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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 29.07.2005
Aktenzeichen: 5 L 16/04
Rechtsgebiete: ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen, PersVG LSA, ArbZVO Lehr


Vorschriften:

ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen § 2 II
ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen § 2 III
PersVG LSA § 65 I 1
PersVG LSA § 65 I 2
ArbZVO Lehr § 2
ArbZVO Lehr § 3
ArbZVO Lehr § 4
Die Mitbestimmung bei Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen gem. § 65 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA betrifft die zeitliche Lage der täglichen Arbeitszeit (Zeitrahmen).

Demgegenüber betrifft die Mitbestimmung bei Kurzarbeit oder Mehrarbeit gem. § 65 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 PersVG LSA die Arbeitsmenge. Der Vergleichswert für diese Mitbestimmungstatbestände ist die regelmäßige Arbeitszeit, die sich für Lehrer aus § 3 ArbZVO Lehr ergibt.

Die Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit für Lehrer gem. § 2 Abs. 3 ArbeitsplatzsicherungsTV Schulen LSA vom 01. März 2003 ist als Festlegung von Kurzarbeit gem. § 65 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA mitbestimmungspflichtig.


OBERVERWALTUNGSGERICHT DES LANDES SACHSEN-ANHALT BESCHLUSS

Aktenz.: 5 L 16/04

Datum: 29.07.2005

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 PersVG LSA in der Schulverwaltung.

An den allgemeinbildenden Schulen des Landes Sachsen-Anhalt ist die regelmäßige Arbeitszeit der Lehrkräfte gegenüber der Verordnung über die Arbeitszeit der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen vom 06. September 2001 (GVBl. 01, S. 376) - ArbZVO - Lehr - nach dem Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag Schulen LSA vom 01. März 2003 (Bl. 11 PA) um unterschiedliche v. H. - Sätze abgesenkt, sog. besondere regelmäßige Arbeitszeit. Für die Schuljahre 2005 - 2010 wird die besondere regelmäßige Arbeitszeit vom Beteiligten im Einvernehmen mit den beteiligten Gewerkschaften GEW und ver.di. festgelegt. Nach § 2 Abs. 2 des Tarifvertrags vom 01. März 2003 darf diese besondere regelmäßige Arbeitszeit ausgehend von den unterschiedlichen regionalen Erfordernissen wieder bis zur Höhe der regelmäßigen Arbeitszeit überschritten werden, sog. bedarfsbedingte Arbeitszeit. Die bedarfsbedingte Arbeitszeit wird nach Ziff. 6 der Niederschriftserklärungen zum Tarifvertrag vom 01. März 2003 jeweils zum 01. Mai eines jeden Jahres für das folgende Schuljahr festgelegt. Die Grundlagen und der Umfang des regionalen Ausgleichs sind zuvor mit den Gewerkschaften und dem Lehrerhauptpersonalrat (Antragsteller) zu erörtern.

Anlässlich der Festlegung der bedarfbedingten Arbeitszeit im Schuljahr 2004/2005 bat der Beteiligte den Antragsteller mit Schreiben vom 21. Juni 2004 um Erörterung. Im Ergebnis der Erörterung vom 23. Juni 2004 teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 25. Juni 2004 mit, er könne den Festlegungen der Dienststelle "nicht zustimmen". Der Beteiligte informierte mit Schreiben vom 30. Juni 2004 über aktualisierte Berechnungen, leitete aber kein Mitbestimmungsverfahren ein.

In seiner Sitzung vom 08. Juli 2004 beschloss der Antragsteller die Einleitung des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens zwecks Klärung seines Beteiligungsrechts. Am 14. Juli 2004 hat er den vorliegenden Feststellungsantrag gestellt. Er hat vorgetragen, die Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit bedeute die Anordnung von Mehrarbeit i. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA, bei der er mitzubestimmen habe.

Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, dass er bei der Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit der Lehrer im Schuljahr 2004/2005 mit zu bestimmen hatte.

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hat vorgetragen, der Antragsteller habe bislang kein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit geltend gemacht. Es überrasche, dass er dies nunmehr für das Schuljahr 2004/2005 anders sehe. Der Mitbestimmungstatbestand des § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA sei nicht gegeben. Die Angelegenheit sei durch den Tarifvertrag vom 01. März 2003 abschließend geregelt. Die Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit nach dem Tarifvertrag sei keine Anordnung von Mehrarbeit. Vielmehr sei die bedarfsbedingte Arbeitszeit eine besondere Form der Regelarbeitszeit. Die gesetzliche Regelarbeitszeit gemäß § 72 Abs. 1 BG LSA werde nicht überschritten. Eine Überforderung der Bediensteten, die durch § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA vermieden werden solle, könne nicht eintreten.

Das Verwaltungsgericht hat den Feststellungsantrag mit Beschluss vom 24. September 2004 abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, die Angelegenheit sei durch den Tarifvertrag vom 01. März 2003 abschließend geregelt. Auch stehe die Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit einer Anordnung von Mehrarbeit gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA nicht gleich. Hiervon seien auch die Parteien des Tarifvertrags ausgegangen, die ausweislich des § 2 Abs. 8 Tarifvertrag begrifflich unterschieden hätten.

Gegen diesen ihm am 30. September 2004 zugestellten Beschluss richtet sich die am 26. Oktober 2004 eingegangene Beschwerde des Antragstellers. Er trägt vor, der Tarifvertrag vom 01. März 2003 regele die Angelegenheit nicht abschließend. Soweit der Tarifvertrag lediglich eine Beteiligung in Form der Erörterung vorsehe, sei dies von § 61 Abs. 2 Satz 2 PersVG LSA nicht gedeckt. Die Bestimmung sei auf die Angelegenheit im materiellen Sinne, nicht auf die Beteiligungsform zu beziehen. Er habe bei der Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA mitzubestimmen, denn es handele sich hierbei um die Anordnung von Mehrarbeit. Mehrarbeit liege immer dann vor, wenn Arbeit über die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus zu erbringen sei. Diese werde im Land Sachsen-Anhalt durch § 2 Abs. 1 des Tarifvertrags vom 01. März 2003 festgelegt. Durch die bedarfsbedingte Arbeitszeit werde sie überschritten. Daneben habe er auch gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA mitzubestimmen, denn die Mehrarbeit betreffe zugleich Beginn, Dauer und Ende der täglichen Arbeitszeit.

Der Antragsteller beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Magdeburg - Fachkammer für Landespersonalvertretungsrecht - vom 24. September 2004 nach seinen erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er trägt vor, Mehrarbeit i. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA könne erst vorliegen, wenn die regelmäßige Arbeitszeit überschritten werde. Diese könne sich nach dem Tarifvertrag vom 01. März 2003 bis zur bedarfsbedingten Arbeitszeit erstrecken. Die bedarfsbedingte Arbeitszeit sei nach dem Verständnis der Parteien des Tarifvertrags keine Mehrarbeit.

II.

Die gemäß § 78 Abs. 2 PersVG LSA i. V. m. § 87 Abs. 1 ArbGG zulässige Beschwerde ist begründet. Dem Antragsteller stand bei der Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit für Lehrer im Schuljahr 2004/2005 ein Mitbestimmungsrecht zu. Dies ist unter Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses antragsgemäß festzustellen.

Die Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit gem. § 2 Abs. 2 und 3 des Tarifvertrags vom 01. März 2003 richtet sich nicht an eine bestimmte Lehrkraft, sondern betrifft alle Lehrer an den allgemeinbildenden Schulen des Landes. Die Maßnahme lässt sich deshalb nicht den personellen Angelegenheiten der §§ 66, 67 zuordnen, sondern gehört zu den sozialen Angelegenheiten des § 65 Abs. 1 PersVG LSA (vgl. Reich, PersVG LSA, 3. Aufl., § 65 Rdnr. 3; Dembowski/Ladwig/Sellmann, PersVG Niedersachsen, § 67 Rdnr. 73).

Soweit die Beteiligten aus dem Katalog der dortigen Maßnahmen die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden gem. § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA in Betracht ziehen, ist dem nicht zu folgen. Dieser Mitbestimmungstatbestand ist nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen nicht einschlägig. § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA bezieht sich dem Grunde nach auch auf die Frage, "ob" Mehrarbeit geleistet werden soll. Die bisherige einschränkende Interpretation dieses Mitbestimmungstatbestands, nach der nur das "wie" der Mehrarbeit als mitbestimmungspflichtig angesehen wurde, war verfassungsrechtlichen Bedenken geschuldet, die durch die Neufassung des Personalvertretungsgesetzes des Landes durch Gesetz vom 16. März 2004, GVBl. 2004, S. 205 ausgeräumt wurden (s. BVerwG, Beschl. v. 03.12.2001 - 6 P 12.00 - PersR 02, 163, 166 zum Hmb PersVG; Bieler/Plaßmann/Vogelsang/Schroeder-Printzen, PersVG LSA, § 65 Rdnr. 55).

Der Mitbestimmungstatbestand des § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA knüpft jedoch in tatsächlicher Hinsicht daran an, dass über die gesetzliche Regelarbeitszeit hinaus Arbeit geleistet werden soll. Dieser Bezugspunkt der Mehrarbeit entspricht der Terminologie in § 3 ArbZO sowie § 72 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BG LSA und findet sich sinngemäß auch in der ArbZVOLehr vom 06. September 2001 wieder. In § 3 ArbZVOLehr wird eine "Regelstundenzahl" bestimmt, von der nach Maßgabe des § 4 ArbZVOLehr in Form von Mehr (oder Minder) Zeiten abgewichen werden kann. Die Parteien des Tarifvertrags vom 01. März 2003 verwenden als Ausgangspunkt für die Berechnung der Unterrichtsverpflichtung in § 2 Abs. 1 Tarifvertrag ebenfalls den Begriff der regelmäßigen Arbeitszeit und gelangen ausgehend von der Regelstundenzahl der ArbZVOLehr zu einem prozentualen Abschlag mit einer entsprechend reduzierten Unterrichtsverpflichtung. Die gesetzlich vorgesehene regelmäßige Arbeitszeit wird auch in der Rechtsprechung als Vergleichswert für mitbestimmungspflichtige zusätzliche Pflichten des Beschäftigten angesehen (BVerwG, Beschl. v. 20.07.1984 - 6 P 16.83 -, E 70, 1, 3; vgl. auch Dembowski/Ladwig/Sellmann, PersVG Niedersachsen § 67 Rdnr. 70).

Hievon ausgehend ist die Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit durch den Arbeitgeber gemäß § 2 Abs. 3 Tarifvertrag vom 01. März 2003 mit der Anordnung von Mehrarbeit i. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA nicht gleichzusetzen. Die bedarfsbedingte Arbeitszeit darf gemäß § 2 Abs. 2 Tarifvertrag vom 01. März 2003 nur bis zur Höhe der regelmäßigen Arbeitszeit überschritten werden. Der Beteiligte beabsichtigt, sich an diese tarifvertragliche Regelung zu halten und anderes ergibt sich auch nicht aus dem der Antragsschrift beigefügten Zahlenwerk. Die Vorschläge für die bedarfsbedingte Arbeitszeit bleiben vielmehr ausnahmslos hinter den Regelstundenzahlen gemäß § 3 Abs. 2 ArbZVOLehr zurück.

Der Antragsteller stellt dies auch nicht in Frage. Er sieht eine Anordnung von Mehrarbeit í. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA aber darin, dass die bedarfsbedingte Arbeitszeit die "besondere regelmäßige Arbeitszeit" gemäß § 2 Abs. 1 Tarifvertrag vom 01. März 2003 wieder übersteigen soll. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Vergleichswert für die Mehrarbeitszeit ist - wie ausgeführt - nicht die abgesenkte "besondere regelmäßige Arbeitszeit" des § 2 Abs. 1 Tarifvertrag vom 01. März 2003, sondern die regelmäßige Arbeitszeit nach der ArbZVOLehr. Danach ist die bedarfsbedingte Arbeitszeit i. S. des § 2 Abs. 2 Tarifvertrag vom 01. März 2003 keine Mehrarbeit i. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA, sondern eine modifizierte Form der Minderarbeit. Dieses Ergebnis steht in Übereinstimmung mit dem Gesetzeszweck. Die Mitbestimmung der Personalvertretung soll dazu beitragen, dass die Beschäftigten in physischer und psychischer Hinsicht nicht überbeansprucht werden (vgl. Reich, PersVG LSA, 3. Aufl. § 65 Rdnr. 3). Ein Überbeanspruchung ist aber nicht zu befürchten, solange die Beschäftigten nicht mehr, sondern weniger arbeiten sollen. Eben dies liegt in der Zielrichtung des Tarifvertrags vom 01. März 2003, der keine Mehrarbeit einführt, sondern die Pflichtstundenzahl der Lehr absenkt, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, vgl. § 2 Abs. 7 Tarifvertrag. Diesem Ziel ordnet sich auch die Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit unter, mit der lediglich regionale Besonderheiten ausglichen werden sollen.

Ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers folgt auch nicht aus den arbeitszeitbezogenen Tatbeständen des § 65 Abs. 1 Nr. 1 Altn. 1 PersVG LSA. Der Personalrat hat hiernach - soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht - mitzubestimmen über Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen. Diese Tatbestände betreffen die Lage der Arbeitszeit im Tagesverlauf (Zeitrahmen). Sie ergibt sich aus den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, hier § 2 Abs. 1 ArbZVOLehr (vgl. Bieler/Plaßmann/Vogelsang/Schroeder-Printzen, a. a. O., § 65 Rdnr. 15, 21; Reich, PersVG LSA, 3. Aufl., § 65 Rdnr. 3). Sie sind abzugrenzen von Maßnahmen, die die Arbeitsmenge innerhalb der täglichen Arbeitszeit betreffen, deren Lage (Zeitrahmen) aber unberührt lassen. Veränderungen der Arbeitsmenge sind ggf. als Mehrarbeit gem. § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA oder als Kurzarbeit gem. § 65 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA mitbestimmungspflichtig. Sie gehören aber nicht zu den arbeitszeitbezogenen Tatbeständen des § 65 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA. Wenn der Landesgesetzgeber insoweit selbständige Tatbestände geschaffen hat, muss davon ausgegangen werden, dass eine Abgrenzung beabsichtigt ist. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass Mehrarbeit oder auch Kurzarbeit zugleich Anlass für eine Änderung der täglichen Arbeitszeit gibt und in diesen Fällen eine Konkurrenz der Mitbestimmungstatbestände eintritt. Ein Automatismus in dieser Richtung besteht nach der landesrechtlichen Regelung aber nicht.

Aus der o. a. angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Beschl. v. 03.12.2001 - 6 P 12.00 -, PersR 02, 163 ff.) folgt nichts anderes. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist nicht dahin zu verstehen, dass die Anordnung von Mehrarbeit stets den arbeitsbezogenen Tatbeständen des § 75 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG zuzuordnen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hatte in der damaligen prozessualen Einkleidung des "Globalantrags" lediglich zu entscheiden, ob die Anordnung von Mehrarbeit zugleich eine arbeitszeitbezogene Regelung i. S. des § 75 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG sein k a n n , nicht aber darüber, ob dies stets der Fall ist. Die Entscheidung lässt sich im Übrigen auch deshalb nicht auf die landesrechtliche Regelung beziehen, weil das Bundesrecht anders als das Landesrecht für die Anordnung von Mehrarbeit keinen selbständigen Mitbestimmungstatbestand vorsieht.

Vorliegend ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass mit der Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit für Lehrer gemäß § 2 Abs. 3 Tarifvertrag vom 01. März 2003 zugleich die regelmäßige tägliche Arbeitszeit i. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA geändert wird. Zur Arbeitszeit der Lehrer bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 2 ArbZVOLehr, dass die Lehrkräfte - soweit sie nicht Unterrichtsverpflichtungen oder andere dienstliche Verpflichtungen zu bestimmten Zeiten wahrzunehmen haben - in der Erfüllung ihrer Aufgaben zeitlich nicht gebunden sind. Dieser zeitliche Rahmen für die Wahrnehmung der mit der Lehrtätigkeit verbundenen Aufgaben wird durch die Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit nicht berührt. Die Unterrichtsstunden werden üblicherweise an den Werktagen mit Schwerpunkt in den Vormittagsstunden erteilt. Sie werden von Pausen unterbrochen soweit nicht in Doppelstunden oder in anderer Form zusammenhängend unterrichtet wird. Diese Lage (Zeitrahmen) der Unterrichtsstunden ist unabhängig von der Pflichtstundenzahl der Lehrkräfte. Der Antragsteller selbst trägt nicht vor, dass der Beteiligte Anlass genommen hat, anlässlich der Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit insoweit eine Änderung vorzunehmen.

Dem Antragsteller stand bei der Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit für Lehrer jedoch ein Mitbestimmungsrecht gem. § 65 Abs. 1 Nr. 1 Altn. 2 PersVG LSA (Festsetzung von Kurzarbeit) zu. Mit dem Begriff der Kurzarbeit ist das Gegenstück zur Mehrarbeit i. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA bezeichnet. Der Mitbestimmungspflicht sind diejenigen Maßnahmen unterworfen, mit denen die regelmäßige Arbeitszeit abgesenkt wird, die also zu einem Ausfall an Arbeitszeit führen. In § 2 Abs. 1 Tarifvertrag Schulen vom 1. März 2003 ist eine Herabsetzung der regelmäßigen Arbeitszeit zum Zweck der Arbeitsplatzsicherung vorgesehen. In diesen Regelungszusammenhang ist auch die Festlegung der bedarfsbedingten Arbeitszeit gem. § 2 Abs. 2 und 3 Tarifvertrag Schulen einzubeziehen. Zwar wird mit der bedarfsbedingten Arbeitszeit die Untergrenze der besonderen regelmäßigen Arbeitszeit gem. § 2 Abs. 1 Tarifvertrag Schulen wieder überschritten. Dies ändert aber nichts daran, dass es sich bei der bedarfsbedingten Arbeitszeit lediglich um eine Sonderform der herabgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit handelt. Auch die bedarfsbedingte Arbeitszeit bleibt hinter der Regelarbeitszeit zurück. Sie ist deshalb - wie ausgeführt - keine Mehrarbeit i. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA, bleibt aber als Festsetzung von Kurzarbeit gem. § 65 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA mitbestimmungspflichtig. Wollte man dies anders sehen, würde dies auf eine Lücke in der Beteiligungspflicht bei Maßnahmen hinauslaufen, die die Arbeitsmenge betreffen. Dies liegt ersichtlich nicht in der Zielrichtung des Gesetzes, das derartige Maßnahmen generell der Mitbestimmung unterwerfen will, sei es als Mehrarbeit i. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 2 PersVG LSA, sei es als Kurzarbeit i. S. des § 65 Abs. 1 Nr. 1 PersVG LSA. Eine einschränkende Gesetzesanwendung ist auch nicht deshalb angängig, weil die bedarfsbedingte Arbeitszeit nicht bereits im Tarifvertrag Schulen selbst, sondern durch Organisationsentscheidung des Beteiligten im jährlichen Abstand neu festgelegt wird. Der mitbestimmungspflichtige Tatbestand wird damit zeitlich und verwaltungstechnisch gestreckt, was aber an seiner sachlichen Zuordnung nichts ändert. Der Mitbestimmung des Antragstellers steht auch nicht die einschränkende Verweisung des § 65 Abs. 1 Satz 1 PersVG LSA auf vorrangige gesetzliche oder tarifliche Regelungen entgegen. Dieser Vorrang besteht nur, "soweit" eine Regelung getroffen wurde. Dies ist im Tarifvertrag Schulen nur hinsichtlich der besonderen regelmäßigen Arbeitszeit, nicht aber hinsichtlich der bedarfsbedingten Arbeitszeit geschehen. Eine Beschränkung des Mitbestimmungsrechts wird schließlich nicht dadurch herbeigeführt, dass die Tarifvertragsparteien beim Abschluss des Tarifvertrags Schulen offenbar lediglich von einer Beteiligung des Lehrerhauptpersonalrats in Form der Erörterung ausgegangen sind. Abgesehen davon, dass sich dies nur aus den beigefügten Niederschriftserklärungen ergibt (dort Ziff. 6), können Tarifverträge auch nicht vorrangiges staatliches Recht außer Kraft setzen. Sieht das Gesetz eine Mitbestimmung vor, kann dieses nicht durch Tarifvertrag in ein Beteiligungsrecht minderen Ranges umgewandelt werden. Eine entsprechende Regelung geht ins Leere (Loewisch/Rieble, Tarifvertragsgesetz, § 1 Rdnr. 137, 246).

Einer Kostenentscheidung im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren bedarf es mangels prozessualer Kostentragungspflicht nicht. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erübrigt sich mangels einer vollstreckungsfähigen Entscheidung (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 91 Rdnr. 13, § 84 Rdnr. 29, § 85 Rdnr. 3).

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 72 Abs. 2 ArbGG bezeichneten Gründe vorliegt.

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