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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 11.12.2006
Aktenzeichen: 4 Ta 251/06 (8)
Rechtsgebiete: SGB III


Vorschriften:

SGB III § 187 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS

Az.: 4 Ta 251/06 (8)

In dem PKH-Beschwerdeverfahren

hat die 4. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung am 11.12.2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin/Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen, Außenkammern Görlitz, vom 31.07.2006 - 9 Ca 9211/06 - wird aus den im oben genannten Beschluss und den im Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom 13.10.2006 dargelegten Gründen, denen sich das Beschwerdegericht im vorliegenden Beschwerdeverfahren in vollem Umfange anschließt, zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin/Klägerin ist zwar zulässig (§§ 567, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO). In der Sache hat sie indessen keinen Erfolg, da das Arbeitsgericht hier für die Klageanträge vom 01.06.2006 und den Antrag zu Ziff. 4. aus der Klageerweiterung vom 06.06.2006 zu Recht mangels Vorliegens der Erfolgsaussicht dieser Anträge die beantragte Prozesskostenhilfe versagt hat.

Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausführt, war die Klägerin im Zeitpunkt der Bewilligungsreife - dies war hier der 17.06.2006 -, nämlich der Zeitpunkt, als die Klägerin die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Gericht einreichte, nicht mehr Inhaberin der hier geltend gemachten Vergütungsforderungen für die Monate März, April und Mai 2006. Vorliegend ist die von der Klägerin erhobene Abrechnungs- und Zahlungsklage hinsichtlich der Vergütungsforderung der Klägerin für die Monate März bis Mai 2006 erstinstanzlich zwar noch nicht beendet, wohl aber das Hauptsacheverfahren nach § 240 Abs. 1 ZPO unterbrochen (vgl. Beschluss des Arbeitsgerichts vom 04.07.2006 [Bl. 40 d. A.]), da über das Vermögen der Beklagten durch Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 01.07.2006 - 532 IN 1534/06 - um 13:00 Uhr wegen deren Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Ob die Vorschrift des § 240 ZPO auch für das PKH-Verfahren gilt, wenn über das Vermögen des Prozessgegners das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, ist umstritten. Teils wird angenommen, dass § 240 ZPO im PKH-Verfahren weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung finde, denn das PKH-Verfahren sei vom Hauptsacheverfahren völlig unabhängig; es setze weder voraus, dass die Hauptsache bereits anhängig sei noch dass sie jemals anhängig gemacht werde (so OLG Köln v. 07.07.1998 - 15 W 70/98, JurBüro 1998, 595 = NJW-RR 1999, 276 = NZI 1999, 30; ferner OLG Koblenz v. 20.11.1987 - 5 W 583/87, AnwBl 1989, 178; OLG Düsseldorf v. 28.04.2003 - 22 U 100/00, MDR 2003, 1018 = ZIP 2003, 2131; OLG Rostock v. 08.08.2003 - 3 W 68/03, OLGR Rostock 2004, 151), teils wird angenommen, dass durch die Insolvenzeröffnung nicht nur das Erkenntnisverfahren, sondern auch das PKH-Verfahren unterbrochen werde, und zwar jeweils in der Lage, in der sich diese Verfahren befinden (OLG Düsseldorf v. 04.12.1998 - 16 U 139/98, OLGR Düsseldorf 1999, 166; LAG Hamm v. 03.02.1999 - 4 Sa 1050/98, AE 2001, 91 = BuW 1999, 840; OLG Köln v. 15.11.2002 - 2 U 79/02, MDR 2003, 526 = NJW-RR 2003, 264 = ZInsO 2002, 1184 = ZIP 2003, 1056; OLG Bamberg v. 05.12.2003 - 3 W 128/03, OLGR Bamberg 2004, 181).

Die Beschwerdekammer folgt hier der zuerst genannten Auffassung und geht für das Beschwerdeverfahren von keiner Unterbrechung im Sinne des § 240 ZPO aus.

Gleichwohl fehlt der hier streitgegenständlichen Klage der Klägerin im Zeitpunkt der Bewilligungsreife, das ist der 17.06.2006 (vgl. oben), mangels deren Aktivlegitimation die hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Denn die Klägerin hatte hier ausweislich des Protokolls vom 27.06.2006 (Bl. 35 d. A.) bereits am 10.06.2006 Antrag auf Insolvenzgeld gestellt. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin ging bei dem Arbeitsgericht jedoch erst am 17.06.2006 ein (erst ab diesem Zeitpunkt entsprach der PKH-Antrag der Klägerin vom 09.06.2006 den Erfordernissen des § 117 ZPO und war daher bewilligungsreif) - zu einem Zeitpunkt also, als die Klägerin nicht mehr Inhaberin der geltend gemachten Forderung war und ihr somit die Aktivlegitimation hinsichtlich des gesamten Gehaltsanspruchs fehlte.

Denn gemäß § 187 Satz 1 SGB III gehen die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die den Insgeld-Anspruch begründen, abweichend von § 115 SGB X bereits mit der Stellung des Insg-Antrags auf die Bundesagentur für Arbeit über, wenn auch nur eine entfernte Möglichkeit besteht, dass die Insg-Leistung in Betracht kommt (so zu § 141m AFG; BSG v. 20.06.2001 - B 11 AL 97/00 R, ZInsO 2002, 152). Es besteht bei Insg-Gewährung auch kein Anspruch des Arbeitnehmers gegen die Bundesagentur für Arbeit auf Rückübertragung der steuerlichen Bruttorestlohnforderung (BSG v. 20.06.2001 - B 11 AL 97/00 R, ZInsO 2002, 152). Der Arbeitnehmer verliert mit der Antragstellung zugleich die Aktivlegitimation hinsichtlich des gesamten Bruttolohn oder Gehaltsanspruchs, für den er Insolvenzgeld beantragt, denn an die Stelle des Entgeltanspruchs tritt der Insg-Anspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit (LAG Hamm v. 03.02.1999 - 4 Sa 1050/98, BuW 1999, 840; LAG Hamm v. 31.01.2001 - 4 Ta 359/00, ZInsO 2001, 480). Es handelt sich dabei zwar zunächst nur um einen vorläufigen Rechtsübergang, der sich allerdings dann verfestigt, wenn dem Arbeitnehmer bindend und rechtskräftig Insolvenzgeld zuerkannt wird. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer die Aktivlegitimation für die Geltendmachung der rückständigen Entgeltforderungen endgültig verloren, so dass der unterbrochene Zahlungsprozess für ihn endgültig beendet ist, denn auch eine Fortsetzung desselben im Wege der Prozessstandschaft zugunsten der Bundesagentur für Arbeit kommt nicht in Betracht. In eigenem Namen kann jemand ein fremdes Recht im Klagewege nämlich nur dann geltend machen, wenn ihm die Berechtigte eine entsprechende Ermächtigung erteilt und er an der Durchsetzung des Rechts ein eigenes schutzwürdiges Interesse hat (sog. gewillkürte Prozessstandschaft; vgl. BGH v. 22.12.1988 - VII ZR 129/88, WM 1989, 585). Ein eigenes rechtsschutzwürdiges Interesse als Prozessstandschafter, das fremde Recht im eigenen Namen geltend machen zu können, kann im arbeitsgerichtlichen Verfahren nur in Ausnahmefällen bejaht werden (siehe dazu LAG Hamm, Urteil v. 11.10.2000 - 2 Sa 306/00, ZInsO 2001, 240). Es ist bei einem Arbeitnehmer, der Insolvenzgeld beantragt hat, in der Regel nicht feststellbar (LAG Frankfurt/Main, Urt. v. 04.05.1998 - 11 Sa 2171/97, ARST 1999, 232, 233 = NZA-RR 2000, 162, 163).

Nach alledem war daher die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung hatte nicht zu ergehen.

Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 S. 1 ArbGG i. V. m. §§ 567 Abs. 1 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

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