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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: 4 L 37/07
Rechtsgebiete: LSA-KAG


Vorschriften:

LSA-KAG § 2
Rückwirkung von Abfallgebührensatzungen.
Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Es ist schon fraglich, ob der Antrag überhaupt zulässig ist. Der Senat hat erhebliche Zweifel, ob der Kläger in ausreichender Weise i. S. d. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO die Gründe dargelegt hat, aus denen die Berufung zuzulassen ist; denn die Zuordnung des Vorbringens zu einem Zulassungsgrund darf nicht dem Gericht in dem Sinne überlassen werden, dass erst dieses überprüft und herausfiltert, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten die Darlegungen einen Zulassungsgrund begründen können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.11.1995 - BVerwG 9 B 362.95 -, zitiert nach juris, Rdnr. 3, Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 124a Rdnr. 49 m. w. N.; Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, § 124a Rdnr. 91 ff., 94).

Aber selbst wenn davon ausgegangen wird, der Kläger wolle mit seinem Vortrag unter I., II., III. und IV. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), unter V. und VI. einen Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO und unter VII. die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend machen, ist der Antrag auf Zulassung der Berufung jedenfalls unbegründet.

I. Die unter I., II., III. und IV. geltend gemachten "ernstlichen Zweifel" an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor.

1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die rückwirkende Inkraftsetzung der Satzung des Beklagten über die Gebühren zur Abfallentsorgung vom 6. Dezember 2004 (Abfallgebührensatzung 2002) zum 1. Januar 2002, nach deren § 2 von dem Beklagten u. a. eine personenbezogene Leistungsgebühr erhoben wird, nicht zu beanstanden ist.

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Rückwirkung dann zulässig ist, wenn der Abgabenschuldner in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge zurückbezogen wird, mit dieser rückwirkenden Regelung rechnen musste und sein Verhalten auf diese Regelung einrichten konnte. Dabei verdient das Vertrauen insbesondere dann keinen Schutz, wenn eine rückwirkend erlassene abgabenrechtliche Regelung dazu dienen soll, eine ungültige oder in ihrer Gültigkeit zweifelhafte Satzung durch eine neue Satzung zu ersetzen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1983 - BVerwG 8 C 170.81 -, BVerwGE 67, 129, 131 f.; OVG LSA, Beschlüsse v. 20.01.1994 - 2 M 3/93 - und v. 05.06.1996 - 2 M 71/04 -). Denn wenn der Satzungsgeber eine Abgabensatzung beschlossen hat, muss der Abgabenpflichtige grundsätzlich von diesem Zeitpunkt an mit einer entsprechenden Regelung rechnen und sein Verhalten entsprechend einrichten (vgl. dazu OVG LSA, Urt. v. 31. März 2000 - 1 K 12/00 -; Beschlüsse v. 20. Januar 1994 - 2 M 3/93 - und v. 5. Juni 1996 - 2 M 71/04 -; vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht Bd. I, § 2 Rdnr. 33 ff., 41).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Beklagte hat mit der Abfallgebührensatzung 2002 seine Gebührensatzung vom 25. März 2002 ersetzt und damit von der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG LSA Gebrauch gemacht, der den Erlass rückwirkender Abgabensatzungen innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen ausdrücklich vorsieht. Die Gebührensatzung vom 25. März 2002 wäre nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (vgl. Beschl. v. 09.03.2004 - 2 L 250/03 -) ebenso wie die Vorgängersatzung des Beklagten vom 10. Juli 2000 wegen Verstoßes gegen das in § 5 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 des Kommunalabgabengesetzes in der Fassung vom 16.07.2003 (LSA-GVBl., S. 258) normierte Kostenüberschreitungsverbot von Anfang an unwirksam gewesen. Da bereits in diesen Satzungen ausdrücklich geregelt wurde (vgl. § 1 Satz 1), dass der Beklagte nach Maßgabe seiner Satzung Abfallgebühren erhebt, konnte sich für die Zeiträume ab 2002 kein Vertrauen bilden, dass diese Zeiträume ohne Abgabenerhebung bleiben würden und der Beklagte insbesondere im Falle der Nichtigkeit der Satzung für den streitigen Erhebungszeitraum ab dem 1. Januar 2002 auf die Erhebung von Abfallgebühren verzichten würde.

Die rückwirkend erlassene neue Satzung hat allerdings nicht nur den vom Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 9. März 2004 bei der Berechnung des Gebührensatzes festgestellten Fehler berichtigt; vielmehr hat der Beklagte u. a. in § 2 der Abfallgebührensatzung 2002 die personenbezogene Leistungsgebühr eingeführt, während § 2 der Abfallgebührensatzung vom 25. März 2002 noch die Erhebung einer personenbezogenen Grundgebühr vorgesehen hatte. Hierin liegt indes kein Verstoß gegen die in § 2 Abs. 2 Satz 2 und 4 KAG LSA normierten Schranken rückwirkender Abgabensatzungen, denn die personenbezogene Leistungsgebühr ist weder höher noch wesensmäßig anders als diejenige Gebühr, die die bisherige Satzung - zumindest mit dem Rechtsschein ihrer Gültigkeit - gefordert hat; denn beides sind Benutzungsgebühren, die darauf abzielen, die Aufwendungen des Beklagten für die von ihm selbst oder im Auftrag durch zuverlässige Dritte wahrgenommenen abfallwirtschaftlichen Aufgaben zu decken. Inwieweit der Ersatz einer Grundgebühr durch eine personenbezogene Leistungsgebühr diese Zielrichtung der Gebührenerhebung und damit die Gleichartigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 KAG LSA überhaupt in Frage stellen könnte, legt der Kläger schon nicht dar; insbesondere ergibt sich die von dem Kläger gezogene Schlussfolgerung nicht aus den von ihm zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 36, 73 zur Abschmelzung des Knappschaftsruhegeldes; BVerfGE 72, 200 zum deutsch-schweizerischen Doppelbesteuerungsabkommen und BVerfGE 11, 139 ff. zur Änderung des Kostenrechts). Indem § 13 Abs. 1 der Abfallgebührensatzung 2002 Rückwirkung bis zum 1. Januar 2002 beigemessen hat, liegt auch kein Verstoß gegen § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG LSA. Danach darf die rückwirkende Inkraftsetzung einer Satzung nicht dazu führen, dass die Gebührenschuldner in ihrer Gesamtheit schlechter gestellt werden, als nach der ersetzten Satzung. Sinn und Zweck des Schlechterstellungsverbots besteht darin, zu verhindern, dass die Kommunen im Nachhinein auftretende Zweifel an der Wirksamkeit einer Satzung dazu nutzen, sich rückwirkend Mehreinnahmen zu verschaffen und dadurch den Eigenanteil der Gemeinde an den Kosten der Einrichtung zu senken. Das ist vorliegend indes nicht der Fall, denn das grundsätzlich bestehende verfassungsrechtliche Verbot, die Abgabepflichtigen rückwirkend schlechter als nach bisherigem Recht zu stellen, gilt nur für die Höhe der Abgabensätze und nicht für die Änderung der Berechnungsgrundlagen, aus denen sich die Höhe der Abgabe erst ergibt (BVerwG. Urt. v. 27.01.1978 - BVerwG VII C 32.76, zitiert nach juris). Der Vertrauensschutz in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Sinne geht nicht soweit, dass er dem Satzungsgeber auch verbietet, rückwirkend von neuen Berechnungsgrundlagen auszugehen, insbesondere wenn - wie hier im Anschluss an eine Entscheidung des OVG LSA - vom Kreistag des Beklagten am 6. Dezember 2004 rückwirkend erstmalig wirksames Gebührenrecht geschaffen werden sollte, weil die bisherigen Gebührensatzungen unwirksam waren oder die begründete Befürchtung dafür bestand. Vielmehr stand es der Körperschaft dann erneut offen, den ihr nach § 5 KAG LSA eingeräumten Spielraum zu nutzen (vgl. auch OVG LSA, Urt. v. 27.07.2006 - 4 K 253/05 -, zum Kalkulationszeitraum). Verfassungsrechtlich ist nur das Vertrauen darauf geschützt, dass die Rechtsposition des Bürgers nicht nachträglich verschlechtert wird. Dieses Vertrauen wird nicht enttäuscht, wenn nur Berechnungsfaktoren nachträglich geändert werden, ohne dass sich die Abgabenbeträge erhöhen. Die neue rückwirkende Satzung des Beklagten bewirkt aber keine nachträgliche Erhöhung der Gebührensätze. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich dargelegt, dass § 2 Abs. 2 der Abfallgebührensatzung 2002 für die personenbezogene Leistungsgebühr geringere Gebühren enthält, als sie gemäß § 2 Abs. 2 der Abfallgebührensatzung vom 25. März 2002 für die "Grundgebühr" vorgesehen waren. Zudem bestimmt § 13 Abs. 4 der Abfallgebührensatzung 2002, dass die Gebühr nach neuem Recht der Höhe nach auf die Gebühr begrenzt ist, die sich nach der Abfallgebührensatzung vom 25. März 2002 ergeben würde. Mit diesen Feststellungen des Verwaltungsgerichts setzt sich die Zulassungsschrift indes nicht auseinander.

Ob § 2 Abs. 2 Satz 4 KAG LSA auf die rückwirkende Ersetzung nichtiger Satzungen überhaupt Anwendung findet (vgl. OVG LSA, Urt. v. 27.07.2006 - 4 K 57/06 -), ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht weiter zu vertiefen.

2. Unzutreffend ist der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung (UA S. 9, 2. Abs.) festgestellt, "die Kläger könnten noch rückwirkend für 2002 als Gegenleistung für die Festgebühr verschiedene Behältergrößen wählen". Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, "die Benutzer können sowohl für Restmüll als auch für Biomüll zwischen verschiedenen Behältergrößen wählen", erfolgte vielmehr im Rahmen der Prüfung, ob der Beklagte die Vorgaben des § 6 Abs. 3 AbfG LSA a. F. beachtet hat.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte in seiner Abfallgebührensatzung 2002 auch keine (unzulässige) Gebührenkombination vorgenommen, wie sie der Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 04.08.2004 (5 B 591/03) zugrunde lag; denn der Beklagte hat die Erhebung der personengebundenen Leistungsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 seiner Satzung allein personenabhängig ausgestaltet.

II. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

1. Zu Unrecht rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es - für ihn nicht vorhersehbar - in seiner Entscheidung ausgeführt habe, dass die in der Abfallgebührensatzung 2002 festgelegten Gebühren exakt den kalkulatorisch ermittelten Beträgen entsprächen, obwohl es noch in seinem Urteil vom 3. Juli 2002 (1 A 1072/01 DE) festgestellt habe, dass es weder Entsorgungsverträge noch eine LSP-Kalkulation für den Bereich der Stadtentsorgung D... GmbH G-Stadt gegeben habe. Hierin ist eine (von dem Kläger sinngemäß geltend gemachte) unzulässige Überraschungsentscheidung des Verwaltungsgerichts nicht zu erkennen.

Eine gerichtliche Entscheidung stellt sich nur dann als unzulässige "Überraschungsentscheidung" dar, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit - unter Verletzung seiner ihm nach § 86 Abs. 3, § 104 Abs. 1, § 173 VwGO i. V. m. § 278 Abs. 3 ZPO obliegenden Hinweis- und Erörterungspflicht - dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit welcher insbesondere der unterlegene Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25. Mai 2001 - 4 B 81.00 -, Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 34; Urt. v. 10. April 1991 - 8 C 106.89 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235). Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn die das angefochtene Urteil tragende Erwägung weder im gerichtlichen Verfahren noch im früheren Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren erkennbar thematisiert worden war. Hieran gemessen hat das Verwaltungsgericht weder einen für den Kläger überraschend neuen noch einen unerörtert gebliebenen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht. Der Kläger hat schon in seiner Klagebegründung vom 8. Juni 2006 die Wirksamkeit der mit den privatwirtschaftlich beauftragten Entsorgungsunternehmen geschlossenen Verträge in Frage gestellt (Bl. 9 der Gerichtsakte), so dass die Thematik von Anfang an Gegenstand des Rechtsstreits war. Zudem ergibt sich aus Nr. 24 der von dem Beklagten zur Vorbereitung des Termins zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Erläuterung der Firma E... vom 22. November 2004 zur Kalkulation der Benutzungsgebühren für die Abfallentsorgung des Beklagten für das Jahr 2002 (Beiakte F im Verfahren 4 L 1/07) folgende Feststellung: "Die zwischen StE D, AWU und KIE J-Stadt sowie dem Landkreis Wittenberg vereinbarten Entgelte basieren auf Kalkulationen der F... GmbH bzw. ab 2004 der G... Unternehmensberatung GmbH, D-Stadt. Es handelt sich dabei um Selbstkostenfestpreise, die nach den LSP ermittelt wurden." Der Kläger ist auch im Rahmen der Terminsladung darauf hingewiesen worden, dass dem Gericht diese Unterlagen vorliegen und er Gelegenheit hat, Akteneinsicht zu nehmen. Damit waren für den Kläger die Tatsachengrundlagen, die für die Entscheidung des Gerichts maßgeblich waren, bekannt, so dass er einkalkulieren musste, dass diese Grundlagen in dieser oder jener Weise rechtlich gewürdigt werden können. Der Kläger kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Vorinstanz habe noch in seinem Urteil vom 3. Juli 2002 (1 A 1072/01 DE) festgestellt, dass es weder Entsorgungsverträge noch eine LSP-Kalkulation für den Bereich der Stadtentsorgung D... GmbH G-Stadt gegeben habe; denn das Verwaltungsgericht kann an seine in der Vergangenheit liegenden Entscheidungen dann nicht gebunden sein, wenn sich aufgrund späterer Erkenntnisse - wie hier durch die Feststellungen der WIBERA in der Kalkulation vom 22. November 2004 - eine neue Tatsachengrundlage ergibt.

Auch eine Verletzung der verfahrensrechtlichen Hinweispflicht des Gerichts nach § 86 Abs. 3 VwGO ist in diesem Zusammenhang nicht dargetan. Der Kläger übersieht insoweit, dass auch § 86 Abs. 3 VwGO dem Gericht grundsätzlich weder eine umfassende Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte abverlangt noch es dazu verpflichtet, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt; dies gilt auch für den Tatsachenvortrag eines Beteiligten (st. Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. etwa Beschl. v. 28.12.1999 - BVerwG 9 B 467.99 -, Buchholz 310 [VwGO] § 86 Abs. 3 Nr. 51, m. w. N.). Etwas Anderes mag dann gelten, wenn das Gericht bereits in der mündlichen Verhandlung den Beteiligten seine Rechtsauffassung dargelegt hätte. Vorliegend hat das Verwaltungsgericht ausweislich des Sitzungsprotokolls in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht zu erkennen gegeben, dass es nach wie vor an seinem Urteil vom 3. Juli 2002 (1 A 1072/01 DE) festhalten wolle.

2. Der Einwand des Klägers, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt worden, weil das Gericht seine Entscheidung auf eine ihm unbekannte Versicherung des Beklagten gestützt habe, bleibt schon deswegen ohne Erfolg, weil die erstinstanzliche Entscheidung nicht nur auf den Angaben des Beklagten beruht, sondern - wie oben erläutert - auch auf Nr. 4.1.1 der Erläuterung der WIBERA vom 22. November 2004 Bezug nimmt.

3. Das Vorbringen des Klägers genügt mit seinem pauschalen und nicht weiter aufbereiteten Hinweis, das Verwaltungsgericht habe die offenkundige Fehlerhaftigkeit der Kalkulationen nicht berücksichtigt, schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Insbesondere fehlt es auch an jeglicher Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Ausführungen, dass der Beklagte die Kostenüberdeckung im Jahr 2002 bei der Kalkulation der in der Abfallgebührensatzung 2001 festgelegten Gebührensätze berücksichtigt und damit unzweifelhaft nicht zum Nachteil der Gebührenschuldner gegen die vorgenannte Gesetzesvorschrift verstoßen hat.

Unabhängig davon verlangt schon einfaches Verfahrensrecht (§§ 108 Abs. 1 Satz 2, 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) nicht, dass sich die Entscheidungsgründe mit jeder Einzelheit des Vorbringens befassen; es genügt vielmehr die Angabe der Gründe, "die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind". Der Grundsatz rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gebietet dem Gericht gleichfalls nicht, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17. November 1992 - 1 BvR 168,1509/89, 638,639/90 -, BVerfGE 87, 363, 392 f.). Art. 103 Abs. 1 GG fordert allein, dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 -, BVerfGE 86, 133, 145). Art. 103 Abs. 1 GG ist erst verletzt, wenn das Gericht gegen diesen Grundsatz erkennbar verstoßen hat; das Bundesverfassungsgericht geht grundsätzlich davon aus, dass ein Gericht dem Verfassungsgebot entsprochen hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. Mai 1992, a. a. O. S. 146; Beschl. v. 17. November 1992, a. a. O. S. 392). Als Indiz für die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG ist erst anzusehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Parteivortrags zu einer Frage von zentraler Bedeutung nicht eingegangen ist, sofern das Vorbringen vom Gericht nicht für unerheblich oder offensichtlich unsubstanziiert gehalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19. Mai 1992, a. a. O. S. 146).

Es ist aber nicht hinreichend ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht Vorbringen des Klägers nicht zur Kenntnis genommen hat. Vielmehr hat es sich mit seinen wesentlichen Erwägungen ausdrücklich auseinandergesetzt (vgl. UA S. 17 oben). Die von dem Kläger beanstandete unzutreffende Würdigung seines Vorbringens durch die Vorinstanz begründet schon vom Ansatz her keinen Gehörsverstoß (BVerfG, Beschl. v. 19.07.1967 - 2 BvR 639/66 -, BVerfGE 22, 267 [273 f]; Beschl. v. 04.04.1991 - 2 BvR 1497/90 -, InfAuslR 1991, 262 [263]).

Lediglich ergänzend ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die nach den vorstehenden Ausführungen unzureichende Darlegung auch dann besteht, wenn das in Rede stehende Vorbringen des Klägers auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gerichtet sein sollte.

III. Schließlich kommt der von dem Kläger problematisierten Frage, ob eine Körperschaft an einen Zeitraum anknüpfen dürfe, in dem ohne Rechtsgrundlage Gebühren erhoben worden seien, und neue Gebühren erheben, ohne dass eine Über- oder Unterdeckung festgestellt und ausgeglichen worden sei, nicht die ihr von dem Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.

Der erkennende Senat hat bereits in seinem Grundsatzurteil vom 27. Juli 2006 (4 K 253/05) festgestellt, dass die gebührenerhebende Körperschaft bei der rückwirkenden Ersetzung von Satzungen von "harten Zahlen", d.h. von den Ist-Ergebnissen, auszugehen hat und damit in die Lage versetzt wird, für die zurückliegenden Zeiträume kostendeckende Gebühren zu erheben. Folglich kommt es für den hier abgerechneten Zeitraum 2002 weder auf das Vorliegen einer wirksamen Satzung für die Jahre 1996 bis 1999 noch darauf an, ob es in diesen Vorjahren eine Über- oder Unterdeckung gegeben hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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