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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 19.04.2005
Aktenzeichen: 4 M 28/05
Rechtsgebiete: GG, LSA-Verf, LSA-GO
Vorschriften:
GG Art. 80 I 3 | |
LSA-Verf § 79 I 3 | |
LSA-GO § 76 I | |
LSA-GO § 76 Ia | |
LSA-GO § 76 III | |
LSA-GO § 76 IV | |
LSA-GO § 76 V | |
LSA-GO § 137 |
2. Enthält die Verordnung über die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften eine jeweils andere Einheiten betreffende Summe von Regelungen, die untereinander keinen systematischen Zu-sammenhang haben, so wirkt sich eine Verletzung des Zitiergebots aus Art. 79 Abs. 1 Satz 3 der Landesverfassung (Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG) bei anderen Regelungen nicht aus, soweit dem Gebot für die Regelung genügt ist, welche die jeweilige Gemeinde betrifft ("Teilbarkeit" der Verordnungsregelung).
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 4 M 28/05
Datum: 19.04.2005
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die auf die in der Beschwerdeschrift dargelegten Gründe beschränkte Überprüfung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung führt zur Änderung (§ 146 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 19.03.1991 [BGBl I 686] - VwGO -, zuletzt geändert durch Gesetz 09.12.2004 (BGBl I 3220 [3223]).
Rechtsgrundlage der angefochtenen Anordnungsverfügung des Antragsgegners vom 03.01.2005 ist § 137 der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt - GO LSA - vom 05.10.1993 (LSA-GVBl., S. 568), zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.04.2004 (LSA-GVBl., S. 246), und nicht - wie das Verwaltungsgericht meint - die Zweite Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften vom 10.12.2004 - 2. VwGemVO - (LSA-GVBl., S. 822); denn diese bietet keine Grundlage für kommunalaufsichtliche Maßnahmen, sondern regelt ausschließlich die Zuordnung zu bzw. den Zusammenschluss von Verwaltungsgemeinschaften.
Nach § 137 GO LSA kann die Kommunalaufsichtsbehörde, wenn die Gemeinde die ihr gesetzlich obliegenden Pflichten nicht erfüllt, anordnen, dass die Gemeinde innerhalb einer angemessenen Frist die notwendigen Maßnahmen durchführt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt; denn die Antragstellerin ist ihrer aus Art. 6 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften und zur Stärkung der gemeindlichen Verwaltungstätigkeit vom 13.11.2003 (LSA-GVBl., S. 318) i. V. m. § 76 Abs. 3-5 GO LSA folgenden Pflicht zur Anpassung ihrer Gemeinschaftsvereinbarung nicht nachgekommen.
Zu Recht wendet der Antragsgegner ein, die Verpflichtung der Antragstellerin zur Anpassung der Gemeinschaftsvereinbarung sei nicht deswegen entfallen, weil die Verwaltungsgemeinschaft Sangerhausen nicht wirksam auf der Grundlage des § 1 Nr. 8 der 2. VwGemVO habe gebildet werden können, da die Verordnung wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtlich vorgeschriebene Zitiergebot in Art. 79 Abs. 1 Satz 3 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt - LVerf-LSA - vom 16.07.1992 (LSA-GVBl., S. 600), geändert durch Gesetz vom 27.01.2005 (LSA-GVBl., S. 44), unwirksam sei.
Die hier einschlägige konkrete Regelung für die Antragstellerin in der "Zweiten Verordnung" verletzt das Zitiergebot des Art. 79 Abs. 1 Satz 3 LVerf-LSA nicht; denn die Bezugnahme auf § 76 Abs. 1a Satz 1 GO LSA betrifft Veränderungen in der bisherigen Verwaltungsgemeinschaftsstruktur für Gemeinden - wie hier die Antragstellerin -, die bereits Mitglieder von Verwaltungsgemeinschaften waren.
Dass die Verordnung auch andere Fälle regelt bzw. geregelt hat (vgl. inzwischen die Dritte Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften" vom 11.03.2005 [LSA-GVBl., S. 140]), in welchen bislang "verwaltungsgemeinschaftsfreie" Gemeinden zugeordnet werden, wirkt sich nicht aus, weil die Verordnung "teilbar" ist (OVG LSA, Beschl. v. 28.12.2004 - 2 R 730/04 -) und deshalb Bestand hat, soweit für den einschlägigen Teil den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt ist (vgl. zur Teilbarkeit der Verordnungsregelungen auch die Normenkontroll-Entscheidungen des Senats, z. B.: OVG LSA, Urt. v. 14.04.2005 - 4 K 15/05 -).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 27.01. 1978 - BVerwG 7 C 44.76 -, DVBl. 1978, 536 [537]) führt die Ungültigkeit eines Teils einer Verordnung dann nicht zu ihrer Gesamt-Nichtigkeit, wenn die Restbestimmung auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleibt (Grundsatz der Teilbarkeit) und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Die zweite Frage nach dem hypothetischen Willen des Normgebers ist zwar wichtig; sie setzt jedoch voraus, dass die Verordnungsregelung überhaupt teilbar ist, ohne ihren Sinn zu verlieren. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Gedanken im Hinblick auf einen Bebauungsplan dahingehend zusammengefasst, dass eine teilweise Nichtigkeit zur umfassenden Nichtigkeit führe, wenn die Regelung ohne den nichtigen Teil nicht sinnvoll bestehen könne (BVerwG, Urt. v. 14.07.1972 - BVerwG IV C 69.70 -, BVerwGE 40, 268 [274]). Dies ist hier indes nicht der Fall; denn die Unwirksamkeit des Teils der Regelung, von welcher die Antragstellerin betroffen ist, führt nicht dazu, dass die übrigen, auf andere Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften bezogenen Festlegungen und damit die gesamte Verordnung Sinn und Rechtfertigung verliert; vielmehr betrifft jede Zuordnungs- oder Zusammenschluss-Regelung einen Einzelfall, der die besonderen Verhältnisse der zugeordneten oder zusammengeschlossenen Gemeinden in den jeweiligen Landkreisen berücksichtigt, so dass eine - möglicherweise festzustellende - (Teil-)Unwirksamkeit einer einzelnen Regelung auf die übrigen Regelungen der Verordnung keinen Einfluss hat.
Die Verordnungsregelung hat keinen systematischen Zusammenhang, sondern die einzelnen Bestimmungen lassen sich so behandeln, als seien sie jeweils Gegenstand einer isolierten einzelnen Verordnung, so dass sich die angegriffene Verordnung faktisch als Summe einer Vielzahl einzelner Verordnungen darstellt.
Das wird besonders deutlich im Vergleich der verschiedenen Fassungen der "Zweiten Verordnung" untereinander sowie mit den jüngsten Regelungen der "Dritten Verordnung über die Zuordnung von Gemeinden zu Verwaltungsgemeinschaften" vom 11.03. 2005 (LSA-GVBl., S. 140). Hier zeigt sich, dass die einzelnen Regelungen innerhalb der Zuordnungs- und Zusammenschluss-Paragraphen jeweils der aktuellen Lage angepasst worden sind, ohne dass die nur in der Nummer veränderten Gegenstände ihren materiellen Gehalt geändert hätten.
Der entgegengesetzten Ansicht des Verwaltungsgerichts folgt der Senat nicht; denn die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 06.07.1999 - 1 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 ff) betrifft eine andere Fallkonstellation:
Die dort geprüfte Verfassungsmäßigkeit der "Hennenhaltungs-Verordnung" ist zwar an Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG gescheitert (BVerfGE 101, 1 [1, 41 ff]), weil sie nicht alle in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlagen aufgeführt hatte; sie wurde aber in dem Urteil nicht als vom Gegenstand her teilbar, sondern als Ganzes, nämlich als "Ausführungsverordnung" angesehen, die nähere Bestimmungen über die Anforderung der Tierhaltung für den Bereich der Legehennen in Käfigen treffen sollte (BVerfGE 101, 1 [31]). Sie enthielt damit - im Gegensatz zu der hier streitigen Verordnungsregelung, die als unverbunden nebeneinander stehende Summe von Teil-Regelungen zu verstehen ist - ein zusammenhängendes Regelungswerk. Die für eine solche Regelung gezogene Konsequenz, die Verordnung müsse alle Ermächtigungsnormen zitieren, auf welche sie sich inhaltlich stütze und welche Motiv für ihren Erlass seien (BVerfGE 101, 1 [41, 43]), ist gerade nicht auf den Fall einer teilbaren Regelung übertragbar, bei dem dann konsequenterweise nur zur Prüfung stehen kann, ob gerade für den jeweiligen Regelungsteil die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Zitiergebots erfüllt sind.
Das wird auch den vom Bundesverfassungsgericht erkannten Anforderungen an den Zweck des Zitiergebots (BVerfGE 101, 1 [41/42]) gerecht. Gemeinden, welche schon bislang Verwaltungsgemeinschaften angehörten, haben keinerlei rechtliches Interesse daran, zu erfahren, auf welcher gesetzlichen Grundlage die Verordnungsteile für bislang "verwaltungsgemeinschaftsfreie" Gemeinden beruhen, ob der Verordnungsgeber für diese von gesetzlichen Ermächtigungen Gebrauch machen wollte oder welcher Ermächtigungsrahmen sich insoweit für den Verordnungsgeber bietet.
Andere Gründe, die die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Anordnungsverfügung begründen könnten, sind von der Antragstellerin nicht vorgetragen worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 52 Abs. 1; 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG -sowie in Anlehnung an II. Nr. 1.5 Satz 1, 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.).
Ende der Entscheidung
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