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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 19.11.2008
Aktenzeichen: 4 L 365/08
Rechtsgebiete: BauGB, KAG, LSA-StrG


Vorschriften:

BauGB § 131 Abs. 1 Satz 1
BauGB § 133 Satz 1
KAG § 6 Abs. 1 Satz 1
LSA-StrG § 14 Abs. 1 Satz 1
1. Ein Grundstück kann auch dann im Sinne der §§ 131 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 BauGB erschlossen sein, wenn sich mit einem zwischen der Grundstücksgrenze und der Fahrbahn verlaufenden Grünstreifen ein rechtliches und tatsächliches Hindernis auf dem Straßengrund befindet.

2. Die Ausräumbarkeit dieses Hindernisses ist dann ausnahmsweise ausreichend, wenn die Gemeinde von der vorherigen tatsächlichen Ausräumung des in ihrer Verfügungsmacht stehenden Hindernisses auf dem Straßengrund absieht, weil der Eigentümer mit Blick auf eine bereits bestehende anderweitige Erschließung seines Grundstücks die Herstellung der von der Gemeinde verbindlich angebotenen Zuwegung nachdrücklich und ernsthaft ablehnt.


Gründe:

Die Anträge des Klägers auf Zulassung der Berufung (I.) und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Antrag auf Zulassung der Berufung (II.) haben keinen Erfolg.

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig; insbesondere wird er entgegen der Auffassung der Beklagten den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO noch gerecht, weil der Kläger die Rechtsfehlerhaftigkeit des erstinstanzlichen Urteils und damit ernstliche Zweifel an dessen Richtigkeit im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend macht.

Der Antrag ist aber unbegründet.

Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Grundstück des Klägers durch die ausgebaute Verkehrsanlage "L-Straße" im Sinne der §§ 131 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 BauGB erschlossen ist bzw. die L-Straße dem klägerischen Grundstück die gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA erforderliche vorteilhafte Inanspruchnahmemöglichkeit vermittelt, obwohl sich mit dem zwischen der Grundstücksgrenze und der Fahrbahn der L-Straße verlaufenden und mit drei Laubbäumen bepflanzten Grünstreifen ein rechtliches und tatsächliches Hindernis auf dem Straßengrund befindet.

1. Ohne Erfolg weist die Beklagte darauf hin, die L-Straße sei bereits vor ihrem Ausbau aufgrund der straßenrechtlichen Übergangsvorschriften in ganzer Breite dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestellt und damit auch in ganzer Breite dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden, so dass ohne weiteres eine fußläufige Verbindung zum klägerischen Grundstück bestehe. Nach der Rechtsprechung des Senats gestattet § 14 Abs. 1 Satz 1 StrG LSA zwar jedermann den Gebrauch der öffentlichen Straße im Rahmen des Gemeingebrauchs, jedoch ist der Gemeingebrauch räumlich beschränkt auf diejenigen Teile des Straßenkörpers, die zur Aufnahme des Verkehrs unmittelbar bestimmt sind, nämlich die Fahrbahn und die Gehwege. Böschungen, Gräben, Trennstreifen, Bankette und Sicherheitsstreifen stehen dem Verkehr dagegen nicht zur Verfügung (OVG LSA, Beschl. v. 19.09.2005 - 4 M 79/05 -). Der Kläger ist deshalb kraft Gemeingebrauchs nicht befugt, den unbefestigten Grünstreifen zu überfahren oder ständig zu begehen. Auch durch den Anliegergebrauch ist der Kläger nicht berechtigt, den Grünstreifen ständig zu überqueren. Auf den Anliegergebrauch und dessen grundrechtliche Kerngewährleistung kann sich nur berufen, wer zur angemessenen Nutzung seines Grundstücks auf das Vorhandensein und die Benutzung der Straße angewiesen ist (BVerwG, Urt. v. 20.08.1986 - BVerwG 8 C 58.85 -, KStZ 1986, 211 [212]). Daran fehlt es, weil der Kläger zur angemessenen Nutzung seines Grundstücks keinen Zugang zur L-Straße benötigt; denn sein Wohngrundstück ist bereits durch den Breiten Weg erschlossen. Das Verwaltungsgericht hat folglich zu Recht den unbefestigten Grünstreifen in der L-Straße als rechtliches Hindernis bewertet. 2. Dem Verwaltungsgericht ist auch darin im Ergebnis zu folgen, dass die Ausräumbarkeit dieses Hindernisses angesichts der besonderen Fallgestaltung dann ausnahmsweise ausreichend ist, wenn die Gemeinde von der vorherigen tatsächlichen Ausräumung des in ihrer Verfügungsmacht stehenden Hindernisses auf dem Straßengrund absieht, weil der Eigentümer mit Blick auf eine bereits bestehende anderweitige Erschließung seines Grundstücks die Herstellung der von der Gemeinde verbindlich angebotenen Zuwegung nachdrücklich und ernsthaft ablehnt (HessVGH, Beschl. v. 18.06.2002 - 5 TG 441/02 -; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 29.05.1991 - BVerwG 8 C 76.89 -, beide zitiert nach juris).

Ohne Erfolg wendet der Kläger dagegen ein, die Beklagte habe ihn bei der Planung der Zuwegung nicht außer Betracht lassen dürfen und er habe es auch nicht an jeglicher Mitwirkung fehlen lassen. Insoweit hat die Vorinstanz zu Recht aus den Gesamtumständen (Beschilderung der Garage, mündliche Äußerung gegenüber den vor Ort anwesenden Bauarbeitern und Schreiben vom 28.02.2005) den Schluss gezogen, dass der Kläger trotz der verbindlichen Planung der Beklagten (Beiakte B) die Herstellung einer Zuwegung über den unbefestigten Grünstreifen ernsthaft abgelehnt hat. In diesem besonderen Fall lässt sich der für die Beitragsentstehung erforderliche Vorteil bzw. das Erschlossensein des Grundstücks unabhängig von der tatsächlichen Ausführung bereits aufgrund der von der Beklagten verbindlich erklärten Bereitschaft, eine Zuwegung zum klägerischen Grundstück herzustellen, bejahen.

Unerheblich ist, dass die Beklagte derzeitig möglicherweise nicht mehr in der Lage ist, eine entsprechende Zuwegung zu schaffen; denn bei der Beurteilung, ob das veranlagte Grundstück von der ausgebauten Anlage erschlossen bzw. bevorteilt ist, kommt es auf den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht an. Dass zu diesem Zeitpunkt eine Herstellung der Zuwegung nicht mehr möglich war, ist weder ersichtlich noch von dem Kläger dargelegt worden.

Schließlich lässt sich den Verwaltungsvorgängen nicht entnehmen, dass die Beklagte ihrer Beitragsberechnung (nicht entstandene) Kosten für die Schaffung einer Zuwegung zum klägerischen Grundstück zugrunde gelegt hat; insbesondere hat die mit dem Straßenbau beauftragte (...) Straßen- und Tiefbau GmbH mit ihrer Schlussrechnung vom 20. Dezember 2006 allein ihre tatsächlich erbrachten Leistungen abgerechnet. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Rechnungslegung sind auch von dem Kläger nicht aufgezeigt worden.

II. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung durch den Kläger bietet auch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i. S. d. § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO.

Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann gegeben, wenn mehr als eine theoretische Wahrscheinlichkeit für den Erfolg des Rechtsmittels spricht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.02.1997 - 1 BvR 391/93 -, NJW 1997, 2102, 2103), d.h. wenn der klägerische Rechtsstandpunkt ohne Überspannung der Anforderungen zutreffend oder bei schwieriger Rechtslage zumindest vertretbar erscheint (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 08.11.2006 - 4 L 334/06 -). Sie liegt nicht vor, wenn der Erfolg im Zulassungsverfahren zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 07.05.1997 - 1 BvR 296/94 -, NJW 1997, 2745).

Ausgehend von diesen Maßstäben sind nach den Ausführungen zu I. keine hinreichenden Erfolgsaussichten für den Zulassungsantrag des Klägers gegeben.

Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, für das Prozesskostenhilfeverfahren auf § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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