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Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Landesarbeitsgericht
Beschluss verkündet am 14.06.2005
Aktenzeichen: 2 TaBV 11/04
Rechtsgebiete: BetrVG, WO 2001, WO 1953


Vorschriften:

BetrVG § 18
BetrVG § 19
BetrVG § 1952
WO 2001 § 3 Abs. 2 Nr. 13
WO 1953 § 13
Das Gebot der Öffentlichkeit der Stimmenauszählung (hier: bei der Wahl des Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat) beinhaltet auch, dass das Wahlausschreiben den Umstand der öffentlichen Stimmenauszählung angibt.
Sächsisches Landesarbeitsgericht BESCHLUSS

2 TaBV 11/04

verkündet am 14.06.2005

In dem Beschlussverfahren

hat die 2. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch ihren Vorsitzenden, den Vorsitzenden Richterin am Landesarbeitsgericht ... sowie durch die ehrenamtlichen Richter Herrn ... und Herrn ... auf die mündliche Anhörung der Beteiligten am 08.06.2005 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bautzen vom 15. April 2004 - 8 BV 8007/03 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten auch in dem Beschwerdeverfahren weiter darüber, ob die Wahl des Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat vom 09.09.2003 für unwirksam zu erklären ist.

Von der erneuten Darstellung des Sachverhalts wird aufgrund der Regelungen in § 540 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO (entsprechend) abgesehen und stattdessen auf die Beurkundung des Vorbringens der Beteiligten unter Abschnitt I. der Gründe des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Bautzen vom 15.04.2004 Bezug genommen.

Die Beteiligte zu 1. wird im Folgenden als Arbeitgeberin, der Beteiligte zu 2. als Arbeitnehmer bezeichnet.

Die Wahlanfechtung der Arbeitgeberin hatte bei dem Arbeitsgericht Erfolg.

Der Arbeitnehmer hat gegen den ihm am 28.04.2004 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts am 18.05.2004 Beschwerde eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Frist zur Begründung der Beschwerde bis 26.07.2004 am 23.07.2004 ausgeführt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Wahlanfechtung zu Recht entsprochen und die Wahl des Arbeitnehmervertreters im Aufsichtsrat vom 09.09.2003 für unwirksam erklärt.

Entsprechend § 19 (Wahlanfechtung) BetrVG kann die gegenständliche Wahl beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Zur Anfechtung berechtigt sind mindestens drei Wahlberechtigte, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber. Die Wahlanfechtung ist nur binnen einer Frist von zwei Wochen, vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an gerechnet, zulässig.

Hier ist die Anfechtungsfrist durch die anfechtungsberechtigte Arbeitgeberin unstreitig gewahrt.

Auch besteht ein Anfechtungsgrund.

1. Ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften, der das Wahlergebnis beeinflusst haben konnte und damit die Wahlanfechtung rechtfertigt, liegt bereits in der Verletzung der §§ 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (analog), 13 WO 1953. Denn die Stimmauszählung im Betriebsratsbüro erfolgte nicht öffentlich. Auf die weiter geltend gemachten Verstöße gegen Wahlvorschriften kommt es damit nicht mehr an.

a) Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner bereits in dem angegriffenen Beschluss referierten und den Beteiligten im Übrigen auch bekannten Entscheidung vom 15.11.2000 (- 7 ABR 53/99 - AP Nr. 10 zu § 18 BetrVG 1972) einen Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Auszählung der Stimmen schon dann erkannt, wenn der Wahlvorstand die Betriebsöffentlichkeit von sich aus weder über den Umstand, dass die Stimmen öffentlich ausgezählt werden, noch über Ort und Zeit der Auszählung informiert.

Dann habe die Betriebsöffentlichkeit nicht den erforderlichen ungehinderten Zugang zur Beobachtung der Auszählung. Es hänge dann von Zufällen ab, ob der Einzelne überhaupt von der Möglichkeit der Beobachtung erfährt. Es sei nicht selbstverständlich, dass jeder Arbeitnehmer ohne entsprechende Information damit rechnet, der Auszählung beiwohnen zu können. Das Erfordernis, selbst aktiv zu werden und sich nach dem Bestehen einer Teilnahmemöglichkeit sowie nach deren Ort und Zeit zu erkundigen, sei geeignet, Zugangsberechtigte von vornherein von der Teilnahme auszuschließen, sei es aufgrund von Unkenntnis, sei es durch die psychologische Hemmschwelle, die einer Nachfrage entgegenstehen kann (BAG vom 15.11.2000, a. a. O.).

Dem schließt sich die Beschwerdekammer an. Die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts überzeugen für sich. Überzeugt haben sie letztlich auch den Gesetzgeber. Denn dieser hat mittlerweile in § 3 (Wahlausschreiben) Abs. 2 Nr. 13 WO 2001 als Pflichtangaben für das Wahlausschreiben u. a. vorgeschrieben:

"Ort, Tag und Zeit der öffentlichen Stimmenauszählung."

Sowohl aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts als auch aus der genannten Regelung der WO 2001 ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass es nicht nur um die Angabe von Ort, Tag und Zeit geht. Erforderlich ist vielmehr auch und insbesondere eine Angabe dazu, dass die Stimmen öffentlich ausgezählt werden.

b) Die E-Mail vom 25.08.2003 nennt lediglich eine Zeit (den 09.09.2003 ab 18:00 Uhr).

Aus ihr ergibt sich der Ort der Auszählung der Stimmen nicht.

Es bedarf hier keiner abschließenden Klärung, ob den Arbeitnehmern aus anderen Gründen bekannt war, dass die Stimmenauszählung im Betriebsratsbüro, das zugleich als Büro des Wahlvorstandes diente, stattfand.

Aus der E-Mail ergibt sich jedenfalls nicht der Umstand, dass die Stimmen öffentlich ausgezählt würden. Dies folgt schon aus ihrem beschränkten Adressatenkreis. Er bezieht sich lediglich auf drei Mitarbeiter, die an einem bestimmten Tag ab einer bestimmten Uhrzeit vom Wahlvorstand für die Stimmenauszählung benötigt würden. Dadurch muss sich nicht jeder Mitarbeiter angesprochen fühlen. Insbesondere muss sich nicht derjenige Mitarbeiter angesprochen fühln, der der Auffassung ist, es würden sich schon genügend andere Personen als Wahlhelfer zur Verfügung stellen. Er wird dann fernbleiben.

Der Zusatz "wie lange dies andauern wird, können wir nicht abschätzen" ist eher geeignet, von einer Teilnahme abzusehen, auch wenn es weiter heißt "die Zeit ist natürlich Arbeitszeit". Einen unbefangenen oder/und des Wahlverfahrensrechts unkundigen Empfänger der E-Mail könnte der Zusatz von einer Teilnahme sogar geradezu abhalten. Er könnte sich verleitet sehen, das offene Ende der Auszählung nicht abzuwarten oder diese erst gar nicht erleben zu wollen und auf die Mitteilung des Endergebnisses zu warten.

Auch die Aufforderung, bei Interesse einer Tätigkeit als Wahlhelfer eine E-Mail an drei näher benannte Personen zu senden, widerspricht dem Grundsatz, dass der Wahlvorstand seinerseits durch Herstellung der Betriebsöffentlichkeit aktiv zu werden hat. Wer seine Unterstützung nicht zusagt und wer auf seine E-Mail keine Antwort erhält, muss sich für entbehrlich halten. Er muss keinen Anlass erkennen, der Auszählung der Stimmen als Teil der Öffentlichkeit gleichwohl beizuwohnen. Auch insofern wirkt sich die E-Mail vom 25.08.2003 in gewisser Weise nicht nur nicht als positive Information über den Umstand, dass die Stimmen öffentlich ausgezählt werden, aus. Sie ist vielmehr geeignet, Öffentlichkeit zu verhindern.

2. Die Anfechtung der Wahl wegen der Verletzung des § 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG analog ist nicht nach § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG analog ausgeschlossen.

Wie ausgeführt berechtigen nach dieser Vorschrift Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften ausnahmsweise dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn ein solcher Verstoß das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (erneut BAG vom 15.11.2000, a. a. O., m. w. N.) ist entscheidend, ob bei einer hypothetischen Betrachtung eine ohne den Verstoß durchgeführte Wahl zwingend zu demselben Ergebnis geführt hätte.

Das kann nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (erneut vom 15.11.2000, a. a. O.) bei einem Verstoß gegen das Gebot der öffentlichen Stimmauszählung nicht angenommen werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es während der Stimmauszählung zu Fehlern gekommen ist, die im Falle der öffentlichen Auszählung nicht unterlaufen wären. Es komme nicht darauf an, ob tatsächliche objektive Anhaltspunkte für solche Fehler vorliegen. Die Vorschrift des § 18 Abs. 3 Satz 1 BetrVG (hier: analog) sei gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie der Minderung abstrakter Gefährdungen dient.

Dem ist jedenfalls mit der Erwägung zuzustimmen, dass Wahlverfahrensrecht nach Möglichkeit striktes Recht zu sein hat, dass Auslegungs- bzw. Interpretationsspielräume - soweit dies durch Sprache machbar ist - ausschließt oder soweit als möglich eingrenzt bzw. beschränkt. Dies ist dem Demokratieprinzip geschuldet, das mit der Akzeptanz und der Akzeptierbarkeit von Wahlen steht und fällt.

III.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil in Beschlussverfahren weder Gerichtskosten erhoben werden noch eine prozessuale Kostentragungspflicht besteht.

Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Denn der entscheidungserheblichen Rechtsfrage kommt keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) zu. Zum einen ist sie durch das Bundesarbeitsgericht in einer aus Rechtsgründen vergleichbaren Sache bereits beantwortet. Zum anderen kann sie nicht mehr relevant werden. Denn die fortgeltenden Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes 1952 sind durch das Drittelbeteiligungsgesetz für Wahlen, die seit dem 01.07.2004 eingeleitet worden sind und werden, abgelöst worden. Aufgrund § 5 Abs. 2 Nr. 14 der dazu erlassenen Wahlordnung sind nunmehr Ort, Tag und Zeit der Stimmabgabe "und der öffentlichen Stimmenauszählung" zur Pflichtangabe im Wahlausschreiben erhoben worden.

Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht ihrerseits durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden kann. Möglich ist dies im Ergebnis aus den in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Gründen.

Ende der Entscheidung

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