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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 20.04.2006
Aktenzeichen: 5 L 13/05
Rechtsgebiete: PersVG LSA


Vorschriften:

PersVG LSA § 42 I
Die Kosten der anwaltlichen Vertretung des Personalrats im gerichtlichen Verfahren sind grundsätzlich erstattungsfähig im Sinne des § 42 Abs. 1 PersVG LSA. Es besteht eine Regelvermutung dahin gehend, dass es für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens der Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf.

Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) muss einem Personalrat Gelegenheit gegeben werden, zur abschließenden Klärung von Rechtsfragen den Rechtsweg auszuschöpfen und eine letztinstanzliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 5 L 13/05

Datum: 20.04.2006

Gründe:

I.

Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Frage, ob der Beteiligte verpflichtet ist, die Kosten der anwaltlichen Vertretung in dem vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig gewesenen Verfahren - 6 PB 8.03 - (Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde) zu tragen. Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

In dem damaligen zweitinstanzlichen Verfahren vor dem erkennenden Senat (5 L 2/03) ging es um die Frage, ob dem Vorsitzenden des Allgemeinen Hauptpersonalrats beim C-Ministerium des Landes Sachsen-Anhalt ein Anspruch auf Erstattung von Fahrkosten aus seiner Tätigkeit als Personalratsmitglied zusteht. Der Senat hat mit Beschluss vom 30. Juli 2003 den geltend gemachten Erstattungsanspruch verneint. Der damalige Beteiligte zu 2. und jetzige Antragsteller beschloss darauf hin am 13. August 2003, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Senats einzulegen und insoweit den jetzigen Verfahrensbevollmächtigten, Rechtsanwalt B., mit der Wahrnehmung der Interessen zu beauftragen. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Beschluss vom 20. November 2003 - 6 PB 8.03 - die Nichtzulassungsbeschwerde zurück.

Mit Schreiben vom 13. Februar 2004 bat der Antragsteller den Beteiligten um Ausgleich der von Rechtsanwalt B. für seine Tätigkeit im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erstellten Honorarrechnung über 355,71 €. Der Beteiligte lehnte die Übernahme der Anwaltskosten mit der Begründung ab, ein objektiver Dritter hätte bei vernünftiger Beurteilung von einer Ausweitung des Verfahrens abgesehen. Die Rechtsverfolgung sei unter den damals gegebenen Umständen von vornherein haltlos gewesen.

In dem erstinstanzlichen personalrechtlichen Verfahren verfolgte der Antragsteller seinen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten weiter. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, er habe sowohl seine Verfahrensrechte als auch die materielle Rechtsposition im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geltend gemacht. Das Verfahren sei somit weder mutwillig noch aus haltlosen Gründen verfolgt worden.

Der Beteiligte trat dem entgegen mit der Begründung, er habe von der Nichteinlegung der Nichtzulassungsbeschwerde erst durch deren Zustellung erfahren. Vor der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts habe aber regelmäßig ein ernsthafter Einigungsversuch i. S. von § 56 Abs. 3 PersVG LSA zu erfolgen; bereits dieser Verfahrensfehler stehe einer Anwendbarkeit des § 42 Abs. 1 PersVG LSA entgegen. Im Übrigen sei die Nichtzulassungsbeschwerde bereits von vornherein erfolglos gewesen, weshalb ein objektiver Dritter von einer Durchführung des Verfahrens abgesehen hätte.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 21. Juni 2005 den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht bezugnehmend auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgericht vom 9. März 1992 - 6 P 11.90 - ausgeführt, in "verfahrensrechtlicher Hinsicht" müsse der Hinzuziehung des Rechtsanwalts regelmäßig ein ernsthafter Einigungsversuch mit dem Leiter der Dienststelle ... vorhergehen; daran aber habe es in dem vorliegenden Fall gefehlt.

Mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde vom 1. September 2005 hält der Antragsteller an seinem Begehren fest. Er trägt zur Begründung im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe die von ihm zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dahin gehend fehlinterpretiert, dass dieser Entscheidung nicht zu entnehmen sei, dass vor der Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts als letzter gerichtlicher Instanz noch ein (weiterer) Einigungsversuch vorangehen müsse. Insoweit würde es sich um reine Förmlichkeit handeln, denn es sei gänzlich unwahrscheinlich, dass die Dienststelle ihre rechtliche Position nach Obsiegen vor dem Oberverwaltungsgericht aufgebe. Die Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts sei auch nicht mutwillig oder haltlos erfolgt.

Der Antragsteller beantragt, wie erkannt.

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hat sich in dem zweitinstanzlichen Verfahren nicht schriftlich zur Sache geäußert.

Zur Ergänzung der Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 78 Abs. 2 PersVG LSA i. V. m. § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist begründet.

Der Beteiligte ist verpflichtet, die Kosten der anwaltlichen Inanspruchnahme in dem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht - 6 PB 8.03 - zu tragen. Die - der Höhe nach unstreitigen - Kosten sind als durch die Tätigkeit des Personalrats entstehenden notwendigen Kosten i. S. von § 42 Abs. 1 PersVG LSA anzusehen und damit erstattungspflichtig. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Ist die Personalvertretung Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens, so besteht grundsätzlich die Vermutung (sog. Regelvermutung) dahin gehend, dass es der Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedarf. Im gerichtlichen Verfahren kommt es nämlich nicht nur auf die Kenntnis des materiellen Personalvertretungsrechts an, sondern auch auf die Kenntnisse des spezifischen Prozessrechts. Im Übrigen ist mit einer anwaltlichen Vertretung dafür Sorge getragen, dass der jeweilige Vortrag strukturiert und - vor allem - unter Berücksichtigung seiner rechtlichen Relevanz erfolgt; dies liegt letztlich im Interesse der Gerichte selbst.

Spricht danach eine regelmäßige Vermutung für die Sinnhaftigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren, so gilt dies erst Recht im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, und zwar schon deswegen, weil dort anwaltlicher Vertretungszwang besteht. Im Übrigen kommt es für die danach grundsätzlich gegebene Kostenerstattungspflicht der Dienststelle auch nicht auf den Erfolg des Antrags vor Gericht an (vgl. zum Vorstehenden Bieler/Plaßmann u. a., PersVG LSA, § 42, Rdnr. 94 ff. m. w. N.).

Für die hier streitgegenständliche Durchführung des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht bedurfte es auch nicht einer ausdrücklichen Einwilligung der Dienststellenleitung; es genügte, dass - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - der Antragsteller einen ausdrücklichen Beschluss vor Beauftragung des Rechtsanwalts gefasst hat. Entgegen der vom Beteiligten und auch vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung bedurfte es allerdings - auch in Ansehung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. März 1992 (6 P 11.90) - nicht der Durchführung eines erneuten Einigungsverfahrens zwischen den Parteien. Zwar ist der Personalrat - im Interesse eines sparsamen Umgangs mit Steuergeldern - gehalten, vor Betreiben eines gerichtlichen Verfahrens jeweils einen ernsthaften Einigungsversuch mit dem Leiter der Dienststelle zu unternehmen und zudem einen Beschluss über die Durchführung des Verfahrens zu fassen, wobei ein entsprechender Beschluss nicht nur für das gesamte Verfahren, sondern für die jeweilige Instanz erforderlich ist (so BVerwG, a. a. O., S. 7/8 - juris). Allerdings lässt sich weder der vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch sonstiger höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Erstattungsvoraussetzung dahin gehend entnehmen, dass die Personalvertretung noch nach Abschluss des zweitinstanzlichen Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht einen (erneuten) Einigungsversuch gegenüber der Dienststelle unternehmen muss, bevor sie das Bundesverwaltungsgericht im Wege der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde anruft. Der Senat folgt insoweit der Rechtsauffassung des Antragstellers dahin gehend, dass insbesondere in dem hier gegebenen Sachverhalt (Obsiegen der Behörde in zwei Instanzen) für ein Einigungsgespräch vor einem letztinstanzlichen, reine Rechtsfragen betreffenden Beschwerdezulassungsverfahren kein vernünftiger Anlass bestanden hat.

Ist danach die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht dahin gehend zu verstehen, dass die Kostenerstattung für die anwaltliche Vertretung im Zulassungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht schon deswegen auszuscheiden habe, weil es an einem diesbezüglichen Einigungsversuch fehlte, so stehen auch die im Übrigen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Kostenerstattung für die Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht entgegen:

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die Durchführung des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht seinerzeit aus mutwilligen oder haltlosen Gründen erfolgt ist. Der - wenn auch ablehnenden - Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 2003 - (Bl. 8 ff. d. GA) lässt sich jedenfalls Dementsprechendes nicht entnehmen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht die zur Begründung der Beschwerde erhobene Divergenzrüge als unbegründet angesehen; aus der Erfolgslosigkeit einer Beschwerde ergibt sich indes nicht von vornherein deren Mutwilligkeit. Soweit das Bundesverwaltungsgericht im Übrigen die zugleich erhobene Verfahrensrüge in Form der Gehörsrüge als unstatthaft und daher unzulässig angesehen hat, hat es in den Gründen auf die nunmehr gegebene neue Rechtslage sowie im Übrigen auf den rechtsstaatlichen Justizgewährleistungsanspruch i. S. eines Anspruchs auf Gewährleistung rechtlichen Gehörs in jeder Instanz hingewiesen. Danach ist der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts selbst - und hierauf ist abzustellen - nicht zu entnehmen, dass dessen Anrufung von vornherein mutwillig bzw. haltlos gewesen sein könnte.

Der Senat nimmt dieses Verfahren zum Anlass, um grundsätzlich auf folgendes hinzuweisen:

Der Gesetzgeber hat sich mit der in § 78 Abs. 2 PersVG LSA geregelten Anwendbarkeit der Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes dahin gehend entschieden, dass das Bundesverwaltungsgericht auch in landespersonalvertretungsrechtlichen Beschwerdeverfahren grundsätzlich letztinstanzlich angerufen werden kann. Letztlich im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) muss den Beteiligten daher Gelegenheit gegeben werden, zur abschließenden Klärung von Rechtsfragen den Rechtsweg auszuschöpfen und eine - letztinstanzliche - Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts herbeizuführen. Da es insoweit der anwaltlichen Vertretung bedarf, sind grundsätzlich auch die Kosten deren Inanspruchnahme erstattungspflichtig i. S. von § 42 Abs. 1 PersVG LSA.

Danach war - zumal Gründe für eine Mutwilligkeit des seinerzeit durchgeführten Verfahrens nicht erkennbar sind - die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Erstattungsfähigkeit der Kosten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts festzustellen.

Einer Kostenentscheidung im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren bedarf es mangels prozessualer Kostentragungspflicht nicht. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erübrigt sich mangels einer vollstreckungsfähigen Entscheidung.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil keiner der in § 72 Abs. 2 ArbGG bezeichneten Gründe vorliegt.

Ende der Entscheidung

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