegt; eine öffentlich-rechtliche Widmung muss also nicht vorliegen. Daraus ist aber lediglich zu schließen, dass der Gesetzgeber den in § 32 Abs. 1 Nr. 1 GrStG genannten Gründen eine besondere Wertigkeit einräumt. Eine vom Verwaltungsgericht für eine unterschiedliche Auslegung der Nr. 1 und Nr. 2 des § 32 Abs. 1 GrStG als erforderlich angesehene "Kenntlichmachung im Normtext" ist angesichts der Aufspaltung des § 32 Abs. 1 GrStG, der unterschiedlichen Zweckbestimmung der beiden Regelungskomplexe und des unterschiedlichen Wortlautes nicht notwendig. Dass der Begriff des "öffentlichen Interesses" in § 32 Abs.1 Nr. 1 Satz 1 GrStG nicht für die Auslegung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG geeignet ist, zeigt sich im Übrigen daran, dass § 32 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 GrStG für bestimmte Park- und Gartenanlagen den Erlass von einer Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit abhängig macht. Daraus folgt, dass das öffentliche Interesse i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrStG gerade nicht von einer solchen Zugänglichmachung abhängig ist.

§ 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG behält auch in der hier vorgenommenen Auslegung neben § 3 Satz 1 Abs. 1 Nr. 1 GrStG einen eigenständigen Anwendungsbereich. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 GrStG ist Grundbesitz, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird, von der Grundsteuer befreit. Zu Recht verweist die Beklagte aber darauf, dass sich die Regelung nur auf Grundbesitz bezieht, der einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts gehört bzw. ihr ausschließlich zuzurechnen ist (vgl. Abschnitt 6 Abs. 1 Nr. 1 GrstR; Troll/Eisele, a.a.O. § 3 Rdnr. 5, 6). Dies ergibt sich auch aus § 3 Abs. 1 Satz 2 GrStG, wonach der Grundbesitz ausschließlich demjenigen, der ihn für die begünstigten Zwecke benutzt, oder einem anderen nach den Nummern 1 bis 6 begünstigten Rechtsträger zuzurechnen sein muss. Damit werden öffentlichen Zwecken gewidmete Grünanlagen, Spiel- und Sportplätze, die einem Privaten zuzurechnen sind, nicht von § 3 Abs. 1 Nr. 1 GrStG erfasst.

Es spricht zwar alles dafür, dass das streitgegenständliche Grundstück schon zu DDR-Zeiten auf Grund ausdrücklicher oder zumindest konkludenter Erklärungen der zuständigen staatlichen Stellen einem bestimmten öffentlichen Zweck diente (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 27. Februar 2002 - 8 C 1.01 -, BVerwGE 116, 67, 69; vgl. auch Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. A. Rdnr. 529) und damit i. S. des öffentlichen Sachenrechts als Sache im Anstaltsgebrauch (vgl. Wolff/Bachof/Stober, a.a.O. § 75 Rdnr. 14, 15) gewidmet war. Mit der Beklagten ist aber davon auszugehen, dass spätestens durch den Beschluss ihres Stadtrates vom 22. April 1998 zur Bestellung eines Erbbaurechts für die Kläger und der Umsetzung dieses Beschlusses eine Entwidmung erfolgt ist. Eine solche Entwidmung ist an keine bestimmte Form gebunden und besteht in einer eindeutigen Erklärung, die für jedermann klare Verhältnisse schafft und keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass die öffentlich-rechtliche Zweckbestimmung aufgehoben worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 2000 - 4 C 13.99 -, NVwZ 2001, 1030, 1032 m.w.N.). Durch die Bestellung des Erbbaurechts für einen mit Gewinnerzielungsabsicht handelnden, privaten Betreiber hat die Beklagte aber in für jedermann deutlich erkennbarer Weise klargestellt, dass das Grundstück nicht mehr unmittelbar durch seinen Gebrauch dem Gemeinwohl zu dienen bestimmt ist, und hat ihre öffentlich-rechtliche Sachherrschaft an dem Grundstück aufgegeben. Zwar ist den Klägern durch § 1 Abs. 1 Satz 2 des Erbbaurechtsvertrages vom 24. April 1998 aufgegeben worden, die "auf dem Erbbaugelände befindliche Eisporthalle gemäß dem Nutzungskonzept (Anlage 1) als Sport-, Freizeit- und Kulturstätte zu betreiben oder durch eine Betreibergesellschaft betreiben zu lassen". Eine Änderung des in Absatz 1 vereinbarten Verwendungszwecks bedarf nach § 1 Abs. 2 des Erbbaurechtsvertrages vom 24. April 1998 der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Beklagten. In dem in der Anlage befindlichen Nutzungskonzept werden aber nur in allgemeiner Art Zielvorstellungen formuliert. Eine Bezugnahme auf einen bestimmten öffentlichen Zweck oder sogar eine darauf gerichtete Widmung lässt sich dem Erbbaurechtsvertrag entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts gerade nicht entnehmen. Auch enthält der Erbbaurechtsvertrag keine besonderen Einwirkungsmöglichkeiten der Beklagten auf den Betrieb der Eissporthalle. Auf dieser Grundlage betätigen sich die Kläger lediglich hinsichtlich dieser Halle - ohne im Einzelnen einem ihre private Verfügungsmacht ausschließenden oder zumindest überlagernden Einfluss der Beklagten auf Zweckbestimmung und Betrieb ausgesetzt zu sein (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 21. Juli 1989 - 7 B 184.88 -, zit. nach JURIS; VGH Hessen, Beschl. v. 29. November 1993 - 8 TG 2735/93 - DÖV 1994, 438 f.) - als private Betreiber einer Sporteinrichtung, deren Benutzungsverhältnis wiederum privatrechtlich ausgestaltet ist. Es handelt sich damit um eine "tatsächlich öffentliche Sache" (vgl. Wolff/Bachof/Stober, a.a.O. § 75 Rdnr. 6).

Es kann danach offen bleiben, ob Sportanlagen ebenfalls unter den Begriff "öffentliche Grünanlagen, Spiel- und Sportplätze" nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG fallen und ob nicht die Tatsache, dass die Kläger mit dem Grundstück eine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen, einer Anwendung des § 32 Abs. 1 Nr. 2 GrStG von vornherein entgegen steht (vgl. Abschnitt 36 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abschnitt 10 Abs. 2 Satz 3 GrStR).

Ob die jährlichen Kosten des streitbefangenen Grundstücks in der Regel den Rohertrag übersteigen und ob darüber hinaus eine Unrentierlichkeit kausal auf dem Merkmal "öffentlich" beruhen muss, bedarf ebenfalls keiner weiteren Prüfung.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 1 und 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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