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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 02.09.2009
Aktenzeichen: 4 L 467/08
Rechtsgebiete: KAG LSA


Vorschriften:

KAG LSA § 6 Abs. 5 S. 1
Dem Satzungsgeber ist es gestattet, bei bebauten Grundstücken im unbeplanten Innenbereich für die Festlegung der Vollgeschosszahl auf die höchste Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse abzustellen.
Gründe:

Das Rubrum war von Amts wegen zu berichtigen, weil der Beklagte durch einen zum 1. Januar 2009 erfolgten Zusammenschluss der Abwasserzweckverbände C-Stadt und A-Stadt Rechtsnachfolger des Abwasserzweckverbandes A-Stadt geworden ist.

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

a) Keinen Erfolg hat der Kläger mit seinem Vortrag, das Wohngebäude auf dem kleineren Flurstück sei lediglich zweigeschossig bebaut, weil dessen 3. Geschoss sich auf weniger als 2/3 der Grundfläche des Gebäudes erstrecke und im Übrigen lediglich eine lichte Höhe von 2,28 m aufweise.

Die Einstufung eines Geschosses als Vollgeschoss i.S.d. Abwasserbeseitigungsabgabensatzung des Abwasserzweckverbandes A-Stadt vom 6. Dezember 2000 - ABAS 2000 - richtet sich nach dem gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 ABAS 2000 maßgeblichen Landesrecht u.a. danach, ob das Geschoss auf mindestens 2/3 seiner Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m hat. Es kommt also von vornherein nicht darauf an, ob das Geschoss sich auf weniger als 2/3 der Grundfläche des Gebäudes erstreckt. Soweit der Kläger in seiner Antragsbegründung - wie erstmalig in einem nach Durchführung der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz - vorträgt, die lichte Höhe des 3. Geschosses betrage durchgängig 2,28 m, handelt es sich um eine bloße Behauptung, die durch nichts weiter belegt ist. Darauf hat auch der Beklagte in seiner Antragserwiderung ausdrücklich hingewiesen, ohne dass der Kläger insoweit zusätzliche Angaben gemacht hat. Insbesondere liegt kein hinreichender Beleg darin, dass nach den in der Akte befindlichen Lichtbildaufnahmen die "Fenster- und Brüstungshöhe im Vergleich zu den Fensterreihen der 1. und 2. Etage deutlich kleiner und gedrungener" sei. Gerade wegen der äußerst geringen Differenz zu der gesetzlich vorgegebenen lichten Höhe wäre es zumindest erforderlich gewesen darzulegen, worauf der Kläger seine Behauptung stützt.

b) Dass auf einem kleinen Teil eines bebauten Grundstücks im unbeplanten Innenbereich auf Grund des dort befindlichen Wohngebäudes tatsächlich mehr Schmutzwasser anfällt als auf dem weit größeren Teil des Grundstücks, auf dem sich eine Kaufhalle nebst Parkplatz befinden, steht der Berücksichtigung der (höheren) Vollgeschosszahl des Wohngebäudes für das gesamte Grundstück innerhalb des Beitragsmaßstabes für den Herstellungsbeitrag nicht entgegen. Auch muss die Beitragssatzung diese Fallkonstellation nicht mit einer Sonderregelung zum Beitragsmaßstab erfassen.

Bei der Vorteilsbemessung i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 1 KAG LSA ist den Unterschieden in der wahrscheinlichen Inanspruchnahme der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung Rechnung zu tragen. Der Umfang der wahrscheinlichen Inanspruchnahme hängt aber in erster Linie von der baulichen oder gewerblichen Nutzbarkeit des Grundstücks ab. Dem liegt der Erfahrungssatz zugrunde, dass der Abwasseranfall umso größer sein kann, je mehr Bausubstanz auf dem Grundstück verwirklicht werden darf (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 1021). Ebenfalls erlaubt ist es, bei bebauten Grundstücken im unbeplanten Innenbereich stattdessen auf die erfolgte bauliche oder gewerbliche Nutzung abzustellen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 1. August 2006 - 4 L 310/06 -; Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1039 m.w.N.). Im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Sätze 1 und 2 KAG LSA kann danach die Vorteilsbemessung und damit die Festlegung der Beiträge - anders als im Gebührenrecht (vgl. § 5 Abs. 3 Satz 1 KAG LSA) - nicht im Ergebnis davon abhängig gemacht werden, wie intensiv die tatsächlich verwirklichte Nutzung der Einrichtung ist.

Dem Satzungsgeber ist es weiterhin gestattet, bei bebauten Grundstücken im unbeplanten Innenbereich für die Festlegung der Vollgeschosszahl auf die höchste Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse abzustellen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 16. Dezember 2004 - 1 M 419/04 -; VG Magdeburg, Urt. v. 17. Mai 2006 - 9 A 31/04 -, zit. nach JURIS; Driehaus, a.a.O. § 8 Rdnr. 665a m.w.N.; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 4. Dezember 2001 - 15 A 5566/99 -, zit. nach JURIS). Denn bei der Wahl des Maßstabes zur Bemessung des grundstücksbezogenen Vorteils hat der Satzungsgeber ein weites Ermessen. Dabei ist es ihm im Interesse der Verwaltungspraktikabilität gestattet, auf Regelfälle eines Sachverhalts abzustellen und deren gleichartige Behandlung durch Regelungen in der Satzung zu sichern. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die höchste Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse nach typisierender Betrachtungsweise noch einen hinreichend genauen Anhaltspunkt für den Umfang der wahrscheinlichen Inanspruchnahme der Abwassereinrichtung durch das Grundstück gibt.

Die dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers sind nicht durchgreifend.

Auf die Frage, "wie viele Abwässer von welcher Grundstücksfläche eingeleitet werden" bzw. "ob und wie viele Abwässer auf diesem Grundstück überhaupt anfallen und eingeleitet werden", kommt es - wie oben dargelegt - für die vorteilsgerechte Bemessung eines Herstellungsbeitrages für die Schmutzwasserbeseitigung von dem Grundstück gerade nicht an.

Soweit der Kläger auf den Beitragsmaßstab für Friedhöfe und Sportplätze verweist (vgl. dazu auch Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1036), lässt sich daraus nichts herleiten. Die Nutzbarkeit bzw. Nutzung solcher Flächen ist von vornherein eine ganz andere als die Nutzbarkeit bzw. Nutzung von Flächen mit Wohn- und Gewerbebauung.

Dass das Grundstück nicht als (übergroßes) Wohngrundstück i.S.d. § 6c Abs. 2 KAG LSA i.d.F. vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 17. Dezember 2008 anzusehen ist, stellt keinen Wertungswiderspruch dar. Im Rahmen dieser Billigkeitsregelung kommt es auf die vorwiegende tatsächliche Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken an. Demgegenüber lässt die (höchste) Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse auf dem Grundstück keine Rückschlüsse darauf zu, zu welchen Zwecken das Grundstück genutzt wird.

Offen bleiben kann, ob und inwieweit möglichen Unzuträglichkeiten im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 163 AO (vgl. dazu allgemein OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 20. Oktober 2004 - 1 L 186/04 -, zit. nach JURIS) Rechnung zu tragen ist.

c) Nicht mit Erfolg kann sich der Kläger darauf berufen, die 419 m2 große, mit einem Wohnhaus bebaute Fläche und die 9.417 m2 große, mit Kaufhalle nebst Parkplatz bebaute Fläche seien jeweils als eigenständige Grundstücke unter getrennten Nummern im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs eingetragen. Abgesehen davon, dass der Vortrag erst in einem am 26. Februar 2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz und damit nach der am 12. Februar 2009 abgelaufenen Zulassungsbegründungsfrist erfolgt ist, beruht dieser Umstand auf einer am 11. Februar 2009 durchgeführten Teilung. Es kommt aber insoweit auf den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht an, vorliegend also auf den Zeitpunkt der betriebsfertigen Herstellung der zentralen öffentlichen Abwassereinrichtung vor dem Grundstück. Gegen die auf diesen Zeitpunkt bezogenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Einstufung des herangezogenen Grundstücks als ein Grundstück im bürgerlich-rechtlichen bzw. beitragsrechtlichen Sinn hat der Kläger aber keine Einwendungen erhoben.

2. Soweit der Kläger unter Hinweis auf die zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO "dargelegten Gründe" geltend macht, die Rechtssache weise rechtliche Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, kann offen bleiben, ob durch eine solche pauschale Bezugnahme der Grund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO hinreichend i.S.d. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt ist. Jedenfalls weisen die im Rahmen des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO angesprochenen Rechtsfragen keinen besonderen rechtlichen Schwierigkeitsgrad auf.

3. Keinesfalls ausreichend i.S.d. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ist die pauschale Bezugnahme auf die zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO "dargelegten Gründe" jedoch im Rahmen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Abgesehen davon, dass keine klärungsfähigen Rechts- oder Tatsachenfragen benannt werden, fehlt es an jeglicher Darlegung, warum diese Rechtsfragen eine solche über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung haben, dass es zu ihrer Beantwortung eines Berufungsverfahrens bedarf.

Soweit der Kläger außerdem geltend macht, der Rechtsstreit habe "im Hinblick auf den durch den Anschluss angeblich vermittelten Vorteil" grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, wird die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung ebenfalls nicht dargelegt. Darüber hinaus verweist der Kläger selbst zutreffend darauf, dass nach ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt die Anschlussmöglichkeit an die zentrale Abwasserbeseitigungsanlage einem Grundstück grundsätzlich einen wirtschaftlichen Vorteil i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 KAG LSA vermittele. Denn damit ist trotz einer bestehenden dezentralen Entsorgung eine grundsätzliche Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswertes und dadurch des Verkehrswertes des Grundstückes verbunden (so OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 9. Juli 2007 - 4 O 172/07 -, zit. nach JURIS m.w.N.). Damit würde es in einem Berufungsverfahren nicht auf die Klärung einer Grundsatzfrage ankommen, sondern auf die Verhältnisse im konkreten Einzelfall.

Im Übrigen ist entgegen der Auffassung des Klägers der Gebrauchs- und Nutzungswert des Grundstücks durch die Anschlussmöglichkeit gerade nicht "als solcher gleich geblieben". Denn die vom Kläger nach seiner Darstellung auf Grund von Auflagen in der Baugenehmigung für die Sanierung und Wiederinbetriebnahme der Kaufhalle sowie des Wohngebäudes installierten (Klein)Kläranlagen dienen (nur) der abwasserseitigen Entsorgung dieser bestehenden Baulichkeiten. Durch die Möglichkeit der Anschlussnahme an eine zentrale Entsorgung wird aber das gesamte Grundstück erfasst und dessen bauliche oder gewerbliche Nutzbarkeit gesteigert. 4. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegen schließlich ebenfalls nicht vor.

a) Der Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die lichte Höhe des 3. Geschosses des Gebäudes auf dem kleineren Flurstück zu ermitteln, richtet sich darauf, das Gericht habe die Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Da der anwaltlich vertretene Kläger insoweit keinen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung gestellt hatte (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO), läge ein Verfahrensfehler nur vor, wenn sich dem Verwaltungsgericht eine entsprechende Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen. Dies ist jedoch weder ersichtlich noch vom Kläger hinreichend geltend gemacht. Der Hinweis auf seinen Sachvortrag und den "wiederholten Beweisantritt" ist nicht durchgreifend, weil der Kläger erstmalig in dem nach Durchführung der mündlichen Verhandlung beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz eine entsprechende Behauptung aufgestellt, diese aber mit keinerlei Belegen untermauert hat.

b) Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Verwaltungsgericht einen Beweisantrag schon nicht übergangen. Gemäß § 86 Abs. 2 VwGO kann ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag mit einem Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag, Verwaltungsvorgänge zu einem anderen Beitragsverfahren beizuziehen, ist aber kein Beweisantrag i.S.d. § 86 Abs. 2 VwGO. Darunter fallen nur Anträge, die für bestimmte Tatsachen bestimmte Beweismittel benennen. Genügt ein Beweisantrag - wie hier - diesen Anforderungen nicht, weil keine oder gänzlich unsubstanziiert Beweistatsachen behauptet werden, so handelt es sich um Beweisanregungen, über die das Gericht nicht vor Erlass des Urteils durch einen gesonderten Beschluss entscheiden muss.

Das Gericht hat auch nicht die Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Der Beiziehung der Verwaltungsvorgänge hinsichtlich der Heranziehung eines anderen Beitragspflichtigen bedurfte es schon deshalb nicht, weil es darauf nicht ankam. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, es könne sich wegen des fehlenden Ermessensspielraums schon keine Selbstbindung des Beklagten ergeben, auf die sich der Kläger berufen könnte. Die dagegen erhobenen Einwendungen des Klägers sind unbegründet. Selbst wenn die Heranziehung zu einem Herstellungsbeitrag in einem anderen Verfahren fehlerhaft zu niedrig erfolgt ist, kann der Kläger daraus nichts für sich herleiten, weil es eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht gibt. Entgegen seiner Beteuerung verlangt der Kläger aber eine solche Gleichbehandlung, weil es einer Beiziehung der Verwaltungsvorgänge zu dem anderen Verfahren nicht bedürfte, wenn der Kläger ohnehin einen Anspruch auf Herabsetzung des Beitrages hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG. Streitbefangen im Zulassungsverfahren war nur noch die Differenz zwischen dem festgesetzten Beitrag in Höhe von 78.458,73 € und dem vom Kläger für rechtmäßig gehaltenen Beitrag in Höhe von 35.663,06 €.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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