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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 30.08.2005
Aktenzeichen: 4 L 59/04
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 71
BauGB § 127
BauGB § 129
BauGB § 130
BauGB § 242 IX
1. Eine unterbliebene Anhörung zu einer beabsichtigten Verböserung im Widerspruchsverfahren (§ 71 VwGO) allein berechtigt nicht zur isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheids; denn das Erschließungsbeitragsrecht schließt die Verböserung im Vorverfahren ersichtlich nicht aus, wie schon die in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bejahte Pflicht zur Nacherhebung ursprünglich zu niedrig festgesetzter Erschließungsbeiträge selbst nach Eintreten der Bestandskraft zeigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18. März 1988 - BVerwG 8 C 92.87 -, BVerwG 79, 163 [166]). Daraus folgt erst recht die Pflicht, etwaige Veranlagungsfehler schon im Vorverfahren auch zu Lasten des Widerspruchsführers zu korrigieren, so dass in der Sache keine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (BVerwG, Beschl. v. 5. März 1997 - BVerwG 8 B 37.97 -, juris)

2. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in ihrer gesamten Ausdehnung (vgl. schon OVG LSA, Urt. v. 18.12.2000 - 2 L 104/00 -, ZMR 2002, 629).

3. Eine (Erschließungs-)Einheit (§ 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB) setzt die funktionelle Abhängigkeit der einzelnen selbständigen Erschließungsanlagen voneinander voraus. In dem bezeichneten funktionellen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen typischerweise eine (Haupt-)Straße und eine von ihr abzweigende selbständige Sackgasse, die ihre Funktion, die bauliche Nutzung der anliegenden Grundstücke und deren Anbindung an das Verkehrsnetz der Gemeinde zu ermöglichen, nur in Verbindung mit der (Haupt-)Straße erfüllen kann.

4. Der Grundsatz der Erforderlichkeit ist ausgerichtet zum einen sowohl auf die Erforderlichkeit der Baumaßnahme schlechthin als auch auf die Art ihrer Durchführung (sog. anlagenbezogene Erforderlichkeit) und zum anderen auf die Angemessenheit und in diesem Sinne die Erforderlichkeit der angefallenen Kosten (sog. kostenbezogene Erforderlichkeit). In beiden Anwendungsfällen ist der Gemeinde ein prinzipiell gleich weiter Entscheidungsspielraum zuzubilligen, dessen äußerste Grenze erst überschritten ist, wenn sich die Gemeinde ohne rechtfertigende Gründe nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, d.h. wenn die Kosten für die Gemeinde in erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreicht haben, mithin sachlich schlechthin unvertretbar sind (BVerwG, Urt. v. 14.12.1979 - BVerwG 4 C 28.76 -, BVerwGE 59, 249 [253]), wenn es also nach Lage der Dinge mit Blick vor allem auf die durch diese Anlage bevorteilten Grundstücke keine sachlichen Gründe für eine Abwälzung der angefallenen Kosten in dem von der Gemeinde für richtig gehaltenen Umfang gibt.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 L 59/04

Datum: 30.08.2005

Gründe:

Der statthafte Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung der Kläger bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

1.1. Die Kläger wenden zwar zu Recht ein, dass sie entgegen § 71 VwGO vor Erlass des Widerspruchsbescheids nicht angehört worden sind. Nach dieser Vorschrift soll dann, wenn die Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsaktes im Widerspruchsverfahren erstmalig mit einer Beschwer verbunden ist, der Betroffene vor Erlass des Abhilfebescheids oder des Widerspruchsbescheids gehört werden. Dies gilt nach der Neufassung des § 71 VwGO nicht nur für den Fall der Heranziehung neuer Tatsachen, sondern auch für die aufgrund bekannter Tatsachen erfolgende rechtliche Neubewertung (Dolde in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 71 RdNr. 5).

Das Verwaltungsgericht hat jedoch zutreffend festgestellt, dass die unterbliebene Anhörung zu der beabsichtigten Verböserung im Widerspruchsverfahren allein nicht zur isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheids berechtigt; denn das Erschließungsbeitragsrecht schließt die Verböserung im Vorverfahren ersichtlich nicht aus, wie schon die in ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bejahte Pflicht zur Nacherhebung ursprünglich zu niedrig festgesetzter Erschließungsbeiträge selbst nach Eintreten der Bestandskraft zeigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18. März 1988 - BVerwG 8 C 92.87 -, BVerwG 79, 163 [166]). Daraus folgt erst recht die Pflicht, etwaige Veranlagungsfehler schon im Vorverfahren auch zu Lasten des Widerspruchsführers zu korrigieren, so dass in der Sache keine andere Entscheidung möglich gewesen wäre (BVerwG, Beschl. v. 5. März 1997 - BVerwG 8 B 37.97 -, juris); insbesondere ist die Gemeinde angesichts dieser Korrekturfunktion des Widerspruchsverfahrens entgegen der Auffassung der Kläger nicht gehalten, ihren Ausgangsbescheid aufzuheben und eine völlige Neuveranlagung durchzuführen.

1.2. Dem Einwand der Kläger, von einer erstmaligen Herstellung im Sinne der §§ 127 BauGB könne nicht die Rede sein, weil die (M.....) ursprünglich in voller Länge mit Kopfsteinpflaster hergestellt gewesen sei, kann nicht gefolgt werden.

Das Verwaltungsgericht ist vielmehr zutreffend im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 18. Oktober 2002 - BVerwG 9 C 2.02 -, LKV 2003, 227) davon ausgegangen, dass die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Kosten eines nach dem 3. Oktober 1990 erfolgten Ausbaus einer Teileinrichtung nur dann zulässig ist, wenn weder diese Teileinrichtung noch die betreffende Erschließungsanlage in allen ihren seinerzeit angelegten Teileinrichtungen bis zum 3. Oktober 1990 insgesamt bereits hergestellt war. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in ihrer gesamten Ausdehnung (vgl. schon OVG LSA, Urt. v. 18.12.2000 - 2 L 104/00 -, ZMR 2002, 629). Waren einzelne Teileinrichtungen - wie hier - zum allein maßgeblichen Stichtag 3. Oktober 1990 auch nach dem Vortrag der Kläger entweder nicht oder nicht auf ganzer Länge (unbefestigter Mittelteil der Fahrbahn) vorhanden, war die Erschließungsanlage (M.....) nicht insgesamt bereits im Sinne des § 242 Abs. 9 Satz 1 und 2 BauGB hergestellt, mit der Folge, dass die Erschließungsanlage nach den Regeln des Erschließungsbeitragsrechts (§§ 127 ff. BauGB) und nicht nach den Regelungen des Ausbaubeitragsrechts (vgl. § 6 des Kommunalabgabengesetzes - KAG-LSA - i. d. F. d. Bek. v. 13.12.1996 (LSA-GVBl., S. 405), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.12.2003 (LSA-GVBl., S. 370), abzurechnen ist.

1.3. Entgegen der Auffassung der Kläger lagen auch die Voraussetzungen für die Bildung einer Erschließungseinheit gemäß § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB nicht vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bilden mehrere Einzelanlagen zur Erschließung der Grundstücke eine Einheit im Sinne des § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB, wenn sie ein System darstellen, das - abgesehen von seiner hinreichend deutlichen Abgrenzbarkeit - gekennzeichnet ist durch einen Funktionszusammenhang zwischen den einzelnen Anlagen, "der sie, mehr als es für das Verhältnis von Erschließungsanlagen untereinander üblicherweise zutrifft, zueinander in Beziehung setzt und insofern voneinander abhängig macht" (BVerwG, Urt. v. 3. November 1972 - BVerwG IV C 37.71 -, Buchholz 406.11 § 130 BBauG Nr. 13 S. 24 <25>). Eine (Erschließungs-)Einheit setzt also die funktionelle Abhängigkeit der einzelnen selbständigen Erschließungsanlagen voneinander voraus. In dem bezeichneten funktionellen Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen typischerweise eine (Haupt-)Straße und eine von ihr abzweigende selbständige Sackgasse, die ihre Funktion, die bauliche Nutzung der anliegenden Grundstücke und deren Anbindung an das Verkehrsnetz der Gemeinde zu ermöglichen, nur in Verbindung mit der (Haupt-)Straße erfüllen kann.

Allerdings kann von einer derartigen Abhängigkeit bei den selbständigen Erschließungsanlagen (M.....) und (N.-straße) keine Rede sein. Jede dieser beitragsfähigen Anlagen ist ohne nennenswerte Beziehung zu einer Anlage der gleichen Art geeignet, ihrem Zweck zu dienen; insbesondere muss der Ziel- und Quellverkehr, der durch die von der (M.....) erschlossenen Grundstücke ausgelöst wird, nicht ausschließlich oder jedenfalls ganz überwiegend über die (N.-straße) abgewickelt werden, weil die Anlieger der (M.....) - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - aufgrund ihrer Anbindung jedenfalls an die (B.-straße) nicht auf die Benutzung der (N.-straße) angewiesen sind. Dass die Verkehrsführung über die (N.-straße) die günstigere Straßenführung für die Anlieger der (M.....) ist, um die Innenstadt der Stadt A-Stadt zu erreichen, vermag eine funktionelle Abhängigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu begründen.

Im Übrigen haben die Kläger nicht dargelegt, inwieweit die Anlieger der (N.-straße) auf die Benutzung der Erschließungsanlage (M.....) angewiesen sein sollen. Ist aber ein derartiger "Benutzungszwang" nicht erkennbar, fehlt es an einer vom Vorteilsprinzip gedeckten Rechtfertigung für eine Abweichung von der Regel des § 131 Abs. 1 BauGB und ist deshalb eine gemeinsame Abrechnung gemäß § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB unzulässig.

1.4. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht nicht beanstandet, dass die Beklagte die Kosten für die katastermäßige Vermessung in den beitragsfähigen Aufwand eingestellt hat; denn die Vermessung diente auch nach den ergänzenden Feststellungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 8. Dezember 2003 der Festlegung des grundsätzlichen Straßenverlaufs der (M.....) . Dies ergibt sich ausdrücklich aus den Leistungsbescheiden vom 8. Dezember 1994 und 26. Juni 1995 ("Straßenschlussvermessung") und vom 5. Dezember 1997 für die Übernahme dieser Liegenschaftsvermessung in das Kataster.

1.5. Schließlich wahrt die Beitragserhebung für die Herstellung der Erschließungsanlage (M.....) entgegen der Auffassung der Kläger auch den Grundsatz der Erforderlichkeit der Kosten im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB.

Nach dieser Vorschrift können Beiträge nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen und die gewerblich zu nutzenden Flächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit ist - wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend feststellt - ausgerichtet zum einen sowohl auf die Erforderlichkeit der Baumaßnahme schlechthin als auch auf die Art ihrer Durchführung (sog. anlagenbezogene Erforderlichkeit) und zum anderen auf die Angemessenheit und in diesem Sinne die Erforderlichkeit der angefallenen Kosten (sog. kostenbezogene Erforderlichkeit). In beiden Anwendungsfällen ist der Gemeinde ein prinzipiell gleich weiter Entscheidungsspielraum zuzubilligen, dessen äußerste Grenze erst überschritten ist, wenn sich die Gemeinde ohne rechtfertigende Gründe nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, d.h. wenn die Kosten für die Gemeinde in erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreicht haben, mithin sachlich schlechthin unvertretbar sind (BVerwG, Urt. v. 14.12.1979 - BVerwG 4 C 28.76 -, BVerwGE 59, 249 [253]), wenn es also nach Lage der Dinge mit Blick vor allem auf die durch diese Anlage bevorteilten Grundstücke keine sachlichen Gründe für eine Abwälzung der angefallenen Kosten in dem von der Gemeinde für richtig gehaltenen Umfang gibt.

Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls legen die Kläger jedoch nicht dar; insbesondere vermag ein Vergleich mit den Beitragssätzen für die (N.-straße) weder die anlagenbezogene noch die kostenbezogene Erforderlichkeit der Kosten für die (M.....) in Frage zu stellen; denn angesichts des unterschiedlichen Ausbaus und Ausstattungsgrads der jeweiligen Erschließungsanlage besteht ein sachlicher Grund für die in der (M.....) im Vergleich zur (N.-straße) bestehende höhere Kostenbelastung. Soweit die Kläger die Notwendigkeit der unterschiedlichen und aufwändigeren Bauweise in der (M.....) anzweifeln, führt auch dieser Einwand nicht zu der Annahme, dass die dadurch verursachten Zahlungen eine grob unangemessene Höhe erreicht hätten; denn der Gemeinde steht auch bei der Beurteilung, ob eine Straße nach Art und Umfang erforderlich ist, ein weiter Entscheidungsspielraum zu (BVerwG, Urt. v. 3. März 1995 BVerwG 8 C 25.93 -, NVwZ 1995, 1208). Dass die Beklagte insoweit ihren Ermessensspielraum überschritten hat, legt die Antragsschrift indes nicht dar; der angestellte Vergleich der beiden Erschließungsanlagen (M.....) und (N.-straße) bezogen auf die überbauten Flächen auf der einen Seite und die Verteilungsflächen auf der anderen Seite genügt jedenfalls nicht, um die Notwendigkeit des Ausbaus der (M.....) und die Kostenberechnung der Beklagten für diese Erschließungsanlage in Frage zu stellen. Schließlich vermag auch die von den Klägern vorgelegte Vergleichsberechnung einer leistungsfähigen Tiefbaufirma das von dem Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis nicht zu widerlegen; denn es ist schon nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage diese Tiefbaufirma ihre Kosten kalkuliert hat.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

2.1. Die Kläger berufen sich insoweit auf eine Verletzung ihres Grundrechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 GG und tragen dazu vor, das Verwaltungsgericht habe ihrem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 11. Dezember 2003 den sechsseitigen Schriftsatz der Beklagten vom 8. Dezember 2003 überreicht. Der Bevollmächtigte habe daraufhin um Schriftsatznachlass gebeten, um Kenntnis vom Inhalt dieses Schreibens nehmen zu können und zu prüfen, ob und ggf. welche relevanten Tatsachen in den Prozess eingeführt worden seien. Schriftsatznachlass sei jedoch nicht gewährt und stattdessen das angegriffene Urteil verkündet worden. Die Entscheidung beruhe auf der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger, da die Beklage in ihrem Schriftsatz vom 8. Dezember 2003 neue Ausführungen zu den Vermessungskosten in der (M.....) gemacht habe (Seite 3). Hätten sie hierzu vortragen können, so wäre dem Gericht nicht die fehlerhafte Feststellung unterlaufen, die Vermessungskosten hätten bereits jetzt in die Beitragserhebung mit einbezogen werden können.

Damit haben die Kläger keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dargelegt. Zwar hat das Gericht bei seiner Entscheidung, ob bei Vorliegen erheblicher Gründe eine Schriftsatzfrist (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 283 ZPO) einzuräumen ist, nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 23. Januar 1995 - BVerwG 9 B 1.95 -, Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 21). Ergeben sich erstmals in der mündlichen Verhandlung neue, aus Sicht des Verwaltungsgerichts entscheidungserhebliche Gesichtspunkte rechtlicher oder tatsächlicher Art, mit denen ein Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte und deren sofortige Beurteilung nicht ohne weiteres möglich ist, so kann es von ihm hierzu regelmäßig keine sofortige und umfassende Stellungnahme verlangen. Das Gericht hat daher zu prüfen, ob dem Beteiligten die Gelegenheit zu geben ist, sich zu einer in diesem Sinne überraschenden Rechtsauffassung zu äußern (BVerwG, Urt. v. 22. Oktober 1981 - BVerwG 3 C 38.81 -, Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 124).

Gemessen hieran durfte das Verwaltungsgericht den Antrag des Bevollmächtigten der Kläger ablehnen; denn der Schriftsatz der Beklagten vom 8. Dezember 2003 beinhaltete bezogen auf die abgerechneten Vermessungskosten schon keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, zu denen die Kläger nicht hätten Stellung nehmen können. In dem Schreiben vom 8. Dezember 2003 wird nämlich lediglich klarstellt, dass die eigentliche Vermessung der hergestellten Erschließungsanlage von Ende 1994 bis Mitte 1995 erfolgt und diese Leistung gebührenpflichtig und auch abgerechnet worden sei. Entstehungszeitpunkt und Umfang der Vermessungskosten waren den Klägern auch bekannt; denn sie haben bereits in ihrem Schriftsatz vom 15. Mai 2003 darauf hingewiesen, dass "nachträgliche Vermessungskosten im Jahre 1994, 95 oder 1997 für die (M.....) gar nicht angefallen sein können, da diese Vermessungskosten nicht zur Erschließung oder auch zum Straßenausbau erforderlich waren und auch nicht beigetragen haben". Die Kläger haben also bereits während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Gelegenheit gehabt, umfassend zur Beitragsfähigkeit der in Rechnung gestellten Vermessungskosten Stellung zu nehmen, und diese auch wahrgenommen. Im übrigen wird nicht dargelegt, inwieweit das Urteil des Verwaltungsgerichts auf der von den Klägern behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs beruhen kann. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung, dass die Kosten für die katastermäßige Vermessung dieser Flächen in vollem Umfang zum beitragsfähigen Aufwand gehören, nicht auf der Grundlage der Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 8. Dezember 2003 begründet, sondern hat eigenständig die abgerechneten Positionen (hier 3.1) der Baumaßnahme geprüft und - wie oben bereits erläutert (Nr. 1.4) - zutreffend festgestellt, dass die Vermessungen der Festlegung des grundsätzlichen Straßenverlaufs der Erschließungsanlage (M.....) dienten.

2.2. Das Vorbringen der Kläger ergibt auch sonst nicht, dass das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 VwGO) verletzt hätte.

Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 11. Dezember 2003 haben die Kläger Beweisanträge zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts nicht gestellt. Vor diesem Hintergrund könnte die Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das Verwaltungsgericht nur dann Erfolg haben, wenn sich dem Verwaltungsgericht - unter Zugrundelegung der von ihm vertretenen Rechtsauffassung - nach dem seinerzeitigen Verfahrensstand eine weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen. Dass dies der Fall war, haben die Kläger in ihrem Antragsvorbringen nicht dargetan; insbesondere konnte das Verwaltungsgerichte die erstmals in der Zulassungsschrift vorgetragenen Argumente (Nr. 1.5) nicht berücksichtigen.

3. Schließlich hat die Rechtssache nicht die von den Klägern aufgezeigte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, denn für eine "grundsätzliche Bedeutung" ist keine konkrete, aber generalisierbare, aus Anlass dieses Verfahrens zu beantwortende, aber in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage aufgeworfen, die um der Einheitlichkeit der Rechtsprechung willen der Klärung bedarf und noch nicht (hinreichend) geklärt worden ist. Die Frage muss so eindeutig bezeichnet sein, dass bereits im Zulassungsverfahren beurteilt werden kann, ob sie in dem anhängigen Rechtsmittelverfahren klärungsbedürftig und -fähig ist (BVerwG, Beschl. v. 14.02.1984 - BVerwG 1 B 10.84 -, Buchholz 402.24 § 10 AuslG Nr. 102 [S. 75]). Insbesondere muss dargelegt werden, dass die Frage, so, wie sie formuliert worden ist, für die Entscheidung des Rechtsstreits entscheidungserheblich (gewesen) ist (vgl. Berlit, in: GK-AsylVfG, § 78 RdNr. 140 [m. w. N.]; OVG LSA, Beschl. v. 18.02.1998 - A 1 S 134/97 -; OVG NW, Beschl. v. 31.05.1995 - 1 A 2214/99.A -; VGH BW, Beschl. v. 10.05.1999 - A 6 S 1784/98 -).

Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob im unbeplanten Innenbereich eine Tiefenbegrenzungsregelung unwirksam ist, ist schon deswegen nicht klärungsbedürftig, weil § 5 Abs. 3a) der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 12. Dezember 1996 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 12. September 2001, keine Tiefenbegrenzung für Grundstücke im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB vorsieht. Vielmehr gilt nach dieser Vorschrift als Grundstücksfläche die Gesamtfläche des Grundstücks.

Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt zur Wirksamkeit einer Tiefenbegrenzungsregelung in seiner Entscheidung vom 16. Dezember 1999 - A 2 S 335/98 -, der sich der erkennende Senat anschließt, bereits rechtsgrundsätzlich festgestellt: "Landesrechtliche Bestimmungen oder der allgemeine Gleichheitssatz verbieten eine solche Regelung genau so wenig wie im Erschließungsbeitragsrecht. Dort ist anerkannt, dass "Tiefenbegrenzungen" weder zwingend gefordert noch generell bedenklich sind, sondern "im Ermessen des Ortsgesetzgebers" stehen (vgl. etwa: BVerwG, Urt. v. 10.6.1981 - BVerwG 8 C 20.81 -, NVwZ 1982, 246 [248]; Urt. v. 19.2.1982 - BVerwG 8 C 27.81 -, NVwZ 1982, 677 [678]); vgl. auch OVG MW, Beschl. v. 15.9.1998 - 1 M 54/98 -, NVwZ-RR 1999, 397 [398]), der dabei insbesondere um der Praktikabilität willen auf ein Maß der Nutzung abstellen darf, das in der Nachbarschaft überwiegend oder durchschnittlich vorhanden ist (BVerwG, NVwZ 1982, 246 [248]). Allerdings kann im Einzelfall eine "Tiefenbegrenzungsregelung" unanwendbar sein, wenn und soweit für ein bestimmtes Abrechnungsgebiet (vor allem innerhalb eines überplanten Gebiets) oder aus sonstigen tatsächlichen Gründen das "Erschlossen-Sein" vorgegeben ist (vgl. dazu etwa: BVerwG, Urt. v. 4.10.1990 - BVerwG 8 C 1.89 -, NVwZ 1991, 484). Es handelt sich durchweg um Ausnahmefälle von dem Grundsatz, dass sich der Vorteil des "Erschlossen-Seins" auf das gesamte Grundstück bezieht (BVerwG, Urt. v. 22.4.1994 - BVerwG 8 C 18.92 -, BVerwG-DAT; Urt. v. 27.6.1985 - BVerwG 8 C 30.84 -, NVwZ 1986, 305 [305/306]; Urt. v. 23.8.1996 - BVerwG 8 C 34.94 -, NVwZ 1998, 295 [296]). Diese Grundsätze sind auf das Ausbaubeitragsrecht nicht bereits deshalb unübertragbar, weil das Erschließungsbeitragsrecht für das Grundstück allein auf den Vorteil des "Erschlossen-Seins" abstellt, der gleichsam Bedingung seiner Bebaubarkeit ist; denn auch wenn nicht bebaubare Grundstücke und daher auch Teilflächen einen "Vorteil" vom Ausbau einer bereits vorhandenen Verkehrseinrichtung haben können, kann gleichwohl die maßgebliche "Nutzbarkeit" dieser ausgebauten oder erneuerten Einrichtung wenigstens auch je nach Art und Maß der baulichen Nutzung des jeweiligen Grundstücks unterschiedlich sein; das gilt vor allem für die "Außenbereichsgrundstücke" im Verhältnis zu Grundstücken im Innenbereich oder für grob unterschiedliche Nutzungen von in den Außenbereich hineinragenden Grundstücken, also generalisierend immer dann, wenn von den der Straße abgewandten (Teil-)Flächen des Grundstücks "keine nennenswerte zusätzliche Inanspruchnahme" der Verkehrseinrichtung mehr ausgeht (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl., § 35 RdNr. 33). Soweit sich deshalb aus den Grundzügen des Ausbaubeitragsrechts sachliche Gesichtspunkte herleiten lassen, können diese auch für die Heranziehung der bevorteilten Anlieger "Tiefenbegrenzungen" rechtfertigen (so auch Driehaus, a. a. O., § 35 RdNrn. 31, 33; ohne Einschränkung: Kirchmer, KAG-LSA, § 6 Anm. 4.2 [S. 194 ff]).

Das Vorbringen der Kläger bietet keinen Anlass, diese Rechtsprechung zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2; 159 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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