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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Urteil verkündet am 28.09.2009
Aktenzeichen: 4 L 313/07
Rechtsgebiete: AbfG LSA, GO LSA, LKO LSA, VwGO


Vorschriften:

AbfG LSA § 4 Abs. 2
AbfG LSA § 4 Abs. 2 Satz 5
AbfG LSA § 6 Abs. 1
GO LSA § 8 Satz 1 Nr. 2
LKO LSA § 65
VwGO § 62 Abs. 3
Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 EigBG LSA, wonach die Betriebsleitung die Gemeinde in den Angelegenheiten des Eigenbetriebes vertritt (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 8. Mai 2009 - 4 L 272/07 -, zit. nach JURIS), ist auf Landkreise, die Eigenbetriebe führen (vgl. § 1 EigBG LSA), gem. § 65 LKO LSA entsprechend anwendbar und bei der Prüfung der Prozessfähigkeit i.S.d. § 62 Abs. 3 VwGO zu berücksichtigen.
Tatbestand:

Der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft des Landkreises A-Stadt veranlasste auf Wunsch der Autobahn- und Straßenmeisterei O. im Februar 2005 die Stellung eines Containers auf dem Gelände der Autobahn- und Straßenmeisterei, in dem deren Mitarbeiter verbotswidrig abgelagerte Abfälle von Bundes- und Landesstraßen sammelten. Der 10 m3-Container wurde dann von einer vom Eigenbetrieb beauftragten GmbH zu einer Deponie gebracht. Mit Gebührenbescheid vom 3. März 2005 setzte der Landkreis A-Stadt - Eigenbetrieb Abfallwirtschaft - gegenüber der Autobahn- und Straßenmeisterei für die Entsorgung der Abfälle gem. § 3 Abs. 4 Nr. 4 der Abfallentsorgungsgebührensatzung eine Pauschalgebühr in Höhe von 324,60 € fest. Das Widerspruchsverfahren verlief erfolglos.

Zum 1. Juli 2007 ist durch § 4 des Gesetzes zur Kreisgebietsneuregelung vom 11. November 2005 aus den Gemeinden der bisherigen Landkreise A-Stadt und Mansfelder Land der Beklagte gebildet worden, der für das Entsorgungsgebiet des ehemaligen Landkreises A-Stadt den Eigenbetrieb Abfallwirtschaft weiter als "Eigenbetrieb Abfallwirtschaft A-Stadt" führt.

Auf die fristgerecht erhobene Klage der Klägerin hat das Verwaltungsgericht Halle den Gebührenbescheid und den Widerspruchsbescheid mit Urteil vom 29. August 2007 aufgehoben, weil nach § 11 Abs. 2 Satz 2 AbfG LSA die Verpflichtung bestanden habe, die Abfälle unentgeltlich abzunehmen und zu entsorgen. Die Straßengrundstücke seien rechtlich frei zugänglich, so dass diese Regelung durch § 11 Abs. 3 AbfG LSA nicht ausgeschlossen sei.

Der Beklagte macht zur Begründung der vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 27. Januar 2009 wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung geltend, die Straßengrundstücke seien i.S.d. § 11 Abs. 3 AbfG LSA nicht rechtlich frei zugänglich. Das Betretungsrecht nach dem Straßengesetz Sachsen-Anhalt sei gerade kein allgemeines, sondern am gesetzlichen Widmungszweck (Straßenverkehr) orientiertes Recht. Auch der straßenrechtliche Gemeingebrauch allgemein lasse nicht das für den Abfallbesitz und deren Kostenfolge erforderliche Mindestmaß an Verantwortung des Straßenbaulastträgers entfallen. Straßen und daran angrenzende Randstreifen seien öffentliche Einrichtungen, die schon zur Aufrechterhaltung ihrer Zweckbestimmung keinem allgemeinen Betretungsrecht unterliegen könnten, sondern einem Betriebsregelement gehorchten.

Die in § 6 Abs. 1 der Abfallentsorgungsgebührensatzung des Landkreises geforderte Anschlusspflicht des Klägers ergebe sich aus § 4 Abs. 2 der heranzuziehenden Abfallentsorgungssatzung, wonach auch Besitzer von Abfällen anderer Herkunftsbereiche anschlusspflichtig seien. Es seien daher nicht nur die Besitzer von Abfällen, die auf bewohnten oder bebauten Grundstücken anfielen, verpflichtet, ihre Grundstücke an die Abfallentsorgung anzuschließen, sondern auch die Besitzer anderer Grundstücke. Ein hilfsweiser Rückgriff auf § 4 Abs. 6 der Gebührensatzung sei unnötig; diese Vorschrift werde nur herangezogen, wenn eine normale "Entsorgung" gem. § 3 der Gebührensatzung nicht in Frage komme.

Da der Gebührenbescheid durch den Eigenbetrieb ausdrücklich "namens und im Auftrage des Landkreises A-Stadt" ergangen sei, sei die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 EigBG LSA, wonach die Betriebsleitung die Gemeinde in den Angelegenheiten des Eigenbetriebes vertrete, nicht erfüllt. Der Eigenbetrieb sei gerade nicht in eigenen Angelegenheiten tätig geworden, sondern sei ausführende Stelle des Landkreises bzw. des Beklagten.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 29. August 2007 aufzuheben und die Klage des Klägers abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger schließt sich den Erwägungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang an. Weiterhin trägt er vor, es sei nur der außerorts liegende wilde Müll aufgesammelt und in den Container gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (vgl. § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg.

Es bestehen schon an der Zulässigkeit der Berufung erhebliche Zweifel, weil fraglich ist, ob der Beklagte durch einen prozessfähigen Vertreter vertreten wird. Gemäß § 62 Abs. 3 VwGO handeln für Vereinigungen sowie für Behörden ihre gesetzlichen Vertreter und Vorstände. Für den Landkreis A-Stadt ist im Verwaltungsverfahren dessen Eigenbetrieb Abfallwirtschaft tätig geworden. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 der Satzung des Beklagten über die Abfallentsorgung für den Landkreis A-Stadt in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung bedient sich der Beklagte für das Entsorgungsgebiet Altkreis A-Stadt weiterhin dieses Eigenbetriebes. Die Prozessfähigkeit i.S.d. § 62 Abs. 3 VwGO richtet sich dann nach der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 EigBG LSA, wonach die Betriebsleitung die Gemeinde in den Angelegenheiten des Eigenbetriebes vertritt (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 8. Mai 2009 - 4 L 272/07 -, zit. nach JURIS). Diese Regelung ist auf Landkreise, die Eigenbetriebe führen (vgl. § 1 EigBG LSA), entsprechend anwendbar. Denn gem. § 65 LKO LSA finden auf die Wirtschaftsführung des Landkreises die für die Kreisfreien Städte geltenden Vorschriften über die Gemeindewirtschaft entsprechende Anwendung, soweit nachstehend keine andere Regelung getroffen worden ist. Das Eigenbetriebsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, das die in § 116 Abs. 1 Satz 1 GO LSA vorgesehene Befugnis zur Führung von Eigenbetrieben ausgestaltet, gehört zu diesen Vorschriften.

Soweit der Beklagte geltend macht, die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Satz 1 EigBG LSA sei nicht erfüllt, weil der Eigenbetrieb Abfallwirtschaft nicht in eigenen Angelegenheiten i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 EigBG LSA tätig geworden sei, sondern als ausführende Stelle, ist dem nicht zu folgen. Angelegenheiten des Eigenbetriebes i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 EigBG LSA sind gerade die Angelegenheiten, für welche der Eigenbetrieb gegründet worden ist, hier also die Organisation, Durchführung und Abrechnung der Aufgaben der öffentlichen Abfallentsorgung. Ansonsten dürfte es auch keinen Anwendungsbereich dieser Bestimmung geben, weil Eigenbetriebe gem. § 1 EigBG LSA keine eigene Rechtspersönlichkeit haben.

Es könnte sich allein aus der Rechtsnachfolge des Beklagten in dem vorliegenden Rechtsstreit ergeben, dass die für Landkreise grundsätzlich geltende Vertretungsregelung des § 46 Satz 3 LKO LSA anwendbar ist. Der im Verwaltungsverfahren für den Landkreis A-Stadt aufgetretene Eigenbetrieb ist nicht (mehr) rechtlich identisch mit dem nunmehr bestehenden Eigenbetrieb des Beklagten. Der Beklagte hat den vom Landkreis gegründeten Eigenbetrieb für das Entsorgungsgebiet Altkreis A-Stadt zwar übernommen (vgl. auch die Präambel in der Satzung über die Abfallentsorgung des Landkreises A-Stadt in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung). Dennoch besteht keine rechtliche Identität zwischen diesen Eigenbetrieben, weil die Trägerschaft des Eigenbetriebes gewechselt hat.

Diese Frage muss aber nicht abschließend geklärt werden, weil die Berufung jedenfalls unbegründet ist.

Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der angefochtene Bescheid des Landkreises A-Stadt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AbfG LSA erheben die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger für die Leistungen der kommunalen Abfallentsorgung auf der Grundlage von Satzungen nach den Vorschriften des KAG LSA und unter Beachtung der nachfolgenden Absätze Gebühren, soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird.

Die vom Eigenbetrieb des Landkreises A-Stadt herangezogene Regelung des § 3 Abs. 4 Nr. 4 der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Abfallentsorgung im Landkreis A-Stadt i.d.F. der Änderungssatzung vom 13. Dezember 2004 - AbfGS - ist schon deshalb keine ausreichende Rechtsgrundlage, weil der Kläger insoweit nicht gebührenpflichtig ist. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AbfGS i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 AbfG LSA ist gebührenpflichtig der Anschlusspflichtige auf Grund der Satzung über die Abfallentsorgung des Landkreises A-Stadt.

Anschlusspflichtig sind nach dieser Satzung über die Abfallentsorgung für den Landkreis A-Stadt i.d.F. der Änderungssatzung vom 13. Dezember 2004 - AbfES - Eigentümer oder dinglich Nutzungsberechtigte von bewohnten oder bebauten Grundstücken, auf denen Abfälle aus privaten Haushaltungen anfallen (§ 4 Abs. 1 AbfES). Diese Voraussetzung ist für die Straßengrundstücke, auf denen sich der Abfall befand, nicht erfüllt. Es kann offen bleiben, ob insoweit auch auf das Betriebsgelände der Autobahn- und Straßenmeisterei abzustellen ist, auf dem sich der Container für die entsorgten Abfälle befand. Selbst dann wäre die Vorgabe des § 4 Abs. 1 AbfES nicht erfüllt.

Die vom Beklagten im Berufungsverfahren genannte Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 1 AbfES ist von vornherein keine ausreichende Regelung des Anschlusszwangs. Danach sind Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen dem Landkreis zu überlassen (Anschlusszwang), es sei denn, der Besitzer solcher Abfälle kann sie in eigenen Anlagen beseitigen. Damit handelt es sich - wie auch ein Vergleich mit § 4 Abs. 3 AbfES zeigt - um die Anordnung eines Benutzungszwangs und nicht um eine Regelung, wonach für bestimmte Grundstücke der Anschlusszwang an eine Einrichtung zur Abfallentsorgung (vgl. dazu §§ 6 Abs. 1 Satz 2, 4 Abs. 2 AbfG LSA i.V.m. § 8 Satz 1 Nr. 2 GO LSA, § 6 Abs. 2 LKO LSA) vorgeschrieben wird. Die bloße Bezugnahme auf den Anschlusszwang in dem Klammerzusatz ist angesichts des materiell-rechtlichen Gehalts der Norm nicht ausreichend. Dass nach § 4 Abs. 2 Satz 5 AbfG LSA die Satzung unter bestimmten Voraussetzungen auch für Erzeuger oder Besitzer von Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushalten den Anschluss- und Benutzungszwang anordnen kann, führt nicht zu der Annahme, eine auf solche Abfallbesitzer abstellende Regelung sei als Regelung des Anschlusszwangs auszulegen. Darüber hinaus wäre § 4 Abs. 2 Satz 1 AbfES als Regelung des Anschlusszwangs zu unbestimmt, weil sich daraus nicht ergibt, welche Grundstücke betroffen sind. Die vom Beklagten anscheinend vorgenommene Auslegung, es seien die Grundstücke der Besitzer von Abfällen zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen betroffen, findet in dem Wortlaut keine Grundlage. So könnte angesichts des Fehlens einer Benennung konkreter Grundstücke und der systematischen Verbindung zu § 4 Abs. 1 AbfES eine Auslegung nahe liegen, wonach auch in § 4 Abs. 2 AbfES (nur) bewohnte oder bebaute Grundstücke erfasst sein sollen.

Auf § 4 Abs. 6 AbfGS lässt sich der streitbefangene Abfallgebührenbescheid ebenfalls nicht stützen. Danach setzt sich die Gebühr für die Entsorgung überlassener verbotswidrig abgelagerter Abfälle nach § 11 AbfG LSA aus den Kosten des Entsorgers und den Verwaltungskosten zusammen. Es ist zwar davon auszugehen, dass es sich dabei entgegen der Auffassung des Beklagten um eine vorrangige Gebührenregelung für verbotswidrig abgelagerte Abfälle i.S.d. § 11 AbfG LSA handelt. Weiterhin ist gem. § 6 Abs. 5 AbfGS bei der Entsorgung nach § 4 Abs. 6 AbfGS der Überlassungspflichtige gebührenpflichtig. Unabhängig davon, dass der Eigenbetrieb des Landkreises die Gebührenerhebung ausdrücklich auf die eine pauschale Kostenbestimmung vorsehende Regelung des § 3 Abs. 4 Nr. 4 AbfGS gestützt und der Beklagte eine Anwendbarkeit des § 4 Abs. 6 AbfGS ausdrücklich abgelehnt hat, fehlt es aber schon an einer Berechnung der streitbefangenen Gebühr nach den in § 4 Abs. 6 AbfGS genannten Kriterien

Da schon keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Gebührenerhebung besteht, kommt es auf die vom Verwaltungsgericht und den Beteiligten problematisierten Fragen der Abfallbesitzereigenschaft des Klägers und der Auslegung des § 11 Abs. 2 und 3 AbfG LSA nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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