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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 01.07.2003
Aktenzeichen: A 3 B 503/02
Rechtsgebiete: VwVfG, AsylVfG


Vorschriften:

VwVfG § 48 Abs. 4 Satz 1
AsylVfG § 73
AsylVfG § 78 Abs. 3
AsylVfG § 78 Abs. 4 Satz 4
Für die Aufhebung nach § 73 AsylVfG gilt die Jahresfrist i. S. v. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nicht.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: A 3 B 503/02

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Anerkennung als Asylberechtigter und Abschiebungsschutz hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 3. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Richter am Oberverwaltungsgericht Künzler als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgericht Voigt und den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Heitz

am 1. Juli 2003

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 22. Mai 2002 - A 4 K 31051/00 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

Gründe:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 22.5.2002 ist unbegründet. Soweit der Kläger mit seinen Ausführungen den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG i. S. v. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt hat, liegt dieser Zulassungsgrund nicht vor; die weiteren vorgebrachten Erwägungen zu bestehenden ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit und zum Vorliegen eines Verfahrensmangels genügen diesem Darlegungserfordernis nicht.

Dem Darlegungserfordernis nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügt ein Vorbringen, das einen Zulassungsgrund i. S. v. § 78 Abs. 3 AsylVfG deutlich bezeichnet und das des Weiteren erläutert, warum ein solcher Zulassungsgrund gegeben sein soll.

Diesem Erfordernis entspricht zunächst das Vorbringen in Nr. 1 des Antragsschriftsatzes des Klägers nicht, wonach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestünden. Der Sache nach nimmt der Kläger damit nicht Bezug auf einen Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylVfG, sondern auf den in § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO angesprochenen Zulassungsgrund für die allgemeine Zulassungsberufung. Die Zulassungsgründe in § 78 Abs. 3 AsylVfG sind als fachgesetzliche Sonderregelungen abschließend; die teilweise weitergehenden Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO sind im Asylverfahren nicht anwendbar.

Dem Darlegungserfordernis entspricht auch nicht die weitere Erwägung des Klägers in Nr. 2 des genannten Schriftsatzes, wonach ein Verfahrensmangel vorliege, weil das Berufungsgericht nicht aufgeklärt habe, ob die Verfolgungsgefahr in der Türkei entfallen sei. Auch wenn angenommen würde, dass der Kläger mit diesem Vorbringen auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 VwGO Bezug nehmen wollte, wäre - abgesehen davon, dass das Vorbringen keine hinreichende Erläuterung i. S. des genannten Darlegungserfordernisses enthält - die der Sache nach angesprochene Verletzung der Amtsermittlungspflicht i. S. von § 86 Abs. 1 VwGO kein Verfahrensmangel i. S. des § 78 Abs. 3 Nr. 3 VwGO, da der angesprochene Verfahrensfehler in § 138 VwGO nicht genannt ist.

Dagegen entspricht das Vorbringen des Klägers unter Nr. 3 seines Antragsschriftsatzes, wonach die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, dem genannten Darlegungserfordernis. Dies folgt zwar nicht bereits wegen der vorgebrachten Erwägung, wonach ein Fall wie hier bisher nicht entschieden worden sei; eine konkrete auf die Rechtslage oder Tatsachenfeststellungen bezogene Frage, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen Fortentwicklung des Rechts obergerichtlicher Klärung bedürfte, ist damit ersichtlich nicht aufgeworfen. Dem Darlegungserfordernis genügt jedoch das Vorbringen, wonach grundsätzlich geklärt werden müsse, ob neben § 73 AsylVfG auch die Regelungen in §§ 48, 49 VwVfG und damit auch die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 VwVfG anzuwenden sei.

Die Berufung kann wegen dieses dargelegten Zulassungsgrundes i. S. von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG jedoch nicht zugelassen werden, weil die aufgeworfene Rechtsfrage keiner Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf, da sie sich ohne weiteres beantworten lässt; für die Aufhebung nach § 73 AsylVfG gilt die Jahresfrist i. S. v. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nicht.

§ 73 AsylVfG enthält für die Aufhebung einer Asylanerkennung und die Feststellung i. S. von § 51 Abs. 1 AuslG spezialgesetzliche Regelungen, wonach zum einen nach § 73 Abs. 1 AsylVfG ein Widerruf vorzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen für diese asylrechtlichen Entscheidungen nicht mehr vorliegen und keine besonderen Gründe i. S. von § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG vorliegen. Des Weiteren ist in § 73 Abs. 2 AsylVfG angesprochen, dass die genannten Entscheidungen zurückzunehmen sind, wenn sie durch unrichtige Angaben oder infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt wurden und diese Entscheidungen sich nicht aus anderen Gründen rechtfertigen. Für die genannten Fallgruppen enthält § 73 AsylVfG damit Regelungen, wonach Entscheidungen zwingend - im Falle des Widerrufs - vorbehaltlich von Gründen i. S. von § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG - aufzuheben sind. Gegenüber den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Aufhebungsregelungen in den §§ 48, 49 VwVfG, - die nur dann zur Anwendung kommen können, wenn § 73 AsylVfG dafür Raum lässt (BVerwG, Urt. v. 19.9.2000, NVwZ 2001, 335) - enthält die genannte Norm daher für die dort angesprochenen Fallgruppen spezielle Regelungen, wonach das im Ermessen stehende Aufhebungsrecht i. S. der §§ 48, 49 VwVfG zu einer Aufhebungspflicht verschärft wird. Diese Verschärfung zu einer Aufhebungspflicht knüpft maßgeblich an die materielle Voraussetzung einer nicht bestehenden Verfolgungsgefahr an - entweder weil die Gefahr entfallen ist (§ 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) oder weil eine tatsächlich nicht bestehende Verfolgungsgefahr wegen unrichtiger oder unvollständiger Angaben zunächst angenommen wurde (§ 73 Abs. 2 AsylVfG).

Mit dieser Anknüpfung an die Verfolgungsgefahr kommt zum Ausdruck, dass diese nicht nur für die Begründung der mit der Asylanerkennung oder der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG einhergehenden Rechtsposition des Ausländers erforderlich ist, sondern auch für die Beibehaltung dieses formellen Status. Gesichert wird damit, dass die formelle Rechtsposition mit der wegen der Verfolgungsgefahr bestehenden Schutzwürdigkeit des Ausländers fortwährend in Einklang steht. Damit wäre nicht vereinbar, wenn für die Aufhebung nach § 73 AsylVfG die Jahresfrist i. S. v. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG gelten würde. Könnte wegen einer abgelaufenen Jahresfrist die behördliche Entscheidung einer Asylanerkennung oder Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht aufgehoben werden, obwohl eine durch die Verfolgungsgefahr bestehende Schutzbedürftigkeit nicht vorliegt, entstünde eine Divergenz zwischen der formellen Rechtsposition des Ausländers und der materiellen Voraussetzung einer Verfolgungsgefahr. Mit der durch § 73 AsylVfG bezweckten Sicherung eines Einklangs zwischen der formellen Rechtsposition und der durch eine Verfolgungsgefahr begründeten Schutzbedürftigkeit, wäre dies nicht vereinbar (OVG NW, Beschl. v. 18.4.2002, NVwZ 2002, Beilage Nr. I 8, 93; OVG Rh.-Pf., Beschl. v. 20.1.2000, InfAuslR 2000, 468; OVG Hamburg, Urt. v. 20.12.1993, Az.: Bf VII 10/92, zitiert nach juris-web; a.A. VG Stuttgart, Urt. v. 7.1.2003, InfAuslR 2003, 261).

Da somit der vom Kläger dargelegte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i. S. von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vorliegt, ist der Antrag mit der sich aus § 154 Abs. 2 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen Es besteht keine Veranlassung, die außergerichtlichen Kosten des beteiligten Bundesbeauftragten entsprechend § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b Abs. 1 AsylVfG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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