Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Sächsisches Oberverwaltungsgericht
Beschluss verkündet am 22.06.2009
Aktenzeichen: 1 A 283/08
Rechtsgebiete: VwGO, VwVfG


Vorschriften:

VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
VwVfG § 37
VwVfG § 44
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss

Az.: 1 A 283/08

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Soforthilfe aus dem Hochwasserprogramm 2002 (U)

hier: Antrag auf Zulassung der Berufung

hat der 1. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Dr. Grünberg, den Richter am Oberverwaltungsgericht Kober und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Schmidt-Rottmann

am 22. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 7. April 2008 - 11 K 2498/05 - wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird unter Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts Dresden vom 11. April 2008 - 11 K 2498/05 - für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 37.500,- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - dargelegt, dass ein Zulassungsgrund vorliegt. Das Darlegungserfordernis verlangt, dass ein Antragsteller im Zulassungsverfahren zum einen zumindest einen Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 VwGO bezeichnet und zum anderen herausarbeitet, aus welchen Gründen die Voraussetzungen des bezeichneten Zulassungsgrundes erfüllt sind. Das Oberverwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über die Zulassung der Berufung darauf beschränkt, das Vorliegen der von dem Antragsteller bezeichneten Zulassungsgründe anhand der von ihm vorgetragenen Gesichtspunkte zu prüfen.

Die von der Klägerin dargelegten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

Zunächst bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dieser Zulassungsgrund dient der Gewährleistung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, mithin der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrages ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Ernstliche Zweifel sind deshalb anzunehmen, wenn tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage gestellt werden, dass der Ausgang eines Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 23.6.2000, DVBl. 2000, 1458). Da sich ernstliche Zweifel auf das Entscheidungsergebnis und nicht auf die dafür gegebene Begründung beziehen, scheidet eine Zulassung der Berufung aus, wenn sich die angefochtene Entscheidung aus anderen als den vom Verwaltungsgericht angeführten Gründen als richtig darstellt (SächsOVG, Beschl. v. 22.7.2002 - 5 B 103/02 - m. w. N.; st. Rspr.).

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 4.5.2005 und deren Widerspruchsbescheid seien rechtmäßig. Diese habe die ausgereichten Flutmittel zu Recht zurückgefordert. Die Klägerin habe daher auch keinen Anspruch auf Feststellung der Nichtigkeit der Verwaltungsakte. Die Bescheide seien hinreichend bestimmt. Für die Klägerin lasse sich aus der Begründung der Bescheide und der jeweiligen Höhe der Rückforderungssumme ohne weiteres entnehmen, dass die ausgereichten Mittel insgesamt zurückgefordert würden. Dies habe die Klägerin nach ihren schriftlichen Äußerungen im Widerspruchsverfahren auch ersichtlich so verstanden. Spätestens mit Erlass des Widerspruchsbescheides seien aber sämtliche Zweifel ausgeräumt gewesen. Die Erstattungs- und Widerrufsbescheide seien mit der Folge ihrer Unanfechtbarkeit bestandskräftig. Die Klägerin habe ihren Widerspruch nicht fristgemäß eingelegt. Zur Begründung werde auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheids Bezug genommen. Insbesondere sei die Einschätzung der Beklagten, dass Wiedereinsetzungsgründe weder dargetan noch ersichtlich seien, nicht zu beanstanden.

Die Klägerin wendet ein, das Verwaltungsgericht hätte eine Nichtigkeit der Widerrufs- und Erstattungsbescheide annehmen müssen. Diese seien nämlich nicht hinreichend bestimmt. Ihnen lasse sich nicht entnehmen, welcher Bewilligungsbescheid in welcher Höhe aufgehoben werden solle. Sie habe im Widerspruchsverfahren nicht zum Ausdruck gebracht, sie verstehe die Rückforderungsbescheide dahin, dass mit ihnen die Flutmittel insgesamt zurückgefordert werden sollten. Die Bescheide seien alle unter einer einheitlichen Kunden- und Hochwassernummer geführt worden und beinhalteten nur einen teilweisen Widerruf. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf die Klarstellung im Widerspruchsbescheid sei fehlerhaft. Ein Mangel, der zur Nichtigkeit eines Bescheides führe, könne nicht geheilt werden. Das Urteil verhalte sich nur zum Hilfsantrag und setze sich mit dem Hauptantrag, der auf die Aufhebung der Widerrufs- und Erstattungsbescheide vom 4.5.2005 gerichtet sei, nicht auseinander. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden aber auch deshalb, weil es den Widerspruch als nicht fristgemäß eingelegt bewertet habe. Jedenfalls sei es fehlerhaft, pauschal auf die Gründe des Widerspruchsbescheids Bezug zu nehmen. Die Durchführung eines Vorverfahrens sei aufgrund der Nichtigkeit der angefochtenen Bescheide bereits nicht erforderlich gewesen. Durch das Verwaltungsgericht hätte aber auch Widereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist gewährt werden müssen. Der fristgemäße Antrag auf Wiedereinsetzung sei konkludent in der nachgeholten Handlung, nämlich in der Einlegung des Widerspruchs mit Schreiben vom 22.6.2005, zu sehen.

Diese Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich nicht, dass die Widerrufs- und Erstattungsbescheide vom 4.5.2005 entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nichtig sein könnten. Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG nichtig und damit unwirksam, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet (§ 44 Abs. 1 VwVfG). Dies ist insbesondere in den in § 44 Abs. 2 VwVfG genannten Fällen anzunehmen. Für das Vorliegen einer solchen Fallkonstellation ist hier aber weder etwas Substanzielles vorgetragen noch ersichtlich. Die Widerrufs- und Erstattungsbescheide leiden insbesondere nicht wegen fehlender Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG) an einem schwerwiegenden Mangel. Hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes bedeutet, dass der Inhalt der getroffenen Regelung, der Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen für die Beteiligten und den Adressaten klar und unzweideutig erkennbar sein muss (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 37 Rn. 5 m. w. N.). Nichtig sind nicht hinreichend bestimmte Verwaltungsakte, wenn die bestehende Unbestimmtheit offensichtlich ist (vgl. Kopp/Ramsauer, a. a. O., § 44 Rn. 26). Gemessen daran sind die streitgegenständlichen Widerrufsbescheide weder offensichtlich noch in einer zu ihrer Rechtswidrigkeit führenden Weise unbestimmt. Denn aus der Überschrift "Widerrufs- und Erstattungsbescheid", dem Tenor und den Gründen der Bescheide ergibt sich eindeutig, dass mit diesen gewährte Zuwendungen zurückgefordert werden. Dabei lassen sich die 3 Widerrufs- und Erstattungsbescheide vom 4.5.2005 auch ohne weiteres den einzelnen Zuwendungsbescheiden zuordnen. Dem steht weder die einheitliche Kunden- und Hochwassernummer oder die teilweise einheitlich verwendete Auftragsnummer entgegen, noch dass es in Absatz 1 des Tenors des jeweiligen Widerrufs- und Erstattungsbescheides vom 4.5.2005 heißt: "...teilweise widerrufen...". Zum einen unterscheidet sich die Auftragsnummer der Widerrufs- und Erstattungsbescheide vom 4.5.2005 bereits teilweise, denn es werden 2 verschiedene Auftragsnummern - 080833989 - sowie - 080835876 - genannt. Zum anderen werden in den 3 streitgegenständlichen Bescheiden aber auch jeweils das Datum des in Bezug genommenen und widerrufenen Zuwendungsbescheides, nämlich insoweit die 3 unterschiedlichen Daten 2.9.2002 - Auftragsnr.: 080833989 -, 4.9.2002 - Auftragsnr.: 080835876 - und 10.9.2002 - Auftragsnr.: 080835876 - sowie die Höhe der jeweils gewährten Zuwendungen von 1.000,- €, 15.000,- € und 14.000,- € genannt. Im nächsten Absatz der Widerrufs- und Erstattungsbescheide wird dann für den zuvor konkret bezeichneten Bescheid der Rückforderungsbetrag von 1.000,- €, 15.000,- € und 14.000,- € ausgewiesen. Mithin ist bereits nach dem Tenor der 3 Widerrufs- und Erstattungsbescheide klar, dass jeweils (d. h. mit jedem der 3 Bescheide) die Gesamtsumme der bewilligten Zuwendungen zurückgefordert wird und die Verwendung des Wortes "teilweise" damit auf einem Schreibfehler beruht. Dies wird zudem durch die jeweilige Begründung der Bescheide deutlich. In diesem wird die Rückforderungssumme und der konkrete Zuwendungsbescheid unter Angabe des Datums noch mehrfach genannt. Auf die Frage, ob eine nicht hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes ggf. im Widerspruchsverfahren geheilt werden kann, kam es hier deshalb bereits nicht mehr an.

Soweit die Klägerin einwendet, dass sich das Urteil nicht zu ihrem Hauptantrag verhalte, kann dem nicht gefolgt werden. Denn bereits im ersten Absatz der Entscheidungsgründe wird ausgeführt, dass die Bescheide vom 4.5.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2005 rechtmäßig seien und die Beklagte die zugewandten Fluthilfemittel zu Recht zurückfordere. Dabei kann dahin stehen, ob das Verwaltungsgericht in seiner weiteren Begründung zum Hauptantrag auf S. 6 des Urteils zu Recht von einer Bestandskraft der streitgegenständliche Bescheide ausgegangen ist. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist nämlich auch nichts dafür ersichtlich, was für deren Rechtswidrigkeit sprechen könnte, da insbesondere das Erfordernis der ausreichenden Bestimmtheit - wie zuvor ausgeführt - hier erfüllt ist.

Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten in diesem Sinne weist eine Rechtssache auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d. h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da es auf die von der Klägerin für klärungsbedürftig erachtete Rechtsfrage nicht ankommt. Das Verwaltungsgericht hat sich nämlich ausweislich der Entscheidungsgründe - wie bereits zuvor ausgeführt - sowohl mit dem Hilfs- als auch mit dem Hauptantrag auseinander gesetzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1 und Abs. 3 GKG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 GKG, § 43 Abs. 1 GKG, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG. Danach ist für die Streitwertfestsetzung sowohl im Verfahren erster Instanz als auch für das Verfahren auf Zulassung der Berufung die Höhe des Rückforderungsbetrages zuzüglich eines Viertels des Erstattungsbetrages maßgebend. Ein auf eine Geldleistung gerichteter Verwaltungsakt im Sinne von § 52 Abs. 3 GKG ist dabei auch der Verwaltungsakt, der einen eine Geldleistung zusprechenden Verwaltungsakt aufhebt. Einem solchen Verwaltungsakt kommt, was die Festsetzung des Streitwertes angeht, dieselbe wirtschaftliche Bedeutung zu, wie dem aufgehobenen Verwaltungsakt (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 29.6.2001, NVwZ-RR 2002, 77). Soweit ein Antragsteller daneben die Aufhebung eines mit Leistungsbescheid festgesetzten Erstattungsbetrages begehrt, ist der Streitwert um ein Viertel dieses Betrages zu erhöhen (SächsOVG, Beschl. v. 4.2.2008 - 1 B 217/07 -). Die Festsetzung der Erstattung stellt eine selbständige Beschwer für den Adressaten dar, weil dieser Leistungsbescheid einen vollstreckbaren Titel beinhaltet. In Anwendung dieser Grundsätze beläuft sich der Streitwert auf 37.500,- € (14.000,- € + 15.000,- € + 1.000,- = 30.000,- € zuzüglich 1/4 dieses Betrages = 30.000 € + 7.500,- € ). Die Zinsforderungen führen nicht zu einer Erhöhung des Streitwertes (§ 43 Abs. 1 GKG). Ebenfalls außer Betracht bleibt der Hilfsantrag, weil er auf dasselbe wirtschaftliche Interesse gerichtet ist (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

Zurück