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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 07.04.2006
Aktenzeichen: 4 L 39/06
Rechtsgebiete: KAG LSA, VwKostG LSA


Vorschriften:

KAG LSA § 4 IV 1
VwKostG LSA § 13 II 2
Zur Rechtsfolge bei einer gegen § 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA verstoßenden Staffelung der Höhe von Widerspruchsgebühren in einer Verwaltungskostensatzung sowie zur einseitigen Erledigungserklärung des Klägers im Berufungszulassungsverfahren

Zur Rechtsfolge bei einer gegen § 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA verstoßenden Staffelung der Höhe von Widerspruchsgebühren in einer Verwaltungskostensatzung sowie zur einseitigen Erledigungserklärung des Klägers im Berufungszulassungsverfahren


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 L 39/06

Datum: 07.04.2006

Gründe:

Die Erklärung der Klägerin vom 25. März 2006 ist dahingehend auszulegen, dass sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, soweit er die mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - vom 14. November 2005 aufgehobenen Teile des Bescheides des Beklagten vom 29. April 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2005 betrifft, deren Rechtmäßigkeit auch nur noch im Berufungszulassungsverfahren streitig ist.

Der Rechtsstreit, d.h. das Klageverfahren, soweit es nicht schon vorinstanzlich rechtskräftig abgeschlossen ist, sowie das anhängige Berufungszulassungsverfahren insgesamt, ist insoweit auch erledigt. Denn der Beklagte hat während des Zulassungsverfahrens eine rückwirkend geltende Neufassung seiner Verwaltungskostensatzung als Rechtsgrundlage für die Festsetzung der streitigen Verwaltungsgebühren erlassen und die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten bestand für die Festsetzung der streitigen Widerspruchsgebühren jedenfalls bis zum Erlass seiner rückwirkend zum 12. August 2004 in Kraft getretenen Verwaltungskostensatzung vom 9. Januar 2006 keine ausreichende Rechtsgrundlage. Es kann dabei offen bleiben, ob für die Festsetzung solcher Gebühren im eigenen Wirkungskreis der Gebietskörperschaften und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts zwingend eine Satzung erforderlich ist oder ob als Rechtsgrundlage gem. § 4 Abs. 1, 3a und 4 Satz 1 KAG LSA unmittelbar § 13 Abs. 2 VwKostG LSA herangezogen werden kann.

Geht man davon aus, dass gem. § 2 Abs. 1 KAG LSA eine Satzung erforderlich ist, weil die Verweisung in § 4 Abs. 4 Satz 1 KAG LSA ("sinngemäß") für eine unmittelbare Anwendung des § 13 Abs. 2 VwKostG LSA nicht ausreichend ist (vgl. dazu Rosenzweig/Freese, KAG Nds § 4 Rdnr. 57 zum KAG Nds; vgl. auch VG Göttingen, Beschl. v. 16. September 1999 - 3 B 386/99 -, NdsVBl. 2001, 74 f.; Loeser/Barthel, VwKostG Nds § 12 Nr. 3.7 jeweils zum VwKostG Nds), so ist die Festsetzung der Höhe der Widerspruchsgebühren in § 4 Abs. 1 der Verwaltungskostensatzung des Beklagten vom 30. Juni 2004 i.V.m. Nr. 9 des Kostentarifs nichtig. Die darin an die Gegenstandswerte gekoppelte Staffelung der Gebühren verstößt schon deshalb gegen das VwKostG LSA, weil sie entgegen § 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA für Streitwerte über 50.000,- € Widerspruchsgebühren von mehr als 500,- € vorsieht. Dass sich die Satzung für Gegenstandswerte bis zu 50.000,- € noch an die Vorgabe des § 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA gehalten hat, steht dem nicht entgegen. Durch die Festsetzung einer solchen Staffelung in der Satzung füllt der Gebührengläubiger den ihm durch § 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA eingeräumten Ermessensspielraum aus und schafft ein in sich geschlossenes Regelungssystem, in dem die Höhe der Widerspruchsgebühr mit der Höhe der Gegenstandswerte korrespondiert. Sobald ein Teil einer solchen Staffelung mit einer gesetzlichen Vorgabe nicht in Einklang steht, ist aber im Regelfall die gesamte Staffelung nichtig. Denn es ist nicht auszuschließen, dass sich auch die Gebührenhöhe in dem unmittelbar nicht betroffenen Teil der Staffelung verschoben hätte, wenn sich der Satzungsgeber an die gesetzliche Vorgabe gehalten hätte.

Die Verwaltungskostensatzung des Beklagten vom 27. Juli 2005 kann nicht als Rechtsgrundlage dienen, weil sie nicht rückwirkend in Kraft getreten ist und die Festsetzungen in dem Bescheid des Beklagten vom 29. April 2005 und dem Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2005 damit nicht erfasst.

Nimmt man an, dass § 13 Abs. 2 VwKostG LSA eine unmittelbare Rechtsgrundlage darstellt (vgl. auch Loeser/Barthel, a.a.O. § 12 Nr. 3.5; § 3 Nr. 1 zum VwKostG Nds), so ist dem Gebührengläubiger für die Festsetzung der Höhe der Widerspruchsgebühr ebenfalls ein Ermessensspielraum eingeräumt. In der Festsetzung einer Staffelung in einer Satzung ist dann eine - grundsätzlich erlaubte - Konkretisierung dieses Ermessensspielraums zu sehen, die der Beklagte in dem streitbefangenen Festsetzungsbescheid zur Anwendung gebracht hat. Dass er ohne Beachtung der Vorgaben der Verwaltungskostensatzung vom 30. Juni 2004 eine Einzelfallentscheidung getroffen hat, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Wie bei der Festsetzung der Gebührenhöhe innerhalb einer zwingend gebotenen Satzung ist aber diese Konkretisierung - wie oben dargelegt - auf Grund des Verstoßes gegen § 13 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA nichtig. Eine ausreichende Ermessensausübung hat daher nicht stattgefunden. Eine Heilung durch den Erlass der Verwaltungskostensatzung des Beklagten vom 27. Juli 2005 scheidet schon deshalb aus, weil § 114 Satz 2 VwGO lediglich eine Ergänzung von Ermessungserwägungen erlaubt.

Es war daher der Klägerin freigestellt, der Änderung der Rechtslage auf Grund des Erlasses der Verwaltungskostensatzung vom 9. Januar 2006 Rechnung zu tragen und den Rechtsstreit in der Hauptsache teilweise für erledigt zu erklären (vgl. dazu allgemein BVerwG, Urt. v. 22. Januar 1993 - 8 C 40.92 -, zit. nach JURIS). Da der Beklagte, dessen Zulassungsantrag statthaft ist und fristgerecht erhoben wurde, sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat, hat sich der Streit um den Zulassungsantrag in einen Streit um die Erledigung des Rechtsstreites umgewandelt. Auf die Erklärung der Klägerin hin war schon im Berufungszulassungsverfahren festzustellen, dass sich der Rechtsstreit - im Hauptsacheverfahren teilweise und in dem Berufungszulassungsverfahren insgesamt - erledigt hat, und das erstinstanzliche Urteil (vgl. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog) insoweit klarstellend für unwirksam zu erklären (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 24. März 2003 - 8 N 117.01 -, zit. nach JURIS; Sodan/Ziekow, VwGO 2. A., § 124a Rdnr. 336; vgl. weiter BVerwG, Beschl. v. 17. Dezember 1993 - 3 B 134/92 -, zit. nach JURIS m.w.N.; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO § 133 Rdnr. 105; 161, Rdnr. 35; Kopp/Schenke, VwGO 14. A., § 133 Rdnr. 21 jeweils zum Revisionszulassungsverfahren). Für eine Zulassung der Berufung auf Antrag des Beklagten fehlt es danach an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 17. Dezember 1993 a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 53 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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