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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 08.11.2005
Aktenzeichen: 5 L 14/05
Rechtsgebiete: RiLi 2002/14 EG, PersVG LSA, HMG LSA


Vorschriften:

RiLi 2002/14 EG Art. 2
RiLi 2002/14 EG Art. 4
PersVG LSA § 2 I
PersVG LSA § 57 I
PersVG LSA § 57 II
PersVG LSA § 58 I
HMG LSA § 7 I
HMG LSA § 7 II
HMG LSA § 20 I
HMG LSA § 20 III
HMG LSA § 28 II
1. Die Rechte der Arbeitnehmer auf Unterrichtung und Anhörung gem. Art. 4 Abs. 2 RiLi 2002/14 EG (ABl. EG 80/29) beziehen sich nicht auf Gesetzesvorhaben.

2. Dies schließt nicht aus, dass sich bei der Umsetzung des Gesetzes auf betrieblicher Ebene ein Informationsbedürfnis ergibt. Die Standarts RiLi 2002/14 EG können dabei als Maßstab dienen.

3. Die RiLi 2002/14 EG ist als Auslegungshilfe im Rahmen des § 57 Abs. 2 PersVG LSA heranzuziehen. Ob eine direkte Anwendung in Betracht kommt, bleibt offen.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 5 L 14/05

Datum: 08.11.2005

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um Informationsrechte des Antragstellers anlässlich des In-Kraft-Tretens des Hochschulmedizingesetzes - LSA - vom 12. August 2005 (GVBl. LSA 2005, 508) - HMG. Das Gesetz trifft u. a. Neuregelungen zur Organisation der Medizinischen Fakultäten und der Universitätsklinika. Letztere waren bislang als Landesbetriebe gem. § 26 LHO den Medizinischen Fakultäten angegliedert und werden nunmehr als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts errichtet (§ 7 Abs. 1 HMG). Das Gesetz tritt allgemein am 1. Januar 2006 in Kraft, in einigen Teilen ist es bereits am Tage nach der Verkündung (18.8.2005) in Kraft getreten, vgl. § 28 Abs. 2 HMG. Dies betrifft u. a. die Mitteilungspflicht über die Zuordnung der Arbeits- und Dienstverhältnisse gem. § 20 Abs. 1 Satz 4 HMG.

Am 22. Juni 2005 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Verfügung nachgesucht. Er hat im Wesentlichen vorgetragen, anlässlich der Neuregelung der Hochschulmedizin durch das HMG seien die Rechte auf Unterrichtung und Anhörung gem. Art. 4 der Richtlinie 2002/14 GG vom 11. März 2002 (ABLEG 80/29) zu wahren. Die Richtlinie sei mangels fristgerechter Umsetzung in das nationale Recht direkt anzuwenden, jedenfalls aber bei der Auslegung des § 57 Abs. 2 PersVG LSA heranzuziehen. Er - der Antragsteller - sei bislang nicht entsprechend Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2002/14 unterrichtet worden. In den Gesprächen mit der Dienststellenleitung seien stets einzelne Punkte offen geblieben, die den Informationspflichten gem. Art. 4 Abs. 2 a bis c der Richtlinie 2002/14 EG zuzuordnen seien. Der Antragsteller hat unter Ziffer 3.3 seines Schriftsatzes vom 20. Juli 2005 die seines Erachtens bestehende Informationsdefizite aufgelistet. Der Beteiligten lägen diese Informationen vor, insbesondere aus ihrer Zuarbeit im Gesetzgebungsverfahren. Aber auch soweit das nicht der Fall sei, habe die Beteiligte das HMG umzusetzen und müsse die bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung absehbaren Folgeschritte aufzeigen. Die Informationen seien rechtzeitig und umfassend vor der Umsetzung des Umstrukturierungsprozesses zu erteilen. Der Verfügungsgrund folge daraus, dass die Personalzuordnung bereits zum 1. Oktober 2005 erfolgt sein müsse.

Der Antragsteller hat beantragt,

der Beteiligten im Wege einer einstweiligen Verfügung bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen, die sich aus dem Hochschulmedizingesetz vom 07. Juli 2005 ergebenden organisatorischen und personellen Veränderungen in der Dienststelle bis zum Abschluss des Informations- und Anhörungsverfahrens im Sinne des Artikel 4 Abs. 2 Richtlinie 2002/14 EG umzusetzen, die Beteiligte im Wege einer einstweiligen Verfügung bis zur Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten,

2.1 die Wirtschaftspläne für die Jahre 2004 und 2005 nebst Begründung auszuhändigen,

2.2 den Jahresabschluss für das Jahr 2004 nebst Begründung auszuhändigen,

2.3 die schriftliche Unterrichtung über die erwartete Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung nach dem Rechtsformwechsel auszuhändigen,

2.4 die Unterrichtung über die wahrscheinliche Beschäftigungsentwicklung am Klinikum sowie der Medizinischen Fakultät der Hochschule auszuhändigen,

2.5 eine schriftliche Unterrichtung über die Einsparpotentiale durch den Rechtsformwechsel des Klinikums der A.-Universität M.-Stadt auszuhändigen,

2.6 eine Unterrichtung über die erwartete Beschäftigungsentwicklung im Vergleich Soll-Ist auszuhändigen,

2.7 eine Unterrichtung über die geplante Struktur der Personalzuordnung in schriftlicher Form auszuhändigen,

2.8 eine schriftliche Unterrichtung über die Wahrnehmung von Aufgaben der Universität durch das Klinikum (Geschäftsbesorgungsvertrag) auszuhänidgen,

2.9 die Zielvereinbarung in der vorliegenden Form vorzulegen,

2.10 eine schriftliche Entwicklung über die wahrscheinliche Beschäftigungsentwicklung, insbesondere über den Verbleib des Personals der bisherigen Berufsfachschule und des betroffenen Personals der allgemeinen Verwaltung der Hochschule, vorzulegen,

2.11 eine schriftliche Unterrichtung über die geplanten Kündigungen, Änderungskündigungen, etwaige Änderungen von Eingruppierungen, etwaige Änderungen bei der Übertragung von Tätigkeiten vorzulegen,

2.12 eine schriftliche Unterrichtung über Auswirkungen des Rechtsreformwechsels auf die Beschäftigten mit Behinderung sowie den Arbeitsschutz der Dienststelle auszuhändigen,

2.13 eine schriftliche Unterrichtung über die Auswirkungen der Zuordnung der Immobilien zum Landesbetrieb und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Beschäftigten der Dienststelle auszuhändigen,

2.14 eine schriftliche Unterrichtung über die Wahrung der Rechte der Beschäftigten entsprechenden den europarechtlichen Vorgaben (Wahrung, Besitzstand, Tarifrecht) auszuhändigen,

2.15 eine schriftliche Unterrichtung über den Übergang der Arbeitsverhältnisse beim Rechtsformwechsel entsprechend den §§ 20 und 6 Hochschulmedizingesetz vom 07.07.2005 auszuhändigen.

Die Beteiligte ist den Anträgen entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, der Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/14 EG im vorliegenden Fall sei in Zweifel zu ziehen. Zum 1. Oktober 2005 sei als einzig erkennbare personelle und organisatorische Veränderung lediglich die Mitteilung über die Zuordnung der Beschäftigten gem. § 20 Abs. 1 Satz 4 HMG vorzunehmen. Der Antragsteller sei im Übrigen bereits in die Vorbereitung des Entwurfs des HMG einbezogen worden. Sobald Vorbereitungen zur weiteren Umsetzung getroffen würden, könne der Antragsteller weitere Informationen beanspruchen. Eine Untersagung der Umsetzung komme aus Gründen der Gesetzesbindung nicht in Betracht.

Die Beteiligte hat in der Anhörung vor dem Verwaltungsgericht vom 22. Juli 2005 die folgende Erklärung abgegeben:

"Soweit es in der Zuständigkeit der Beteiligten liegt, wird versichert, dass keine konkrete Umsetzung ohne Einbindung des Personalrates erfolgen wird."

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach mündlicher Anhörung mit Beschluss vom 22. Juli 2005 abgelehnt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die begehrte Sicherungsverfügung erscheine nicht nötig. Es sei nicht zu besorgen, dass Informations- und Anhörungsrechte des Antragstellers beeinträchtigt würden. Dienststelle und Personalrat hätten in der Vergangenheit vertrauensvoll zusammengearbeitet. Angesichts der Protokollerklärung der Beteiligten sei hiervon auch für die Zukunft auszugehen.

Gegen diesen ihm am 29. Juli 2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 12. August 2005 eingegangene Beschwerde des Antragstellers. Er trägt unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vorbringens im Wesentlichen vor, mit der Verselbständigung des Klinikums würden Änderungen für bis zu 1.000 Beschäftigte einhergehen. Die Umsetzung des HMG werde seit geraumer Zeit vorbereitet. Er - der Antragsteller - sei gem. Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2002/14 EG zu unterrichten und anzuhören, was bislang versäumt worden sei. Die Dienststelle müsse alle notwendigen Unterlagen von sich aus und rechtzeitig vorlegen, wobei eine kleinliche Behandlung des Informationsanspruchs tunlichst zu vermeiden sei. Eine Beschränkung auf bereits vorhandene Unterlagen, wie dies für § 57 Abs. 2 PersVG angenommen werde, sei in der Richtlinie 2002/14 EG nicht mehr vorgesehen. Eine Vielzahl von Unterlagen hätten zudem tatsächlich vorgelegen, was die Beteiligte nach der Richtlinie 2002/14 EG zum sofortigen Tätigwerden hätte veranlassen müssen. Hieran ändere auch die bisherige gute Zusammenarbeit nichts. Er - der Antragsteller - sei auf die Unterrichtung zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung oder zur Änderung der Arbeitsorganisation bzw. der Arbeitsverträge zwecks Erfüllung seiner Aufgaben aus § 57 Abs. 1 PersVG auch dringend angewiesen. Der Untersagungsanspruch werde aus Art. 8 Richtlinie 2002/14 EG ("geeignete Maßnahmen") hergeleitet. Eine nachträgliche Unterrichtung komme nach der Zielrichtung der Richtlinie 2002/14 EG nicht in Betracht.

Die Beteiligte tritt der Beschwerde entgegen.

II.

Die gem. § 78 Abs. 2 PersVG LSA i. V. m. §§ 85 Abs. 2, 87 ArbGG zulässige Beschwerde, über die der Senat gem. § 987 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Anhörung entscheiden kann, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht abgelehnt.

Der Senat sieht bei der hier nur möglichen summarischen Betrachtungsweise keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des Informationsrechts des Antragstellers gem. § 57 Abs. 2 PersVG LSA oder Art. 4 Abs. 2 Richtlinie 2002/14 EG. Es mangelt deshalb an der Glaubhaftmachung eines Verfügungsanspruchs gem. § 920 ZPO, weshalb nicht auf die Frage einzugehen ist, mit welchem Inhalt eine einstweilige Verfügung im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren ohne Verstoß gegen das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache ergehen kann.

Der Senat geht bei seiner rechtlichen Beurteilung im vorläufigen Verfahren davon aus, dass die Verfahrensregeln des Art. 4 Richtlinie 2002/14 EG (Modalitäten der Unterrichtung und Anhörung) bei der Auslegung des § 57 Abs. 2 Satz 1 PersVG LSA mit heranzuziehen sind. Die bundesdeutschen Gesetzgeber haben die Richtlinie nicht innerhalb der am 23. März 2005 auslaufenden Frist in nationales Recht umgesetzt. Die Personalvertretungsgesetze des Bundes und der Länder erlauben es aber, den Zielen der Richtlinie i. R. der bisherigen gesetzlichen Regelungen Rechnung zu tragen (so auch BMI, Schreiben an die obersten Bundesbehörden vom 15.7.2005, Bl. 148 PA). Die Klärung der Frage, ob eine unmittelbare Anwendung der Richtlinie in Betracht kommt, kann dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Der Senat sieht auch keine durchgreifenden Bedenken, die Richtlinie 2002/14 EG auf Betriebe der öffentlichen Hand wie das Hochschulklinikum anzuwenden. Nach den Begriffsbestimmungen des Art. 2 a, b Richtlinie 2002/14 EG sind Betriebe des öffentlichen Sektors mit umfasst. Die Hochschulkliniken üben jedenfalls i. R. der Krankenversorgung auch eine wirtschaftliche Tätigkeit i. S. der Richtlinie aus. Auf den Erwerbszweck, der gem. § 7 Abs. 2 HMG bei den Universitätsklinika fehlt, kommt es gem. Art. 2 a Richtlinie 2002/14 EG nicht an. Man wird auch strukturelle Neuordnungen öffentlicher Betriebe wie die Umwandlung eines bisherigen Betriebsteils der Medizinischen Fakultät in eine selbständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Dienstherrenfähigkeit in den Anwendungsbereich der Richtlinien einbeziehen müssen. Die Richtlinie betrifft Umstrukturierungsprozesse in Unternehmen und Betrieben im Zuge der Globalisierung und sieht spezielle Unterrichtungs- und Anhörungsrechte der Arbeitnehmer vor, insbesondere um eine Bedrohung der Beschäftigung zu vermeiden. Auch wenn diese Zielrichtung eher für privatrechtlich organisierte Unternehmen praktisch wird, sind doch auch Umstrukturierungsprozesse im Bereich der öffentlichen Hand geeignet, die Beschäftigungssituation der Arbeitsnehmer und die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu beeinflussen. Die frühzeitige Unterrichtung der Arbeitnehmer ist deshalb auch in diesen Fällen geboten.

Gleichwohl ist der zentrale Anwendungsbereich der Richtlinie 2002/14 EG im vorliegenden Fall nicht eröffnet. Der Umstrukturierungsprozess in der Hochschulmedizin wurde durch eine Entscheidung des Gesetzgebers selbst herbeigeführt. Der Gesetzgeber hat in § 7 Abs. 1 HMG bestimmt, dass die Universitätskliniken als selbständige Anstalten des öffentlichen Rechts errichtet werden. Die neue Anstalt des öffentlichen Rechts tritt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten des Landes und der Universitäten ein. Die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten mit Ausnahme der wissenschaftlichen Mitarbeiter des § 6 HMG werden kraft Gesetzes mit der Anstalt als neuem Arbeitgeber fortgesetzt, vgl. § 20 Abs. 1 HMG. Die neue Zuordnung der Arbeits- und Dienstverhältnisse ist lediglich gem. § 20 Abs. 1 Satz 4 HMG mitzuteilen. Der Umstrukturierungsprozess ist damit im Kern der Beteiligung der Personalvertretung entzogen. Die Richtlinie wendet sich an die "Sozialpartner", zu denen der Gesetzgeber nicht gehört. Nichts anderes gilt im Personalvertretungsrecht des Landes, das in § 2 Abs. 1 PersVG LSA die Zusammenarbeit "unter Beachtung der Gesetze und Tarifverträge" vorsieht.

Hat der Gesetzgeber die Strukturentscheidung in dieser Weise selbst unmittelbar getroffen, muss der Personalrat dies hinnehmen. Die Richtlinie 2002/14 EG kann hier mit ihrer wesentlichen Zweckbestimmung nicht eingreifen. Eine sozial verträgliche Steuerung des Umstrukturierungsprozesses im Wege eine "sozialen Dialogs" ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens nicht vorgesehen.

Dies bedeutet nicht, dass die Verabschiedung des Hochschulmedizingesetzes am Personalrat gleichsam vorbeizugehen hätte. Wenn auch die richtlinienspezifischen Unterrichtungs- und Anhörungspflichten aus diesem Anlass nicht zum Tragen kommen, bleibt es doch bei der Umsetzung des Gesetzes auf der Ebene der Dienststelle bei der Unterrichtung des Personalrats gem. § 57 Abs. 2 PersVG LSA. Die Informationsstandards der Richtlinie 2002/14 EG können dabei als Konkretisierung und Maßstab dienen. Das Bedürfnis nach Antizipation und Prävention - das eigentliche Anliegen der Richtlinie - ist der Sache nach allerdings auf eben diesen Umsetzungsprozess beschränkt.

Im vorliegenden Fall lassen sich aus der Richtlinie 2002/14 EG gegenüber der bisherigen Rechtslage allerdings keine bedeutsamen Unterschiede für Art und Unterrichtung des Personalrats herleiten. Der Personalrat ist auch bei Berücksichtigung der Richtlinie 2002/14 EG kein allgemeines Kontrollorgan in der Dienststelle. Angesichts der Aufgabenbindung des § 57 Abs. 2 PersVG LSA ("zur Durchführung seiner Aufgaben") bedarf es eines sachlich rechtfertigenden Anlasses für das Informationsbedürfnis des Personalrats. Dabei bleibt der Informationsanspruch in Sachzusammenhängen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass dem Personalrat Verstöße und Unbilligkeiten ihren Anlässen nach wenigstens im Anhaltspunkt erkennbar sind oder ihm doch Anlässe zu entsprechender Besorgnis von den betroffenen Beschäftigten regelmäßig mitgeteilt werden, an einen bestimmten, ein konkretes Informationsbedürfnis sachlich rechtfertigenden Anlass gebunden. Geht es dagegen um einen Sachzusammenhang, der sich normalerweise dem Blickfeld des Personalrats und der Beschäftigten entzieht, und ist daher eine Information durch die Dienststelle der einzige Weg, um den Personalrat überhaupt in den Stand zu versetzen, seine Aufgabe wahrzunehmen, so ist die Darlegung eines besonderen Anlasses für die Unterrichtung nicht erforderlich (BVerwG, Beschl. v. 22.12.1993, a. a. O.; Beschl. v. 22.4.1998 - 6 P 4.97 - PersV 99, 23; vgl. auch Dembowski/Ladwig/Sellmann, PersVG Niedersachsen, § 60 Rdnr. 12 sowie Reich, Personalvertretungsgesetz Sachsen-Anhalt mit Wahlordnung, 3. Aufl., § 57 Rdnr. 8 am Ende).

Die Dienststelle muss nach der Neufassung des § 57 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA auch Unterlagen von sich aus vorlegen. Die bisherige Einschränkung "auf Verlangen" ist in der aktuellen Gesetzesfassung nicht mehr enthalten. Die Vorlagepflicht bezieht sich nur auf in der Dienststelle bereits vorhandene Unterlagen. Doch kann sich aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit im Einzelfall ergeben, dass die Dienststelle auch eine Unterlage (z. B. eine Übersicht) neu anzufertigen und dann vorzulegen hat, soweit dies nicht mit einem unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist (vgl. Dembowski/Ladwig/Sellmann, a. a. O., § 60 Rdnr. 16). Generell kann der partnerschaftliche Gedanke in der Dienststelle als Maßstab für den Umfang der Unterrichtungspflichten gelten. Die Richtlinie 2002/14 EG spricht hier vom "Dialog zwischen den Sozialpartnern", § 2 Abs. 1 PersVG LSA von der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Die Informationspflicht des § 57 Abs. 2 PersVG LSA stellt insoweit nur eine Konkretisierung dieses Gebots dar (vgl. Bieler u. a., PersVG LSA, § 57 Rdnr. 72).

Hiervon ausgehend besteht derzeit anlässlich des In-Kraft-Tretens des HMG kein Informationsdefizit des Antragstellers, das es rechtfertigt, ihm einen Anspruch auf Unterrichtung im Umfang des Antragsbegehrens zuzubilligen. Dabei steht im Vordergrund, dass der Gesetzgeber die wesentliche Strukturentscheidung mit unmittelbarer Wirkung selbst getroffen hat. Im Hinblick auf den gesetzlich vorgesehenen Übergang der Rechte, Pflichten und Zuständigkeiten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge löst das Hochschulmedizingesetz als solches mit Ausnahme der Mitteilungspflicht des § 20 Abs. 1 Satz 4 HMG keinen aktuellen Handlungsbedarf in der Dienststelle aus, zumal das allgemeine In-Kraft-Treten des Gesetzes erst zum 1. Januar 2006 vorgesehen ist. Entsprechend gering ist das Informationsbedürfnis des Antragstellers einzuschätzen.

Zu den 15 Einzelpunkten des Antragsbegehrens ist das Folgende zu bemerken:

Die Aushändigung der Wirtschaftspläne 2004 und 2005 nebst Begründung (1), die Aushändigung des Jahresabschlusses 2004 nebst Begründung (2) und die Unterrichtung über wahrscheinliche Einsparungspotenziale durch den Rechtsformwechsel (5) lassen sich thematisch in erster Linie der in Art. 4 Abs. 2 a Richtlinie 2002/14 EG angesprochenen wirtschaftlichen Situation des Betriebs zuordnen. Konkrete Auswirkungen in diesem Bereich, die gerade auf das In-Kraft-Treten des Hochschulmedizingesetzes zurückzuführen sind, lassen sich indes derzeit nicht feststellen. Durch die Gesamtrechtsnachfolge der neuen Anstalt des öffentlichen Rechts gem. § 7 Abs. 1 HMG ist sichergestellt, dass mit dem formalen Rechtsformwechsel vorerst keine wirtschaftlichen Veränderungen im Betrieb einhergehen werden. Auch nach Einschätzung der Beteiligten ist die Mitteilung über die neue Zuordnung der Beschäftigungsverhältnisse gem. § 20 Abs. 1 Satz 4 HMG derzeit die einzig erkennbare personelle und organisatorische Maßnahme, die in eigener Zuständigkeit vorzunehmen ist (SS. v. 11.7.2005, Bl. 32 PA). Ein Verfügungsanspruch lässt sich bei dieser Sachlage nicht annehmen. Auch wenn bei komplexen Sachverhalten, die sich normalerweise dem Blickfeld des Personalrats entziehen, ein konkreter Anlass für ein Informationsbegehren nicht darzulegen ist, muss doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben der Personalvertretung gegeben sein (vgl. Bieler u. a., § 57 Rdnr. 74 mit Hinweis auf BVerwG, ZBR 91, 58 = PersR 91, 78). Ist dies nicht der Fall, besteht auch unter den Gesichtspunkten von Prävention und Antizipation kein Anspruch auf Unterrichtung des Personalrats.

Damit ist nicht ausgeschlossen, dass sich unabhängig vom neuen Hochschulmedizingesetz im Universitätsklinikum wirtschaftliche Entwicklungen andeuten, über die der Antragsteller gem. § 57 Abs. 2 PersVG LSA zu informieren ist. So wurden lt. Protokoll der Dienststellengespräche vom 16. Dezember 2004, 23. März 2005 und 9. Mai 2005 Überlegungen zur Personalentwicklung ("Normfakultät"), zum Schicksal der Berufsfachschule und zur wirtschaftlichen Lage angestellt. Der Antragsteller wurde indes - wie die Protokolle ausweisen - in diese Überlegungen voll mit einbezogen. Inwiefern sich hier Informationsdefizite ergeben haben, erschließt sich nicht. Der Antragsteller selbst sieht solche Defizite nicht, sondern leitet sein Informationsbedürfnis aus dem Hochschulmedizingesetz her.

Nichts anderes gilt im Ergebnis für die geltend gemachten Ansprüche auf schriftliche Unterrichtung zur Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung (3), die Unterrichtung über die wahrscheinliche Beschäftigungsentwicklung am Klinikum sowie der Medizinischen Fakultät (4), die Unterrichtung über die erwartete Beschäftigungsentwicklung im Vergleich von Ist und Soll (6), zur geplanten Struktur der Personalzuordnung nach dem Hochschulmedizingesetz (7), zur Beschäftigungsentwicklung des Personals der Berufsfachschule und des betroffenen Personals der allgemeinen Verwaltung der Hochschule (10), zu den Auswirkungen des Rechtsformwechsels auf die Beschäftigten mit Behinderung und dem Arbeitsschutz (12), zu den Auswirkungen der Immobilienzuordnung einschließlich von Auswirkungen auf die Beschäftigten (13), zur Wahrung der Rechte der Beschäftigten entsprechend den europarechtlichen Vorgaben (14) sowie zum Übergang der Arbeitsverhältnisse beim Rechtsformwechsel entsprechend §§ 20, 6 HMG (15). Auch diese Punkte, die thematisch zu den Fragen der Beschäftigungsstruktur und der Arbeitsorganisation gem. Art. 4 Abs. 2 b, c Richtlinie 2002/14 EG gehören, sind entweder im Hochschulgesetz unmittelbar geregelt oder aber es sind im Hinblick auf die Gesamtrechtsnachfolge aktuelle Änderungen nicht zu erwarten. Mit dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge ist verbunden, dass Ansprüche aus der betrieblichen Altersversorgung erhalten bleiben. Die Beschäftigungsstruktur nach dem Hochschulmedizingesetz ist dahin geregelt, dass die bestehenden Arbeitsverhältnisse unverändert mit der neuen Anstalt öffentlichen Rechts fortgesetzt werden. Es werden sich daher vorerst auch keine Auswirkungen für die Beschäftigungsentwicklung ergeben. Das Personal der Berufsfachschule wird dort, das der allgemeinen Verwaltung bei der Hochschule verbleiben. Ebenso wird der Rechtsformwechsel die Rechte der Behinderten und den Arbeitsschutz unberührt lassen. Für Auswirkungen der Immobilienzuordnung auf die Beschäftigten fehlt jeder Anhaltspunkt. Der Antragsteller legt auch nicht dar, welche "europarechtlichen Vorgaben" aus der Richtlinie 2001/23 EG Anlass für ein Tätigwerden aus personalvertretungsrechtlicher Sicht bieten. Für Schmälerungen des Besitzstands der Beschäftigten gibt es angesichts der Fortgeltung der Arbeitsverhältnisse keine Anhaltspunkte. Das Hochschulmedizingesetz beantwortet schließlich selbst die Frage nach dem Übergang der Arbeitsverhältnisse des wissenschaftlichen Personals gem. § 6 HMG: Es bleibt gem. § 20 Abs. 1 HMG von diesem Übergang ausgeschlossen. Sollten sich für diese Mitarbeiter konkrete Entwicklungen betreffend die Zuweisung zum Klinikum oder zur Fakultät gem. § 20 Abs. 3 HMG abzeichnen, gibt es keine Anhaltspunkte, dass die Beteiligte sich ihrer Informationspflicht entziehen wird. In ihrer Protokollerklärung vor dem Verwaltungsgericht vom 22. Juli 2005 hat sie dies ausdrücklich bekräftigt. Der Antragsteller muss sich daher insoweit auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Beteiligten verweisen lassen. Für eine Inanspruchnahme der Gerichte zwecks zwangsweiser Durchsetzung eines Informationsanspruchs hat er keinen Anlass. Dies gilt auch für mögliche beschäftigungsrelevante oder arbeitsorganisatorische Entwicklungen, die ihren Ursprung außerhalb des Hochschulmedizingesetzes haben.

Der Senat vermag Informationsdefizite auch nicht bei den verbleibenden Punkten 8, 9 und 11 des Antragsbegehrens festzustellen, und zwar ebenfalls weder im Hinblick auf das In-Kraft-Treten des Hochschulmedizingesetzes noch auf die sonstige Entwicklung in der Dienststelle. Der Geschäftsbesorgungsvertrag gem. Punkt 8 des Antragsbegehrens, der auch in § 20 Abs. 3 HMG Erwähnung findet, soll nach den Angaben des Antragstellers die Aufgabenverteilung von Universität und Klinikum betreffen. Ob ein solcher Vertrag bereits abgeschlossen wurde, lässt sich der Antragsbegründung nicht entnehmen. Hiervon abgesehen trägt der Antragsteller vor, dass die Beteiligte ihn mehrfach auf den beabsichtigten Vertragsschluss hingewiesen habe. Die Befürchtung, der Antragsteller könne nicht ausreichend informiert werden, erscheint hiernach unbegründet. Dies betrifft auch die Vorlage von Unterlagen gem. § 57 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA. Sollte der Vertrag inzwischen vorliegen, wird die Beteiligte, die mit dem Antragsteller bislang vertrauensvoll umgegangen ist, nicht zögern, ihm ein Exemplar auszuhändigen. Nichts anderes gilt für die vom Antragsteller angesprochene "Zielvereinbarung mit dem Kultusministerium". Diese ist lt. Protokoll in den Dienststellengesprächen vom 16. Dezember 2004 und vom 9. Mai 2005 erörtert worden, so dass jeder Anlass für die Annahme fehlt, die Beteiligte werde sich gegen Überlassung an den Antragsteller sträuben. Was die unter Punkt 11 des Antragsbegehrens angesprochene Erwartung von Kündigungen, Änderungskündigungen, Umgruppierungen oder Übertragung anderer Tätigkeiten anlangt, ist diese nach derzeitigem Sachstand spekulativ. Das neue Hochschulmedizingesetz rechtfertigt diese Erwartung im Hinblick auf die ungeschmälerte Fortschreibung der Arbeitsverhältnisse jedenfalls nicht. Auch bei Berücksichtigung des Anspruchs des Antragstellers auf "rechtzeitige" Unterrichtung gem. § 57 Abs. 2 Satz 1 PersVG LSA ist eine vom Antragsteller wahrzunehmende Aufgabe gem. §§ 57 Abs. 1, 58 Abs. 1 PersVG LSA im Zusammenhang mit dem Hochschulmedizingesetz daher derzeit nicht erkennbar. Soweit die genannten Maßnahmen sich aus allgemeinen Entwicklungen im Hochschulklinikum ergeben, kann der Antragsteller nach Aktenlage auf die Informationsbereitschaft der Beteiligten im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit setzen.

Aus Vorstehendem folgt, dass der Antragsteller sich für die begehrte einstweilige Verfügung auch nicht auf einen Verfügungsgrund stützen kann. Das Hochschulmedizingesetz, dessen In-Kraft-Treten der Antragsteller zum Anlass für den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nimmt, bietet angesichts der Gesamtrechtsnachfolge der neuen Anstalt des öffentlichen Rechts für Umsetzungsmaßnahmen in der Dienststelle kaum Anlass. Soweit Maßnahmen unabhängig vom In-Kraft-Treten des Gesetzes zu treffen sind, muss der Antragsteller sich auf die erklärte Bereitschaft der Beteiligten zu rechtzeitiger Information verweisen lassen. Nur dies entspricht auch dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit.

Einer Kostenentscheidung bedarf es im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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