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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 28.02.2005
Aktenzeichen: 4 M 525/04
Rechtsgebiete: LSA-KAG
Vorschriften:
LSA-KAG § 2 II | |
LSA-KAG § 6 VI 1 |
2. Enthält eine Satzung besondere Verteilungsregelungen für einen "verkehrsberuhigten Bereich" und verwendet sie dafür den Begriff "Mischfläche", so fallen unter diese Regelung nur Straßen, die in ihrer ganzen Breite von Fußgängern benutzt werden dürfen, jedoch auch von Kraftfahrzeugen befahren werden dürfen.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn die Verkehrsanlage einen Gehweg enthält, der durch ausgedehnte Grünstreifen deutlich von der "Fahrbahn" getrennt ist.
OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS
Aktenz.: 4 M 525/04
Datum: 28.02.2005
Gründe:
Der Beschluss beruht auf § 146 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung i. d. F. der Novellierung v. 20.12.2001 (BGBl I 3987) - VwGO -, diese in der jeweils gültigen Fassung, sowie auf § 154 Abs. 2 VwGO <Kosten> und auf §§ 47 Abs. 1; 52 Abs. 1 und 3; 53 Abs. 3 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes i. d. F. des Art. 1 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes v. 05.05.2004 (BGBl I 718) - GKG - <Streitwert>.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das nach einer gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 4 Satz 3 VwGO im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis, die Bescheide der Antragsgegnerin über die Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen vom 20.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.07.2004 begegneten keinen ernstlichen Zweifeln, ist auf der Grundlage der Darlegungen der Antragsteller, auf deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, (im Ergebnis) nicht zu beanstanden:
1. Die Antragsteller wenden allerdings zu Recht ein, dass die Einzelsatzung (Sonderregelung zur Straßenausbaubeitragssatzung) der Antragsgegnerin vom 06.05.2004 - ES - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine ausreichende Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Beitragserhebung darstellt.
Der von dem Verwaltungsgericht geäußerten Rechtsauffassung, dass das Erfordernis des § 6 Abs. 6 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes - KAG-LSA - in der seit dem Gesetz vom 16.04.1999 (LSA-GVBl. 150) in das KAG-LSA aufgenommenen und am 22.04.1999 in Kraft getretenen Fassung, wonach die Beitragspflicht nur entsteht, sofern vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme eine Satzung vorliegt, auch durch die rückwirkende In-Kraft-Setzung einer Ausbaubeitragssatzung erfüllt werden kann, ist zunächst schon im Ansatz nicht zu folgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 17.10.2002 - 2 L 121/01 -; Beschl. v. 04.11.2002 - 2 M 175/02 -) hindert § 6 Abs. 6 KAG-LSA die Gemeinden zwar nicht, vor dem In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes vom 16.04.1999 begonnene Maßnahmen noch abzurechnen, wenn später erlassene (rückwirkende) Satzungen Mängel des kommunalen Rechtsetzungsverfahrens heilen und nach früherem Recht mögliche Beitragspflichten noch entstehen lassen sollen. Für sämtliche seit dem 22.04.1999 begonnene Straßenbaumaßnahmen gilt indes uneingeschränkt, dass die sachliche Beitragspflicht nur dann entsteht, wenn vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme eine wirksame Satzung vorliegt (OVG LSA, Urt. v. 17.10.2002, a. a. O.). Der Gesetzgeber hat mit seiner "Reihenfolgeentscheidung" im Interesse des Vertrauens der potentiellen Beitragspflichtigen sicherstellen wollen, dass der Gemeinderat zunächst eine Satzung beschließt und auf dieser Grundlage eine Ausbauentscheidung getroffen wird; § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG-LSA schließt insoweit erkennbar jede Rückwirkungsanordnung aus (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl., § 30 RdNr.10). Die von dem Verwaltungsgericht zur Begründung herangezogene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 17.10.2002 (a. a. O.) steht dem, worauf die Antragsteller zu Recht hinweisen, nicht entgegen, weil in dem dort entschiedenen Fall die beitragsauslösende Maßnahme vor dem maßgeblichen Stichtag begonnen worden war.
Offenbleiben kann daher die - von dem Verwaltungsgericht bejahte - Frage, ob die in § 3 ES enthaltene Rückwirkungsanordnung rechtmäßig ist, insbesondere den Anforderungen des § 2 Abs. 2 KAG-LSA entspricht.
2. Den Anforderungen von § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG-LSA ist indes genügt, denn die Antragsgegnerin verfügte vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme durch Gemeinderatsbeschluss vom 18. Januar 2001 über die Straßenausbaubeitragssatzung - SBS - vom 26.11.1998, unter deren Geltung die "E-Straße" ausgebaut worden ist. Einwände gegen die Wirksamkeit dieser Satzung sind von den Antragstellern nicht erhoben worden. Nach der vorliegend lediglich erforderlichen summarischen Prüfung der bei den Abrechnungsunterlagen (Beiakte A) befindlichen Fotografien über den Ausbauzustand der "E-Straße" nach Durchführung der Baumaßnahme ist nach der von der Antragsgegnerin in § 4 Abs. 6 Nr. 2 SBS vorgegebenen und insoweit allein maßgeblichen Definition ein "verkehrsberuhigter Bereich" nicht hergestellt worden, so dass die sachlichen Beitragspflichten für den vorliegend streitgegenständlichen Ausbau der "E-Straße" entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht erst durch den Erlass der Einzelsatzung vom 06.04.2004 entstanden sind. Der Umstand, dass im Zuge der Baumaßnahmen gemäß § 42 Abs. 4a StVO die - verkehrsberuhigte Bereiche kennzeichnenden - Zeichen 325 und 326 aufgestellt worden sind, ändert entgegen der Auffassung der Antragsteller nichts daran, dass die "E-Straße" nicht im Sinne von § 4 Abs. 6 Nr. 2 SBS als "Mischfläche" gestaltete Anliegerstraße, "die in ihrer ganzen Breite von Fußgängern benutzt werden darf, jedoch auch mit Kraftfahrzeugen benutzt werden kann" ausgebaut worden ist; denn die Gehwege sind durch ausgedehnte Grünstreifen deutlich von der Fahrbahn getrennt, so dass die eine Mischfläche kennzeichnende - gegebenenfalls auch baulich-gestalterisch zum Ausdruck kommende - Aufhebung der Trennung von Gehweg und Fahrbahn nicht erfolgt ist.
Dahinstehen kann daher, ob es sich, wie die Antragsgegnerin meint, bei der Einzelsatzung lediglich um eine ergänzende Satzung handelt.
3. Ohne Bedeutung für die Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Straßenausbaubeitragsbescheide ist entgegen der Auffassung der Antragsteller der Umstand, dass sie das Grundstück erst im November 2001 erworben haben. Die Antragsteller konnten nicht darauf vertrauen, dass die Antragsgegnerin entgegen der bestehenden Beitragserhebungspflicht auf entstandene Beitragsansprüche verzichten würde.
4. Offenbleiben kann, ob vorliegend die Straßenausbaubeitragssatzung vom 26.11. 1998 in der Fassung Anwendung findet, die vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme vorlag, oder die Ausbaumaßnahme nach der Fassung abzurechnen ist, die zum Zeitpunkt des Eingangs der letzten (Unternehmer-)Rechnung galt. Die Höhe der Anliegeranteile für den Ausbau der jeweiligen Teileinrichtungen ist mit der 3. Änderungssatzung vom 07.06.2001 nicht verändert worden, so dass der Beitragsbescheid auch hinsichtlich seiner - zudem in dem Widerspruchsbescheid vom 02.07.2004 ermäßigten - Höhe rechtlichen Bedenken nicht begegnet.
Ende der Entscheidung
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