Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 12.06.2006
Aktenzeichen: 4 M 236/06
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zuletzt Urt. 14. Dezember 2005 - 10 CN 1.05 1 -, KStZ 2006, 72) zur Prüfung des Stückzahlmaßstabes in einer Spielautomatensteuersatzung folgt zunächst lediglich die Verpflichtung des Gerichts zur weiteren Sachaufklärung, wenn konkrete Anhaltspunkte für ein Überschreiten der zulässigen Schwankungsbreite vorliegen. Für eine Beweislastentscheidung bzw. Herabsetzung der Ermittlungspflicht des Gerichts auf Grund einer Untätigkeit der steuererhebenden Gemeinde besteht dann noch kein Raum. Die insoweit erforderlichen Ermittlungen sind jedoch nicht Sache eines Eil- und Beschwerdeverfahrens.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 4 M 236/06

Datum: 12.06.2006

Gründe:

Die statthafte Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Einwände gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), geben zu einer Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung keinen Anlass. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass noch in erheblichem Umfang Aufklärungsmaßnahmen durchzuführen sind, welche die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzverfahren übersteigen, so dass nicht mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen ist, dass sich die angefochtenen Bescheide im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen werden.

1. Die Rüge des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe trotz konkreter Anhaltspunkte für ein Überschreiten der zulässigen Schwankungsbreite der Einspielergebnisse von Gewinnspielautomaten in ihrem Satzungsgebiet keine Datenerhebungen dazu angestellt und diese Passivität wirke sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu ihren Lasten aus, ist nicht durchgreifend.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 13. April 2005 - 10 C 8.04 -, KStZ 2005, 176, 178 f.) besteht eine allgemeine prozessuale Beweisführungslast der Gemeinden zur Rechtmäßigkeit ihrer Vergnügungssteuersatzung nicht. Die Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes auf die Frage nach der Schwankungsbreite der Einspielergebnisse von Gewinnspielautomaten habe dem Umstand Rechnung zu tragen, dass dem klagenden Automatenaufsteller grundsätzlich nur Zahlen über die Einspielergebnisse seiner eigenen Geräte vorliegen werden und er auch keinen Auskunftsanspruch gegenüber den anderen Automatenaufstellern hinsichtlich ihrer Einspielergebnisse habe. Die beklagte Gemeinde werde ebenfalls in aller Regel auf der Grundlage einer am Stückzahlmaßstab orientierten Vergnügungssteuersatzung nicht über Einspielergebnisse der Geräte der Aufsteller verfügen und sie nach Maßgabe einer solchen Satzung grundsätzlich auch nicht zur Vorlage entsprechender Daten verpflichten können. Würden konkrete Anhaltspunkte an die Gemeinde herangetragen, dass im Hinblick auf stark schwankende Einspielergebnisse eines Automatenaufstellers Zweifel daran bestehen, ob der Stückzahlmaßstab rechtmäßig aufrechterhalten werden könne, sei sie zwar verpflichtet, dem nachzugehen. Die Berücksichtigung dieser Umstände im Verwaltungsprozess ändere aber nichts daran, dass es Aufgabe des Gerichts sei, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären, soweit hinreichender Anlass dazu bestehe. Erst wenn ein (gerichtlicher) Aufklärungsversuch keine ausreichende Datengrundlage zur Beantwortung der Frage erbringe, ob die zulässige Schwankungsbreite überschritten sei, oder das Gericht begründet zu der Auffassung gelange, dass nach den Umständen des Einzelfalles eine solche Beweiserhebung keine verwertbaren Daten erwarten lasse, sei überhaupt Raum für eine Beweislastentscheidung.

Aus dieser Rechtsprechung, die auch in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Dezember 2005 (10 CN 1.05 1 -, KStZ 2006, 72) ausdrücklich aufrechterhalten wurde, folgt zunächst lediglich die Verpflichtung des Gerichts zur weiteren Sachaufklärung, wenn - wie für das Satzungsgebiet der Antragsgegnerin - konkrete Anhaltspunkte für ein Überschreiten der zulässigen Schwankungsbreite vorliegen. Für eine vom Antragsteller vertretene Beweislastentscheidung bzw. Herabsetzung der Ermittlungspflicht des Gerichts auf Grund einer Untätigkeit der Antragsgegnerin besteht daher von vornherein kein Raum. Die insoweit erforderlichen Ermittlungen sind jedoch nicht Sache eines Eil- und Beschwerdeverfahrens (so auch OVG LSA, Beschlüsse v. 26. Oktober 2005 - 4 M 89/05 - und v. 28. September 2005 - 4 M 80/05 -; vgl. weiter OVG Thüringen, Beschl. v. 29. November 2004 - 4 EO 645/02 -, zit. nach JURIS).

2. Die von dem Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung vorgelegten Einspielergebnisse seiner Spielautomaten sowie der eines weiteren Unternehmens sind selbst bei Zugrundelegung eines im Eilverfahren eingeschränkten Prüfungsmaßstabes nicht ausreichend, um die dem Stückzahlmaßstab zugrunde liegende Prämisse eines zumindest lockeren Bezugs dieses Maßstabs zum Vergnügungsaufwand der Spieler zu widerlegen.

Welchen Mindestanforderungen eine etwa bereits vorhandene Erkenntnislage oder die Erhebung entsprechender Daten über die Einspielergebnisse der jeweiligen Gerätegruppe genügen muss, um eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung des maßgeblichen Durchschnitts zu gewährleisten, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von den konkreten Umständen des Einzelfalls im jeweiligen Satzungsgebiet ab und entzieht sich einer allgemeinen Festlegung. Im Streitfall sei es in erster Linie eine Frage der Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht, die wesentlich von den konkreten örtlichen Gegebenheiten - etwa der Zahl und Größe der Automatenaufsteller und der Zahl der Gewinnspielautomaten und ihrer Verteilung im Gemeindegebiet - abhänge, ob die ihm vorgelegten oder von ihm erhobenen Daten einen tragfähigen Schluss auf das durchschnittliche Einspielergebnis der Automaten mit Gewinnmöglichkeit im Gemeindegebiet zuließen. Eine Bindung des Tatsachengerichts an bestimmte mathematisch-statistische Regeln für die Erlangung eines repräsentativen Durchschnitts bestehe hierbei nicht. Auch eine nicht statistisch abgesicherte Erhebung könne eine aussagekräftige Grundlage für die Durchschnittsbildung liefern. Auf der anderen Seite werde sich ein belastbarer Durchschnitt der Einspielergebnisse für das Satzungsgebiet in aller Regel nicht bilden lassen, wenn nur Einspielergebnisse der Geräte eines von mehreren Aufstellern oder von insgesamt einem nur sehr geringen Prozentsatz aller Automaten derselben Gerätegruppe im Satzungsgebiet vorliege (so BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 2005, a.a.O. S. 73; vgl. auch Urt. v. 13. April 2005, a.a.O. S. 178).

Es ist nach diesen Grundsätzen aber offen, ob die vorgelegten Daten einen tragfähigen Schluss auf das durchschnittliche Einspielergebnis der gleichartigen Automaten mit Gewinnmöglichkeit im (gesamten) Satzungsgebiet zulassen. Sie stellen lediglich die Einspielergebnisse der von zwei Unternehmen betriebenen insgesamt sieben - nimmt man allein die Angaben über die Spielautomaten, die einen längeren Zeitraum als acht Monate umfassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 2005 v. 13. April 2005, a.a.O. S. 73), sogar nur fünf - Spielautomaten dar. Damit ist fraglich, ob sie eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung des maßgeblichen Durchschnitts der Einspielergebnisse im Satzungsgebiet bilden. Denn die - möglicherweise abweichenden - Einspielergebnisse anderer, in dem Satzungsgebiet der Antragsgegnerin tätigen Automatenaufsteller bleiben unberücksichtigt. Es spricht Einiges dafür, dass in einer Stadt mit ca. 240.000 Einwohnern eine erheblich höhere Zahl von Spielautomaten aufgestellt worden ist. Da aber jedenfalls die Zahl der im Satzungsgebiet der Antragsgegnerin aufgestellten Spielautomaten, deren Verteilung sowie die Zahl der dort tätigen Aufsteller dem Senat nicht bekannt ist, lässt sich keine abschließende Prüfung vornehmen.

Anhaltspunkte dafür, dass Besonderheiten im Satzungsgebiet auch bei Vorliegen der Daten einer nur sehr geringen Anzahl von Gewinnspielautomaten gleichwohl einen hinreichend begründeten Schluss auf die maßgebliche Schwankungsbreite der Einspielergebnisse zulassen könnten (vgl. BVerwG, Urt. v. 13. April 2005, a.a.O. S. 178), sind nicht erkennbar und vom Antragsteller auch nicht dargelegt.

Soweit der Antragsteller geltend macht, aus den vorgelegten Daten ergebe sich eine so große Streubreite, dass es auf eine Aufklärung der Werte anderer Aufsteller gar nicht mehr ankomme, hat er ebenfalls keinen Erfolg. Denn es kann noch nicht abschließend geprüft werden, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es sich bei den erhobenen Minimal- und Maximalwerten um "Ausreißer" handelt, die völlig aus dem Rahmen der anderen im unteren oder oberen Bereich liegenden Einspielergebnisse fallen und deshalb atypisch sind, weil die übrigen Einspielergebnisse ganz überwiegend nahe am ermittelten Gesamtdurchschnitt liegen. Denn nur der Bezug zum Durchschnitt der Einspielergebnisse gleichartiger Automaten im Satzungsgebiet erlaubt es zu prüfen, ob die festgestellte maximale Schwankungsbreite nur das Ergebnis außergewöhnlicher Einzelfälle ist oder eine nicht untypische Bandbreite von Einspielergebnissen widerspiegelt (BVerwG, Urt. v. 14. Dezember 2005, a.a.O. S. 73).

3. Der Einwand des Antragstellers, ihm sei (möglicherweise) nicht umfassend rechtliches Gehör gewährt worden, ist schon nicht i.S.d. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ausreichend begründet. Der bloße Hinweis darauf, die Antragsgegnerin habe sich im erstinstanzlichen Verfahren auf den Standpunkt gestellt, es sei für ihr Satzungsgebiet bereits durch den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. Oktober 2005 (- 4 M 89/05 -) alles geklärt, und es sei - "sollte die erstinstanzliche Entscheidung darauf beruhen" - der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt, weil ihr dieser Beschluss nicht bekannt sei, ist ersichtlich nicht genügend. Der Antragsteller hat damit gerade nicht dargelegt, dass der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts überhaupt auf dem genannten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und erfolgte in Anlehnung an den sog. Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.) Nr. 1.5 Satz 1.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 4 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück