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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 07.06.2005
Aktenzeichen: 4 L 664/04
Rechtsgebiete: LSA-GO, LSA-KAG


Vorschriften:

LSA-GO § 6 III
LSA-GO § 6 V
LSA-KAG § 6 VI
1. Satzungen sind auch dann regelrecht verkündet, wenn der Text dem Bekanntmachungsorgan lose beigelegt wird.

2. Die Gemeinde darf ein Verkündungsorgan wählen, das an Verkaufsstellen innerhalb des Gemeindegebiets käuflich erworben werden kann.

3. Die Hauptsatzung muss die Verkaufsstellen nicht aufführen.

4. Eine Satzungsbestimmung, die - dem neuen Recht des § 6 Abs. 6 KAG LSA entsprechend - vorsieht, dass die sachliche Beitragspflicht nur entsteht, wenn bereits vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme eine Satzung vorliegt, gilt nicht für "Alt-Fälle", in denen Maßnahmen abgerechnet werden, die vor dem 22.04.1999 begonnen worden sind (Bestätigung von OVG LSA, Beschl. v. 20.12.2004 - 2 M 609/04 -).


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 L 664/04

Datum: 07.06.2005

Gründe:

Der Beschluss beruht auf § 124a Abs. 4-6 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 (BGBl I 686) - VwGO -, zuletzt geändert durch Gesetz 09.12.2004 (BGBl I 3220 [3223]).

Der Senat lässt die Berufung auf der Grundlage des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu; denn an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, in dem das Verwaltungsgericht festgestellt hat, für die Erhebung von Ausbaubeiträgen fehle es an einer rechtswirksamen, ortsrechtlichen Ermächtigungsgrundlage der Beklagten, weil die vorhandenen Straßenbaubeitragssatzungen wegen Bekanntmachungsmängeln jeweils nicht wirksam geworden seien, bestehen ernstliche Zweifel, nachdem die Beklagte die Straßenausbaubeitragssatzung nebst ihren Änderungen nunmehr ordnungsgemäß im Gemeindeblatt "Biederitzer Buschfunk" vom Oktober 2004 (Nr. 10, Ausgabe 169) veröffentlicht hat; insbesondere erfordert das rechtsstaatliche Publizitätserfordernis nicht, dass sich in der Hauptsatzung oder zumindest in der jeweiligen Ausgabe des Gemeindeblatts selbst ein Hinweis darauf finde, dass dem Gemeindeblatt eine zu veröffentlichende Satzung (lose) beiliege. Wie das Bundesverfassungsgericht nämlich in seinem Urteil vom 22.11.1983 (2 BvL 25/81, BVerfGE 65, 283 [291]) ausgeführt hat, gebietet das in Art. 20 Abs. 3 GG seinen Ausdruck findende Rechtsstaatsprinzip, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen verkündet werden, was regelmäßig bedeutet, dass die Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können (vgl. auch OVG LSA, Urt. v. 20.01.1994 -2 L 2/93 -). Diese Möglichkeit der Kenntnisnahme darf lediglich nicht in unzumutbarer Weise erschwert sein. Konkrete weitere Gebote für die Ausgestaltung des Verkündungsvorgangs im Einzelnen ergeben sich danach aus dem Rechtsstaatsprinzip unmittelbar nicht. Vielmehr obliegt es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dem zuständigen Normgeber, das Verkündungsverfahren so auszugestalten, dass es seine rechtsstaatliche Funktion erfüllt, der Öffentlichkeit die verlässliche Kenntnisnahme vom geltenden Recht zu ermöglichen (so auch BVerwG, Urt. v. 11.02.1972 - BVerwG VII C 37.69 -, DÖV 1972, 349 [349/350], Urt. v. 18.04.1975 - BVerwG VII C 41.73 -, Buchholz 401.84 [Benutzungsgebühren] Nr. 25 [S. 4]).

Diesen auch für die Bekanntmachung kommunalen Ortsrechts geltenden Grundsätzen wird die in § 16 Abs. 2 der Hauptsatzung der Beklagten vom 21.09.1994, veröffentlicht im Gemeindeblatt "Biederitzer Buschfunk" aus November 1994 (Nr. 11), bestimmte Form der öffentlichen Bekanntmachung "im Gemeindeblatt für Biederitz, Heyrothsberge, Gübs, Königsborn, Menz, Wahlitz, Woltersdorf und Nedlitz Biederitzer Buschfunk" gerecht; denn durch diese Festlegung einer bestimmten Art und Weise der Bekanntmachung können die Normadressaten wissen, in welchem - für jedermann in der Ortsgemeinde käuflich zu erwerbenden - Verkündungsblatt sie sich informieren müssen, um über das geltende Ortsrecht der Gemeinde stets aktuell unterrichtet zu sein (OVG LSA, Beschl. v. 06.06.2005 - 4 M 112/05 -).

In dieser Ausgestaltung ist eine unzumutbare Erschwerung der verlässlichen Kenntnisnahme von veröffentlichten Satzungen der Beklagten nicht erkennbar; insbesondere kann sie nicht in der bloßen Tatsache gesehen werden, dass die Satzungen lediglich lose in das Gemeindeblatt eingelegt werden und sich weder in der Hauptsatzung noch im Gemeindeblatt ein Hinweis auf das Erscheinen der jeweiligen Satzung befindet; denn das Risiko, dass Satzungen nicht bzw. nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht werden, besteht bei jeder Form der Bekanntmachung, also selbst dann, wenn die Hauptsatzung das Einheften und/oder einen entsprechenden Hinweis in einem Gemeindeblatt oder gar die Veröffentlichung in einem Amtsblatt verlangt, ist nicht gewährleistet, dass die Satzung sich auch tatsächlich in diesem Verkündungsblatt befindet. In dem einen wie in dem anderen Fall wären die Bemühungen des betreffenden Bürgers um Einsichtnahme vergeblich, die ordnungsgemäße Veröffentlichung einer Satzung daher in gleicher Weise nicht gegeben. Folglich könnte auch ein bloßer Hinweis auf das Erscheinen einer Satzung nicht die ordnungsgemäße Veröffentlichung durch Einlegen oder Einheften ersetzen.

Auch der Umstand, dass für den Bürger aus der Hauptsatzung nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, wo der Biederitzer Buschfunk bezogen werden kann, führt nicht zur Nichtigkeit der Verkündungsregelung; denn entscheidend ist, dass der Bürger zuverlässig auf das richtige Publikationsorgan geführt wird und Verwechslungen praktisch ausgeschlossen werden können. Nicht maßgeblich ist dagegen für diesen Zweck, dass der Bürger aus der Hauptsatzung entnehmen kann, wo der Biederitzer Buschfunk käuflich zu erwerben ist; denn die Verkündungsvorschriften haben dienende Funktion und sind kein Selbstzweck; sie müssen insbesondere nicht aus sich heraus auch sicherstellen, dass der Verkündungsvorgang ordnungsgemäß war (BVerwG, DÖV 1972, 349 [349/350]).

Schließlich ist das Urteil auch nicht deswegen im Ergebnis richtig, weil § 10 Abs. 1 der Straßenausbaubeitragssatzung, wonach die Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsauslösenden Maßnahme entsteht, sofern vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme eine Satzung vorliegt, der Beitragserhebung entgegen steht. Eine derartige (wirksame) Satzung lag zwar im Jahre 1992, dem Zeitpunkt des streitgegenständlichen Straßenausbaus, unstreitig nicht vor. § 10 Abs. 1 der Satzung ist jedoch einschränkend dahingehend auszulegen, dass das Erfordernis, wonach eine Satzung vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme vorliegen muss, nur für die nach dem In-Kraft-Treten dieser Satzung am 01.03.1999 begonnenen Maßnahmen gelten soll. Diese Auslegung ist bereits deshalb geboten, weil die Gemeinden gemäß § 6 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes - KAG LSA - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.12.1996 (LSA-GVBl., S. 406), zuletzt geändert durch Gesetz vom 16.07.2003 (LSA-GVBl., S. 158), zur Beitragserhebung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind (vgl. OVG LSA, Urt. v. 17.10.2002 - 2 L 119/01 -, JMBl LSA 2003, 50). Hinzu kommt, dass § 10 Abs. 1 seinem Wortlaut nach der vom Senat in gleicher Weise ausgelegten Vorschrift des § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA entspricht. Auch in dieser Vorschrift ist geregelt, dass die Beitragspflicht nur entsteht, sofern vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme eine Satzung vorliegt. Dieses zeitliche Satzungserfordernis, das erst mit Gesetz vom 16.04.1999 (LSA-GVBl., S. 150) in das KAG LSA aufgenommen wurde, gilt aufgrund einer insoweit gebotenen verfassungskonformen Auslegung nur für die Fälle, in denen die beitragsauslösende Maßnahme nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes am 22.04.1999 begonnen wurde (OVG LSA, Urt. v. 17.10.2002 - 2 L 119/01 -, a. a. O.). Ist jedoch § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA in dieser Weise einschränkend auszulegen, ist eine entsprechende Auslegung auch bei der wortgleichen Satzungsbestimmung des § 10 Abs. 1 geboten (OVG LSA, Beschl. v. 20.12.2004 - 2 M 609/04 -).

Ende der Entscheidung

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