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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 16.02.2009
Aktenzeichen: 4 M 463/08
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO
Vorschriften:
VwGO § 123 | |
VwGO § 123 Abs. 3 | |
VwGO § 172 | |
ZPO § 890 | |
ZPO § 929 Abs. 2 |
Gründe:
Auf die zulässige Beschwerde ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts aufzuheben, weil die darin ausgesprochene einstweilige Anordnung auf Grund des Ablaufs der Frist nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 929 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO - gegenstandslos geworden ist. Die Antragsgegnerin hat auch aus Gründen der Rechtsklarheit ein entsprechendes Rechtsschutzinteresse.
Dass der auf die Gegenstandslosigkeit des Beschlusses gerichtete Einwand der Antragsgegnerin nicht zu den Gründen gehört, welche innerhalb der einmonatigen Frist für die Begründung der Beschwerde (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) vorgebracht worden sind und auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), steht einer Berücksichtigung nicht entgegen. Es handelt sich als Sachentscheidungsvoraussetzung um einen von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstand (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 3. Mai 2006 - 4 CE 06.637 -; VGH Hessen, Beschl. v. 7. September 2004 - 10 TG 1498/04 -, jeweils zit. nach JURIS).
Mit der vom Verwaltungsgericht erlassenen einstweiligen Anordnung ist der Antragsgegnerin vorläufig untersagt worden, ein bestimmtes Grundstück zu veräußern. Dieser Anordnung kann die Antragsgegnerin auch noch nachkommen. Zwar hat der Vertreter der Antragsgegnerin nach Erhalt des Beschlusses des Verwaltungsgerichts am 13. Dezember 2008 einen Kaufvertrag über das Grundstück unterzeichnet. In dem Kaufvertrag ist aber - wie den Antragstellern unter dem 17. Dezember 2008 auch mitgeteilt worden ist - ein ausdrücklicher Genehmigungsvorbehalt der Antragsgegnerin enthalten. Damit hat sich der Rechtsstreit im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller durch den Abschluss des Kaufvertrags auch nicht erledigt.
Die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO ist ein Vollstreckungstitel (§ 168 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) und vorläufig vollstreckbar. Es kann dabei offen bleiben, ob eine solche einstweilige Anordnung, wenn sie - wie hier - ein Unterlassungsgebot enthält, nach § 167 VwGO i.V.m. § 890 ZPO (so BGH, Urt. v. 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92 -, OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 18. Oktober 2007 - 1 E 10786/07 -, jeweils zit. nach JURIS; weitere Nachweise in Schoch/G.-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 172 Fn. 42, 50) oder nach § 172 VwGO (so Schoch/G.-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 123 Rdnr. 171; § 172 Rdnr. 18; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. A., § 123 Rdnr. 134; § 172 Rdnr. 44 ff.; Bader u.a., VwGO, 4. A., § 123 Rdnr. 75; § 172 Rdnr. 3) vollstreckt wird.
Denn zu Recht hat die Antragsgegnerin geltend gemacht, dass die Antragsteller die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO - diese Bestimmung gilt nach § 123 Abs. 3 VwGO für den Erlass einstweiliger Anordnungen entsprechend - haben verstreichen lassen. Danach ist die Vollziehung eines Arrestbefehls unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem der Befehl verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch er erging, zugestellt ist, ein Monat verstrichen ist. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist den Antragstellern am 15. Dezember 2008 zugestellt worden, so dass die Vollzugsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO mit Ablauf des 15. Januar 2009 abgelaufen war. Soweit teilweise vertreten wird, die Monatsfrist werde unter bestimmten Voraussetzungen erst später in Gang gesetzt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 14. September 1983 - 9 S 1924/03 u.a. -, VBlBW 1984, 150; Schoch/G.-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 172 Rdnr. 36 m.w.N.) ist dem angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 929 Abs. 2 ZPO nicht zu folgen (so auch VGH Hessen, Beschl. v. 17. September 2004 - 10 TG 1498/04 -, VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17. Dezember 1999 - 7 S 2505/99 -, jeweils zit. nach JURIS; Sodan/Ziekow, a.a.O., § 123 Rdnr. 135; Kopp/Schenke, VwGO, 15. A., § 123 Rdnr. 40; Schoch/G.-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 123 Rdnr. 172 m.w.N.).
Innerhalb der Monatsfrist ist die einstweilige Anordnung bislang nicht vollzogen worden. Unabhängig davon, nach welchen Regelungen die Vollstreckung einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erfolgt, reichte die von Amts wegen erfolgte Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts an die Antragsgegnerin nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober 1992 - IX ZR 36/92 -, zit. nach JURIS; VGH Bayern, Beschl. v. 3. Mai 2006 - 4 CE 06.637 -; Sodan/Ziekow, a.a.O., § 123 Rdnr. 135; Bader u.a., a.a.O., § 123 Rdnr. 76.1; a.M.: Schoch/G.-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 123 Rdnr. 173 m.w.N.; offen gelassen in OVG Saarland, Beschl. v. 21. August 2007 - 1 B 331/07 -, zit. nach JURIS). Die Amtszustellung ist Wirksamkeitserfordernis der nicht verkündeten einstweiligen Anordnung und kann deshalb nicht zugleich zu deren Vollziehung dienen. Der Amtszustellung fehlt auch das "spezifisch vollstreckungsrechtliche Element", dass der Gläubiger tätig wird und seinen Willen kundgibt, von dem Titel Gebrauch zu machen (so BGH, Urt. v. 22. Oktober 1992, a.a.O.). Zweck des § 929 Abs. 2 ZPO ist es - auch im Bereich des § 123 VwGO -, den Gläubiger anzuhalten, umgehend dem Schuldner Klarheit zu verschaffen, ob er von der Anordnung Gebrauch macht. Außerdem soll eine Vollziehung verhindert werden, die zu einem späteren Zeitpunkt unter möglicherweise wesentlich veränderten Umständen erfolgt (vgl. Bader u.a., a.a.O., § 123 Rdnr. 76.1). Schließlich muss es im Hinblick auf die durch § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 945 ZPO normierte Schadensersatzpflicht dem Gläubiger überlassen bleiben, ob die ergangene Anordnung vollzogen werden soll oder nicht. Keinen durchgreifenden Unterschied macht es in diesem Zusammenhang, ob sich die Anordnung gegen einen öffentlich-rechtlichen Rechtsträger richtet.
Daher ist auf jeden Fall für den Vollzug bzw. den Beginn des Vollzugs eine Maßnahme des Gläubigers erforderlich, durch die er für den Schuldner erkennbar seinen Willen kundgibt, von dem Titel Gebrauch zu machen. Wenn die Vollziehung einer einstweiligen Anordnung auch auf andere Weise als durch Zustellung im Parteibetrieb möglich ist, muss es sich dann jedenfalls um eine ähnlich formalisierte oder urkundlich belegte, jedenfalls leicht feststellbare Maßnahme handeln (vgl. BGH, Urt. v. 22. Oktober 1992, a.a.O.). Soweit vertreten wird, dass die §§ 123 Abs. 3 VwGO, 929 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise keine Geltung beanspruchen, wenn der Sachverhalt durch Besonderheiten geprägt ist, deren Zusammenwirken den Eintritt der Rechtsfolge fallbezogen als unangemessen erscheinen lassen (so OVG Saarland, Beschl. v. 21. August 2007, a.a.O.), bestehen schon grundsätzliche Bedenken an einer solchen Einschränkung. Jedenfalls kann angesichts des oben dargelegten Zwecks des § 929 Abs. 2 ZPO nicht darauf abgestellt werden, ob der Schuldner - wie hier - dem Gericht zugesichert hat, der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen gerichtlichen Entscheidungen während des gerichtlichen Verfahrens Folge zu leisten. Darin liegt gerade nicht die Erklärung, die einstweilige Anordnung auch dann zu befolgen, wenn sie nicht mehr vollzogen werden kann. Offen bleiben kann auch, ob die Amtszustellung ausreichend wäre, wenn in dem Unterlassungsgebot der einstweiligen Androhung bereits eine "Strafandrohung" enthalten wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 17. Dezember 1999 - 7 S 2505/99 -; OVG Bremen, Beschl. v. 6. November 1998 - 1 BB 395/98 -, jeweils zit. nach JURIS). Denn einen solchen Inhalt wies die einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts nicht auf.
Die Antragsteller haben innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO keine Maßnahme vorgenommen, die als Vollziehung bzw. Beginn der Vollziehung der einstweiligen Anordnung angesehen werden könnte. Ihr Schreiben vom 15. Dezember 2008 an das Verwaltungsgericht Halle, mit dem sie nachfragen, ob die Beschwerde der Antragsgegnerin aufschiebende Wirkung hat, ihre Befürchtung darlegen, dass die Antragsgegnerin den Kaufvertrag abschließt und um einen "richterlichen Hinweis" bittet, wie sie sich "in dieser Situation schützen können", lässt nicht den Willen erkennen, dass von dem Titel vollstreckungsrechtlich Gebrauch gemacht werden soll. Soweit sie in ihrer Antragserwiderung darauf verweisen, eine Zustellung der Ausfertigung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts im Parteibetrieb habe nach der Unterzeichnung des Kaufvertrages keinerlei Zweck mehr erreichen können, trifft diese Einschätzung - wie oben dargelegt - nicht zu. Denn der Rechtsstreit hatte sich nicht erledigt und die Anordnung konnte noch vollzogen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Zur Begründung wird auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Ende der Entscheidung
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